Der Tonarm

Über den Tonarm an einem Grammophon macht man sich eher selten Gedanken. Er verbindet Schalldose mit Trichter, glücklicherweise ist nicht häufig etwas daran zu reparieren. Allerdings finden sich im Aufbau einige Details, die durchaus einen zweiten Blick wert sind.

Um 1900 war die Schalldose nur über ein kurzes Knie aus Metall oder Leder direkt mit dem Trichter verbunden. Diese ganze „Toneinheit“ lag auf einem schwenkbaren Arm (oder Ausleger) aus Holz oder Metall. Das Gewicht auf die Platte war damit recht hoch; Platten- und Nadelwechsel etwas umständlich, da jedes mal der gesamte „Tonarm“ inklusive Trichter zur Seite gedreht werden musste.




Die Victor führte in den USA 1902 den sog. „Rigid Arm“ ein. Erstmals waren Schalldose und Trichter getrennt. Der Tonarm war ein starres Metallrohr, welches nur seitliche Bewegungen über die Platte ausführte. Die Schalldose war an einem Scharnier klappbar an dem Tonarm angebracht.




Ungefähr ein halbes Jahr später kam (wieder von der Victor / Eldrige Johnson) der „Tapered Arm“ auf den Markt. Die Deutsche Grammophon brachte die Erfindung als „Trompetenarm“ heraus. Die Schalldose wurde einfach an einem Bügel des Tonarm hochgeklappt. Auch wenn die Erfinder teils erbitterte Rechtsstreitigkeiten auf das Patent ausfochten, setzte sich diese prinzipielle Form des Tonarms auch bei anderen Firmen durch.






Anfang bis Mitte der 1920er Jahre war die Bauform der Tonarme mehr oder weniger standardisiert. Häufig findet man den sogenannten „Schwanenhals – Tonarm“.






Wartung

Wichtigstes Kriterium an einen Tonarm: Er muss absolut leichtgängig in seiner Drehbewegung über die Schallplatte sein! Ist er schwergängig, übt der Tonarm über die Nadel einen zu starken, vertikalen Druck auf die Rillenflanken aus – die Schellackplatte nutzt sich dadurch deutlich schneller ab. Auch ein absolut ebener Stand des Grammophon ist wichtig.

Der Bügel, an dem sich die Schalldose hoch klappen lässt, erhält auf die Lagerung einige Tropfen harzfreies Leichtöl (Nähmaschinenöl oder andere moderne Synthetiköle). Bei einfacheren Tonarmen, vor allem jenen aus Holz, befindet sich der Tonarm oft nicht in einem richtigen Lager. Hier liegt das Ende des Tonarm einfach in einer Halbschale aus Holz, ähnlich einem Gelenk. Solche Befestigung findet sich auch teils bei früheren Trichtergrammophonen. Diese Bauform ist generell etwas schwergängiger und belastet die Schallplatte stärker als Tonarme mit einem „richtigen“ Lager. Etwas Abhilfe schafft es, die Reibflächen mit einem leichten Fett einzureiben.




Bei „besseren“ Tonarmen liegt dieser häufig in einem Art Kugellager. Dieses kann im Laufe der Zeit, durch gealtertes Fett, schwergängig geworden sein. Dann muss der Tonarm ausgebaut, gereinigt und neu gefettet werden. Vorsicht beim Ausbau: Im inneren befinden sich oft kleine Kugeln oder andere Kleinteile. Gehen diese verloren, wird Ersatz schwierig!



Die kleinen Kugeln können sich in einer Vertiefung – einer Nut – befinden. Um die Kugeln wieder ein zusetzten, wird diese Nut mit etwas Vaseline aus gerieben. Die kleinen Kugeln werden dann von dem Fett gehalten, der Tonarm lässt sich wieder einbauen und sollte nun deutlich leichtgängiger sein.

Klang

Vom akustischen Standpunkt aus, ist der Tonarm Teil des Trichters an einem Grammophon. Siehe dazu auch: > Der Grammophon Trichter <. Verläuft der Tonarm zu lange parallel, wirkt sich dies negativ auf den Klang aus. Dies findet man aber fast nur bei frühen Trichtergrammophonen. Bei fast allen Tonarmen "steigt" der Tonarm an - der Durchmesser wird also kontinuierlich größer. Ein kurzes, gerades Stück am Anfang schadet jedoch nicht dem Klang.



