Das Meistersextett

Drüben in der Heimat
Das Meister-Sextett
von Josef Westner (humoresk)




Kontinuität oder Zäsur? Diese Frage stellte sich den nationalsozialistischen Machthabern nach 1933, als deren Kulturpolitik sich zwischen diesen beiden Polen bewegte. Zweifellos brachten das Jahr 1933 und die so genannte Machtergreifung der Nationalsozialisten einschneidende Veränderungen auf allen kulturellen Gebieten, die aber gerade im Bereich der Musik nicht radikal und strikt mit einem zentralen Datum zu verbinden sind. Die Frage nach Kontinuitäten ist schon deshalb eine schwer zu beantwortende, weil sich der Umbruch der Kultur durch das NS-Regime nicht für eine kurze Zeitspanne dokumentieren lässt: Es gibt vielmehr eine Übergangsphase, einen Kompromiss zwischen Unterdrückung und Duldung. Selbst das von den Nationalsozialisten definierte rassische Ausschlusskriterium ist keines, das von Anfang an stringent befolgt worden wäre. Es ist, um mit Albrecht Riethmüller zu sprechen, eher der Minimalkonsens, auf dem die NS-Kulturpolitik aufbaute. Kontinuität oder Zäsur? Diese Frage stellte sich auch den in Deutschland verbliebenen Comedian Harmonists. Und sie war leicht zu beantworten, zumindest im Sinne einer Absichtserklärung: Der Neubeginn sollte die Fortsetzung der alten Erfolge garantieren, in musikalischer wie in finanzieller Hinsicht.






Wohl noch bevor die ehemaligen Kollegen der Ur-Comedian-Harmonists Deutschland verlassen hatten, wurde – wie schon 1927 – im Berliner Lokal-Anzeiger eine Annonce geschaltet: „Weltberühmtes deutsches Gesangsensemble sucht zwei Tenöre und einen Bariton, nicht über 30 Jahre.“
Während die Ansprüche im Vergleich zu dem Vorsingen acht Jahre zuvor eher gestiegen sein dürften, war das Niveau der Bewerber wohl kaum höher. Die Suche nach neuen Mitstreitern gestaltete sich schwierig, einzelne überstanden die Probezeit nicht und wurden wieder ausgetauscht. In Richard Sengeleitner als zweitem, Fred Kassen als drittem Tenor und Walther Blanke als Bariton schien man schließlich die geeignetsten Mitarbeiter gefunden zu haben, die nicht – wie bei der Originalformation – als gleichberechtigte Teilhaber, sondern lediglich als Angestellte der drei Gesellschafter Robert Biberti, Erwin Bootz und Ari Leschnikoff unter Vertrag genommen wurden. Den Pianisten Janos Kerekes engagierte man für mehrere Monate als Korrepetitor, der die neuen Sänger in die Partituren einarbeiten und mit ihnen üben sollte.

Ein weiteres Problem der Neugründung bestand in der Namensgebung, über die ein Jahre andauernder Streit mit der Reichsmusikkammer entbrannte, der für das Ensemble von existentieller Bedeutung war, so Robert Biberti:

„Ich sagte damals: Wenn sich heute Herr Furtwängler nun nennen muss August Schultze und gibt ein Konzert und darf auch nicht darauf hinweisen, dass es ja eigentlich Furtwängler ist, so geht in das Konzert kein Aas, weil August Schultze nicht interessiert, auch wenn das Konzert allererster, berühmtester Klasse ist. Die Leute wissen es nicht und gehen deswegen nicht hin.“

Bei den Verhandlungen mit verschiedenen Vertretern der Reichsmusikkammer wurde absehbar, dass der alte Name nicht zu halten war – am 5. August 1935 wurde die Bezeichnung Comedian Harmonists untersagt –, Robert Biberti bemühte sich daher um eine pragmatische Lösung im Sinne der Gruppe: Er schlug den Namen „Meister-Sextett“ vor – wohl in Anlehnung an das frühere Meistersänger-Quartett seines Vaters – bat allerdings darum, einstweilen den Zusatz „früher Comedian Harmonists“ führen zu dürfen. Mit Bescheid vom 21. November 1935 wurde dieser Bitte entsprochen, die Verwendung aber von Seiten der Musikkammer genau verfolgt und reglementiert.

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26.05.2013

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