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Korrektur des Spurfehlwinkels (tracking error) bei Grammophonen mit Schwanenhalstonarm
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Starkton
So Sep 06 2015, 19:45 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
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Beiträge: 1881
Nach der Lektüre des hervorragenden Beitrages über "Den Tonarm" Link - Hier klicken habe ich mit Hilfe der dort abgebildeten Schablone an meinen Grammophonen Messungen des Spurfehlwinkels der jeweiligen Schalldosen vorgenommen. Ich besitze verschiedene Geräte der Deutschen Grammophon A.G. mit Trompetenarm, andere Bezeichnung Schwanenhalstonarm, die ich zum Abspielen meiner Schellackplatten verwende. Die Ergebnisse, durchweg Spurfehlwinkel von 20 - 25°, haben mich schockiert und erforderten dringendes Handeln!

Der Schwanenhals als verbindendes Element zwischen Tonarm und Schalldose wurde für Geräte der Gramophone Co. bzw. Victor Talking Machine Co. etwa 20 Jahre lang unverändert gebaut und in Zehntausenden von Grammophonen eingesetzt. Nach längerer Überlegung habe ich deshalb die bereits in den 20er Jahren vorgeschlagene Lösung, einen Teil des Tonarms abzusägen, am Schwanenhals umgesetzt. (Natürlich an einem Ersatzteil und nicht am Originalarm!)

Das Endergebnis mit modifiziertem Tonarm sieht so aus:




Um die enormen Verbesserungen besser zeigen zu können, habe ich den Spurfehlwinkel zweier perfekt justierte Schalldose einmal mit unverändertem, und einmal mit modifiziertem Schwanenhals an jeweils exakt gleicher Stelle mit Hilfe der Schablone gemessen. Die Ergebnisse lassen sich auf alle meine Grammophone übertragen.

Vorher



Nachher




Vorher



Nachher




Vorher



Nachher




Vorher



Nachher




Ein angenehmer Nebeneffekt war, dass das abgesägte Armstück nun nicht mehr "ins Gewicht fällt." Bezüglich weiterer Gewichtsreduktion werde ich experimentieren und Hörvergleiche stehen auch noch aus.

[ Bearbeitet Mo Sep 12 2016, 00:26 ]
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Formiggini
So Sep 06 2015, 20:12

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Vielen Dank für diese beeindruckende Demonstration! Die Verbesserung ist ja wirklich nicht unerheblich.

Grüße
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Rundfunkonkel
Mo Sep 07 2015, 00:49
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Kann mich nur anschließen, ein gutes Endergebnis. Bei dem Winkelversatz muss es doch merklich verzerrt haben?
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Starkton
Mo Sep 07 2015, 01:46
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Deutliche Verzerrungen, speziell bei Sopranen, sind bisher nur aufgetreten wenn die Schalldose nicht korrekt justiert war, sowie bei stark abgenutzten Schallplatten oder sehr kritischen (lauten) Passagen. Mit dem Klang war ich deshalb sehr zufrieden.

Das ganze System hat sich offenbar selbst stabilisiert. Ich erwarte deshalb klanglich nur partielle Verbesserungen. Mir ging es bei der Modifikation vor allem um die Schonung der Schallplatten.

Man darf nicht vergessen, dass die großen Grammophone der Gramophone Co./Victor Co. zwanzig Jahre lang mechanisch und klanglich den "State-of-the-Art" darstellten. Man hat damals "schön", das heißt geometrisch gleichmäßig, gebaut. Diese Geräte waren das Vorbild welche die anderen Grammophonfirmen jahrzehntelang imitierten. Dass dies akustisch nicht das Optimum darstellte hat sich erst durch den wissenschaftlichen Fortschritt erwiesen.
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Hedensö
Mo Sep 07 2015, 09:31
⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Jan 06 2012, 11:09
Beiträge: 881
Interessanter Ansatz! Besten Dank für die detaillierte Beschreibung...

Jetzt brächtest du nur eine Zeitmaschine und könntest die Umsetzung vor rund 100 Jahren selbst erfunden haben...
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Arto
Mo Sep 07 2015, 18:00
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jan 07 2014, 01:33
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Beiträge: 185
Es ist doch eine herrliche Verbesserung und Dokumentation! Es is sonderbar, dass Victor nicht darauf gekommen ist, denn die Firma hat sich sehr um die Haltbarkeit der Platten gekümmert.
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Starkton
Mo Sep 07 2015, 21:52
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Diese Modifikation wäre ohne Zusatzaufwand in der Serienfertigung umsetzbar gewesen und hätte durch die Materialersparnis sogar noch einen Kostenvorteil gebracht.

Ich bin deshalb sicher, hätte Eldridge Johnson oder seine Werkstatt auch nur einen Gedanken auf diesen Aspekt der Tonarmgeometrie verschwendet, die Veränderung wäre sofort umgesetzt, patentiert und gegenüber Mitbewerbern mit Zähnen und Klauen verteidigt worden.

Mir ging es ja auch nicht anders. Ich vermisste nichts, bis ich die Schablone aufgelegt habe ...

