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Telegraphon - Telephonograph
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GrammophonTeam
So Mai 27 2012, 19:07 Druck Ansicht
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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 392




Telegraphōn (Telephonograph), ein magnetischer Phonograph von Valdemar Poulsen und Pedersen in Kopenhagen. Bei dem einfachsten Telegraphon (s. Abbildung) ist ein Stahldraht auf eine Trommel r gewickelt, die durch ein Uhrwerk gedreht wird; dadurch bewegt sich ein kleiner Elektromagnet e (Sprechmagnet) mit einem Eisenstift als Kern längs des Drahtes.

Durchfließen den Elektromagneten durch Sprechen in das Mikrophon m Sprechströme, so entstehen in der Eisenstiftspitze Magnetisierungen, die dem Draht (Gesprächsträger) durch Induktion eingeprägt werden.
Wird statt des Mikrophons das Telephon t eingeschaltet und der Draht von neuem in derselben Richtung vor dem Eisenstift vorbeigeführt, so macht dieser die Magnetisierungen des Drahtes durch Induktion mit und das vorher Gesprochene wird im Telephon gehört.

Bei dem neuern T. ist der Stahldraht durch einen Stahlzylinder ersetzt. Die beste Lautwirkung haben die Drahtapparate, bei denen der von einer Rolle sich ab- und auf eine andre sich aufwickelnde Draht vor dem Sprechmagneten vorbeigeführt wird. 6000 m Draht reichen für ein Gespräch von 40 Minuten. Jedes Gespräch läßt sich beliebig wiederholen. Ein über den Draht geführter kräftiger Magnet oder Elektromagnet (Löschmagnet) löscht das Gespräch aus; der Draht ist von neuem brauchbar. Bei dem T. in Grammophonform wird das Gespräch einer Stahlscheibe von 13 cm Durchmesser und 0,5 cm Stärke einmagnetisiert; die Scheibe kann mit der Post versandt und mit einem gleichartigen T. abgehört werden. Das T. dient in Bureaus als Diktierapparat, in Verbindung mit Fernsprechanschlüssen zur Auszeichnung von Gesprächen, auch in Abwesenheit des gerufenen Teilnehmers; versuchsweise sind Gespräche aus Frankfurt a. M. in Berlin deutlich vom T. aufgenommen und wiedergegeben worden. Ein T. besonderer Bauart gestattet mehrere Gespräche auf einen Gesprächsträger auszuzeichnen und ohne gegenseitige Störung abzuhören. Das T. wird von der dänischen Telegraphongesellschaft in Kopenhagen und deren deutscher Tochtergesellschaft in Krefeld hergestellt.






Valdemar Poulsen selber über seine Erfindung, 1900: "... hat die wiedergegebene Rede eine besondere Reinheit und Klarheit ohne lästigen Beilaut. Die Apparate geben nicht nur, was gesprochen und gesungen wird, außerordentlich korrekt wieder, sondern was auch in das Mikrophon geflüstert wird; selbst der schwache Laut des Atemzuges kann wiedergegeben werden. "

Das Telegraphon wurde auf der Pariser Weltaustellung 1900 vorgeführt.
1901 wurden Exponate der Ausstellung auch nach Wien gebracht, dort wurde das Telegraphon auch Kaiser Franz Joseph gezeigt, der für die erste erhaltene Magnettonaufnahme sorgte:



Mangels Verstärkertechnik wurde diese Erfindung aber erst wieder in den 1920´er Jahren aufgefasst.
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Gast
So Mai 27 2012, 20:42
Gast
Eigentlich die legitime erste elektrische Aufnahme... warum man da nicht gleich im Musikbreich mit weitergemacht hat...
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Starkton
So Mai 27 2012, 20:47
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Zwischen dem 1. Dezember 1898 und dem 29. Dezember 1899 meldete Valdemar Poulsen das Telegraphon fast überall auf der Welt zum Patent an, was einen ungeheuren bürokratischen Aufwand und große Summen an Patentgebühren nach sich zog. Neben dem jeweiligen Hauptpatent gab es zum Teil noch Zusatzpatente. So verrückt wie Poulsen war ansonsten nur Edison, dessen Phonograph ebenfalls in den abgelegensten Ecken patentiert war.

