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DEPOSITATO - was bedeutet das, ab wann wurde es auf den Spiegel "gedruckt"?
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Starkton
So Feb 03 2013, 15:07
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
berauscht schrieb ...

Daraus läßt sich für mich nun schließen, daß es sich hierbei um ein Datum handelt.

Die Frage ist jetzt nur für was?

Ganz bestimmt ist es ein Datum. Mechan. Copt. (= Mechanical Copyright) 1938 20. 8. Depositato steht zum Beispiel für den 20. August 1938. Da dieses Datum weder etwas mit dem Aufnahme-, noch mit dem Veröffentlichungsdatum zu tun hat, gehe ich davon aus, dass es den Tag der Registrierung der Matrize in den Akten der Schallplattengesellschaft dokumentiert.

Die gleiche Aufnahme konnte mehrfach neu registriert werden, z.B. bei Erstellung einer Matrizenkopie. Deshalb ist es möglich, dass mehrere Jahre zwischen der Aufnahme und der Registrierung liegen.

PS: Um die ursprüngliche Frage zu beantworten. Soweit ich gelesen habe (The Record Collector, Vol. 22, Nr. 1&2, May 1974, S. 32), beginnt diese Art der Markierung des Matrizenspiegels im Jahr 1927 und reicht bis 1943. Bei Nachkriegsmatrizen steht dort nur noch das Datum.

[ Bearbeitet Mo Feb 04 2013, 10:03 ]
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berauscht
So Feb 03 2013, 15:38
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1956
Ja, vielleicht hast Du recht, und ist es das Datum der technischen Überprüfung und Freigabe einer neuen Matrizen-Kopie. Wenn wir Depositato mit eintragen übersetzen macht das auch Sinn. Vielleicht gibt es noch irgendwo ein technisches Berichtsbuch, wo diese Kopien eingetragen wurden.
Solche Daten der technischen Prüfung findet man ja auch beispielsweise bei Ultraphon (Datum auf der Platte).
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HGN
Mo Feb 04 2013, 20:01
⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Dez 30 2011, 13:30
Wohnort: Hellerup bei Kopenhagen
Beiträge: 113
@starkton

Interessante Überlegungen. Ich möchte jedoch anführen, dass der Begriff "Depositato" zum öffentlichen Recht gehören muss. Nach meinem Verständniss ist "Depositato" eine Frage der Registrierung in einem öffentlichen (Italienischen?)Verzeichniss. Also nicht in einem Verzeichniss einer Herstellerfirma.

Gruss
HGN
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Musikmeister
Mo Feb 04 2013, 21:36
Autor
⇒ Mitglied seit ⇐: So Aug 21 2011, 21:23
Wohnort: Hamburg
Beiträge: 1079
@HGN: der Meinung bin ich auch. Der Begriff Depositato ist meiner Meinung nach dem Bereich des Urheberrechtes zuzuordnen.
Stichwort: La Società Italiana degli Autori ed Editori (SIAE).
Ich konnte bisher jedoch noch nicht die genauen Gründe hierfür ausfindig machen, warum der Vermerk im Spiegel erscheint.

Die zuletzt abgebildete Grammophon-Platte 47217 mit Patzak/Riener war auch eine von jenen Platten, die bis zum Zusammenbruch erhältlich war.
Mit diesem Etikett müsste sie eigentlich spätestens Ende 1942 verkauft worden sein, deshalb verwundert mich der bereits vorhandene Depositato Vermerk.



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joha
Mo Feb 04 2013, 22:11
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985
Hallo Zusammen,
ich bin auch der Meinung das der Begriff der Hinterlegung nach Gesetz ( Depositato) etwas mit der Firmenstruktur zu tun hat.Das Hinterlegen als Sicherheit aus dem Bankwesen zur Unternehmensfinanzierung stammen muss und deshalb auf Matrizen ausgewiesen werden musste.
Was heute aus der Mode gekommen ist, sind sogenannte Wechselgeschäfte die gedeckt sein mussten.Wenn die DGG sich Geldmittel besorgen musste,ging das über Wechsel die natürlich gedeckt werden mussten,das Kapital waren die Matrizen.
Gerade in Kriegszeiten wo das Vertrauen in Hausbanken unsicher war,und die DGG nicht Kriegswichtig war,war es schwer sich frisches Geld zu besorgen.Die Partnerschaft mit Siemens sicherte ebenfalls das fortbestehen der Gmbh.

