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Die Geschichte der "Capri - Fischer "
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Gast
Sa Mai 21 2011, 16:50 Druck Ansicht
Gast
...es gibt hier wohl niemand, der diesen Ohrwurm nicht kennt... aber über die Geschichte dieses Riesenhits ist im Internet sehr viel Falsches zu lesen.

Darum möchte ich Euch bei Interesse hier einmal die Fakten zu dem "Hit" näherbringen.

Die Melodie stammt von Gerhard Winkler, der Text von Ralph Maria Siegel ( Vater des heutigen Siegel jun.)
Die allererste Aufnahme wurde im März 1943 bei Odeon mit Magda Hain unter Leitung von Gerhard Winkler gemacht.




(Sammlung Stephan Wuthe)


Magda Hain war eine Angestellte bei Siemens in Berlin, sie wurde von Winkler entdeckt und in den Jahren 1942-45 in Berlin sehr beliebt wegen ihres völlig schnirkellosen Auftretens und natürlich wegen ihrer netten Stimme. Eigentlich eine typische Berlinerin, die mit all den Nöten der Zeit eine ideale Reflektionsfigur abgab. Schnell erhielt sie von den Berlinern auch den Zusatz "die singende Hausfrau".
Hier bei einer Veranstaltung in den 50er Jahren für die Berliner Trümmerfrauen:




Ihre Karriere endete schon in den Nachkriegsjahren und sie starb in den 90er Jahren verarmt in einem Altenheim in Regensburg.

Nun zurück zu den Caprifischern.

Das Lied wurde in der ersten Zeit auch noch im Rundfunk gespielt und wurde schnell beliebt.
Die Surrealistik des Textes zur Berliner Wirklichkeit 1943 störte nicht, nein, sie war eine Art minutenbegrenzte Fluchtmöglichkeit für die Seele.

Nun kommt langsam die Politik ins Spiel... es zeichnen sich schon im Sommer größerwerdende Probleme mit Italien ab.


Ab Spätsommer 1943 singt Rudi Schuricke das Lied in dem "Volks-Varieté" PLAZA , welches 1929 in der Halle des nicht mehr benötigten Ostbahnhof am Küstriner Platz (Friedrichshain) eingerichtet wurde.
Das Haus hatte 3000 Plätze und war neben der Scala eines "der" Unterhaltungsvarietés in Berlin. Endgültig zerstört bei den Kämpfen in Berlin 1945 und abgerissen 1952. Es stand genau an der Stelle, wo sich heute das Verlagshaus des "Neuen Deutschland" befindet.




Schuricke sang die Caprifischer in Form einer Zwischennummer, er gab dabei den "singenden Dirigent" des Plaza-Orchesters.
Hier ein recht seltenes Foto einer dieser Auftritte:





Der Rundfunk spielte das Lied nicht mehr, weil bekanntlich die Amerikaner 1943 Neapel und Capri besetzten.

Die Schallplatte mit Schuricke erreichte jedoch noch den Markt, wie das Originaletikett der Aufnahme von 1943 beweist:







Es ist oft zu lesen, daß die Aufnahme im Krieg gänzlich "verboten" war. Das stimmt so nicht. Es wurde lediglich im Rundfunk nicht mehr gespielt. Das wirkte sich natürlich extrem verkaufsmindernd auf die Schallplatte aus.

Die wirklich große Stunde kam dann ab 1946/47 , wo die Caprifischer scheinbar den gleichen Reflex bei den Hörern auslöste, wie schon in der kurzen Episode des Schlagers 1943.

Es war geradezu ein "Volkslied" bis in die 50er Jahre hinein.
Die Amiga presste als erste Eigenaufnahme die Caprifischer mit Kurt Reimann. Daran allein sieht man, welche Popularität das Lied schon im Frühjahr 1947 hatte.

