Norbert Faconi ~ Jazzorchester Faconi

Norbert Cohn
* 12. Oktober 1904 in Ingwiller (Elsass); † 2. September 1989 in Broward, Florida




Clausophonreklame 1928
Sammlung Berauscht


Anders als der Name vielleicht vermuten lässt handelt es sich bei Norbert Faconi nicht um einen geigenden Italiener. Es ist einer dieser Fälle bei denen das "Alias" eines Musikers irgendwann zum "Leben" wurde und mit der realen Person verschmolz.

Norbert Cohn wurde am 12. Oktober 1904 im elsässischen Ingwiller (Ingweiler/Frankreich) geboren und erlernte das Violinenspiel. Wohl zu Beginn der zwanziger Jahre kam Norbert Cohn nach Berlin.
Vermutlich Anfang 1924 gründete er mit zwei Kollegen ein Unterhaltungstrio: das FA-CO-NI Trio. Der Name der kleinen Kapelle leitete sich von den Anfangsbuchstaben der drei Musiker ab - Heinz Fabian (Klavier), Norbert Cohn (Geige) und ? Nikisch (Schlagzeug).

Traditionell wurden die Geigenspieler als Orchesterleiter angesehen. Aus der Abkürzung Fa-Co-Ni wurde ein eingestehender Name der eben mit dem Geiger in Verbindung gebracht wurde. Aus Norbert Cohn wurde Stück für Stück Norbert Faconi.




Etwa im Mai/Juni 1924 entstanden bei der VOX als Tanzkapelle Norbert Faconi zehn Einspielungen. Allesamt Shimmys und Foxtrotts.

  • Vox 01614
    Je cherche après Titine — Shimmy-Foxtrot
    I am nobody's darling

  • Vox 01615
    That red-head gal — Blues
    First, Last And Always — Foxtrot

  • Vox 01618
    O la gentille petite friponne — Foxtrot
    Gone (But Still In My Heart) — Foxtrot

  • Vox 01630
    O Marianka! (Komm auf die Banka) — Lied [Shimmy]
    Kannst du dich an mich gewöhnen...? — Shimmy [Foxtrot]

  • Vox 01631
    Wenn du's nicht bist, dann wird's 'ne And're sein...! — Shimmy-Blues
    Ich weiß es ja schon lange, daß du mir nicht mehr treu bist — Shimmy


Welche Musiker genau bei diesen Aufnahmen mitwirkten ist unbekannt. Neben Cohn/Faconi dürften wohl auch Heinz Fabian und der Schlagzeuger Nikisch mit von der Partie gewesen sein.

Im März 1926 trat Norbert Faconi als Geiger der Jazz-Kapelle des Pioniers Fred Ross bei. Hier saß bereits der Amerikaner Wilbur Kurz auf dem Trompetenstuhl. Im April 1926 nahm die Fred Ross Band mit Kurz und Faconi ein Engagement im Hotel Eden in Berlin an. Der Trompeter Wilbur Kurz erwähnt aus der Zeit Frühjahr 1926 einige Plattenaufnahmen sowie einen kurzen Auftritt in einem Werbefilm - von beidem lässt sich jedoch bis heute nichts finden.

Der Vertrag im Eden Hotel lief im März 1927 aus, danach ging die Band auf Tournee die u.a. durch die Städte Leipzig, Göttingen und Nordheim führte. Im April 1927 spielte das Orchester kurzfristig im Hotel Esplanade; im Juni 1927 ein kürzerer Auftritt im Cafe am Zoo. Neben Ross, Faconi und Kurz spielte in dieser Besetzung auch der englische Saxophonist Jack Shields. Bis August 1927 spielte die Ross-Band im Luna Palais des Halensee Park, danach brach wohl aus gesundheitlichen Gründen des Leiters Fred Ross das Orchester auseinander. Die "Reste" übernahm Norbert Faconi.



Sammlung Rainer Lotz


Mit seinem neu gegründeten Orchester unter eigenem Namen trat die Kapelle Norbert Faconi ab September 1927 im Cafe am Zoo auf. Vermutlich ebenfalls im September 1927 (Nicht März nach H. Lange!) entstanden die ersten Einspielungen für die Clausophon. Als Jazz-Orchester Faconi (vom Palais am Zoo, Berlin) wurde u.a. "Heut war ich bei der Frida" mit viel jazziger Solistik aufgenommen.

1. September 1927

Vermutliche Besetzung im Herbst 1927: Wilbur Kurz (tp), unbekannt (tb), Jack Shields, Freddy Schweitzer (sax, cl), Norbert Faconi (vl), Heinz Fabian (p), unbekannt (bj), Lou Galkin (dr).

Noch im Winter 1927/28 kehrte Jack Shields wieder nach England zurück. Freddy Schweitzer war einige Zeit der einzige Saxophonist der Kapelle. Zunächst besetzte den zweiten Saxophon-Stuhl der Engländer Billy Bartolomew, im Frühjahr/Sommer 1928 wurde Bartolomew durch den Wiener Fritz Freed abgelöst. Harry Tafet (ebenfalls aus Wien) ersetzte den Engländer Lou Galkin am Schlagzeug.