Ich glaube das die DGG bereits nach 1933 mit Machtantritt versuchte sich komplett anders zu finanzieren,dass sicherlich auch jüdische Banken Kapitalgeber waren,auch wären ausländische Banken unsicher gewesen (kriegsbedingt),so konnte sie nur über Wechsel frisches Kapital beziehen, deshalb Hinterlegung der Sicherheit nach Gesetz.

Ich bin kein Banker, aber nur so wäre die DGG unabhänig geblieben.
Es wäre jetzt wichtig,wer wann und wo die DGG finazierte ab 1933 und wie das von statten ging,dann lösen wir auch das Geheimnis.Die DGG zahlte ja auch noch bis zur Währungsumstellung zur DM mit alter Reichsmark.
Mit der Währungsumstellung war die DGG wieder in der Lage sich anders zu finazieren deshalb wurde das Depositato ab 1945 nicht mehr benötigt.Bitte bedenkt, es gab die sogenannten Deposittenkassen (Wechselkassen)dort konnten Mittelständler Wechsel mit fälligkeiten hinterlegen.Dies wird die DGG gemacht haben, um der permanenten Kontrolle der Reichsbank zu entgehen,da sie nicht Kriegswichtig war im Gegensatz zur Telefunken sie war kriegswichtig und hatte somit keine Geldprobleme.

Gruss joha

[ Bearbeitet Mo Feb 04 2013, 22:56 ]
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Starkton
Mo Feb 04 2013, 23:36
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Hier ist noch ein Auszug aus dem vor kurzem verfassten und sehr interessanten Beitrag Label Logos für die Lupe, in dem auch auf das Depositato/Mech. Copt. - Thema eingegangen wird. Es scheint sich 1927 als Einführungsjahr zu bestätigen. Quelle: Link - Hier klicken
Inhalt, Bild oder Datei nur fuer angemeldete Mitglieder


[ Bearbeitet Sa Dez 30 2017, 11:13 ]
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Starkton
Mo Feb 04 2013, 23:57
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Der Stempel Mech. Copyright/Depositato hat mittelbar mit der Gründung der Mechanical Copyright Protection Society (MCPS) im Jahr 1924 in England zu tun. Die darin zusammengeschlossenen Musikverleger kassierten mit Hilfe der MCPS bei den Schallplattenfirmen für die Verwendung der Werke der von ihnen vertretenen Künstler. Das wird es auch für Deutschland gegeben haben - seit 1927?!

Warum bei vielen Platten die Jahresangabe der Verleihung des Pressrechts genügte, bei anderen jedoch das Datum auf den Tag genau angegeben wurde, das ist noch eine offene Frage.

[ Bearbeitet Di Feb 05 2013, 00:52 ]
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Gast
Di Feb 05 2013, 08:19
Gast
Ok, bleibt die Frage, warum wir einge Beispiele haben, die von 1942/43 sind und das Depositato erst bei Nachkriegspressungen zeigen.
Die alte Originalausgabe ist noch ohne Depositato.

Seltsamerweise haben wir aber auch eindeutige Kriegsausgaben MIT Depositato.

"Warum nur, warum" ?

Gruß, Nils
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joha
Di Feb 05 2013, 13:46
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985
Nun gut,der Begriff ist als weiterhin Ungeklärt bei mir eingestuft.

Das Jahr 1927 wo erstmals das DEPOSITATO auftaucht ist schon klar, denn es hat etwas mit der Weltwirtschaftskrise zutun.
Am 13.Mai 1927 brachen die Börsen zusammen.Das bedeute, dass die Finanzierungdgrundlage der Unternehmen zusammenbrach.
Der Zusatz im Wachs das erste mal auftaucht bei der DGG.

Dieser Banktechnische Bergriff nichts mit den Rechten/Verlagsrechten/Auslandsrechten zutun hat.
Dafür steht das Copyright der Zusatz hat eine völlig andere Bedeutung.