Hier alle Länder in chronologischer Reihenfolge der ersten Patentanmeldung: Dänemark, Schweden, Deutschland, Österreich, Schweiz, Norwegen, Frankreich, Spanien, Russland, Belgien, England, Ungarn, Italien, Portugal, Finnland, Brasilien, Türkei, Kanada, Mexiko, Cape Colony (Südafrika), Britisch Indien, Argentinien, Luxemburg, Japan, Chile, West Australien, Süd Australien, Neuseeland, Victoria, Queensland, New South Wales.

Dass ein paar Länder fehlen lag wohl nur daran dass es damals nicht überall auf der Welt Patentämter gab!

Seit 1903 befasste sich die Allgemeine Phonographen-Gesellschaft m.b.H. in Krefeld intensiv mit der Nutzbarmachung und entwickelte ein kleines Telegraphon mit Stahlscheiben, die per Post versandt werden konnten, und ein größeres mit "Drehspulen."

Zur Ausbeutung der drei deutschen Patente wurde Anfang 1904 die Deutsche Telegraphon-A.G. unter Beteiligung der Allgemeinen Phonographen-Gesellschaft m.b.H., der Aktieselskabet Telegrafonen Patent Poulsen in Kopenhagen und drei weiterer deutscher Gesellschafter gegründet. Die deutschen Teilhaber hatten für insgesamt 30.000 Mark Aktien gekauft und das Geld nach Kopenhagen überwiesen.

Die neue Gesellschaft hatte zwar fast 2 Millionen Mark Aktienkapital, aber kein Betriebskapital. Als niemand diese Aktien kaufen wollte und nach ein paar Wochen kein Geld mehr in der Kasse war, ging die Allgemeine Phonographen-Gesellschaft m.b.H. in Konkurs und wurde von der Kopenhagener A.G. auf Schadenersatz in Millionenhöhe(!) verklagt.

[ Bearbeitet So Mai 27 2012, 20:52 ]
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GrammophonTeam
Mo Jan 06 2014, 12:35
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
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Beiträge: 1825
Auch in den USA versuchte man das Telegraphon zu vermarkten, bzw. Aktienkapital zu beschaffen.

Im Herbst 1905 erschien in The Talking Machine World ein Artikel über das Magnettongerät.
Es wurde sowohl das weiterentwickelte Spulengerät, wie auch das Magnetplattengerät vorgestellt.
Die Qualität der Wiedergabe wurde beschrieben mit "größtmöglicher Deutlichkeit" sowie "Der Klang ertönt aus der Maschine wie aus der menschlichen Kehle"...
Die mangelnde Lautstärke wurde jedoch ebenfalls angesprochen.

Das Spulen gerät arbeitet mit einem dünnen Stahldraht der mittels eines Elektromotors an dem Magneten vorbei geführt wird. Die Geschwindigkeit wird mit "10 feet/sec." angegeben - dies entspricht einer Geschwindigkeit von 3 Metern in der Sekunde!




Das Telegraphon verfügt über ein Kontrollkästchen mit Tasten für Vorlauf, Rücklauf und Stopp. Außerdem gibt es mittels eines starken Magneten eine "Löschen Funktion". Eigentlich fast wie ein modernes Tonbandgerät!

Das Telegraphon wird vor allem als Büro Apparat beworben sowie als Anrufbeantworter für das Telefon.





Im Frühjahr 1906 wurden ebenfalls in The Talking Machine World Werbung für diese Erfindung geschaltet. Bei genauerem lesen stellt man jedoch fest: Hier kann man nicht das Telegraphone erwerben, sondern Aktienanteile an der Firma!
Eine Serienproduktion war noch nicht angelaufen.



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joha
Mo Jan 06 2014, 13:35
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985










Ruf doch mal an!!!! Fasse dich kurz!!!

Zwei Geräte aus meinem Bestand beide noch Vollständig und Funktionsbereit
Tischfernsprechapperate der Firma Rudolph Krüger Berlin Geräte Nr.130790
Baujahr22.03.1912

Nr.190072 Baujahr 14.02.1907
Diese Geräte waren bis in die 30iger Jahre im Dienst nach den Ende der Kaiserzeit wurde die Reichspost neu umgestellt Geräte mit dem Kaiserlichen Postwappen wurden mit Schwarzlack überpinselt,das eine war so ein Exemplar und wurde von mir wieder frei gelegt.
Heute dienen sie bei mir als Deko,sie sind sehr schwer und ersetzen nicht das Smartphon aber im Notfall können sie wieder in Betrieb genommen werden,man braucht nur eine Batterie dazu und so können sie als Feldfernsprecher wieder in Betrieb gehen. Gastust und unverwüstlich wie sich das gehört. *telen *grins
Gruss Joha

[ Bearbeitet Mo Jan 06 2014, 16:34 ]
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bavariola
Di Jan 07 2014, 02:09
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jan 12 2013, 00:38
Beiträge: 162
Hallo allerseits!

