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Schallplattenschnitt mit Bandaufnahme, ab wann?
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RF-Musiker
Fr Sep 23 2011, 22:58 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Sep 15 2011, 11:21
Wohnort: Berlin
Beiträge: 352
Hallo,
auf der Startseite ist ein Video über die Herstellung von Schellackplatten, dabei erfolgt der Schnitt der Wachsplatte von einem "Magnetophonband".
Meine Frage, ab wann kam der Gebrauch von Bändern in Gebrauch?
Gab es vorher außer Tri Ergon und der Überspielung von Walzen auf Tiefenschriftplatten noch andere Fälle, wo man die Aufnahme nicht direkt in die Pressvorlage schnitt?
In einem Spielfilm wurde gezeigt, dass "Lilli Marleen" auf Tonband aufgenommen wurde und dann erst erfolgte die Überspielung auf Wachsplatte.
Hat eigentlich eine Wachsplatte eine Tonqualität, die der einer Vinylplatte entspricht?
Mich interessiert die technische und historische Seite schon sehr.

[ Bearbeitet Di Mär 27 2012, 13:37 ]
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Rundfunkonkel
Sa Sep 24 2011, 00:19
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Hallo,

das würde mich auch sehr interessieren. Klanglich ordentlich funktioniert hat es ja erst ab 1941. Nach Entwicklung der HF-Vormagnetisierung. Wo wird denn Lili Marleen als Magnetbandaufnahme gezeigt?

Gruß

Rundfunkonkel
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Formiggini
Sa Sep 24 2011, 08:47

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Bei Telefunken wurde ab 1943/44 häufiger erst auf Band aufgenommen, dann auf Wachs umgeschnitten.

Aus dem Jahr 1944 sind sogar Stereoaufnahmen auf Band erhalten!

Diese hochwertigen Bandgeräte waren jedoch auserhalb Deutschlands quasi unbekannt.
1945 gehörten die AEG K4 Geräte mit zum "Beutegut", das nach Amerika verschifft wurde, und dort 1:1 nachgebaut.

Die Qualität der Wachsplatten muss auserordentlich gut gewesen sein - jedoch war diese Qualität nach dem ersten abspielen passe...

Durch jeden galvanischen Umdruck litt die Qualität etwas, d.h. wenn von der Wachsplatte der erste Master gezogen wurde, davon wieder ein negativ um davon den Presstempel zu ziehen, war bereits ein Teil der ursprünglichen Qualität dahin.

Glücklicherweise sind einige "Master der Schellackzeit erhalten.

Für Sammlereditionen wurden in den späten 80´er Jahren von den Metallmastern Vinylpressungen gemacht - die Klangqualität ist beeindruckend für Aufnahmen von 1928, bzw. 1931:





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Gast
Sa Sep 24 2011, 09:05
Gast
Bis Kriegsende war es meines Wissens nach so: Die ersten Magnetophone in größeren Serien waren ausschließlich von AEG und aus der "K" Serie.

Sie wurden vereinzelt ab 1941 verwendet, das "K 4" dann im Rundfunk, genauer gesagt bei der Reichsrundfunkgesellschaft und beim Militär. Als Orientierung sei Jahreszahl 1943 genannt.

Ich habe ein Radiogerät von Telefunken, welches auch in größeren Zahlen von der Wehrmacht gekauft wurde (Casinos, Truppenbetreuung, Lazarett usw). Diese Radios haben serienmäßig einen sogenannten "Klein-Tuchel"-Anschluß. So eine Buchse wurde benötigt, um ein Magnetophon anzuschließen.
Die transportablen Magnetophone brauchten einen externen Endverstärker zur Wiedergabe. Das Telefunkenradio wurde von Ende 1941 bis 1944 gebaut.

Die Bandtechnik war in der Endkriegszeit sehr ausgereift. Es gibt sogar sehr beeindruckende Aufnahmen auf Band in Stereo.

Genutzt wurde das alles nur beim Rundfunk und bei der Wehrmacht.

Ob eine Nutzung bei Schallplattenaufnahmen vorgesehen war oder gar genutzt wurde, kann ich nicht sagen.