Wir sollten nicht nur auf die Platten schauen sondern die Zeitabschnitte wo es auftaucht genauer betrachten.Wenn es auch so schön mit abgelichtet wurde langt die Erklärung nicht aus.
Gruss joha

[ Bearbeitet Mi Feb 06 2013, 16:20 ]
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berauscht
Di Feb 05 2013, 16:09
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1956
Eine große Frage ist jetzt noch, ob bei Platten die zunächst nur mit Mechan.Copt. erschienen, das Depositato bei späteren Ausgaben nur mit zwei Zahlen (Tag/Monat) angegeben ist, oder mit drei (Tag/Monat/Jahr), also zwei verschiedene Jahresangaben auf der Platte sind?
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Musikmeister
Di Feb 05 2013, 18:29
Autor
⇒ Mitglied seit ⇐: So Aug 21 2011, 21:23
Wohnort: Hamburg
Beiträge: 1079
Starkton schrieb ...

Der Stempel Mech. Copyright/Depositato hat mittelbar mit der Gründung der Mechanical Copyright Protection Society (MCPS) im Jahr 1924 in England zu tun. Die darin zusammengeschlossenen Musikverleger kassierten mit Hilfe der MCPS bei den Schallplattenfirmen für die Verwendung der Werke der von ihnen vertretenen Künstler. Das wird es auch für Deutschland gegeben haben - seit 1927?!



In Deutschland gab es hierfür seit 1908 die AMMRE mit Sitz in Berlin, ab 1929 wurde die neugegründete BIEM in Paris hierfür zuständig. Beides kann man als Faksimile auf Grammophon-Platten lesen.
Nach Kriegsausbruch im Jahre 1942 bemühte sich die deutsche STAGMA (Vorgänger der heutigen GEMA) in Zusammenarbeit mit der italienischen SIAE um europäische Fragen des Urheberrechts (1940 endete bereits ein 10-jähriger Vertrag mit der BIEM), konnte aber ohne Beteiligung der Feindstaaten keine Einigungen erzielen. Daraufhin wurde Ende 1942 in Berlin eine Vereinigung der europäischen Urheberrechtsgesellschaften (ohne Feindataaten) gegründet. Der italienische Staatsrat Giorgio Maria Sangiori (Präsident der SIAE) wurde zum Präsidenten der Vereinigung für das Geschäftsjahr 1943 gewählt. Daher kommt der Begriff Depositato wohl aus Italien, wie bereits von italienischen Kriegsetiketten bekannt.
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Starkton
Di Feb 05 2013, 18:56
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Musikmeister schrieb ...

In Deutschland gab es hierfür seit 1908 die AMMRE mit Sitz in Berlin,

Ist mir leider ein Begriff. Haftet ja als mehr oder weniger hässlicher Aufkleber auf vielen meiner schönen Labels. Wurde übrigens erst am 4. November 1909 vom Verein Deutscher Musikalienhändler und der EDIFO gegründet.

Mir ging es darum, dass der Begriff "Mech. copt.", der da im Jahr 1927 plötzlich auftaucht, offenbar auf die Gründung der gleichnamigen MCPS zurück zu führen ist. War eine turbulente Zeit damals. Wo ist hier der "missing link"?
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Odeon89
Sa Jan 05 2019, 20:46
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Die Platten mit der Angabe "Depositato" im Wachs sind m.E. von Matrizen (Mütter?) gezogen worden, die während der Einlagerungsaktion der DGG zwischen Frühjahr und Herbst 1943 in thüringische Bunkeranlagen verfrachtet worden waren, dies würde auch dem Wortsinn "Depositato" entsprechen.
Sämtliche Datumsangaben, die in Verbindung mit "Depositato" eingeprägt sind, beziehen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Kalenderjahr 1943, als die Luftangriffe auf Hannover einen Höhepunkt erreichten und die DGG ihre wertvolle Produktionsgrundlage (wie praktisch alle anderen Großunternehmen auch) in Sicherheit brachte. Ca. 5000 eingelagerte Matrizen kamen im Herbst 1945 nach Hannover zurück, nachdem sie (unter großen Bemühungen seitens der DGG) endlich von den sowjetischen Behörden freigegeben worden waren. Hierbei handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die mit DEPOSITATO gestempelten Matrizen. Die Archivquellen (insbes. der Briefverkehr des Direktors der DGG, Dr. Hugo Wünsch, 1945) sind sämtlich in der Diss. "Deutsche Grammophon. Geschichte eines Schallplattenunternehmens imDritten Reich" (2000) von S. Fetthauer (insbes. S. 180ff.) ausgewertet und einsehbar.

