Biberphon
GrammophonTeam, Fr Feb 20 2015, 18:53


von Berauscht & Formiggini

Auf der Höhe des Wirtschaftsrausches Ende der zwanziger Jahre entstanden viele kleine, oft nur kurzlebige Schallplattenfirmen. Vor allem sogenannte unzerbrechliche Grammophonplatten standen hoch im Kurs. Eine dieser Firmen war die Biberphon, welche aber nur in den Jahren 1930/31 produzierte.

Die frühen Kunststoffplatten der Biberphon haben einen Kern aus Zelluloid. Dieser ist beidseitig überzogen mit einer dünnen Schicht aus Azetylzellulose mit Kampfer (oder Kampferersatz). In einem durchlaufenden Wärmeofen wurden die Rohlinge langsam auf eine Temperatur von c. 100 - 120 Grad Celsius (je nach verwendetem Stoff) gebracht. Anschließend wurden sie in die Presse gelegt und die Schallplatte geprägt.

Es entstanden keine eigenen Aufnahmen, verwendet wurden Matrizen der Kalliope. So findet sich auf Biberphon relativ häufig das Orchester Sam Baskini aber auch die Tango-Kapelle Manuel Romeo. Teilweise kam auch (über die Kalliope) amerikanische Matrizen von den Marken Perfect, Banner und Plaza zur Pressung.

Sammlung Géczy77


Erfinder und Namensgeber der Marke Biberphon war der Berliner Kaufmann Wilhelm Biber. Wie viele andere Kaufleute dieser Zeit, versuchte Biber mit den verschiedensten Geschäften sein Glück. Ob die eingereichten Patente tatsächlich seine Erfindungen sind, oder er diese von anderen erwarb ist noch ungeklärt. Während des ersten Weltkrieges war Biber an einer Firma für Speisefettersatzstoffe beteiligt. Er hielt auch ein Patent auf "haltbare Yoghurt-Butter". Etwas später vertrieb er alkoholfreie Limonade nach "amerikanischem Vorbild". Neben einem Patent auf eine "Vorrichtung zum Schärfen von Rasierklingen", beschäftigte sich Wilhelm Biber Mitte der zwanziger Jahre auch mit Farben und Lacken. Möglicherweise flossen die hiermit gemachten Erfahrungen später in die flexiblen Schallplatten mit ein.

1929


Die Firma "Bekib" mit Sitz in der Kurfürstenstraße 102 vertrieb Ende der zwanziger Jahre sogenannte Hochfrequenzapparate. Dies waren in den 1920 - 1950 Jahren sehr populäre "Heilgeräte" bei denen erkrankte Glieder u.ä. mit Hochfrequenz bestrahlt wurden. Sowohl beim Arzt in der Praxis, als auch (nach Kauf des teuren Gerätes) zu hause. Es stellte sich später heraus: Wirkung quasi gleich Null...

Geschäftsführer der "Bekib" waren u. a. die Kaufleute Anton Czernotsky und Anton Kratschmer.
27. April 1929


17. Januar 1930


Unter gleicher Adresse (Kurfürstenstraße 102) wie die "Bekib" und zusammen mit den Kaufleuten Czernotsky und Kratschmer, sowie neu hinzugekommen Wilhelm Biber, wurde am 31. Oktober 1929 die Biberphon Schallplatten Herstellungs und Vertriebsgesellschaft mbH gegründet. Gegenstand des Unternehmens: Die Herstellung und der Vertrieb von biegsamen, unzerbrechlichen Schallplatten. Stammkapital 100.000.- RM. Von dieser Summe brachte der Geschäftsführer Wilhelm Biber die Rechte und Patente an der Erfindung im festgesetzten Wert von 50.000.- RM als Sacheinlage mit ein. Die Gesellschaft wurde im Dezember 1929 ins Handelsregister eingetragen, die "Bekib" - Technisches Büro GmbH zum 1. März 1930 aufgelöst.



Ebenfalls im Dezember 1929 wurde auf diese neue Schallplatte das entsprechende Patent angemeldet. Interessanterweise nur in der Schweiz, nicht in Deutschland.



Vollständiges Patent - Weitere Informationen:


Biberphon präsentierte die Biberphonplatte auch auf der Prager Mustermesse im Frühjahr 1930. Die Platten sollen dort tatsächlich auch im Einzelhandel gewesen sein. In Deutschland erfolgte der Vertrieb über Warenhäuser. Der Verkaufspreis dürfte nicht über einer Mark gelegen haben. Parallel ließ man eigene Biberphon - Nadeln produzieren.


Im Laufe des Jahres 1930 zog die Biberphon in die Uhlandstraße 121, Wilmersdorf. Hier befanden sich dann auch die Pressmaschinen für die flexiblen Schallplatten nach dem Patent von Biber.