Alle Achtung - damit meine ich nicht die umwerfende Konstruktion des Herrn Poulsen, sondern den Umstand, dass dieses Geraet und diese Erfindung erst jetzt in unser Forum Eingang findet. Wie kommt das? Mir ist Waldemar Poulsens Telegraphon schon seit wenigstens 30 Jahren ein Begriff. Nun ja, vielleicht, weil mein damaliger Vermieter den Grossen Brockhaus von 1902 und ebenso den von 1936 hatte; ich hatte bei Bedarf stets Zugriff auf diese und andere Buecher, und das fiel bei mir natuerlich auf aeusserst fruchtbaren Boden.

Indessen ist zumindest eine Tonaufnahme ueberliefert: Link - Hier klicken danach "alle anzeigen" und dann wiederum "Kaiser Franz Joseph" anklicken.

Bilder gibt es - man suche ueber Google oder Wikipedia - auch einige, zum Beispiel dieses hier: Link - Hier klicken .

Vor vielen Jahren (ich gebe zu, dass das ein Hinweis ist, der heute kaum mehr etwas nutzt - es sei denn, dass in den 80er Jahren ein heutiges Forum-Mitglied den Beitrag auf Video-Cassette mitgeschnitten hat und sich nunmer animiert fuehlt, den Mitschnitt zu reaktivirenen) habe ich im Fensehen einmal einen Bericht gesehen, in dem das Geraet "live" vorgestellt wurde. Die grosse mit Draht umwickelte Walze spielt zwar nur fuer einige Sekunden - aber es funktionierte, und es funktionierte noch nach 100 Jahren, und spaetestens in dem Moment, als die Aufnahme zu Ende war, hatte ich - wieder einmal - meinen (nicht vorhandenen) Hut gezogen vor der Leistung unserer Altvordern, und zwar nicht wegen der grandiosen Erfindung der Magnettontechnik, sondern, nein - wegen der damit gekoppelten Mechanik!: Man beachte den Wendel am oberen Bereich der Maschine: Wenn die Aufnahme fertig abgespielt ist, wird mittels dieses Wendels mechanisch auf Schnellen Ruecklauf umgestellt, und nach ein paar Sekunden beginnt die Wiedergabe der vorhandenen Aufnahme erneut selbsttaetig. Es ist faszinierend durch und durch. Wenn ich so etwas sehe, durchfahren mich kalte Schauer - und ich bin zugleich regelmaessig schockiert von der heutigen Inkompetenz einst leistungsfaehiger Firmen wie Siemens etc., vor denen man einst den Hut zog, und die heute nur noch traurige Lachnummern sind - Stichwort Mauterfassung (aber das ist abermals ein anderes Thema).

Wir Heutigen profitieren nur von den Erfindungen und den Leistungen unserer Altvorderen! Natuerlich kommt hier und da einmal eine behnbrechende Idee hervor, aber das Wesentliche haben Jahrzehnte vor uns schon andere erdacht - und geleistet. Wenn man es genau nimmt, ist nicht einmal die Digitaltechnik eine Errungenschaft der Neuzeit, denn selbst das Zerlegen eines Bildes (zugegeben: Mit Tontechnik hat das nur ueber Umwege etwas zu tun) in Zeilen und Punkte, die mittels Telegrafen uebertragen werden koennen, ist bereits eine Erfindung aus dem Jahre 1855 (drei Ausrufezeichen), die bereits ab 1860 gewerblich genutzt wurde. Heute nennt man das Telefax.

Beste Gruesse an alle!
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Willi-H-411
Di Jan 07 2014, 08:43
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
Wohnort: Ruhrpott
Beiträge: 1296
Auf der Doku-Cassette zum 50ten Geburtstag der Magnetophone 1985, wird gesagt, daß 1908 auf dem internationalen Technikerkongress in Kopenhagen sämtliche Reden auf Draht aufgenommen wurden. Es müssen wohl einige Kilometer dabei zusammengekommen sein.