Damit ist nicht völlig ausgeschlossen, dass ausnahmsweise auch noch während des Krieges die ein oder andere Platte von einer Preßshell gepresst wurde, die von einer der zur Einlagerung vorgesehenen Mütter (gestempelt mit "Depositato") gezogen wurde.

Zu 99% handelt es sich m.E. aber um Nachkriegspressungen, wenn ein "Depositato" im Wachs auftaucht. Wenn diese Platten das (scheinbare) 'Kriegsetikett' tragen, dürfte die Pressung (fast) immer zwischen Herbst 1945 und Ende 1946 entstanden sein, als die DGG in Hannover und in Berlin (Ringbahnstr.) wieder 20.000-50.000 Platten im Monat presste (Quelle wie oben); nach Herbst 1946 wurde die Zeile "Hergestellt unter der Lizenz..." direkt auf die Etiketten mit aufgedruckt; alte Etikettenbestände bzw. Druckbögen wurden natürlich zunächst aufgebraucht. Die unterschiedlichen Presswerke sind hier vermutlich zeitlich etwas voneinander abweichend verfahren.

Pressungen, die zwischen Herbst 1945 und Herbst 1946 entstanden waren, wurden aufgrund des noch nicht uneingeschränkt erlaubten Plattenverkaufs an die deutsche Zivilbevölkerung zunächst in Hannover und Berlin eingelagert und dann ab Herbst 1946 für den Verkauf mit den bekannten Aufklebern bzw. Stempeln ("Hergestellt unter...") versehen. Zwischen Mai 1945 und Sommer 1946 erfolgte der Verkauf zunächst v.a. an die Allierten - diese Pressungen tragen dann das Kriegsetikett ohne Lizenzzettel, haben aber trotzdem ein "Depositato" im Wachs. Das Gleiche gilt für zahlreiche Propaganda-Aufnahmen, die im Zuge der Nürnberger Prozesse 1945/46 von den Briten zu Dokumentationszwecken in unbekannter Auflagenhöhe gepresst wurden (Quelle wie oben, S. 176 - sämtliche Quellen siehe zit. Diss. S. Fetthauer)!

Hier als Beispiel zunächst eine eindeutige Kriegspressung (1942/43), OHNE Depositato im Wachs (das Foto wurde mir zur Verfügung gestellt):





Im Vergleich dazu eine frühe Nachkriegspressung (vermutlich 1946), derselben Aufnahme MIT Depositato im Wachs (eingelagert am 5.6. [1943]). Der Etikett-Typ (glattes, weiß bedrucktes Papier) und die Buchstabentype entsprechen haargenau den späteren Nachkriegspressungen von SIEMENS-POLYDOR mit der aufgedruckten Zeile "Hergestellt unter...". Es handelt sich also mit größter Wahrscheinlichkeit um eine Pressung, die zwischen Sommer 1945 und Herbst 1946 entstanden ist und dann (also erst 1946 ff.) in den Verkauf kam. Auf der anderen Seite klebt der kleine Lizenzzettel, der für den Verkauf ab Herbst 1946 nötig geworden war.







[ Bearbeitet Sa Jan 05 2019, 23:00 ]
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Odeon89
Sa Jan 05 2019, 20:58
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Eine spannende Platte ist in diesem Kontext auch Siemens-Polydor 47834 mit dem Ufa-Tanzorchester unter Wilhelm Greiß ("Beim ersten Mal, da tut's noch weh") aus dem Film "Große Freiheit Nr. 7". Auf dem Etikett steht schon der "abgeänderte" Filmtitel (zuerst sollte der Film offenbar nur "Große Freiheit" genannt werden, was die Zensurstelle nicht durchgehen ließ, dann "Große Freiheit Nr. 7"); der Film wurde im Dez. 1944 für Deutschland ohnehin nicht freigegeben.





