Der Phonograph - Funktion und Geschichte

Erste Versuche


Schallaufzeichnung, vor allem die menschliche Stimme zu konservieren war ein alter Menschheitstraum. Auch das eingefrorene Posthorn Münchhausens, das aufgetaut die hinein gesprochenen Worte wiedergibt, spielt mit diesem Wunschtraum

Der Phonograph von Thomas Edison ermöglichte erstmals Schall aufzuzeichnen und wiederzugeben. Allerdings lag die Erfindung der Tonaufzeichnung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts quasi in der Luft.
Wenden wir uns zunächst den direkten Vorläufern des Phonographen zu.


Phonautograph



Édouard-Léon Scott de Martinville konstruierte 1857 den ersten Phonautographen (wörtlich Tonselbstschreiber), Zweck dieses Gerätes war es den aufgezeichneten Ton zu analysieren.


Édouard-Léon Scott de Martinville


Der Schall wurde in einem Trichter gebündelt, an dessen Ende saß eine Membran aus dünner Tierhaut, auf der wiederum eine Schweineborste angebracht wurde. Die Schallschwingungen ließen Membran und Borste vibrieren. Unter der Scheibe drehte sich auf einem Zylinder ein mit Ruß geschwärzter Papierstreifen. - in diesen wurden die Schwingungen in Seitenschrift eingezeichnet.


Der Phonautograph


Eine Wiedergabe war (damals) nicht möglich. Der Erfinder des Phonautograph dachte auch nicht an diese Möglichkeit.
Erst 2008 war es mittels Computertechnik möglich diese frühen Tonaufzeichnungen auszulesen, und erstmals hörbar zu machen.


Hörbar gemachte Schallaufzeichnungen - 1860


Die ersten Überspielungen 2008 wurden zu schnell aufgenommen, es hört sich an. als ob eine weibliche Stimme singt.
In richtiger Geschwindigkeit abgespielt, steht zu Vermuten das hier Scott selber singt.
Hier sind weitere Tonaufnahmen von 1859/60: Link - Hier klicken

Charles Cros - Paléophon



Charles Cros


Der französische Dichter und Erfinder Charles Cros (1842 - 1888) reichte am 30. April 1877 in der Pariser Akademie der Wissenschaften einen verschlossenen Umschlag mit seiner neuesten Erfindung ein. Es fehlten ihm jedoch die finanziellen Mittel seine Erfindung zu konstruieren.
Hier der Inhalt des Umschlages mit Cros Erfindung:

"Im allgemeinen besteht mein Prozeß darin, eine hin- und herbewegende Spur von einer vibrierenden Membran zu erhalten und sich dieser Spur zu bedienen, um dieselben Undulationen mit ihren inneren Beziehungen von Dauer und Intensität auf derselben Membran oder auf einer zu reproduzieren, die geeignet ist, die Töne oder Geräusche hörbar zu machen, die aus diesen Bewegungen resultieren.

Es handelt sich daher darum, eine äußerst zarte Zeichenschrift, wie die ist, welche man mittels eines leicht über eine angerauchte Fläche gleitenden Stiftes erhält, so umzuwandeln, daß man diese Zeichenschrift erhaben oder vertieft genügend widerstandskräftig genug erhält, um durch einen darüber gleitenden Körper eine tönende Membran in Schwingung zu versetzen.

Zu dem Zweck bringe ich einen leichten Index, z.B. einen Federbart, Haarpinsel usw. in der Mitte der vibrierenden Membran an und lasse denselben mit der angerauten Fläche in Berührung kommen.
Diese Fläche ist mit einer Scheibe verbunden, welche eine doppelte Bewegung, nämlich eine Drehbewegung und gleichzeitig eine geradlinige Bewegung ausführen kann.
Wenn die Membran sich in Ruhe befindet, so zieht der Index mit seine Spitze auf der angerauchten Fläche nur eine einfache Spirale, ist aber die Membran in vibrierender Bewegung, so wird die aufgezeichnete Spirale wellenförmig, und ihre Undulation entsprechend nach Zeit und Intensität genau den hin und hergehenden Bewegungen der Membran.