Unschlagbar allerdings blieb die Version mit Rudi Schuricke!
Es wurde die Matritze (10167 1/2) von 1943 auf allen Schellackplatten der Deutschen Grammophon/Polydor bis in die 50er Jahre verwendet.

Um Euch die enorme Bekanntheit der Caprifischer zu verdeutlichen, hier noch zum Abschluß ein paar zeitgenössische Bilderwitze aus der frühen Nachkriegszeit










[ Bearbeitet So Mär 31 2013, 15:08 ]
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snookerbee
So Mai 22 2011, 17:09
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676

Danke für die interessanten Bilder und Fakten.

In den Informationen zur CD-Serie "Amiga-Schlagerarchiv" wird berichtet, daß Gerhard Winkler die "Caprifischer" nach dem Krieg zunächst für Radiophon (Matrize R842/47) aufnahm und etwas später noch einmal für Amiga (Matrize AM501a/47). Das war Anfang 1947. Eine Radiophon-Platte habe ich selbst noch nie gesehen. Weiß jemand etwas über dieses Label?

Hier ist das Labelfoto der Amiga-Version mit dem Komponisten selbst als Dirigent.





[ Bearbeitet Mo Apr 02 2012, 08:52 ]
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Gast
So Mai 22 2011, 17:48
Gast
Hallo Snookerbee,

ja, danke, das ist das Amigaetikett.
Amiga begann die Eigenaufnahmen mit Nr. 1100. (die Serie 1000 waren alte Tempomatr).

"Radiophon" tauchten vor etlichen Jahren schon immer mal noch auf.

Ich kenne welche, die ein orange-gelbes Etikett zeigen und im oberen Teil den Berliner Funkturm.

Mal sehen, ob ich was an Bildmmaterial finde .

Gruß, Nils

PS: Über Google kommen nur zwei, drei von den ganz einfachen Etiketten, handbeschriftet.

Aber ich hatte mal eine Radiophon bei einem Sammler in der Hand. Die war wie gesagt orange-gelb, der Funkturm (mit Haus des Rundfunks) war in Rot aufgedruckt. Das war eine Michael Jary.


[ Bearbeitet Mo Apr 02 2012, 08:53 ]
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snookerbee
So Mai 22 2011, 19:52
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676
Hallo Nils, danke für den Hinweis via Google zu suchen. Hätte ich ja auch mal drauf kommen können... *denk

Mir scheint, dass Radiophon wohl Musik für den Rundfunk aufgezeichnet hat, der die Platten dann sendete. Durch die Google Suche bin ich auf die Etikettensammlung vom albis-verlag gekommen. Da findet man weiter unten auf der Seite einige Radiophon-Labels mit entsprechenden Hinweisen.

Link - Hier klicken

Grüße, Claus

[ Bearbeitet Mo Apr 02 2012, 08:53 ]
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Gast
So Mai 22 2011, 20:08
Gast
Hallo Claus,

ja, ich habe das nur leider so schwach in Erinnerung ! Es gab wohl reine Rundfunkproduktionen in jeweils sehr begrenzter Stückzahl, aber wohl auch einige normal käufliche.

Ganz im Prinzip wurden sie wohl hergestellt, damit der Rundfunk halbwegs aktuelle Platten für Sendungen zur Verfügung hatte, als die kommerzielle Plattenherstellung noch brach lag.

[ Bearbeitet Mo Apr 02 2012, 08:53 ]
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Gast
Mi Nov 14 2012, 23:01
Gast
hier erstmal ein Labelbild, ich besitze allerdings auch nur die Nachkriegspressung.
ich werde noch einen anderen Weg versuchen euch diese Aufnahme zu Gehör zu bringen.



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snookerbee
Mi Jan 23 2013, 00:45
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676

Rudi Schuricke sang das Lied "Capri-Fischer" auch in einem Nachkriegsfilm.
Das Begleitorchester dürfte Kurt Drabek's Gruppe sein,
die ja ab 1946 mit Harfe und Vibraphon spielte.
Am Klavier sieht man zu Beginn den Komponisten Gerhard Winkler selbst.