Übrigens: Da ich den modifizierten Schwanenhals sehr einfach zwischen meinen Grammophonen austauschen kann hatte ich das Absägen zum Glück nur einmal durchzuführen. Nach dem Abtrennen muss man das gebogene Rohrstück, welches die Schalldose aufnimmt, zylindrisch feilen. Ist das erledigt folgt nun noch das Einfräsen der L-förmig gebogene Aussparung für den Führungsstift des Gummiflanschs. Die Aussparung muss sehr exakt gearbeitet sein, damit die Schalldose spielfrei sitzt und die Stahlnadel im Winkel von 60° auf die Schallplatte trifft.
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Formiggini
Mo Sep 07 2015, 22:07

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Im amerikanischen Forum hat man sich auch schon mal mit dem schlechten Spurfehlwinkel beschäftigt. Eine interessante Lösung wurde von Player-Tone vorgeschlagen: Die flexible Lagerung der Schalldose wird dabei neu angefertigt (Silikon) und der Ansatz für den Tonarmstutzen dabei schräg gegossen. Dieses Stück könnte natürlich aus aus vollem Material neu gedreht werden. Durch diese "schräge" Befestigung ergibt sich dann auch wieder ein besserer Spurfehlwinkel:

Bild: Player-Tone, TMF


Grüße
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Starkton
Mo Sep 07 2015, 22:49
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
An den Beiträgen im US Forum sieht man, dass mehrere Wege zum Ziel führen. Die damalige Diskussion muss ich übersehen haben. Einer wollte sich seine Lösung sogar patentieren lassen - ob er das ernst gemeint hat?

Interessant, dass man beim damaligen Beispiel einen Spurfehlwinkel für die Exhibition Schalldose von nur 17,5° ermittelt hat. Wie auf meinen Fotos zu sehen ist kann er bis 25° betragen. Muss im Einzelfall überprüft werden.
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Formiggini
Mo Sep 07 2015, 23:02

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Auf den Bildern ist ja nur ein Blatt Papier als "Indikator" für den Spurfehlwinkel zu sehen. Wie die tatsächliche Messung aussah, wissen wir nicht. Einen (gemessenen?) Fehler von 17,5° halte ich bei dieser Bauform jedoch für recht optimistisch, was deine Messungen ja auch belegen. Möglicher Unterschied: Die Länge des Tonarmes. Diese beeinflusst den "Tracking Error" ja auch.

Grüße
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Rundfunkonkel
Do Sep 10 2015, 20:13
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Diese Messschablone lohnt sich wirklich zu basteln. Hier die Fehlwinkel meines kleinen Polyphon mit montierter Elektrodose (der Wert dürfte mit Schalldose kaum anders aussehen).

Gemessen bei 25 cm:







Und beim inneren Ende:





Wenn man bei einer Einlaufrille einer 30 cm Platte misst, kommt man wiederum bei 11° aus.

Ergebnis: vielleicht sollte ich den Sonyphon Pickup zur Optimierung ca. 2° nach außen biegen. Dann wären beide Fehlwinkel - so lange es sich um 25cm Platten handelt - innerhalb des grünen Bereiches. Dafür wäre es bei großen Platten außen schlimmer.

[ Bearbeitet Do Sep 10 2015, 20:16 ]
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Formiggini
Fr Sep 11 2015, 10:49

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Mit einer normalen Schalldose ist der Spurfehlwinkel noch schlechter, da diese dann wieder in der "gefährlichen" Geraden zum Drehpunkt des Tonarms liegen würde.

Eine weitere Möglichkeit wäre, den Ansatzstutzen mit einem Rohstück etwas zu verlängern, um aus dem "gefährlichen Bereich" etwas heraus zu kommen.

Grüße
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Starkton
Fr Sep 11 2015, 14:08
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Idealerweise sollte der Spurfehlwinkel auf Höhe der Auslaufrille am geringsten sein, weil der Fehler von außen nach innen immer gravierendere Folgen hat.

Nach der Modifikation am Schwanenhals liegt der Fehler in der durchschnittlichen Auslaufrille von 25 und 30 cm Platten bei praktisch 0, bei 17 cm Platten bei 3 bis 4 Grad. Ich hatte keine Lust hier noch weiter zu optimieren.
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Formiggini
Sa Sep 19 2015, 12:14

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Anscheinend machte man sich doch schon relativ früh Gedanken zu dieser Problematik - es fand nur keinen Einzug in die Praxis... Ein französisches Patent, angemeldet im Dezember 1907, beschäftigt sich mit dem Spurfehlwinkel sowohl bei Seiten- wie auch bei Tiefenschrift. Wenn nun ein französischer Patenttext aber auch noch √ trifft... Vielleicht kann jemand eine kurze Zusammenfassung des Patentes geben.





Grüße
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Starkton
Mi Sep 23 2015, 19:44
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
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Dieses Patent ist ein toller Fund! Leider reichen meine Französischkenntnisse nicht für eine Zusammenfassung aus, aber der Ungar Bela Harsanyi, welcher als Händler in Paris lebte, versuchte mit seinem Patent in der Tat den Klang zu verbessern, die Laufgeräusche zu verringern und die Platten gegen Abnutzung zu schonen. Ich wundere mich, dass damals niemand dieses Patent zur Kenntnis genommen hat. Es wurde übrigens auch in Mexiko angemeldet.

Durch den stark verbesserten Spurfehlwinkel an meinen Tonarmen ist es mir heute möglich gewesen, eine bisher nicht abspielbare Platte mit Hitzeschaden, d.h. flachgedrückte Rillen beim Versuch die gewellte Platte zwischen Glascheiben einzuebnen, einwandfrei abtasten zu können. Bisher flog die Schalldose kurz nach dem Start aus der Rille.
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