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"Gramophone Record Red Seal" - Das seltenste Grammophon-Label
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Starkton
Do Aug 14 2014, 18:37 Druck Ansicht
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Das "Gramophone Record Red Seal" Label

Wohl jeder Sammler früher Schallplatten kennt das rote Luxuslabel der Grammophon Gesellschaft. Es wurde 1902 eingeführt, kam millionenfach auf 25 cm "Gramophone Concert Records" und 30 cm "Gramophone Monarch Records" berühmter Künstler zum Einsatz, und ist auch heute noch leicht zu finden.

Von höchster Seltenheit sind dagegen die wenigen 17 cm (7 inch) Pressungen mit dem interessanten Labelaufdruck "Gramophone Record Red Seal." Obwohl alle Plattenformate des roten Luxuslabels der Grammophon Gesellschaft in Deutschland als "Red Seal" bezeichnet wurden, taucht dieser Terminus ausschließlich auf den kleinen 17 cm Platten auf.

Interessantes Detail: In England hießen diese teuren Platten "Red Label", in Frankreich "L'Etiquette Rouge", in Italien "Etichetta Rossa" und in Russland "Extra". "Red Seal" war offenbar eine Wortschöpfung der Deutschen Grammophon A.G. von April oder Mai 1902. Die Victor Talking Machine Co. übernahm diesen Terminus im März 1903 für die ersten aus Europa importierten Luxusplatten und ließ ihn sich im Jahr darauf sogar schützen. Auf den Victor-Labels ist "Red Seal" aber nicht aufgedruckt.

Hier das Titelblatt eines D.G.A.G. Katalogs von 1906. Die kleinen 17 cm Platten sucht man darin aber vergebens. Sie sind in sehr wenigen Katalogen, und dann auch nur sehr kurz, gelistet. Sicher ein Grund für ihre Seltenheit.



Folgende russische und italienische Künstler sind auf "Gramophone Record Red Seal" veröffentlicht worden: Nikolai Figner, Anastasia Vyaltseva, Elisa Bruno, Alessandro Moreschi, Primo Vitti und eine Chorplatte der Cappella Sistina. Insgesamt etwa 20 verschiedene Aufnahmen, die letzten entstanden Anfang April 1902 in Mailand.

Eine diskografische Untersuchung wurde in Ermangelung von Vergleichsexemplaren bisher unterlassen. Mithilfe dreier Exemplare aus meiner Sammlung, sowie einem vierten Stück aus einer Internetquelle Link - Hier klicken, werde ich versuchen diese Lücke zu schließen.

Die russischen Aufnahmen von Figner und Vialtseva auf 17 cm "Red Seal" Platten sind alle im Spätherbst 1901 in St. Petersburg aufgenommen worden. Sie erschienen Anfang 1902 zuerst ohne Papieretikett, das heißt als so genannte "Berliner" Platten. Nur wenige wurden gepresst und diese sind danach mit Sicherheit vor Einführung des Luxuslabels vom Markt genommen worden. Vor geraumer Zeit ist eine 17 cm Berliner Platte von Nicolai Figner in einer amerikanischen Auktion aufgetaucht. Es dürfte die einzige in 20 Jahren gewesen sein.

Erst die Neuauflage von Mai 1902 besaß also das prestigeträchtige "Gramophone Record Red Seal" Etikett. Der Pressstempel der Erstauflage, das heißt der Berliner Platten, war aufgrund der eingravierten Beschriftung nicht mehr brauchbar, bzw. hätte aufwendig nachbearbeitet werden müssen. Die Grammophon Gesellschaft zog jedoch stets mehr als nur einen Pressstempel vom Wachsoriginal ab. Es kam für die neue Auflage deshalb ein zweiter Pressstempel, erkennbar an der römischen "II" nach der eingeritzten Bestellnummer auf 12 Uhr auf dem Spiegel, zum Einsatz.

Die Aufwertung von der "Berliner" zur "Red Seal" Ausführung hatte einen rein kommerziellen Hintergrund. Die optische Veredelung rechtfertigte in den Augen der Kunden offenbar, dass diese Platten nun das Doppelte kosteten. Die oben erwähnten italienischen Aufnahmen erschienen übrigens im Mai 1902 von Beginn an als "Red Seal," wurden aber ab 1904 zum schwarz/goldenen Normaletikett "degradiert." Ein Schicksal, das den russischen Aufnahmen offenbar erspart blieb.


Hinweis: Wenn man die einzelnen Labels anclickt erkennt man sie besser.



Die 1. Version von Mai 1902 wurde in Hannover gepresst. Erkennungsmerkmal ist vor allem der kleine "Schreibenden Engel" zwischen zwei großen "Patented" Inschriften. Das so genannte "flush" Label liegt, wie auch bei der folgenden 2. und 3. Version, flach auf der Platte. Man hatte in der Druckerei offenbar einige Qualitätsprobleme, deshalb ist der Goldaufdruck bei allen mir bekannten Exemplaren der 1. Version fehlerhaft.



Auf der 2. Version von frühestens Juli 1902 ist der "Schreibende Engel" gewachsen und das "Patented" geschrumpft. Diese Platte wurde in Riga mit dem aus Hannover herbei geschafften Stempel gepresst, wie die Beschriftung "Reproduced in Russia" auf der Plattenrückseite belegt. Ein wichtiges Datierungsmerkmal, denn die dortige Pressfabrik öffnete erst im Juli 1902. Sie sollte die Transportwege für den wichtigen russischen Markt, damals noch versorgt durch eine Filiale der Deutschen Grammophon A.G., verkürzen.



Die 3. Version von c. Oktober/November 1902 erkennt man an der veränderten Position des "The" vor "Gramophone and Typewriter Ltd." Auch sie entstand in Riga.

Danach hat man das Pressen der 17 cm "Red Seal" Platten offenbar eine Zeitlang eingestellt, weil der (einzige) Pressstempel verbraucht war. Es ist mir jedenfalls kein einziges Exemplar von Ende 1902 bis 1903 bekannt. Pressungen aus dieser Zeit erkennt man daran, dass das "raised" Label auf einem erhöhten Plateau aufgebracht ist, um es vor Nadelläufern zu schützen die das Label verkratzen würden.



Die anhaltende Nachfrage sorgte dafür, dass etwa ein Jahr später zumindest einige Platten neu aufgelegt wurden. Bei der 4. und letzte Version von Ende 1903, oder 1904, Quelle: Link - Hier klicken, mit verändertem Schriftbild ist das "raised ring" Label deutlich kleiner und erhielt einen erhabenen Außenring als Abriebschutz. Die Bestellnummer auf 12 Uhr und die Matrizennummer auf 6 Uhr im Plattenspiegel sind graviert, nicht wie zuvor eingeritzt. Das "CO" auf 9 Uhr zeigt, dass der Pressstempel von einer Schellackplatte, und nicht vom Wachsoriginal, abgenommen wurde.

[ Bearbeitet Mo Apr 24 2023, 16:38 ]
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