Der Film ist der "DEFA-Augenzeuge Nr. 43/1947"

Das Lied beginnt bei 13:05 im Filmclip: Link - Hier klicken



[ Bearbeitet Fr Sep 27 2019, 16:35 ]
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GrammophonTeam
Do Jul 31 2014, 11:58
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1825
Von einem aufmerksamen Leser der Seite haben wir noch diese Informationen bekommen - Vielen Dank!


Liebe SchellackfreundInnen,

habe eine – hoffentlich fachkundige – Ergänzung zum Capri-Fischer Artikel. Die Schuricke-Aufnahme wurde laut meinem Plattenexemplar am 21.12.1943 eingespielt. Ich habe eine französische Pressung, bei der auf der Matrize das Datum 21.12.43 verzeichnet ist. Das würde auch ungefähr mit der Matrizennummer 10168 übereinkommen (Beispiel: Die letzten und unveröffentlichten Lale Andersen-Titel im Krieg bei Dt. Gramm. tragen die Matr.Nrn. 10149 GD/ 10150 GD, datiert auf 13.11.43, laut Weihermüller, Discographie der dt. Kleinkunst, Bd. III, S. 594). Auf meiner deutschen Nachkriegspressung steht kein Datum, nur das Jahr 1943 auf der Rückseite. Wenn das Datum stimmt, hat Schuricke den Titel also sehr spät und somit fast ein dreiviertel Jahr nach Magda Hain aufgenommen; mir ein Rätsel, wo doch klar war, dass aufgrund der politischen Lage mit Italienschlager kein Hit mehr zu erwarten war, zumal die Platte dann wohl erst Anfang 1944 auf den Markt gekommen sein dürfte!

Es grüßt

R. J. R.






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snookerbee
Do Jul 31 2014, 13:46
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676
Die entscheidenden Frage ist, ob das Datum auf der französischen Pressung den Aufnahmetag wiedergibt oder den Tag, an dem die Pressmatrize hergestellt/geprüft wurde.
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Konezni
Fr Jan 29 2016, 01:01
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Aug 20 2015, 18:23
Wohnort: Berlin
Beiträge: 242
Es ist in der Tat das Aufnahmedatum - die Platte kam erst 1944 heraus.
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Odeon89
Mo Dez 31 2018, 17:14
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Ich möchte die Veröffentlichung von Schurickes „Capri-Fischern“ in der Zeit vor Kriegsende infrage stellen. Es ist mittlerweile klar, dass das scheinbare „Kriegsetikett“ von SIEMENS-POLYDOR auch in der frühesten Nachkriegszeit (d.h. Sommer 1945 bis mindestens Mitte 1946) praktisch unverändert (s.u.) weiterverwendet wurde. Dass bei der DGG in Hannover der Pressbetrieb im Sommer 1945 bereits wieder in Gang war, ist hinlänglich bekannt; man vgl. dazu die Angaben in der Dissertation von S. Fetthauer (2000), die erstaunliche Produktionszahlen für die ersten Nachkriegsmonate (bis zu 50.000 Platten monatlich!) detailliert auflistet. Weitere Lohnpressungen entstanden vermutlich auch bei Otto Stahmann (z.B. Horst Winter auf POLYDOR) und in Berlin (Ringbahnstraße), siehe ebd.

Platten, auf denen der Zusatz „Hergestellt unter der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung“ fehlt, sind also mitnichten immer eindeutige 'Kriegspressungen', sondern können sehr wohl auch zwischen Mai 1945 und Sommer/Herbst 1946 gepresst worden sein. Es besteht daher die Vermutung, dass auch die „Capri-Fischer“ zu eben diesen frühen Nachkriegsveröffentlichungen der DGG gehören, die erst 1946 auf den Markt gebracht wurden.