Der Tonarm sollte, wie auch die Schalldose, möglichst "Luftdicht" sein. Wenn der Tonarm mal vom Motorbrett abgeschraubt wird, sollte vor einer erneuten Befestigung die Auflagefläche mit etwas Fett abgerieben werden. Dies schließt eventuelle Undichtigkeiten. Bei manchen Geräten befindet sich zwischen Tonarm und Motorbrett ein geölter Filz oder Papier. Dieses dient als Dichtung, die verhindert soll dass Schall austritt.

Hier ein Columbia "Piano - Reflex" Tonarm. Ende der 1920er Jahre war noch Stand der Forschung: Schall breitet sich ähnlich wie Licht aus. Mit den "Ecken" am Tonarm wollte man erreichen, dass der Schall (ähnlich dem Licht) besser "reflektiert" wird. Auch wenn dies physikalisch so nicht richtig ist, hat dieser Tonarm trotzdem recht gute akustische Eigenschaften.




Ausgehend von dem Gedanken, dass der Tonarm Teil des Trichters ist, versuchte man vereinzelt den Tonarm "länger" zu machen. Tatsächlich klingt dieser "gewundene" Tonarm der englischen Firma Gilbert auch an kleineren Trichtern erstaunlich gut.



Bei einer anderen englischen Firma hatte man es jedoch etwas übertrieben...



Auch dass gab es schon früher - Gegengewichte nahmen einen Teil des Druckes auf die Schallplatte:


Bildquelle CAPS


Geometrie


Ähnlich wie noch heute beim Plattenspieler, trägt der Tonarm (neben einer guten, überholten Schalldose), beträchtlich dazu bei, wie stark oder schwach sich eine Schellackplatte beim Spiel abnutzt. Neben dem Gewicht ist eine gute Geometrie von Tonarm und Schalldose wichtig. Um es ehrlich zu sagen – diese ist bei vielen Grammophonen erschreckend schlecht! Vor allem: es lässt sich im nach hinein, also heute, kaum etwas daran ändern. Trotzdem ist ein genauerer Blick auf die Konstruktion eines Tonarm hilfreich – und sei es nur um sich bei einer Neuanschaffung einen Überblick machen zu können. Wie wenig (oder viel) der Tonarm eine Schallplatte beansprucht, hängt von mehreren Faktoren ab, die alle ineinander greifen.



Ãœberhang
Die Nadel sollte durch die Plattenmitte (Plattenteller) gehen. Führt die Nadel ihren Bogen „hinter“ dem Mitteldorn aus, ist der Druck auf die Rillenflanken größer. Dies führt zu stärker Abnutzung und Verzerrungen in der Wiedergabe. Im Idealfall hat der Tonarm / Schalldose einen gewissen „Überhang“ von 0,5 – 1,5cm über die Plattenmitte hinaus.



Tracking Error (Spurfehlwinkel)
Bei der Aufnahme geht der Schneidekopf waagrecht über die Schallplatte, beschreibt also eine Gerade (A). Der Tonarm beschreibt aber einen Kreisbogen über die Schallplatte. Die Abweichung des Winkels in Grad von dieser tangentialen Linie wird im allgemeinen als „Tracking Error“ bezeichnet. Bei Spitzenmodellen, die tatsächlich schon physikalisch konstruiert waren, beträgt dieser Fehler um die 5° maximal. Bei fast allen anderen Grammophonen ist dieser Winkel aber deutlich höher.



Je länger ein Tonarm (und je weiter vom Plattenteller entfernt) ist, umso besser wird der „Tracking Error“. Bei A ist der Kreisbogen über die Platte deutlich steiler als bei B.



Offset
Die Schalldose (Nadel) sollte sich nicht in einer Linie mit dem Drehpunkt des Tonarm befinden (1), sondern von dieser Linie versetzt (2 – 4). Diese Abweichung wird „Offset“ genannt. Im Idealfall hat auch die Schalldose selber am Tonarm noch ein „Offset“ (5), steht also etwas schräg zum Tonarm.