Im Wachs befindet sich die Angabe "Depositato 2.8.43". Hier könnte man davon ausgehen, dass diese Platte auch erst nach der Uraufführung (Berlin, 6.9.1945, unter dem Titel "Große Freiheit Nr. 7" veröffentlicht wurde. Die Matrize war jedoch schon 1943 entwickelt worden, wurde aber wohl eingelagert und diente dann als Grundstock für Neuerscheinungen in der frühen Nachkriegszeit, als Neuaufnahmen noch nicht gestattet waren. Hat evtl. jemand diese Platte ohne "Depositato" im Wachs in seiner Sammlung?





[ Bearbeitet Sa Jan 05 2019, 22:45 ]
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berauscht
Sa Jan 05 2019, 21:47
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1956
Pressungen, die zwischen Herbst 1945 und Herbst 1946 entstanden waren, wurden aufgrund des noch nicht uneingeschränkt erlaubten Plattenverkaufs an die deutsche Zivilbevölkerung zunächst in Hannover und Berlin eingelagert und dann ab Herbst 1946 für den Verkauf mit den bekannten Aufklebern bzw. Stempeln ("Hergestellt unter...") versehen. Zwischen Mai 1945 und Sommer 1946 erfolgte der Verkauf zunächst v.a. an die Allierten - diese Pressungen tragen dann das Kriegsetikett ohne Lizenzzettel, haben aber trotzdem ein "Depositato" im Wachs.


Das möchte ich doch zumindest einmal anzweifeln. Ich glaube nicht, dass man, schon auf Grund der Knappheit an Material, Energie und Arbeitskraft, ein Jahr lang nur auf Lager produziert hat. Falls dort schon soviel gepresst wurde wie angegeben, dann doch höchstwahrscheinlich um durch Export an Devisen zu kommen.

[ Bearbeitet Sa Jan 05 2019, 21:48 ]
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Odeon89
Sa Jan 05 2019, 21:55
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Die oben genannten (erstaunlich hohen) Presszahlen in der zweiten Jahreshälfte 1945 sind anhand der von S. Fetthauer (Diss. "Deutsche Grammophon. Geschichte eines Schallplattenunternehmens imDritten Reich", S. 183) ausgewerteten und z.T. edierten Quellen eindeutig nachgewiesen; die Lager der DGG waren im Sommer 1945 deutlich geleert (Quelle: Briefverkehr H. Wünsch, zit. wie oben.). Es lässt sich anhand der genannten Pressziffern auf ein Pressvolumen von ca. einer viertel Million Platten allein für das Werk Hannover zwischen Mai und Dezember 1945 schließen.

Der Verkauf in den ersten Nachkriegsmonaten (bis Sommer 1946) war wohl offiziell nicht erlaubt. Es war für die DGG unklar, wann der 'Startschuss' für den regulären Handel wieder gegeben werden würde; da er aber in absehbarer Zeit zu erwarten war, wurde solange (vorwiegend) auf Lager gepresst und an die Briten verkauft - dies alles ist zweifelsfrei belegt. Wie die Verkaufsgenehmigung durch die allierten Behörden genau gehandhabt wurde, wäre aber in der Tat noch zu untersuchen (gab es Unterschiede zwischen den verschiedenen Besatzungszonen?). Es gibt jedenfalls Berichte von Zeitzeugen, die schon im Herbst 1945 wieder regulär Platten im Geschäft erworben haben.

Die Fortsetzung des Exportes (insbesondere nach Skandinavien) wurde tatsächlich unmittelbar nach Kriegsende von der DGG wieder angestrebt (Quelle: zit. Diss. Fetthauer, S. 190); inwiefern das in die Tat umgesetzt werden konnte, ist mir nicht bekannt. Es steht jedoch zu vermuten, dass spätestens 1946 Dänemark etc. wieder von Hannover aus beliefert wurden. Diese Export-Platten würden dann das 'Kriegsetikett' tragen und könnten im Wachs mit "Depositato" gekennzeichnet sein (wie in einem Beitrag in diesem Thread an einem Beispiel zu sehen ist); von einer Nutzung von Restbeständen von noch zu Kriegszeiten gedruckten Etiketten (die dann mit dem kleinen Lizenzzettel beklebt bzw. gestempelt wurden) ist sicherlich noch für 1946/47 auszugehen - insbesondere bei weniger stark verlangten Platten.

