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Trichtergrammophon mit Glas-Seiten-Gehäuse und Piedestal
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PONOPHON
Di Okt 18 2016, 17:48 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Dez 12 2015, 17:45
Wohnort: Österreich
Beiträge: 246
HERSTELLER: Einzelanfertigung
MODELL: Trichtergrammophon mit Unterschrank
SERIENNUMMER: Keine
JAHR: Ich vermute kurz vor dem 1. Weltkrieg (1912 bis 14?)
DAMALIGER PREIS: Unbekannt
GEHÄUSE: Eiche massiv mit Intarsien Bändern aus hellen und dunklen Hölzern Glasseiten und Spiegel. Das Grammophon misst am Sockel 45,5 x 41,5 cm und ist 23cm hoch. Das Piedestal misst an der breitesten Stelle 53 x 47,5cm und ist 100cm hoch.
PLATTENTELLER: Durchmesser 25 cm
TRICHTER: Messing Hexenhut Trichter Durchmesser 56,3cm, Länge ohne Knie 64cm
MOTOR: Doppelfeder Motor der Marke PAILLARD
SCHALLDOSE: Modell „Universal“ an Parlophon Tonarm und Trichterhalter

Heute möchte ich Euch ein Grammophon vorstellen, das es kein zweites Mal gibt.
Ich konnte es heuer im Sommer ersteigern und habe es sofort am darauffolgenden Tag in der Nähe von Darmstadt abgeholt. Leider konnte ich vom Vorbesitzer nichts darüber in Erfahrung bringen, nur dass es aus der Familie stammte. Er hatte sich einen wesentlich höheren Kaufpreis erhofft, war zwar sehr nett, aber sichtlich wenig erfreut und nicht sehr gesprächsbereit. Ich habe ihn noch einmal angeschrieben, aber leider keine Antwort erhalten.
Jedenfalls stammt es 100% aus der Zeit und ist kein moderner Nachbau (Ich sammle seit 35 Jahren und habe eine gewisse Ahnung), es ist aber mit Sicherheit eine Einzelanfertigung. Vermutlich von einer Tischlerei, passend zu einer Einrichtung gefertigt.
Es ist aus massivem Eichenholz gearbeitet, nicht im typischen „Industrie Stil“. Die Einlegearbeiten sind eingestemmt und es weist korrigierte Verarbeitungsfehler auf. Der Motor und die Beschläge stammen von Palliard, wobei der Trichterhalter typisch für Parlophon ist. Es hat mich ungeheuer angesprochen wegen Der Glasseiten, aber auch wegen dem schönen Piedestal und dem riesigen Hexenhuttrichter, der bei mir seine traumhafte Patina behalten darf und nicht poliert wird.
Den Filz Belag des Plattentellers musste ich austauschen, denn der wurde schon einmal erneuert, wie das viereckige Loch in der Mitte, dass mit einer Schere geschnitten wurde belegte.
Alle vernickelten Metallteile waren vor langer Zeit mit Goldfarbe überstrichen worden, diese habe ich abgenommen und die Vernickelung entsprechend der vorhandenen Patina aufgearbeitet.
Der Unterschrank war völlig aus dem Leim gegangen und sehr wackelig, den habe ich neu verleimt. Außerdem war die Glasscheibe an der Kurbel Seite mehrfach gesprungen, die musste erneuert werden.
Aber jetzt ist alles fertig und das Gerät erstrahlt nicht in neuem Glanz, sondern in alter Patina.
Der Motor ist sehr zugkräftig und der Klang (die Schalldosen Gummis wurden natürlich auch getauscht) ist sauber und kräftig.
Ich liebe es sehr, auch wenn (oder gerade weil es) es in keinem Katalog zu finden ist.













[link][img]https://grammophon-platten.de/e107_files/public










[ Bearbeitet Di Okt 18 2016, 17:51 ]
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Shellady
Di Okt 18 2016, 20:41
⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 11 2016, 10:34
Wohnort: München
Beiträge: 105
Ein unglaublich tolles Stück, dass du da ersteigert hast! Und ich finde es sehr gut, dass du die Patina wenn möglich draufgelassen hast. Zusammen mit dem reflektierenden Glas fände ich einen funkelnden Trichter wahrscheinlich zu überladen.

Schade nur dass der Verkäufer dir keinen weiteren Informationen geben kann/will. Wäre doch schon interessant was dahinterssteckt.

Könntest du nochmal ein Detailfoto von den Rollen machen? Sind die gummiert für Parkett oder für Teppich? Komische Frage, ich weiß ;)
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Starkton
Mi Okt 19 2016, 03:36
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Grammophon und Piedestal passen perfekt zusammen und haben eine sehr schöne Patina. Den Trichter hätte ich auch nicht auf Hochglanz poliert. Es bildet sich nur selten eine so gleichmäßige Oxidschicht.

Die Verarbeitung sieht professionell aus. Ich könnte mir schon vorstellen, dass es eine kleine Serie von einem nur regional verbreiteten Hersteller gegeben hat.
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PONOPHON
Mi Okt 19 2016, 17:55
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Dez 12 2015, 17:45
Wohnort: Österreich
Beiträge: 246
Hallo Janka, Deine Frage kann ich gar nicht so richtig beantworten. Ich vermute dass die Rollen aus einer Art Hart-Gummi bestehen. Sie sind aber jetzt steinhart und könnten auch aus einem sehr harten Holz wie Ebenholz bestehen. Leider kann ich es nicht eindeutig feststellen. Jedenfalls hast Du richtig beobachtet, dass sie nicht aus Messing sind. Der Kern ist sehr dunkel, die Laufflächen sind hell. Was aber keine Beschichtung ist sondern von einer Abnützung herrührt.