VG Willi
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Formiggini
Fr Apr 25 2014, 23:42

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Artikel über das Telegraphon in dem US-Magazin Popular Science Monthly, August 1901.






Hervorgehoben die Überlegenheit in der sprachlichen Wiedergabe im Vergleich zum Phonographen. Im Klang dem Telephon in nichts nachstehend; ohne Verschleiß beliebig oft zu wiederholen.
Interessant auch hier der Hinweis auf eine mögliche Verwendung als "Telephon-Relais". Verstärkerröhren waren noch nicht erfunden; Telefongespräche über viele hunderte Kilometer deswegen technisch aufgrund der Verluste nicht möglich.
Die vermutliche Idee: In "Langstrecken-Leitungen" Telegraphone einbauen um die Reichweite zu erhöhen.

Über den möglichen Einsatz des Telegraphons in der Telefonie gibt auch unten stehende Niederschrift von Valdemar Poulsen Auskunft.




Das Telegraphon

von Valdemar P o u l s e n
(1900)


Nachstehend werde ich das Princip und die Einrichtung meiner Erfindung, des Telegraphons, beschreiben : Auf einem Brett ist ein Stahldraht (Klaviersaite) A B gespannt; derselbe hat eine Lange von 1,5 m, einen Durchmesser von 0,5 mm (Fig. 1). Der kleine Elektromagnet E kann auf dem Draht A B hingleiten und, wie in Fig. 2 gezeigt, umfasst der eine Pol, P, desselben diesen Draht. Der Eisenkern des


Elektromagneten E besteht aus einem Stückchen weichen, ausgeglühten Eisendraht , ungefähr 8 mm lang und ungefähr O,T5 mm dick. Es wird vorausgesetzt, dass A 21 magnetisch rein ist oder doch in solcher Weise magnetisiert, dass bei der Bewegung von E auf dem Drahte A B in E keinerlei Ströme induziert werden. E wird entweder direkt oder mittels Transformators mit einem Mikrophon nebst dazu gehörender Batterie verbunden. Wenn nunmehr , während E mit einer Geschwindigkeit von ca. 1 m auf A B hingleitet, i n das Mikrophon hineingesprochen wird, werden die durch das Gesprochene erzeugten Ströme in der von P ausgehenden magnetisierten Kraft denen entsprechende Variationen hervorrufen, und zwar so, dass die verschiedenen Teile von A B mit verschiedener Kraft magnetisiert werden.

Nachher wird E anstatt mit der Sprechleitung mit einem Telephon verbunden und in ganz derselben Weise wie vorher auf dem Draht A B hingeführt; das Telephon wird dann wiederholen, was früher in das Mikrophon hinein gesprochen worden ist. Es ist somit infolge der grossen Coercitivkraft des Stahles eine Art von magnetischer Wellenschrift in A B zurückgeblieben, eine dem Gespräch entsprechende sinusoidale Permanenz. Bei der Wiedergabe des Gespräches wirkt das System A B wie eine elektromagnetische Maschine, deren Wechselströme im Telephon in Schall umgewandelt werden. Wird h ' mit einer Batterie verbunden und von A bis nach B geführt, so wird, unter dem Einfluss der im Verhältnis zur Intensität der Schallschrift starken constanten Magnetisierung, die Schallschrift ausgewischt. A B wird zu kurz sein, um viele Worte aufzunehmen. Um grossere Capacität zu erreichen, wird eine Klaviersaite von grosser Länge um einen Cylinder fest gewickelt, und zwar so, dass dieselbe einem feinen Gewinde folge. Mit der Cylinderachse parallel ist eine Stange angebracht, auf welcher eine Buchse gleiten kann; der Elektromagnet steht mit dieser Buchse in Verbindung und umfasst, wenn der Apparat in Wirksamkeit ist, mit einem oder mit beiden Polen (vgl. Fig. 3) den Stahldraht, welcher, während der Rotation, den Elektromagneten und die Buchse der Stange entlang selbst hinschiebt.