Die technische Möglichkeit hätte man jedenfalls ohne weiteres so ab 1942/43 gehabt.
Fraglich ist, ob man es als so großen Vorteil empfunden hat. Die Musiker "funktionierten" einfach und verstanden ihr Handwek.
Es waren keine 12 Takes nötig für ein Schlagerliedchen - so wie heute üblich.

So bot die vorherige Aufnahme auf Band selten einen Vorteil, man war es gewohnt, gleich "ins Reine" zu spielen, sprich ins Schneidgerät.Wie erwähnt wäre es aber in diesen Jahren problemlos möglich gewesen, vom Magnetophon auf's Schneidgerät zu überspielen.

Ich möchte noch auf etwas Wichtiges hinweisen. Die frühen Tonbänder wurden noch nicht so genannt. Dieser terminus technicus kam erst zu Beginn der 50er Jahre auf.

Zuvor wurde das Schallband oder auch FILM genannt. Film halt nicht im fotografischen Sinne, sondern Film als dünnes Band.
Das nur mal, falls jemand irritiert ist, wenn er 1943 von einer Aufnahme "auf Film" liest. Im Zusammenhang mit dem AEG Magnetophon ist hier das Band gemeint.

Deutschland hat das Tonband erfundeen und als erstes Land (im Kriege) diese Technik genutzt.

Die Amerikaner haben dementsprechend dann auch 1945 alle erreichbaren Magnetophone einkassiert.

Unter Umgehung aller Patente machte die Technik dann in den 50er Jahren in Amerika eine rasante Verbreitung dort.Kommerziell, in der Plattenindustrie und beim Rundfunk.

In Deutschland gab meines Wissens erste Tonbandgeräte so ab 51/52 zu kaufen. Und in diesem Rahmen vermute ich auch die allmähliche Durchsetzung bei Platte und Radio in der Bundesrepublik.

Die Originalaufnahme von Lilli Marlen erfolgte meines Wissens schon Ende 1938 bei Electrola. Völlig auszuschließen, daß die Matrize vorher auf Band gemacht wurde.
Vielleicht in späteren Kriegsjahren eine Aufnahme auf AEG Magnetophon, die dann bei der Truppenbetreuung abgespielt wurde. Das wäre vorstellbar.

Geschichte am Rande: in Berlin war in der frühen Nachkriegszeit das Tonbandmatrial sehr begehrt. War es doch ein sehr haltbares, wetterfestes Bindematerial für Garten und Haushalt!
Die Russen haben beim Einmarsch das Haus des Rundfunks anfangs eher verwüstet, so landeten einige Bänder in russischen Archiven und der Rest in großen Haufen achtlos auf der Straße.

Für Interessierte gibt es CDs mit frühen Bandaufnahmen unter anderem von Karajan aus diesen Jahren. Sie sind von exellenter HiFi-Qualität. Einfach mal googeln nach RRG Reichsfunkfunk frühe Bandaufnakmen.

Gruß, Nils
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Gast
Sa Sep 24 2011, 11:08
Gast
Hier ein Link zu einer stereophonen Bandaufnahme der Reichsrundfunkgesellschaft von 1944.

Link - Hier klicken

Wer sich näher interessiert, findet unter den Stichworten AEG Magnetophon weitere Informationen bei YT
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snookerbee
Sa Sep 24 2011, 11:18
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676

Danke Nils für die ausführliche Schilderung.

Zur Zeit nach dem Krieg sei noch hinzugefügt, dass im ersten Halbjahr 1947 das Orchester Kurt Hohenberger zwei Titel auf AMIGA herausbrachte, die ohne Zweifel auf Magnetband aufgenommen wurden:

AM 554 Jersey Bounce (Am 1139)
AM 566 Take The A Train (Am 1136)

Die CD-Wiederveröffentlichungen aus dem Jahr 1996 zeigen eine excellente Tonqualität ohne jedes Rauschen und Knistern und einen erstaunlichen Frequenzumfang, ganz im Gegensatz zu den üblichen Schellacküberspielungen. Leider geben weder CD noch die Firmendiskografie von AMIGA die Herkunft der Bänder an. Vielleicht wurden sie beim Berliner Rundfunk gemacht und später auf Platte übernommen.