Zu den Verarbeitungsfehlern, die mich zur Annahme gebracht haben, dass es sich um eine Tischlerarbeit handelt möchte ich auch noch einige Bilder nachreichen.

Was aus Sicht des Tischlers durchaus ok ist, aber im professionellen Grammophonbau nicht üblich war ist der zu kleine Trichterhalter. Er wurde kurzerhand einfach so weit nach oben gesetzt, und in das obere Gesims eingelassen bis er passte.
Da hat sich jemand in der Richtung der zu schneidenden Gehrung geirrt. Aber bevor er die Sockelleiste ganz durchgeschnitten hat, hat ihn der Meister vermutlich mit einer kleinen Handgreiflichkeit und einem Schrei der durch Mark und Bein fährt davon abgehalten (so stelle ich mir den Alltag in einer Schneiderwerkstatt um 1910 nun mal vor).


Ähnliche Szenen dürften sich auch abgespielt haben als beim Einstemmen der Querverbindungen die Langlöcher durchgebohrt wurden.


Als die Schublade anstatt gezinkt einfach nur genagelt wurde, waren sich vermutlich alle einig, dass die Zeit davonläuft und etwas schneller gearbeitet werden musste um noch in den schwarzen Zahlen zu bleiben.

Was aus Sicht des Tischlers durchaus ok ist, aber im professionellen Grammophonbau nicht üblich war ist der zu kleine Trichterhalter. Er wurde kurzerhand einfach so weit nach oben gesetzt, und in das obere Gesims eingelassen bis er passte.




Die obere Deckplatte mit dem Motor hat auf der Unterseite einen Rahmen, mit dem sie in das Gehäuse eingelegt wird. Sie hält durch das Eigengewicht du das des Motors und ist zwischen Gummidichtungen eingeklemmt.
Allerdings ist die Konstruktion so gut, dass sich die Platte beim Aufziehen keinen Millimeter rührt. Man hat beim Betrieb des Grammophons in keiner Weise das Gefühl, dass da was nicht in Ordnung wäre.



Zum Abschluss noch ein Bild der Plattenfächer.
Liebe Grüße, Christian
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Shellady
Mi Okt 19 2016, 20:26
⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 11 2016, 10:34
Wohnort: München
Beiträge: 105
Nun muss ich mal ein bisschen über Tischlerarbeiten philosophieren. Was mich stutzig macht, ist der verpatzte Gehrungsschnitt. Solche Profile werden am laufenden Meter hergestellt und dann auf Länge geschnitten. Sollte es sich um eine Kleinserie handeln, glaube ich nicht, dass man diese falsch gesägte Leiste eingebaut hätte. Bei einer Einzelanfertigung allerdings, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Kunde das abgenommen hätte (es sei denn er hat dafür Rabatt bekommen).

Zweites seltsames Detail finde ich, dass die Rollengrundplatte etwas größer ist als der Fuß. Mich als Perfektionist ärgert sowas.

Vom Tischlerischen Standpunkt aus, wirkt es auf mich eher wie Produktion für den eigenen Bedarf. Da macht man manchmal Abstriche, die man dem Kunden nie anbieten würde. Aber realistisch ist diese Einschätzung vermutlich nicht, da Tischler zu der Zeit (auch heute noch) ja nicht wirklich viel Geld verdienen.

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Starkton
Fr Okt 21 2016, 11:44
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Das Detail mit der Gehrung ist schon ziemlich krass. Ich gebe Dir Recht, dass so ein Bauteil im seriellen Grammophonbau nicht verwendet werden würde. Die Konstruktion mit der gummigelagerten Deckplatte finde ich genial. Man hat bei anderen Grammophonen oft das störende Phänomen, dass sich die Deckplatte beim Aufziehen des Motors mitbewegt.

Plattenaufbewahrungsfächer sind aus gutem Grund senkrecht. Schallplatten aus einem Stapel heraus zu ziehen ist einfach zu umständlich. Horizontale Fächer kenne ich dagegen zur Aufbewahrung von Papiersachen (Briefe, Musikalien, Geschäftsunterlagen ...). Kann das Grammophon nicht passend zu einem bestehenden Schränkchen aus einer anderen Verwendung angefertigt worden sein?
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Fehlmann1960
Fr Okt 21 2016, 13:23
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Dez 19 2013, 15:39
Wohnort: CH- 4492 Tecknau
Beiträge: 445
Starkton schreibt:
Plattenaufbewahrungsfächer sind aus gutem Grund senkrecht. Schallplatten aus einem Stapel heraus zu ziehen ist einfach zu umständlich. Horizontale Fächer kenne ich dagegen zur Aufbewahrung von Papiersachen (Briefe, Musikalien, Geschäftsunterlagen ...). Kann das Grammophon nicht passend zu einem bestehenden Schränkchen aus einer anderen Verwendung angefertigt worden sein?


Bei meinem Brunswick Model 200 Standgrammophon Link - Hier klicken sind die Plattenfächer auch liegend, orizontal gefertigt. Aber wie Du schreibst, ist es umständlich die Platten herauszunehmen.
Gruss Thomas
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PONOPHON
Fr Okt 21 2016, 13:52
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Dez 12 2015, 17:45
Wohnort: Österreich
Beiträge: 246
Hallo Stephan, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Schränkchen zuerst da war, das Holz ist praktisch identisch von Maserung und Patina, auch passen die Profileisen zu gut zueinander, die der Deckplatte des Grammophons und der Platte des Schränkchens sind bis auf die Größe gleich. Dieser Größenunterschied wirkt sich aber sehr gut auf die Proportionen aus und ist sicher so gewollt.
Die waagrechten Fächer kennt man ja auch von anderen Grammophonschränken, das war üblich und wäre mir nicht verdächtig vorgekommen. „Le Concert Automatique“ zum Beispiel.
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