[ Bearbeitet So Jan 06 2019, 00:26 ]
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Odeon89
So Jan 06 2019, 00:52
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch diese Victor Cornelius-Platte auf 'Kriegsetikett'-Polydor. Im Auftrag der DGG in Kopenhagen für Exportzwecke im Sommer 1943 aufgenommen, kam eine Veröffentlichung in Deutschland vor Kriegsende aufgrund der 'feindstaatlichen' Komponisten von vornherein nicht in Frage.

Im Wachs: "Depostitato 19.8.43" - also vermutlich gepresst 1945-46 von eingelagerten Matrizen und dann nach Sommer 1946 in Deutschland in den Verkauf gegangen:



Hat jemand Unterlagen bzw. Monatsnachträge, aus denen hervorgeht, ob diese Platte noch vor 1945 erschienen ist und in den Export ging, oder ob es sich um eine frühe Nachkriegsveröffentlichung für den deutschen Markt handelt? (Siehe die späte Nachkriegspressug derselben Depositato-Matrizen auf "Sternchen-Polydor" von schellackfreak am Anfang des Threads!) Dieses Etikett (oben deutsch beschriftet mit "Rechte der Radiosendung...") ist mir von eindeutigen Exportplatten (z.B. Ernst van t'Hoff auf Polydor 1942) nicht bekannt; bei diesen sind mir diese Angaben in Englisch gedruckt begegnet. Ebenso tragen diese Export-Polydor i.d.R. die Preisklasse "G" auf dem Etikett, während hier die Preisklasse "H" erscheint.

[ Bearbeitet So Jan 06 2019, 01:03 ]
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Abstellhebel
So Jan 06 2019, 10:01
Gast
Die beachtlichen Presszahlen der Grammophon 1945/46 sind keine Mutmaßungen von Frau Fetthauer, sondern sie sind durch den Originalschriftverkehr des Direktors der Grammophon, Dr. Wünsche, erhalten und belegt.

"Depositato" heißt im kaufmännischen Lexikon " hinterlegt, eingelegt, eingelagert ".

Nun tragen die betreffenden Platten diesen "Einlagerungsvermerk" genau ab Sommer bis Herbst 1943. Zusammentreffend mit den schweren Luftangriffen auf Hannover ab Sommer 1943.

Man beachte auch, daß viele ganz verschiedene Platten immer wieder denselben Tagesstempel, zum Beispiel "Depositato 5.6." tragen.
Aus all diesen Umständen wird ziemlich deutlich, daß die 4000 ausgewählten Verlagerungsmatrizen in den Sommer-/Herbsttagen 1943 den Depositatostempel erhielten und nach Arnstadt zur Einlagerung gingen.

Hierunter war auch die Aufnahme "Caprifischer", die nach heutigem Wissenstand 1943 bei Grammophon nicht mehr veröffentlicht wurde, sehr wohl aber gleich nach Rückkehr der Matrize nach Hannover.
Erst deutlich zeitverzögert nach Juni 1946 musste der Vermerk "Militärregierung" aufgebracht werden. So sehen diese frühen Nachkriegspresungen noch aus wie Pressungen aus dem Krieg, auch wenn das jetzt manche Sammler enttäuschen mag.
Bisher scheint noch kein Exemplar "Caprifischer" nachgewiesen zu sein, welches eindeutig in 1943 zu datieren ist - durch Etikett und ohne Depositato-Stempel.

[ Bearbeitet So Jan 06 2019, 10:56 ]
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jitterbug
So Jan 06 2019, 11:14
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Mär 27 2013, 16:49
Wohnort: Berlin
Beiträge: 405
Capri-Fischer ohne Depositato, "A" im Spiegel.

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