(5)



Leider haben viele Trichtergrammophone (und auch einige Modelle späterer Bauart) keinerlei Offset. Daraus ergibt sich dann ein Tracking Error von teils 30° und mehr. Schon bei akustisch eingespielten Schallplatten ist dies nicht gut, bei "neueren", elektrisch aufgenommenen Platten werden solche Grammophone zur regelrechten "Plattenfräße".



Ab Anfang der 1920er Jahre beschäftigte man sich ernsthaft mit den Themen „Tracking Error“, Überhang und „Offset“. Der Autor Percy Wilson veröffentlichte dazu in England zahlreiche Artikel, basierend auf seinen Forschungen. Von ihm stammt auch eine der ersten, berechneten, Schablonen mit denen sich der „Tracking Error“ bei einem Grammophon auf einfachem Wege bestimmen lässt. Diese Schablone, auch „Alignment Protractor“ genannt, wird (abgewandelt) bis heute verwendet um bei Plattenspielern Spurfehlwinkel zu bestimmen.

Protractor


Auch wenn sich heute wenig an der schlechten Konstruktion vieler Grammophone etwas ändern lässt, ist die Schablone eine große Hilfe. Wenn man sich ein Grammophon neu kaufen möchte, lässt sich mit diesem Hilfsmittel bestimmen wie „gut“ oder „schlecht“ ein Tonarm die Schallplatte abtastet. Den originalen „Protractor“ findet man in dem interessanten Eintrag > Tangentiale Abtastung bei Schellackplatten? <, hier etwas modernisiert und vereinfacht.

Das Bild (Protractor) muss 1:1 ausgedruckt werden. Ansonsten sind die Ergebnisse beim ablesen verfälscht. Ausgedruckt beträgt der Abstand zwischen den beiden roten Pfeilen 12cm.



Zusammengebaut sieht die Schablone / Protractor dann so aus:



Bilder sagen mehr als 1000 Worte... Anmerkung: die Schalldose wurde hier durch einen Dosendeckel ersetzt . Beim ablichten der Vorgänge stellte sich heraus, dass mit einer normalen Schalldose die Bilder recht zweideutig waren. Mit dieser "Konstruktion" sollte sich die Bedienung jedoch gut selbst erklären.







Bei diesem Tonarm sieht man: Der "Tracking Error" ist insgesamt nicht so schlecht. Anfangs der Platte wäre der Winkel verbesserungswürdig, gegen Ende (Plattenmitte) wird der Spurfehlwinkel aber immer besser.



Interessant kann es auch sein, mal den Bogen aufzunehmen den der Tonarm über die Platte beschreibt. Dazu wird (durch die Plattenmitte) eine senkrechte Linie gezogen. Dieses Stück Papier dann auf die Platte legen. Die Nadel der Schalldose wird durch eine Bleistiftmine, z. B. aus einem Zirkel, ersetzt.


Hier sieht man, der Bogen, also der Weg der Schalldose über die Platte, schneidet die Senkrechte an nur einer Stelle. Besser wäre an zwei Punkten, da dann mindestens zweimal der "Tracking Error" 0° beträgt.

Wie schon erwähnt, an der oft schlechten Konstruktion der damaligen Tonarme lässt sich nur wenig ändern. Manchmal wurde in den zwanziger Jahren empfohlen einen Tonarm ohne "Offset" schräg zu kürzen, um den Spurfehlwinkel zu verbessern.


Dies sollte man natürlich bei den heute antiquarischen Geräten nicht machen!

Eine Möglichkeit bleibt jedoch wenn Tracking Error, Offset und Überhang zu schlecht ist - die Schalldose wird nach Art eines Lifebelt an den Tonarm angesetzt. Dazu weitere > Informationen hier <. Das Stück Schlauch kann auch abgeschrägt werden, um ein besseres Offset zu erreichen. Die Position immer wieder mit der Schablone (Protractor) überprüfen, bis ein möglichst geringer Tracking Error gegeben ist.

Durch diese Art der Befestigung wird die Schalldose auch akustisch (Eigenresonanzen) vom Tonarm entkoppelt, was die Wiedergabe verbessert. Außerdem ist es jederzeit rückgängig zu machen, ohne dass in den Originalzustand des Grammophon eingegriffen wird.

(Bild: Norman Bruderhofer)

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