Hierauf überträgt man diese Spirale nach einer wohl bekannten photographischen Methode und mit Benutzung des galvanoplastischen Prozesses vertieft oder erhaben in das Metall und bringt die Platte in einen Apparat, welcher dieselbe in eine ähnliche Bewegung versetzt, wie die beim Aufzeichnen der Kurve benutzte Bewegung war, wobei ein Metallstift die Spur der Kurve verfolgt und dabei durch eine Feder auf eine vibrierende Membran wirkt, welche die Töne oder Sprechlaute wiederum dem Gehör bemerkbar macht.
Jedenfalls ist es vorzuziehen, die Spirallinie auf einem Zylinder anstatt auf einer ebenen Fläche anzubringen.


Was Cros hier beschreibt, ist nichts anderes als ein Grammophon mit Seitenschrift!

Der von Cros in der Pariser Akademie der Wissenschaften deponierte Umschlag entsprach einer provisorischen Patentanmeldung die ihm 1 Jahr lang Priorität vor anderen Erfindern einräumte, bevor er sein endgültiges Patent einreichen musste. Es zeigte sich dass seine Überlegungen zwar das Prinzip des Grammophons in groben Zügen vorweg nahmen, allerdings praktisch nicht ausführbar waren. Eine nicht umsetzbare Erfindung kann man auch heute nicht patentieren lassen.

Sein Umschlag wurde erst am 3. Dezember 1877 vor den Mitgliedern der Akademie geöffnet und verlesen.
Nur 3 Tage später, am 6. Dezember 1877 gelang in Amerika einem anderen Erfinder die erste Schallaufzeichnung:


Der Phonograph




Thomas Edison arbeitete ab dem Frühjahr 1877 in seinem neu eingerichteten Laboratorium in West Orange/New Jersey an einem automatisch aufzeichnenden Telegraphenschreiber.

Die Morsesignale wurden mittels eines Stahlstiftes in einen darunter vorbei laufenden, feuchten Papierstreifen eingedrückt. Als Weiterentwicklung ersetzte Edison bei der "Wiedergabe" der Morsesignale den Telegraphen durch Teile des gerade erfundenen Telephons mit einer Membran sowie einem Stift auf der Membran.

Der von Edison am 26. März 1877 zum Patent angemeldete Automatische Telegraph übertrug Morsezeichen als Vertiefungen mit Hilfe eines Elektromagneten spiralförmig auf eine Papierscheibe. Beim Abtasten und Weiterleiten der gespeicherten Nachricht entstand ein schnurrendes Geräusch. Das brachte Edison auf den Gedanken der Tonaufzeichnung und -wiedergabe mittels Tiefenschrift. Er nahm ursprünglich an, dass jeder gesprochene Buchstabe charakteristische Vertiefungen bewirkt, die man wie gedruckte Lettern aneinander reihen kann um wieder Sprache zu erzeugen.

Die ursprüngliche Idee Edisons war zunächst daraus einen mechanischen Telephonverstärker zu entwickeln, doch ab dem Sommer 1877 erkannte Edison, das mit seiner Erfindung auch die Möglichkeit der Schallaufzeichung und Wiedergabe möglich sein müsse. Das Wort Phonograph taucht erstmals im August 1877 in Edisons Notizbüchern auf.
Von da an finden sich in seinen Aufzeichnungen viele Hinweise auf den zukünftigen Phonographen.



Der Papierstreifen wurde in der Entwicklung durch Zinnfolie ersetzt, das um einen Zylinder gewickelt war. Im November 1877 erhielt Edisons Feinmechaniker Kruesi von seinem Chef eine Skizze anhand der er einen Phonographen bauen sollte. Vorgabe Edisons war ein Stückpreis von 18.- Dollar.


Skizze an Kruesi


Am 6. Dezember 1877 erhielt Edison dieses Gerät - der erste funktionierende Phonograph stand vor ihm und wartete auf Erprobung!





Die ersten aufgezeichneten Worte die Edison in seinen Phonographen sprach wurden berühmt:


HELLO - HELLO - HELLO

Mary had a little lamb,
It's fleece was white as snow,
Everywhere that Mary Went,
The little lamb was sure to go.