Übrigens waren die ersten RADIOPHON-Platten 1946 sämtlich Überspielungen von Magnetbändern der Reichsrundfunkgesellschaft aus den Jahren 1942 bis 1945. RADIOPHON-Platten wurden für den Sendebetrieb angefertigt, da die Schallplattenindustrie noch nicht wieder aufgebaut war.

Viele Grüße
Claus

[ Bearbeitet Mo Mär 26 2012, 23:25 ]
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Gast
Sa Sep 24 2011, 11:26
Gast
Danke, Claus, das ist eine interessante Ergänzung !

Man könnte fast vermuten, daß die beiden Hohenberger-Titel auch in den frühen Nachkriegsjahren vom Band über den Rundfunk gingen und dann noch auf Matrize überspielt wurden.

Gruß, Nils
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RF-Musiker
Sa Sep 24 2011, 13:57
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Sep 15 2011, 11:21
Wohnort: Berlin
Beiträge: 352
Jedenfalls ist es jetzt klar, dass die gute Qualität mancher historischer Aufnahmen nicht an der Nachbearbeitung liegt, sondern daran, dass eine Bandaufnahme oder Matritze erhalten blieb.
Umgekehrt vermute ich mal, dass manche Bänder nicht archiviert wurden oder nicht gut erhalten blieben und so dann heute die beste erhaltene Version mancher Nachkriegsaufnahme eine Schellackplatte ist.

[ Bearbeitet Di Mär 27 2012, 13:40 ]
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Rundfunkonkel
Sa Sep 24 2011, 15:18
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Hallo,

ich möchte gerne eine Korrektur und Ergänzungen der vorherigen Beiträge einfliessen lassen, soweit mir dies durch Belege (und Zeit) möglich ist.

Es hiess auch in der Zeit vor 1945 schon Tonband:



Hier noch die Anfänge der "privaten" Tonbandtechnik (die sich aber noch kaum jemand leisten konnte):



Der Vorgänger der AW2, die AW1 (AW= Aufnahme/Wiedergabe; 1 heisst vermutlich Einspur, die AW2 hat normalerweise schon Zweispurtechnik):



Und nun noch ein Überblick über die K8, die als laut Beschreibungen K7 schon vor 1945 gebaut wurde (angeblich könnten die Stereoaufnahmen eventuell teilweise mit einer modifizierten K7 gemacht worden sein). Den Aufnahmekoffer besitze ich, das Laufwerk leider nur als Schwestermodell für in die Truhe, also eine T8:

[center]]


Den Link zur laufenden AW2 setze ich später noch rein, habe grad keine Zeit...

Gruß

Rundfunkonkel

[ Bearbeitet Mo Dez 26 2011, 15:29 ]
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Gast
Sa Sep 24 2011, 15:40
Gast
Danke für die Ergänzungen!

Ingenieur und Fachmann der frühen Magnetophone Hans Joachim Röhrs schreibt:


"Magnetophon" war ein zugunsten der AEG geschützter Warenname, "Film" für das, was wir "Magnetband" nennen, aber auch und gerade in der frühesten Zeit bei RRGs gang und gäbe. Es dauerte eben, bis sich der Begriff "Tonband" durchsetzte.
Das bringt infolgedessen für den Magnetbandhistoriker mitunter etwas diffizile (oder eben nicht in der erhofften Weise definitiv entscheidbare) Fragen nach dem nun vom seinerzeitigen Schreiber eines auf uns gekommenen, schriftlichen Dokumentes 'wirklich' gemeinten Gerätes mit sich."

Es ist schon glaubhaft, daß in diesen Jahren beide Begriffe existierten.