Die SIEMENS-POLYDOR-Ausgabe der „Capri-Fischer“ taucht OHNE den Vermerk der Nachrichtenkontrolle gar nicht mal so arg selten auf, was gegen eine Produktion in der Endkriegszeit spricht. Das Etikett unterscheidet sich bei allen mir bislang begegneten Exemplaren deutlich von den eindeutigen Kriegspressungen der Marke SIEMENS-POLYDOR, denn es ist strahlend weiß und glänzend; genauso wie es die späteren Nachkriegs-SIEMENS-POLYDOR-Etiketten MIT dem Aufdruck der Nachrichtenkontrolle sind. Die Etiketten der Kriegsausgaben von Siemens-Polydor sind immer aus grobem, unbeschichteten Papier von natürlicher Farbe.

Ob zwischen Anfang 1944 und Mai 1945 (mit Ausnahme von TEMPO) überhaupt noch Neuveröffentlichungen von Platten auf den deutschen Markt gelangten, ist meines Erachtens allgemein sehr fraglich, zumal auch das Katalogmaterial mit dem Jahreswechsel 1943/44 offenbar vollständig eingestellt wurde. Nach langem Überlegen und einigen Gesprächen mit dem Verfasser/Threaderöffner, der meine Ansicht wegen der neuen Forschungslage (Literatur s.o.) nun stützt, gehe ich daher - bis auf stichhaltige Belege - davon aus, dass die „Capri-Fischer“ in der Version von Rudi Schuricke erst nach Kriegsende, d.h. vermutlich Anfang 1946, auf den Markt gekommen sind.

Die oben gezeigte französische Ausgabe könnte für den damals unter französischer Besatzung stehenden Markt im Saargebiet gedacht sein und ebenfalls von 1946/47 datieren.

[ Bearbeitet Mo Dez 31 2018, 17:21 ]
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Konezni
Mo Dez 31 2018, 20:30
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Aug 20 2015, 18:23
Wohnort: Berlin
Beiträge: 242
Die höchste mir bekannte Siemens-Polydor-Ausgabe einer vor Kriegsende entstandenen Aufnahme ohne Nachrichtenkontrolle-Aufdruck ist die 47959 (Schlusnus). Wenn man also davon ausgeht, dass die Nummern sukzessive vergeben wurden (was bei der DGG, abgesehen von Zweitbelegungen) der Fall war, müssten also in der Zeit des von Dir angenommenen Zeitraums (Mai 45 bis Sommer/Herbst 46) mindestens 92 Platten im 47000er-Block erschienen sein - und die Firma hatte noch etliche weitere Serien. Erst mit der 47960 (Künneke, aufgenommen 13. 07. 46) kam die erste Nachkriegsaufnahme in dieser Reihe heraus. Eine solche Neuveröffentlichungsflut halte ich in dieser Zeit für unwahrscheinlich. Warum 1944 nur noch Tempo Neues auf den Markt gebracht haben soll, sehe ich nicht ein. Sowohl Electrola, Odeon, Imperial, Phonoton, wie auch Telefunken (da gibt es sogar einen "Sammelnachtrag 1944") haben noch bis mindestens Ende 44 produziert. Die Ausführungen von Frau Fetthauer sind übrigens mit Vorsicht zu genießen, da sie ohne Erfahrung auf dem Gebiet der Schellackplatte an die Sache herangegangen ist.
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Odeon89
Mo Dez 31 2018, 21:11
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Die Angaben, wonach die DGG in Hannover bereits ab Juni 1945 wieder produzierte und eifrigst neue Matrizen von bereits vorliegenden Aufnahmen geschnitten hat (hierunter sind Magnetophon-Bänder zu verstehen, die unmittelbar nach Kriegsende erstmalig umgeschnitten wurden), beruhen nicht auf Frau Fetthauers Ausführungen, sondern sind dem in ihrer Dissertation im Wortlaut (!) edierten Briefverkehr von Dr. Hugo Wünsch (dem damaligen Direktor der DGG) zu entnehmen; sie sind also als Primärquelle zu hundert Prozent vertrauenswürdig und aussagekräftig.