Wenn der Querschnitt der Klaviersaite ca. 0,75 mm ist, kann die Steigung des Gewindes passend ca. 1 mim sein. Ein solcher Cylinder ist sehr leicht zu handhaben und deshalb auch zwecks Experimente wohl verwendbar. Übrigens darf nicht vergessen werden, dass es bei den verschiedenen Verwendungen des Telegraphonprincipes sowohl im Telephon- als Telegraphenbetrieb 3 besondere Anforderungen gebe, welche nicht nur die Art, die Dimension und das Profil des Schriftbodens bestimmen, sondern auch die Geschwindigkeit sowie die Construction des Elektromagneten oder Solenoiden und die Einrichtung des Stromlaufes. Hier werde ich auf diese Verhältnisse nicht naher eingehen; dagegen werde ich bei den drei Processen, dem Niederschreiben, der Wiedergabe und dem Auswischen einige Hauptpunkte hervorheben. Das Niederschreiben geschieht am häufigsten mittels eines polarisierten Elektromagneten; das Vorzeichen und die Grösse der Polarisation dürfen aber nicht willkürlich sein: so lasse man z. B. denselben Elektromagneten, der niederschreiben soll, eine frühere Schallschrift auswischen und dabei gleichzeitig den Schriftboden polarisieren. Während des Niederschreibens wird dann dem Elektromagneten eine Polarisation gegeben, welche derjenigen entgegengesetzt ist, welche derselbe während dm Auswischens besass. In dieser Weise wird im Augenblicke der Schriftbildung eine lebhafte Bewegung der Molecularmagneten erzielt ; die Susceptibilitat scheint in diesem magnetischen status nascendi stark anzuwachsen, und die Schrift wird ausserordentlich fein nuanciert. Die Grösse der Polarisation des Schreibmagneten ist in der Regel nur ein kleiner Bruchteil derjenigen des Auswischmagneten. Die entmagnetisirenden Kräfte, welche auf die Schallschrift ihre Wirkung üben, werden um so geringer, je mehr die Polarisation des Schreibmagneten sich daran nähere, die Polarisation des Schrift .
Die Coercitivkraft bestimmt bodens zu neutralisieren (Fig. 4) die Grösse der Polarisation, welche gerade die Polarisation des Schriftbodens neutralisiert.


Hat der Elektromagnet während des Schreibens dieselbe Polarisation wie während des vorausgegangenen Auswischens, so wird die Schrift schwacher. Um den Elektromagneten zu polarisieren, benutzt man entweder einen Elementstrom oder einen permanenten Magneten. Sind die positiven und negativen Curveiistiicke eines Wechselstromes von verschiedener Form, so kann auch ihre schrifterzeugende Fähigkeit verschieden sein ; daraus erklärt sich die Eigentümlichkeit , dass die Richtung des Primärstromes, bei einer bestimmten Polarisation des Schriftbodens, die Schrift, welche im Secundarlaufe von einem riichtpolarisirten Elektromagneten geschrieben wird, bisweilen beeinflussen kann. Die Ursache d a m muss in einer Ungleichheit in der Weise, auf welche der Widerstand des Mikrophons wachst und in der Weise, auf welche der Widerstand des Mikrophons abnimmt, gesucht werden. Diese Ungleichheit ist vielleicht am grössten, wenn die Beweglichkeit der Kohlenkörperchen gross ist.
Die Wiedergabe des auf dem Cylinder niedergeschriebenen Gespräches (oder Gesanges) scheint so oft wie man es wünscht unternommen werden zu können und zwar ohne Abschwächung der Schrift, und die Klangfarbe der Stimme tritt gut hervor. Selbst wenn die Aufstellung eine so primitive ist wie in Fig. 1, hat die wiedergegebene Rede eine besondere Reinheit und Klarheit ohne lästigen Beilaut.

Die späteren Apparate geben nicht nur, was gesprochen und gesungen wird, ausserordentlich correct wieder, sondern auch was in das Mikrophon geflüstert wird; selbst der schwache Laut des Atemzuges kann wiedergegeben werden. Die Schallschrift wird ausgewischt; wenn sie in ein magnetisches Feld von hinlänglicher Starke geführt wird; gewöhnlicherweise genügt es, einen Strom aus 2-3 Elementen durch den Schreibmagneten oder einen anderen kleinen Elektromagneten zu leiten, dessen Einfluss der Schriftboden ausgesetzt wird. Wenn eine Rede oder ähnliches mittels eines nichtpolarisierten Elektromagneten in eine früher aufgezeichnete Schallschrift niedergeschrieben wird, findet in der Regel kein Verwischen statt, sondern dagegen eine Interferenz.