Der Artist gibt im August 1928 folgende Besetzung im Palais am Zoo an: Trompete, Posaune, 3 Saxophone, Klavier, Banjo, Bandoneon.

Bald danach (August 1928) verließ Norbert Faconi mit seinem Orchester Berlin (zuvor entstanden noch weitere Einspielungen für die Clausophon) und spielte kurze Zeit in Dresden.


Bereits im September 1928 trat die Jazz-Kapelle Faconi neben dem Orchester von Sam Wooding im Central-Hallen-Casino in Leipzig auf.

Vermutlich noch vor dem Engagement in Leipzig verließ der Trompeter Wilbur Kurz die Band. Er wurde durch seinen Landsmann Nick Casti ersetzt welcher zuvor u.a. auch schon bei Bernard Ette für die Jazz-Einlagen sorgte.

Nach unterschiedlichen Quellen blieb Faconi bis Februar oder November 1929 in Leipzig. Bis Januar 1930 war die Kapelle Faconi wieder im Dachgarten des Cafe am Zoo in Berlin zu hören. Unter "Familiennachrichten" ist am 13. Juni 1930 zu lesen:"Verheiratet -
Norbert Faconi u. Frau Minna, geb. Sonnenreich".

Sammlung Berauscht


Das wohl letzte Engagement des Musikers in Deutschland fand in Hamburg statt. Hier gastierte Kapelle Norbert Faconi vom Oktober 1932 bis Januar 1933 im Hotel Atlantic.

10. Januar 1933

Sammlung Berauscht


Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten versuchte Faconi in Paris Arbeit zu finden. Neben einigen kleinen Anstellungen war diesem Unterfangen wohl kein großes Glück beschieden., im Oktober 1934 kehrte Faconi wieder nach Berlin zurück. Im Herbst 1936 verlässt Norbert Cohn-Faconi endgültig Deutschland. Mittlerweile Staatenlos versucht er die nächsten Jahre u.a. in Wien, Prag, Paris usw. Arbeit als Musiker zu finden. Die nächste Spur findet sich im Juli 1939. Letztmals und kurz vor Kriegsausbruch ist Faconi kurz in Deutschland: An Bord des Dampfers "Bremen" schifft er sich am 14. Juli von Bremen nach New York ein.

Aus der Passagierliste:
  • Touristenklasse Norbert Cohn-Faconi, Musiker, geb. 12.10.1904, Staatenlos, geschieden, letzter Wohnort Prag/Böhmen, mosaischer Glaube


Zunächst findet Faconi schnell Arbeit in New York. Bereits im Herbst 1939 spielt er in New Yorker Nachtclubs und Cafes. Im November begleitet er zusammen mit dem Jazz-Pianisten Cy Walther eine gewisse Greta Keller im Club Algonquin:

The New York Sun, 27. November 1939


Ebenfalls im Herbst/Winter 1939 versuchte sich Norbert Faconi mit einer eigenen Bigband in New York.

Variety, 27. Dezember 1939


Insgesamt konnte Faconi in den USA jedoch nicht mehr an seine Erfolge in Europa anschließen. Im März 1942 ist er allerdings im frühen Fernsehen zu hören/sehen:



Am 6. Oktober 1942 wird er (noch Staatenlos) zum Militär eingezogen. Sein Wohnort ist zu dieser Zeit Governors Island, New York. Während seiner Militärzeit erhält Faconi 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Hierbei lässt er nun offiziell seinen Namen von Cohn in Faconi ändern. Während des Krieges arbeitet er weiter als Musiker in der Truppenbetretung.

März 1945

Nach seiner Entlassung aus dem Militär, leitet er in New York wieder Orchester und tritt in Cafes und Restaurants auf: Unter anderem begleitet er Greta Keller, welche versucht in den USA ein Comeback zu starten.



Im Oktober 1946 schifft sich Faconi nach Sydney, Australien ein




Hier eröffnet er einen eigenen Nachtklub. Ausschlaggebend war wohl, dass seit dem Krieg seine Schwester in Australien lebte.




Bis in die 1960er Jahre tritt Norbert Faconi als Geiger in New Yorker Clubs, Hotels, Cafes und Restaurants auf wie vereinzelte Annoncen belegen.



Norbert Faconi - Continental Violinist


Möglicherweise konzentrierte er sich ab den 60er Jahren auf Verlagstätigkeiten oder als Musikagent. Zumindest der Titel einer Komposition von ihm ist überliefert: "Once More My Love"

Bereits im Rentenalter zog Faconi 1975 nach Fort Lauderdale in Florida. Im nahe gelegenen Palm Beach trat er noch bis c. 1980 in Clubs als Geiger auf. Erst mit bereits über 75 Jahren zog sich Faconi aus dem Arbeitsleben zurück. Norbert Faconi starb am 2. September 1989 in Broward, Florida. Seine Nachkommen tragen noch heute die Bezeichnung einer kleinen Tanzkapelle aus der Weimarer Zeit als Familiennamen: Faconi...


Ulrich Biller



Quellen u.a.:
Rainer Lotz:
  • Der Jazz in Deutschland Vol. 1
  • Storyville "Wilbur Kurz"

  • Eine Aufstellung der Aufnahmen in: Discographie der deutschen Tanzmusik, Vol.8: Link - Hier klicken

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