HA - HA - HA


Diese erste Tonaufnahme ist verschollen - auch wäre sie nicht mehr abspielbar (außer man bearbeitet sie auf einem Computer wie die ersten Schallaufzeichnungen von 1860)

1927 besprach Edison erneut seinen Zinnfolienphonographen - hiervon sind seine ersten Worte in einen Phonographen erhalten:






Wie funktionierte nun der Phonograph (wörtlich: „Schall-“ oder „Klangschreiber“)?
Hierzu ein Artikel aus Meyers Konversations-Lexikon von 1884:


Ein Messingzylinder C wird von einer Welle A–A' getragen, in deren eine Hälfte A' ein Schraubengewinde eingeschnitten ist, dem das eine Wellenlager als Mutter dient. Auf der Oberfläche des Zylinders ist eine schraubenförmige Rinne von derselben Ganghöhe wie die Schraube A' eingegraben. Der Zylinder wird mit einem dünnen Stanniolblatt überzogen und ist nun zum Empfang der Zeichen bereit.


Der zeichengebende Apparat besteht aus einem Mundstück D, in dem eine dünne Platte E angebracht ist, die durch Vermittelung der Dämpfer F (Stücke von Kautschukschläuchen) den von einer Metallfeder getragenen Stift G sanft gegen den Zylinder drückt, so dass der ruhende Stift, wenn die Kurbel B gedreht wird, eine der Rinne des Zylinders folgende Schraubenlinie beschreiben würde.

Spricht man nun in das Mundstück, während der Zylinder gleichmäßig gedreht wird, so vibriert die Metallplatte, und der Stift bringt auf dem Stanniolblatt Eindrücke hervor, die den gesprochenen Lauten entsprechen. Um diese wieder hervorzubringen, schlägt man den Zeichengeber zurück, dreht den Zylinder rückwärts und bringt Stift und Mundstück wieder in die anfängliche Lage. Dreht man jetzt die Kurbel wie anfangs, so versetzt der Stift, indem er den Vertiefungen des Stanniolblattes folgt, die Metallplatte in Schwingungen, die mit denjenigen, die sie vorher beim Aufzeichnen gemacht hatte, übereinstimmen.


Vereinfacht gesagt: Sprach man sehr laut in das Mundstück, setzte der Luftdruck der Sprache die Membran in gleiche Schwingungen wie der Schall. Diese wurden auf den Stift der Membran übertragen, der im Rhythmus der Schallschwingungen unterschiedlich starke Vertiefungen in die Zinnfolie drückte - die sogenannte Tiefenschrift.

Drehte man erneut diese "Berg und Tal" Schrift unter dem Stift, bewegten diese Vertiefungen den Stift und die Membran. Diese gab die Vertiefungen wieder als Schallschwingungen ab - die zuvor gesprochenen Worte wurden wieder hörbar.



Der 22. Dezember brachte die erste Veröffentlichung seiner Erfindung, die im Scientific American vorgestellt wurde.


Am 24 Dezember 1877 meldete Edison seinen Phonographen zum Patent an, am 19. Februar 1878 wurde ihm unter der Nummer 200.521 das Patent erteilt.




Weiterentwicklung




Edisons Sprechapparat erregte viel Aufsehen, jedoch war der frühe Zinnfolien Phonograph auch noch von erheblichen Mängeln behaftet. Aufnahmen dauerten nicht mehr als c. eine halbe Minute, nach etwa fünf Abspielungen war die Aufnahme zerstört.
Immer musste ein neues Stück Zinnfolie um den Zylinder gewickelt werden, die vorherige Aufnahme konnte nicht dauerhaft konserviert werden.

So sind auch keine frühen Aufnahmen aus den späten 1870er, frühen 1880er Jahren erhalten.


Ein Streifen Zinnfolien Aufnahme in Vergrößerung


Im laufe der Jahre wurden von verschiedenen Konstrukteuren viele Zinnfolienapparate gebaut, über den Jahrmarktstatus kam die Erfindung aber kaum hinaus.
Edison wandte sich bald der Entwicklung der elektrischen Glühbirne zu - sein Phonograph trat erst mal in den Hintergrund.