Als Schriftboden sind bislang Klaviersaiten, Stahlbänder, Stahllamellen und Nickeldraht benutzt, worden. F ü r gewöhnliche phonographische Zwecke haben die Stahlbänder eine Dimension von 3 mm x 0,05 mm gehabt. Das Stahlband wird von einer Walze auf eine zweite abgewickelt und die eine Schicht kann auf die vorhergehende direct gelegt werden, ohne ein Verwischen der Schrift zu bewirken, obgleich Versuche erwiesen haben, dass die magnetische Schrift das Band durchdringt; gewöhnlicherweise ist die dünne Luftschicht zwischen den Windungen hinlänglich isolierend. Auf seinem Weg zwischen den Walzen passiert das Band den Scbreib-, Hör- und Auswischmagneten. Mit einer Geschwindigkeit von ca. 1 m wird für ein stundenlanges Gespräch ca. 0,54 1 Stahl verbraucht. Anstatt des Bandes wird auch eine dünne Klaviersaite benutzt, die von einem Cylinder auf einen zweiten spuleiiartig gewickelt wird. I n einigen Fallen kann Nickel mit guter Wirkung als Schriftboden benutzt werden; dies stimmt mit der grossen Permanenz für schwache magnetisirende Kräfte, welche A. A b t bei diesem Metall constatirt hat. Ua der magnetische Zustand des Nickels von elastischen Einflüssen in hohem Grade abhängig ist, w i d es indessen notwendig sein, für eine stabile Anbringung des Nickeldrahtes zu sorgen. Es ist kaum wahrscheinlich, dass die ganz gewöhnliche Stahlware, welche bisher angewendet worden ist , gerade die für telegraphonische Zwecke best geeignete sei ; es ist vielmehr anzunehmen, dass sich bessere Sorten finden werden oder speciell für diese Zwecke hergestellt werden können. Ich werde mich bei den specifisch phonographischen Verwendungen des telegraphonischen Prinicipes und mit den hiermit in Zusammenhang stehenden coinstructiven Verschiedenheiten nicht aufhalten. Die nachfolgende Anordnung verdient vielleicht indessen skizziert zu werden. Ein langes Stahlband ohne Ende ist um zwei Walzen, die schnell rotieren können, gespannt; das Band wird nun mit einer den Umständen angepassten Geschwindigkeit einer Reihe von Elektromagneten vorübergeführt.

Der Elektromagnet E schreibt Gespräch, Musik oder ähnliches nieder; die folgenden Elektromagneten, die ,,Lesemagneten" übermitteln diese Mitteilungen an das Telephon jedes einzelnen Zuhörers ; schliesslich gleicht der Auswischmagnet 7 die magnetische Variation des Bandes aus (Fig. 5). Die Zahl der Lesemagneten kann beliebig gross gemacht werden, da die Schrift, wie schon oben erwähnt, durch den Gebrauch nicht abgeschwächt wird.


Die Verwendung des Telegraphons zur Verstärkung eines Telephongesprächstromes oder ähnliches ist nicht ausgeschlossen (Telephonrelais). Hier soll die von Hrn. Ingenieur E. S. H a g e m a n n vorgeschlagene Anordnung erwähnt werden. Dieses Verstärkungssystem ist, jedenfalls theoretisch, anziehend einfach: ein Cylinder ist mit einer Reihe circularer Stahlringe versehen, deren Centra -Z in der Cylinderaxe liegen, und welche in Planen belegen sind, die auf dieser winkelrecht stehen. Der Cylinder rotiert und das Ferngespräch wird mittels eines Schreibmagneten auf den ersten Ring niedergeschrieben; mittels einer Reihe von Lesemagneten, welche auf den ersten Ring gestellt sind, wird das Gespräch den übrigen Ringen zugeführt, welche ihre ganz gleich geformte Schrift zuerst ihren respectiven Lesemagneten, die in passender Weise miteinander verbunden sind , synchronisch vorüberfuhren und nachher Auswischmagneten vorüber passieren lassen (Fig. 6). Die correspondirenden Elektromagneten haben die gleiche Signatur.