Es bleibt festzuhalten - und u.a. darauf stütze ich meine Argumentation - dass bislang nicht ein einziger schriftlicher Beleg von Neuerscheinungen nach dem Jahreswechsel 1943/44 vorliegt; auch den erwähnten "Telefunken-Sammelnachtrag 1944" hat nach meiner Kenntnis bislang noch niemand im Original zu Gesicht bekommen (bitte um Korrektur - das wäre wirklich einmal eine kleine Sensation, ihn hier sehen zu können!).

Die DGG arbeitete ohne jeden Zweifel ab Sommer 1945 mit Hochdruck daran, alte "gutverkäufliche" Bestseller in den Presswerken Hannover und Berlin (sowie wohl bei Stahmann) zu produzieren; das Meiste wurde gepresst, um die bei Kriegsende fast geleerten Lager wieder aufzufüllen: Dies werden in großem Maße jene Platten sein, die zwischen Mai 1945 und Herbst 1946 produziert und dann einige Monate (bis zur offiziellen Verkaufserlaubnis durch die allierten Kontrollbehörden im Sommer 1946) eingelagert wurden;, nach dem Aufkleben des bekannten rechteckigen "Lizenzzettelchens" bzw. -Stempels ab Juli 1946 gelangten diese Platten in den Verkauf. Diese frühen Nachkriegspressungen tragen das vermeintliche 'Kriegsetikett': Die Lizenz der Besatzungsbehörde wurde erst im Juni 1946 (!) ausgestellt - erst ab diesem Zeitpunkt bestand also überhaupt die Notwendigkeit, die Etikettenklischees anzupassen! Dass Letzteres mit einiger zeitlicher Verzögerung gegenüber dem Gesetz geschah, liegt auf der Hand. Pressungen aus der Zeit zwischen Kriegsende und Herbst 1946 (!) tragen also jenes Etikett, das oftmals etwas voreilig als 'Kriegsetikett' bezeichnet wird - treffliche Beispiele sind hierfür etwa die Fritz Stamer-Platten vom 26.2.1945; so liegt mir etwa Polydor 47941 ("In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine") auf dem vermeintlichen 'Kriegsetikett' vor, das u.a. ebenfalls für die Nachkriegsaufnahmen von G. Landmann Verwendung fand, ebenso wie für mehrere RADIOPHON-Übernahmen aus der frühen Nachkriegszeit. Das Gleiche gilt für die frühe Nachkriegsproduktion bzw. für frühe Nachkriegsveröffentlichungen der BRUNSWICK ("The Maskeraders", "The Blue Five" auf Pseudo-'Kriegsetiketten' ohne Vermerk der Nachrichtenkontrolle...). Von Restbeständen alter Etiketten, die nach Kriegsende Verwendung fanden, ganz zu schweigen...

Es war für die DGG zwischen Kriegsende und Sommer 1946 aus juristischen wie logistischen Gründen praktisch unmöglich, Neuaufnahmen zu machen; stattdessen wurden (durch den bei Fetthauer edierten Schriftverkehr zweifelsfrei belegt) zahlreiche ältere, bislang unveröffentlicht gebliebene Matrizen für Neuerscheinungen genutzt sowie Bandaufnahmen aus der Zeit von 1942-45 erstmalig auf Wachsplatte geschnitten.

Die bislang postulierte Angabe, dass jede Platte, auf der der Vermerk "Hergestellt unter der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung" fehlt, zweifelsfrei eine 'Kriegspressung' darstellt, ist so leider m.E. nicht mehr zu halten.