Bell und Tainter


Bell und Tainter beschäftigten sich bereits seit 1881 mit der Verbesserung des Phonographen. Dazu wurde die schraubenförmige Rinne auf dem Messingzylinder eines Zinnfolienphonographen ("C" auf der Zeichnung) mit wachsähnlicher Masse gefüllt. Anstatt Vertiefungen auf Zinnfolie zu übertragen, schnitt ein kleiner Stichel bei der Aufnahme in diese Wachsfüllung. Die daraus resultierende Tiefenschrift wurde bei rotierendem Zylinder C mittels einer feinen Düse mit Pressluft "abgetastet" und dadurch hörbar gemacht.


Bereits Edison vermerkte die Idee, Platten förmige Tonträger zu verwenden


Bell und Tainter experimentierten sogar mit der Idee Licht als "Schreibmedium" zur Tonaufnahme zu verwenden, aber auch dies kam nicht über das Experimentierstadium hinaus.


Platten Graphophon, Bell & Tainter c. 1884


Versuchaufbau für ein Graphophon zur Aufnahme über moduliertes Licht


1885 kam man jedoch zur Walzenform zurück, da die Plattenkonstruktion zu kompliziert war. Bell und Tainter verwendeten eine dünne, längliche Walze aus Pappe, die mit einer feinen Wachsschicht überzogen wurde. Die Geräte behielten den Namen „Graphophone“ bei.

Die mit Wachs beschichtete Walze bot gegenüber der Zinnfolie erhebliche Vorteile: Es waren bedeutend bessere Aufnahmen möglich, mit einem erheblich reduzierten Nebengeräusch.
Vor allem aber, ließen sich diese Wachswalzen dauerhaft konservieren.

Edison lehnte jegliche Zusammenarbeit mit Bell ab.
Um die Graphophon-Patente des Volta Laboratoriums zu sichern, wurde am 6. Januar 1886 die Volta Graphophone Co. gegründet. Die Gründung der American Graphophone Co. zur Herstellung und Vermarktung des Graphophons erfolgte am 28. März 1887. Im Dezember 1891 bewarb sich die Columbia Phonograph Co. erfolgreich als Verkaufsagentur für die von der American Graphophone Co. hergestellten Graphophone.

Edisons Wachswalzen


Auch wenn im weiteren Verlauf von Wachswalzen die Rede ist, trifft es dieses nicht genau. "Wachsähnliche Masse" nennt es genauer, da es sich eigentlich bei dem Material um Seifen handelt.

Aufgrund der Konkurrenz der American Graphophone Company von Bell & Tainter sah sich Edison gezwungen die Arbeit an seinem Phonographen wieder aufzunehmen.

Edison nahm im Herbst 1886 die Arbeit an seiner lange vernachlässigten Lieblingserfindung auf und verkaufte im Juni 1888 alle Nutzungsrechte an dem noch unausgereiften verbesserten Phonographen an Lippincott. Die von Edison im Jahr 1887 etablierte Normalwalze aus Metallseifen und Harzen (Durchmesser fünfeinhalb Zentimeter, Länge zehneinhalb Zentimeter, 100 Schallrillen pro Zoll) wurde zum Industriestandard.

In einer angeblichen 72 Stunden Schicht, entwickelte Edison im Juni 1888 seinen "Perfected Phonograph". Angetrieben von einem Elektromotor, einer verbesserten Aufnahme und Wiedergabedose, vor allem aber auch mit Wachswalzen als Aufnahmemedium.
Diese Walzen konnten mehrfach abgeschliffen und neu bespielt werden.
Dieser Edison Phonograph sollte den ersten Siegeszug rund um die Welt antreten.

Marktreife



"Uraufführung" des Edison Phonographen in Europa, Paris 1888


Edison schickte seinen "Perfected Phonograph" auf Weltreise, teilweise vor sehr großem Publikum wurde die Sprechmaschine vorgeführt.
Eine der frühesten, erhaltenen Aufnahmen ist ein "Live - Mitschnitt" von Händels Oratorium „Israel in Ägypten“ am 29. Juni 1888 im Crystal Palace, London:


Leider ist von dieser Aufführung mit etwa 3000 (!) Chorsängern wenig verständlich.



