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Tanzverbot 1914
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GrammophonTeam
Fr Mär 28 2014, 21:53 Druck Ansicht
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⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1825
Mit Ausbruch des ersten Weltkrieg erlässt Kaiser Wilhelm II. 1914 ein öffentliches Tanzverbot.
Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die "öffentliche Lustbarkeit". Auch für die Schallplatten Industrie hatte es Konsequenzen. Zwar stimmt es nicht das zwischen 1914 und 1918 gar keine Platten mehr aufgenommen wurden, es fallen jedoch fast schlagartig Aufnahmen moderner Tanzmusik weg. Strafbar war es auch "die Übertretung (des Verbot) anzureizen".
Gelegentlich finden sich in den Katalogen noch vereinzelt Walzer - dies war es aber dann quasi...

Nicht nur der Tänzer, auch der Schallplatten Käufer war von der Entwicklung um Deutschland herum quasi abgeschnitten. Dies hatte bis in die frühen zwanziger Jahre folgen für das Verständnis "moderner Musik".
Gerade in diese Zeit fällt der Übergang vom Ragtime zum Jazz (auf Schallplatte).

Kaiserlicher Erlass 1914
Tanzverbot




"Auf Grund der Kaiserlichen Verordnung vom 31. Juli 1914 betreffend die Erklärung des Kriegszustandes, des Artikels 68 der Reichsverfassung.... bestimme ich im Interesse der öffentlichen Sicherheit folgendes...: Unter die in meiner Verordnung vom 22. Dezember 1914... verbotenen Tanzlustbarkeiten fallen alle in öffentlichen Lokalen abzuhaltenden, also auch die von sogenannten geschlossenen Vereinen oder einzelnen Personen zu veranstaltenden Tanzlustbarkeiten. Wer das... Verbot übertritt oder zu seiner Übertretung anreizt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft."
General von Linde-Suden


Dieses Tanzverbot wurde erst vom 31. Dezember 1918 zum 1. Januar 1919 aufgehoben.
Das Berliner Tageblatt schreibt dazu am 1. Januar 1919:


Wie ein Rudel hungriger Wölfe stürtzt sich das Volk auf die langentbehrte Lust. Noch nie ist in Berlin so viel, so rasend getanzt worden.


Bald danach greift das "Foxtrott-Fieber" um sich... 1919 - Man tanzt Foxtrot in Deutschland!
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gramofan
Sa Mär 29 2014, 20:33
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Okt 01 2011, 20:32
Wohnort: bei Berlin
Beiträge: 1167
Danke für diese Fundstelle ich hatte schon mal das RGBl. durchgesehen war aber für 1914 ff. (im Gegensatz zu 1939 ff.) nicht fündig geworden.
Ergänzender Hinweis: dieses Verbot galt nach seinem Wortlaut nicht reichsweit, sondern "nur" für den Bereich des 10. Armeekorps. Das müsste (nach wikipedia) die preußische Provinz Hannover gewesen sein, also grob der Bereich des heutigen Niedersachsen. Interessant wäre dann, ob es weitere parallelgelagerte Verbote von anderen Armeekorps gab - und ob dann eventuell noch regionale Lücken verblieben sind, in denen kein Tanzverbot herrschte.
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Formiggini
So Aug 24 2014, 11:53

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Schon vor dem Krieg wurde die "Tangofrage" diskutiert. Bis heute ist häufig zu lesen: Der Kaiser (der keine modernen Tänze mochte) verbot seinen Soldaten den Tango. Dies ist jedoch historisch nicht richtig. Schon damals wurde in unterschiedlichen Blättern darauf hingewiesen - ein offizielles Verbot per Erlass gab es nicht. Der Kaiser äußerte nur mündlich den "Wunsch". Wobei dies sicherlich dem "Bürger in Uniform" einem Befehl recht nahe kam...

Berliner Tageblatt, 20.11.1913


Das "allgemeine Tanzverbot" während des Krieges erging möglicherweise aus der Erklärung des Kriegszustandes am 31. Juli 1914.




Dazu zwei Artikel aus der damaligen Tagespresse:

Einquartierung statt Tanz


Tanzen ja bitte - nur keine "Schieber" und "Wackeltänze"!
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Musikmeister
So Aug 24 2014, 16:54
Autor
⇒ Mitglied seit ⇐: So Aug 21 2011, 21:23
Wohnort: Hamburg
Beiträge: 1079
F.W.Koebner "Das neue Tanzbrevier" (1920), Seite 112/113
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