Eine von Hrn. Inqenieur P. 0. P e d e r s e n erfundene elegante Compensationsmethode gestattet dass mehrere Gespräche sich derart ineinander mischen, dass sie nachher, jede vereinzelt , reproducirt werden können. Diese Methode lasst sich indessen nicht mit wenigen Worten befriedigend beschreiben und ich enthalte mich deshalb eines eingehenderen Besprechens derselben, um so viel mehr, als Hr. Ingenieur P e d e r s e n möglicherweise späterhin eine Darstellung seiner Erfindung selbst geben werde. Bei der mit der Entwickelung des Telegraphons verbundenen Arbeit habe ich zuerst in Hrn. Ingenieur P. 0 .P e d e r s en , später zugleich in Hrn. Ingenieur E. S. H a g e m a n n vorzügliche Stütze gefunden und diesen beiden Herren bringe ich hiermit meinen besten Dank. Schliesslich auch meine Danksagung den verschiedenen Institutionen und Fachleuten im Inlande sowie im Auslande. die dem Telegraphon ihr Interesse erwiesen haben.

K o p e n h a g e n , 13. November 1900



Telegraphon mit Stahlband, 1900



Phonographische Zeitschrift, 1.Jhg, No. 2, S. 13


[ Bearbeitet So Jun 08 2014, 12:17 ]
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Platten - Telegraphon mit Metallscheibe als magnetischer Speicher.


Scientific American, 3.Oktober 1903, S. 237






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GrammophonTeam
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Poulsen´s Telegraphon
von
Ernst Ruhmer
Berlin
1902


























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berauscht
Sa Aug 17 2019, 19:15
"Urgestein" Autor

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Beiträge: 1952
Die ausführliche Beschreibung des Poulsen Telephonographen findet man in:
Beck, Wilhelm: Elektrizität und ihre Technik , 1906

Hier das Digitalisat des Buches
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-Juergen-
Fr Aug 23 2019, 21:53
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 25 2018, 08:26
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Beiträge: 213
Hallo Ihr Lieben,
um die Verwirrung zu vervollständigen hier etwas Material in Form einer Bedienungsanleitung zum gleichen Namen "Telegraphon"..

Das Telegraphon tauchte in den 20er Jahren wieder mit ähnlich technologischen Ansatz wie die bekannten Poulsenpatente auf. Auch dieser "neuerliche" Ansatz konnte sich nicht durchsetzen und verschwand recht schnell wieder aus den Veröffentlichungen.

Die Wachswalzen waren größer als die für den Pathe Celeste. Geräte sind recht selten und Walzen als Einzelstücke bekannt.
executive180.pdf
executive181.pdf
executive182.pdf
executive183.pdf
executive184.pdf
executive185.pdf
executive186.pdf
executive187.pdf