Weitaus bessere Ergebnisse bringt diese Studioaufnahme, ebenfalls von c. 1888.



In Deutschland wandte sich Edison an Werner Siemens, um für seinen Phonographen Zugang zu "Höheren Kreisen" zu erhalten.
Sogar dem deutschen Kaiser Wilhelm wurde ein Phonograph an den Hof übersendet. Erhalten sind Teile des Schriftwechsels.



Der Technik interessierte Kaiser wurde ein großer Bewunderer der Sprechmaschine, worauf auch so manche Karikatur abzielte.



Ein Bankenkonsortium unter Beteiligung von Werner von Siemens trat ab Oktober 1889 in Verhandlungen über die Herstellung und den Vertrieb von Phonographen in Deutschland ein. Das Projekt scheiterte und erst im Dezember 1895 kaufte die Deutsche Edison-Phonographen-Gesellschaft m.b.H. die Rechte.


Edisons erster Gedanke war, den Phonographen zu nutzen, um eine tönendes Gedächntniss der Weltgeschichte zu erstellen - vor allem wollte er berühmte Stimmen der Zeitgeschichte aufnehmen.
So entstand auch die einzig erhaltene Aufnahme mit Otto Bismarck im Oktober 1889:



Wirklichen Erfolg brachten aber erst Musikaufnahmen.
Ab den 1890er Jahren entsandt ein immer breiteres Musikangebot auf Walzen.
Diese wurden zunächst vor allem auf Jahrmärkten einem staunendem Publikum vorgeführt.
Selten wurden Phonographen mit Trichtern verwendet, da man für jede Abspielung bezahlen musste, hatten die Vorführer ein Interesse daran, möglichst vielen (gleichzeitig zahlenden) Gästen die Abspielungen vorzuführen.

So wurde vor allem mit Hörschläuchen ähnlich einem Stethoskop den Darbietungen gelauscht.





Einige Instrumente ließen sich nur schlecht aufnehmen, für das Klavier z.B. musste der Trichter direkt über den Saiten positioniert werden.



Blasinstrumente haben einen gerichteten Ton und sind damit wesentlich effektiver aufzuzeichnen!



1898




St. Louis Tickle - Vess L. Ossman Banjo Solo




Massenprodukt


Ein großer Nachteil des frühen Phonographen war es, das die Walzenaufnahmen nur in geringen Stückzahlen gefertigt werden konnten.
Zunächst war jede einzelne Aufnahme ein Unikat.
Wurde von einem bestimmten Musikstück z.B. 500 Walzen bestellt, so musste der Titel auch 500 mal aufgenommen werden!

Man behalf sich dadurch, das bis zu 10 Aufnahmephonographen und Trichter nebeneinander platziert wurden. So musste obige Bestellung "nur noch" 50 mal aufgenommen werden, um auf die 500 Walzen zu kommen.


Walzenaufnahme mit vier gleichzeitig laufenden Phonographen


Schon vor 1900 versuchte man die Anzahl der Aufnahmen durch Kopien zu erhöhen.
Hierzu diente eine Kopiervorrichtung, die mittels eines phantographischen Systems durch Hebelsysteme die Rillen einer bespielten Walze auf eine leere Walze kopierte.

Dieses System ließ jedoch keine beliebige Anzahl an Kopien zu, da mit jeder Überspielung sich die Qualität verschlechterte. Jedoch konnte man nun einige hundert Kopien einer Aufnahme bewerkstelligen.


Prinzip der Walzenkopie



Apparat zur mechanischen Kopie von Walzen



Bereits seit 1889 beschäftigte sich Edison mit einem Gussverfahren zur Vervielfältigung seiner Walzen - zunächst aber ohne Erfolg.

Zum Anfertigen einer Gusswalze als Kopie wurde zunächst eine herkömmliche Walze direkt bespielt. Die Walze wurde danach von Wachsspänen befreit und stehend zwischen zwei unter Hochspannung stehenden Blattgold-Elektroden in Rotation gebracht. Hierdurch legte sich auf die bespielte Oberfläche ein hauchdünner Goldniederschlag. Dieser konnte dann galvanisch verstärkt werden.
Die Originalwalze wurde bei diesem Prozess jedoch zerstört.