Gruß, Nils
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Rundfunkonkel
Sa Sep 24 2011, 15:55
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Für die, die das Video noch nicht kennen:



Gruß

Rfk-Onkel

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SchellackFreak
Sa Sep 24 2011, 19:31
"Seitengründer"

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Sep 16 2009, 22:06
Beiträge: 452
Hier auch noch etwas interessantes aus dem Heft: Natur und Technik - Ausgabe von 1949









Gruß Yannick
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Webseite
snookerbee
Sa Sep 24 2011, 19:45
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676

Tja, das was damals einen komplexen mechanischen Apparat erforderte, wird heute mittels Software generiert. Mich würde allerdings interessieren, wie diese Art von analoger Dehnung und Stauchung des Tones qualitativ geklungen hat. Ich könnte mir vorstellen, dass das definitiv natürlicher klang.

Grüße
Claus

[ Bearbeitet Mo Mär 26 2012, 23:23 ]
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Odeon89
Sa Sep 24 2011, 22:25
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Vielleicht ein wenig "off topic", aber im Film "Wir machen Musik" mit Ilse Werner und Victor de Kowa bekommt man in einer Szene auch ein Tonbandgerät im Betrieb zu sehen. Der Film stammt von 1942.

Viele Grüße
Kai
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Rundfunkonkel
Sa Sep 24 2011, 22:27
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Ein toller Bericht! Danke dafür. Irgendwo meine ich mal gelesen zu haben, dass es bei der von der Wehrmacht benutzten "Tonschreibern" auch welche mit rotierendem Tonkopf gegeben habe, die das in Deinem Bericht beschriebene zur Verbesserung der Verständlichkeit von z.B. belauschten Gesprächen benutzt hat.

Gruß

Rundfunkonkel
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Gast
So Sep 25 2011, 04:35
Gast
Hallo Kai,

wo Du den Film "Wir machen Musik" erwähnst... vor einigen Jahren habe ich die Szene als Standbild kopiert. (Georg Thomalla an dem großen Pult-Magnetophon).

Das Gerät wurde leider von dem Fachmann und Toningenieur Röhrs einwandfrei als Filmschneidetisch identifiziert :-D

Im Film wurde bei der Requisite getärkt.

Trotzdem zeigt es aber, dass Bandmaschinen schon 1942/43 zum "Alltag" gehörten.

Gruß, Nils

[ Bearbeitet Di Mai 15 2012, 11:51 ]
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RF-Musiker
So Sep 25 2011, 14:54
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Sep 15 2011, 11:21
Wohnort: Berlin
Beiträge: 352
Ich bin ja verblüfft, wie gut schon 1950 der "Long Play Modus" einer Studiomaschine klang, denn 76 cm/s war doch da Standard.
Dass Übrigens die alten Amiga Schellacks nur als Platte vorliegen, lag daran, dass Ernst Busch, als man ihm die Enteignung ankündigte, im Archiv der Lied der Zeit GmbH Bänder löschte.

[ Bearbeitet Di Mär 27 2012, 13:42 ]
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Aristodemo
Mo Feb 13 2012, 23:07
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jan 21 2012, 01:07
Beiträge: 426
Die RADIOPHON GmbH hat nach Mai 1945 Bandaufnahmen der Reichsrundfunkgesellschaft RRG auf Platten umgeschnitten, gepresst sind sie wohl in den ehemaligen TEMPO Werken.RADIOPHON könnte man als Vorgängerin der AMIGA sehen.





[ Bearbeitet Sa Mär 31 2012, 13:49 ]
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Rundfunkonkel
Mo Feb 13 2012, 23:22
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Hallo,

seit der Entdeckung der HF-Vormagnetisierung in 1941 zog auch die Bandmaschine bei den Plattenfirmen ein. Leider sind die meisten in späteren Jahren dann "in Zahlung" genommen wurden (sprich: verschrottet), wenn eine modernere Maschine angeschafft wurde. Daher gibt es bisher leider keine mir bekannten Geräte der AEG von vor 1945 aus deren Besitz, die noch existieren.

Allerdings fand ich vor kurzem an meiner 1948er AEG einen eingebrannten Schriftzug:





Ich wüsste doch allzugerne, ob, und wenn ja, welche Schellackhits mit diesem Gerät auf Platte gebannt wurden!

Gruß

RFO




[ Bearbeitet Sa Mär 31 2012, 17:57 ]
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