[ Bearbeitet Fr Aug 23 2019, 22:28 ]
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berauscht
Sa Okt 24 2020, 20:44
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1952
Crefeld.
Unter Nr. 51 ist heute in das Handelsregister eingetragen worden:
Durch Gesellschaftsvertrag vor dem Königl. Notar Justizrat Herf in Crefeld vom 20. Februar 1903 hat sich eine Aktiengesellschaft gebildet unter der Firma Deutsche Telegraphon-Aktiengesellschaft mit dem Sitze in Crefeld,
Gegenstand des Unternehmens ist die Ausbeutung solcher ihr zustehenden Patente im Gebiete des Deutschen Reiches, welche sich auf Telegraphonapparate und alle mit Apparaten telephonischen Prinzips in Verbindung stehende Artikel beziehen. Die Höhe des Grundkapitals beträgt 2.000.000 M, eingeteilt in 2000 auf den Inhaber lautende Aktien über je 1000 M. Den Vorstand bilden 2 Personen, von denen jede einzelne die Gesellschaft vertritt. Der Vorstand zeichnet die Firma in der Weise, daß der Zeichnungsberechtigte der Firma der Gesellschaft seine Namensunterschrift beifügt. Die Mitglieder des ersten Vorstandes sind durch die Generalversammlung bestellt, alle weiteren Vorstandsmitglieder werden vom Aufsichtsrate bestellt. Die Berufung der Generalversammlungen erfolgt unter Bekanntmachung des Zweckes durch öffentliche einmalige Bekanntmachung im Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, ebenso erfolgen alle anderen von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen. Die Bekanntmachung einer Generalversammlung muß mindestens zwanzig Tage vor dem anberaumten Termine veröffenlicht sein. Bei Berechnung dieser Frist sind der Tag, an welchem das die Bekanntmachung enthaltende Blatt erscheint, und der Tag der Versammlung selbst nicht mitzurechnen. Bei der Bekanntmachung einer außerordentlichen Generalversammlung genügt jedoch die Wahrung der gesetzlichen Mindestfrist von 2 Wochen, den Tag der Berufung und denjenigen der Generalversammlung nicht mitgerechnet.
Gründer der Gesellschaft sind:
1) Karl Sontag, Kaufmann in Magdeburg,
2) Guido Vielhaber, Geschäftsführer in Crefeld,
3) Allgemeine Phonographen-Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Crefeld,
4) Aktieselskabet Telegrafonen Patent Poulsen, Aktiengesellshaft in Kopenhagen,
5) Alexander von Heimendahl, Gutsbesißer auf Haus Bockdorf, Gemeinde St. Tönis.
Sie haben sämtliche Aktien übernommen. Die Aktiengesellshaft Aktieselskabet Telegrafonen Patent Poulsen tilgt den von ihr zu zahlenden Aktienbetrag von 1 970 000 M dadurch, daß sie folgende Vermögensstücke im Gesamtwerte von 2.000.000 M in die Gesellschaft einbringt:
a. die vom Kaiserlichen Patentamte zu Berlin an Valdemar Poulsen in Kopenhagen verliehenen, unter den Nummern 109.569, 117.341 und 116.718 in der Patentrolle eingetragenen und gemäß Bescheinigung des Kaiserlichen Patentamtes vom 14. September 1901 auf Grund der Urkunde vom 15. Juli 1901 auf die genannte Aktiengesellschaft Afktieselskabet Telegrafon Patent Poulsen umgeschriebenen Patente,
b. den ihr nach Erklärung des genannten Valdemar Poulsen vom 12. Februar 1903 zustehenden Anspruch auf Abtretung des diesem vom Kaiserlichen Patentamte zu Berlin verliehenen, in der Patentrolle unter Nummer 135.403 eingetragenen Patents, und
c. den ihr zufolge Erklärung des Ingenieurs Peder Olof Pedersen zu Kopenhagen vom 12. Februar 1903 zustehenden Anspruch auf Abtretung des diesem vom Kaiserlichen Patentamte zu Berlin verliehenen, in der Patentrolle unter Nummer 138.653 eingetragenen Patents;
wogegen die Akliengesell\haft Deutsche Telegrafon- Aktiengesellschaft 30.000 M. in die Aktiengesellschaft Aktieselskabet Telegrafonen Patent Poulsen bar herauszuzahlen verpflichtet ist.
Der Vorstand besteht aus den vorgenannten Karl Sonntag und Guido Vielhaber, der erste Aufsichtsrat aus
1) Karl Blechingberg, Großhändler, zu Kopenhagen wohnend, Vorsitzender
2) Frederik Tesdorph, Hofjägermeister, in Onrupgaard auf der Insel Falster in Dänemark
3) Graf Hendrik Bille Brahe Selby, auf der Besitzung Stonsgard bei Faarborg in Dänemark wohnend,
4) Peder Olof Pedersen, Ingenieur, zu Kopenhagen wohnend,
5) Alexander von Heimendahl, oben genannt, Stellvertretender Vorsitzender,
6) Josef Padberg, Geschäftsführer und Vertreter der zu Crefeld bestehenden, oben genannten Allgemeinen Phonographen-Gesellshaft mit beschränkter Haftung, in Crefeld wohnend, und
7) Doktor Karl Kobbe, Chemiker, in Uerdingen wohnend.
Die zur Prüfung des Gründungsherganges bestellten Revisoren waren Dr. Richard Zeys Syndikus der Crefelder Handelskammer, und Julius JIores, Kaufmann und vereideter Bücherrevisor, beide innCrefeld wohnend. Von den mit der Anmeldung der
Gesellschaft eingereichten Schriftstücken, insbesonderevon dem Prüfungsberichte des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Revisoren kann bei dem unterzeichneten Gerichte Einsicht genommen werden und von dem Prüfungsberichte der letzteren auch bei der Handelskammer hierselbst.
Crefeld, den 9. Dezember 1903,
Königliches Amtsgericht.
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