Das Verfahren des Besputterns der Originalwalzen mit Gold im Vakuum funktionierte bereits im Frühjahr 1889 und wurde zur Vervielfältigung von Walzen eingesetzt. Edison veränderte extra zu diesem Zweck die Schneidengeometrie des Aufnahmestichels. Die geschnittenen Schallrillen waren nun im Querschnitt nicht mehr rechteckig sondern halbrund. Die für die pantographische Kopierung benötigten Masterwalzen konnten damit leichter aus der beim Besputterungsprozess gewonnenen Negativform herausgezogen werden.



Bedampfungsanlage für Goldguss Walzen

Von der erhaltenen Walzenmatrize konnten dann Walzen gegossen werden, die sich ihrerseits wieder für die Matrizenherstellung eigneten.
Dieses Verfahren gelangte erst um 1898 zu praktischen Anwendungen bei Kleinserien von Walzen, die dann als qualitativ hochwertige Vorlagen mit den herkömmlichen Kopiermaschinen zum Verkauf vervielfältigt wurden.
Erst 1902 ersetzte Edison die kopierten Walzen flächendeckend durch das Goldguss-Verfahren, auch Hartguss genannt. Da die Walzen nicht mehr direkt bespielt werden mussten, konnte man ein härteres Wachs verwenden, das sich nicht so schnell abnutzte wie das bis dahin eingesetzte braune Wachs.

Amberol-Wachswalzen


1908 veränderte Edison sein Walzenformat, indem er die Rillendichte verdoppelte. Die so übliche Spieldauer von gut zwei Minuten verlängerte sich auf über vier Minuten und sollte der Schallplatte so weiter Konkurrenz machen. Für ältere Edison-Phonographen wurden Umrüstungen angeboten, um beide Walzentypen spielen zu können. Da sämtliche erhältlichen Edison-Phonographen eine unterstützende Spindelführung besaßen, musste neben der Schalldose auch die Spindel entsprechend angepasst werden. Dabei bediente man sich meist einer Zahnradübersetzung, die die Spindel mit halber Geschwindigkeit laufen ließ und so den Spindelvorschub entsprechend der Rillendichte verlangsamte. Die ersten vierminütigen Schalldosen mit der Bezeichnung Model H unterschieden sich zu ihrem 2-Minuten-Pendant Model C lediglich durch ihren Abtaster, ebenfalls einem Saphir in Türknaufform, der jedoch um 90 Grad versetzt angebracht und deutlich kleiner war. Die 4-Minuten-Walzen wurden unter dem Namen „Amberol“ beworben, ein Kunstwort, das sich aus dem hochwertigen Amber (englisch, auf Deutsch Bernstein) herleitet. Sie bestanden zu dieser Zeit ebenfalls noch aus einer harten Wachsmischung, die jedoch noch spröder und zerbrechlicher war als die bei 2-Minuten-Walzen gebräuchliche Wachsmischung.

Blue Amberol-Zelluloidwalzen




Ab 1912 stellte Edison die Produktion von zweiminütigen Walzen ein und fertigte die vierminütigen Walzen aus Zelluloid, denen er den Namen „Blue Amberol Records“ gab; die Farbtöne variierten durch den Herstellungsprozess von einem hellen Himmelblau bis zu einer beinahe schwarzen Farbe. Eine Sonderserie für klassische Musik wurde auch in Purpur als „Royal Purple Amberol“ produziert. Der Herstellungsprozess war den Wachswalzen ähnlich, jedoch besaßen die Blue Amberols einen Kern aus Gips. Dieser wurde nach dem Pressvorgang des Zelluloidschlauchs eingegossen und auf Innenform gebracht.


Fertigungsanlage für Zelluloidwalzen

Aber selbst die nochmals verbesserten, aufnahmetechnisch hervorragenden, blau eingefärbten Blue Amberols konnten den europäischen, wie auch amerikanischen Tonträgermarkt, den inzwischen die Schallplatte dominierte, nicht mehr zurückerobern, behaupteten sich in den USA aber noch bis weit in die 1920er Jahre als wirtschaftlich jedoch nicht mehr lohnendes Tonträgersystem, vorwiegend aufgrund Edisons persönlicher Vorliebe zum Walzenformat.