[ Bearbeitet Di Jan 01 2019, 19:53 ]
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Konezni
Mi Jan 02 2019, 13:31
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Aug 20 2015, 18:23
Wohnort: Berlin
Beiträge: 242
Entgegen der in Fetthauers Dissertation enthaltenen Informationen sind bereits für die Filmton-Playbacks der 57000er Serie Magnetbänder umgeschnitten worden. Die spätesten Seiten 2312 - 2324 GS wurden im Matrizen-Eingangsbuch am 05. 05. 44 (2325 - 2341 GS am 14. 04. 44) verzeichnet. Noch nie ist mir eine dieser Platten in einer eindeutigen Nachkriegspressung, also mit dem - wie ich es nenne – Vollkornlabel untergekommen, so dass von einer Veröffentlichung nach dem Krieg kaum ausgegangen werden kann.
Aehnlich verhält es sich mit der „Melodienfolge aus 15 Jahren deutscher Filmmusik“ 57329 – 57332 (2359 – 2364 GS).

Die beiden Platten mit Szenen aus Sutermeisters ROMEO UND JULIA (68148 & 68149, aufgenommen am 31. 07. 44) liegen mir in zwei verschiedenen Polydor-Ausgaben (ohne “Nachrichtenkontrolle”) vor, wovon die eine mit “Auftrag der Zentralstelle…” beschriftet ist und somit schwerlich aus der Nachriegszeit stammen kann.

Nicht zu reden von der ganzen anti-sowjetischen Propaganda auf Polydor-Platten, bzw. etlicher seriöser Aufnahmen der aus der SU geflohenen Sänger Wolkoff, Zabaida-Sumitzky, Schadan, Kalerowa, Sergejewa, Orlova, Kuprianowa u. a.. Auch hiervon ist nie ein „Vollkorn“-Exemplar aufgetaucht; sehr wahrscheinlich wurden beim Einmarsch der Roten Armee aus Angst die entsprechenden Presswerkzeuge vernichtet.
Sogar Wolkoffs 31056 (PRJ 0194, aufgenommen am 31. 01. 45) ist noch erschienen. Die Nummer 36009 der Sopranistin Kuprianowa (aufgenommen am 11. 44) ist überdies nach dem Krieg neu belegt worden.

Vielleicht besitzt einer der geneigten Samlerkollegen solch späte Ausgaben der Deutschen Grammophon mit dem Aufdruck „Wehrmachtseigentum“?

Mich würde interessieren, welche Nachkriegsmatrizen mit Bandaufnahmen der Kriegszeit bespielt wurden. Bei den frühen KK-Nummern habe ich in der Tat Lücken; innerhalb der mir bekannten Aufnahmen ist nichts Verdächtiges. Einen diesbezüglichen Verdacht hatte ich bisher nur bei Telefunken (zufälligerweise Helga Willes Capri-Fischer auf 35506)
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Odeon89
Mi Jan 02 2019, 19:07
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Man wird hier scharf zwischen Platten für den Zivilbedarf und solchen für den Bedarf der Wehrmacht und anderer verbündeter Armeen ('Wlassow-Armee' etc.) sowie staatlicher Instistutionen trennen müssen.

Der Betrieb der DGG sollte Ende 1943/Anfang 1944 - nach Komplettverbot der Plattenproduktion (!) - sogar zur Rüstungsproduktion requiriert werden, was in letzter Minute noch verhindert werden konnte - die entsprechenden Archivquellen sind in dem genannten Werk von Frau Fetthauer detailliert nachzulesen. Es würde mich sehr wundern, wenn man in diesen - für das Unternehmen sehr unsicheren - Zeiten nach Frühjahr 1944 noch zahlreiche Neuerscheinungen für den Zivilmarkt herausgebracht hätte; während andere Firmen (TFK, Electrola, Odeon) ihre Neuerscheinungen (nicht aber die Produktion!) offenbar praktisch vollkommen eingestellt hatten.