Die biegsame Schallplatte
Deutsche Zeitung Bohemia
9.4.1930


Trotzdem blieben die Verkaufszahlen wohl weit hinter den Erwartungen. Die sich zunehmend verschärfende Wirtschaftskrise machte der jungen Firma zusätzlich zu schaffen. Ende 1930 zieht sich Wilhelm Biber aus der Firma zurück. Bereits am 9. Oktober 1930 stellte die Biberphon ihre Zahlungen ein. Im Dezember wird das Vergleichsverfahren eröffnet.

1. Februar 1931


Auch die Phonographische Zeitschrift (31. Jg. Nr.21) berichtet ausführlich über den Konkurs der Biberphon. Dem Artikel ist etwas Häme zu entnehmen, waren die billigen, unzerbrechlichen Schallplatten den großen Firmen der Schallplattenindustrie doch immer ein Dorn im Auge.

Jetzt ist die Liste der finanziell zusammengebrochenen Schallplattenfabriken um eine weitere vermehrt worden: wir meinen die Zahlungseinstellung der Biberphon Schallplattenfabrikations und Vertriebs GmbH.

Die Firma ist einer der letzten Ausläufer des Gründungswahns, der von England kommend, wo in den Jahren der Hochkonjunktur Schallplattenfabriken wie Pilze aus der Erde schossen, auch nach Deutschland übergriff. Wie alle diese Neugründungen mußte auch die Biberphon GmbH, von Anfang an daran kranken, daß ihre Aufbauperiode in die Zeit stagnierenden und schließlich zurückgehenden Umsatzes fiel, so daß es besonders schwer fallen mußte, gegen die in Jahrzehnten gefestigte Vormachtstellung der übermächtigen Konkurrenz anzukämpfen.

Hinzu kam, daß das Spezialgebiet, auf dem auch Biberphon sich etablieren wollte, nämlich die unzerbrechliche Platte bereits abgegrast war, ehe Biberphon so richtig mit der Arbeit beginnen konnte...






Zum Februar 1931 war die Biberphon - Platte vom Markt verschwunden. Otto Stahmann war 1931 mit der Marke Brillant im Schallplattengeschäft bereits etabliert. Am 30. Mai 1931 ergeht folgende Meldung:
Aus der Branche
Biberphon arbeitet wieder. Diese, kürzlich in Schwierigkeiten geratene Fabrik arbeitet nach dem Bericht unseres Korrespondenten gegenwärtig in Doppelschichten und bringt eine ganz billige, neue schwarze, biegsame Platte heraus (Vollklangplatte genannt), welche durch einen Großkonzern (Kaufhaus) zu Detailpreis vom Mk. 1.- pro Stück sehr gut verkauft wird.


Das V vor der Bestellnummer weist als Aufnahmestudio die Tonographie GmbH aus. Vermutlich wurde die "Vollklang" Platte bereits im Auftrag von Otto Stahmann produziert.

1932 gründet Stahmann eine weitere Firma, die "Tempo Spezial" Schallplattenfabrikation GmbH . Firmensitz ist ebenfalls die Uhlandstraße 121; Otto Stahmann übernimmt dort die Reste der Biberphon Werke sowie vermutlich die Pressen für flexible Schallplatten. Eine kurze Zeit lang werden nun unter seiner Firma ebenfalls flexible Schallplatten nach dem Verfahren der Biberphon produziert.

1. April 1932


Die Biberphon Schallplatten Herstellungs und Vertriebsgesellschaft mbH erlischt schließlich im Sommer 1933.
1. Juni 1933



Nach seinem Ausscheiden aus der Biberphon im Dezember 1930 blieb Wilhelm Biber jedoch nicht untätig. Schon am 11. April 1931 ließ er ein weiteres Patent auf eine unzerbrechliche Schallplatte eintragen. Diesmal in Zusammenarbeit mit der Schweizer Firma Metallophon. Deren Geschichte wird noch an anderer Stelle aufgearbeitet und soll hier nicht Gegenstand der Betrachtung sein.



Vollständiges Patent - Weitere Informationen:


Danach verlieren sich die Spuren von Wilhelm Biber, weitere Erfindungen oder Patente nach dieser Zeit sind uns nicht bekannt.


Re: Biberphon
GrammophonTeam, Fr Feb 20 2015, 21:05

Bereits am 28. Oktober 1929 meldete die Biberphon ein Patent auf die Pressen für ihre Schallplatten an. Hier aus der französischen Anmeldung.

Vollständiges Patent als pdf






Re: Biberphon
Grammo, Sa Sep 15 2018, 21:00

Biberphon in rosa :-)