Europäischer Markt




Nachdem Phonographen bis 1897 wegen ihres hohen Preises nur in geringen Stückzahlen in Deutschland abgesetzt werden konnten, änderte sich die Situation ab 1898 erheblich. Dies führte zu einer Gründungswelle deutscher Herstellerfirmen. Bis einschließlich 1903 wurden, vor allem wegen der billigen Gusswalzen, erheblich mehr Phonographen als Grammophone in Deutschland verkauft. Danach entwickelte sich ein Gleichstand. Mit Beginn des Jahres 1906 verloren Phonographen dann dramatisch an Boden und verschwanden, mit Ausnahme von Diktierphonographen in den Büros, bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges völlig von der Bildfläche.

Auch wurden meist einfachere, spindellose Phonographen angeboten. Mit diesen konnten keine eigenen Walzen aufgenommen werden, da hier die erforderliche Zwangsführung der Tondose fehlte.

Einige Spindellose Phonographen aus Deutschland







Lediglich in Frankreich setzte die Firma Pathé noch wesentlich länger auf das Walzen, bzw. Tiefenschrift Format.
Zwar wurden ab 1906 auch Platten gefertigt, jedoch wurden bis in die zwanziger Jahre alle Aufnahmen im Studio zunächst auf große Wachswalzen aufgenommen, die dann mittels eines phantographischen Systems auf Platte um kopiert wurden. Damit hatten die Pathé Platten ebenfalls das Tiefenschriftformat und sind nicht auf einem normalen Grammophon abspielbar.

Im Pathé Studio


Der Aufnahme Phonograph


Die deutsche Lindström stellte bereits 1907 die Produktion von Walzen ein, da sich das Plattenformat für Grammophone wesentlich besser verkaufte.



Lediglich als Diktiergerät in Büros konnte sich der Phonograph in Europa bis in die zwanziger Jahre behaupten.

Diktiergerät Parlograph der Carl Lindström AG


Ende der Phonographen Ära


Durch die Entwicklung der haltbaren und reproduzierbaren Schellackplatte des deutschen Erfinders Emil Berliner hatte die Wachswalze keine Zukunft mehr. Der Hauptvorteil der Schallplatte bestand in der ab 1902 verwendeten zweiten Seite, obgleich der Phonograph noch bis in die 1950er Jahre als Diktiergerät in den Büros zum Einsatz kam. Im Sommer 1929 lieferte Thomas Alva Edison die letzten seit 1912 aus Zelluloid gefertigten Walzen, sogenannte Blue Amberols, aus.

Edison hatte ab 1912 mit einem eigenen Schallplattenformat (Diamond Disc) aufgewartet und in den 1920er Jahren sogar Schallplatten mit einer Spieldauer von bis zu 24 Minuten, bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 80 U/min produziert. Edison widerstrebte die elektrische Aufnahme, da er aufgrund einer Hörschwäche keinerlei Vorteile gegenüber der akustischen Aufnahme mit einem Trichter wahrnehmen konnte. Zuletzt wurden sogar normale Schellackplatten und Koffergrammophone von Edison angeboten. Im Jahr 1929 versuchte sein Sohn, Charles Edison, die Edison Phonograph Company mit der Produktion von Radios zu retten, was nicht gelang. Im selben Jahr stellte die Edison Phonograph Company ihr Geschäft mit Tonträgern und Geräten vollständig ein.

Vielen Dank an unser Mitglied Starkton für das revidieren des Artikels!

Ãœber Uns

Wir sind mehr als ein Forum! Als eingetragener Verein arbeiten wir an der Beständigkeit unserer Leidenschaft.

Ãœber uns

Wir suchen Dich!

Du schreibst Artikel, möchtest im Forum als Moderator aktiv werden? Dir liegt Social Media. Bewahre Wissen! Wir warten auf dich.

Schreib uns

Tipps

Einsteiger-Ratschläge für optimale Nutzung und wichtige Aspekte beim Grammophon und Schellackplatten-Kauf.

Zu den Informationen