Sowohl in der Telefunken-"Ernte" von Juli 1942 als auch im DGG-Katalog 1943 ist nur noch ein Bruchteil des früheren Gesamtangebots als lieferbar gelistet. TFK gibt z.B. im Vorwort zur "Ernte" (Juli 1942) an, dass nur noch die gelisteten Platten überhaupt während des Krieges weitergepresst würden; Neuerscheinungen folgten nachweislich bis Oktober 1943, vermutlich aber noch einige wenige bis zum Jahresbeginn 1944.

In der Zeit zwischen Frühjahr 1944 und Mai 1945 noch viele Neuerscheinungen zu veröffentlichen, deren Absatz potentiell fraglich war, wäre (gelinde gesagt) bemerkenswert. Die wenigen Arbeitskräfte und die knappen Rohstoffe nutzte man eher, um (neben propagandistischen Aufnahmen) Platten für den Export zu pressen, die Devisen und Rohstoffe für die Rüstung ins Land brachten, als dutzende Neuerscheinungen auf den 1944/45 quasi zusammengebrochenen Zivilmarkt zu werfen, deren Absatz zudem fraglich war...

[ Bearbeitet Mi Jan 02 2019, 19:12 ]
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jitterbug
So Jan 06 2019, 11:16
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Mär 27 2013, 16:49
Wohnort: Berlin
Beiträge: 405
Capri-Fischer ohne Depositato, "A" im Spiegel.

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Willi-H-411
So Jan 06 2019, 11:40
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
Wohnort: Ruhrpott
Beiträge: 1296
In der Polydor-Datenbank Link - Hier klicken wird das Stück dreimal aufgeführt:

Si 22 381 A Schuricke, Rudi Capri-Fischer 1957
78 47 867 A Schuricke, Rudi Capri-Fischer
Si 2042 260 A Schuricke, Rudi Capri-Fischer 1950

Leider wird hierbei nicht angegeben, aus welchem Jahr die 78er Veröffentlichung stammt.

VG Willi

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Odeon89
So Jan 06 2019, 12:21
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
jitterbug schrieb ...

Capri-Fischer ohne Depositato, "A" im Spiegel.




Danke fürs Zeigen dieses seltenen Etikett-Typs! Er fand offenbar genau in der 'Übergangszeit' zwischen 1944 und 1946 Verwendung; mir liegt eine Platte aus einem 1946/47 von den Briten erworbenen Konvolut vor, die den gleichen Etikett-Typ aufweist (siehe Abb. im "Capri-Fischer"-Thread). Es belegt also m.E. leider nicht die Veröffentlichung vor Kriegsende.

Hat hier vielleicht jemand Zugriff auf die exakten Daten aus dem Aufnahmebuch der DGG und kann sie hier zeigen? Geht daraus evtl. hervor, ob der genannte 21.12.1943 das Datum der eigentlichen Aufnahme im Studio bezeichnet, oder ob an diesem Tag erst der Schnitt (vom Band) oder die Entwicklung der Matrize vorgenommen wurde? Es fällt auf, wie eingangs erwähnt wurde, dass das Datum so erheblich viel später als das der Magda Hain-Aufnahme liegt, die ja auch noch in den Monatsnachträgen der Odeon 1943 auftaucht.

Ich mutmaße hier, aber handelt es sich bei der Schuricke-Version möglicherweise um eine Aufnahme, die etwa zeitgleich mit der Hain-Version bereits im März/ April 1943 auf Band gemacht worden war und dann erst am 21.12.43 auf Wachsplatte umgeschnitten wurde?
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jitterbug
So Jan 06 2019, 13:55
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Mär 27 2013, 16:49
Wohnort: Berlin
Beiträge: 405
Traudl Winkler, die Witwe Gerhard Winklers, sprach immer vom Oktober 1943, als Schuricke das Lied in sein Repertoire nahm und die Platte besang. Das „Original“ sei eindeutig Magda Hain, für die Gerhard Winkler ja etliche Lieder komponierte.

Viele Grüße, Stephan
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