The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Fr Jun 14 2013, 22:04

Die große Nadelausstattung, englisch Needle Outfit, der The Gramophone & Typewriter Ltd. war die erste Nadeldose, welche Nadeln verschiedener Sorten in einem langen Blechgehäuse mit insgesamt 5 Fächern zusammen fasste. Im Falle des G & T Needle Outfits waren das die Sorten Melba, Standard [Gramophone], Piano und Pianissimo, sowie ein Fach für gebrauchte Nadeln, englisch Used Needles.

Da die Sorte Piano erst 1907 eingeführt wurde, und sich die Gesellschaft am 18. November 1907 in The Gramophone Company Ltd. umbenannte, folgt ein Herstellungszeitraum für das G & T Needle Outfit von nur wenigen Monaten, was diese Dose sehr selten macht. Der Zustand meines Exemplars ist zudem außergewöhnlich gut, da es offenbar stets in der originalen Umverpackung aufbewahrt wurde. Diese nennt auf dem Aufkleber bereits die The Gramophone Company Ltd., deshalb ist die Nadelausstattung wohl kurz nach der Umbenennung im November 1907 verkauft worden.

Ich lege großen Wert darauf, meine Nadeldosen komplett, d.h. mit Umverpackung und Papiereinlage, zu bekommen. Zumeist werden sie ja leider leer und einzeln verkauft.
















Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Willi-H-411, Sa Jun 15 2013, 08:32

Schöne Sammlung. Wofür steht denn "Melba-" und "Gramophone-Needles"?

VG Willi


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
LT1550, Sa Jun 15 2013, 11:11

Willi-H-411 schrieb ...

Schöne Sammlung. Wofür steht denn "Melba-" und "Gramophone-Needles"?

VG Willi



Genau, das finde ich auch interessant. In dem Text steht ja auch, man solle bei einer neuen Platte erst einmal eine "Melba"-Nadel benutzen. War an dieser Sorte irgendetwas Spezielles?

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
gramofan, Sa Jun 15 2013, 12:45

Ich vermute mal, dass es sich bei der Melba-Nadel (benannt nach Nellie Melba?) um die lauteste Nadel im Sotiment handelt. 2 Gründe: leise und besonders leise sind schon vergeben und blau war später immer (extra) loud tone, während rot normal war. Warum man eine neue Platte zuerst damit spielen sollte ist mir auch unklar, steht zudem im Gegensatz zu mir geläufugen Gerüchten, man solle eine Platte zuerst mal mit einer besonders leisen Nadel spielen. Physikalisch wahrscheinlich alles Humbug.

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Sa Jun 15 2013, 13:47

Laut Herstellerangabe vom Juli 1905* handelt es sich bei der Sorte Gramophone [= Standard] um Sheffieldstahl, während die zweieinhalbmal so teure Sorte Melba aus Werkzeugstahldraht hergestellt wurde. In der Gramophone News vom Mai 1905 lautet die Bezeichnung dieser neu vermarkteten Sorte "The Melba Compressed Steel Needle." Jede Nadel ist angeblich einzeln in der Fabrik geprüft worden.

Werkzeugstahl war bedeutend zäher und widerstandsfähiger als der damals noch nicht rostfreie Sheffieldstahl. Die Melba Nadel sollte sich daher nicht wie üblich am Schallplattenmaterial abnutzen, sondern stattdessen die vom Pressvorgang übrig gebliebenen Rückstände aus der Rille holen. Klar, dass damit die Rille stärker beansprucht wurde. Deshalb die Empfehlung des Herstellers, diese Nadel nur die ersten zwei bis drei Mal nach dem Kauf einer neuen Schallplatte einzusetzen.

*Quelle: The Talking Machine News, Vol. III, Nr. 27, London, Juli 1905, S. 107

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Willi-H-411, Sa Jun 15 2013, 13:57

Starkton, was ist denn deine Meinung dazu? Bringt das einen Vorteil, oder ist der Nachteil der höheren Plattenabnutzung doch größer?

VG Willi


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Sa Jun 15 2013, 14:06

Willi-H-411 schrieb ...

Starkton, was ist denn deine Meinung dazu?

Ich finde es technikhistorisch interessant, dass die Grammophongesellschaft sich über die Entfernung der Pressrückstände Gedanken gemacht hat.

Ich wundere mich jedoch, dass dieser Effekt nicht bereits durch die Standard Nadel eingetreten sein soll. Kann natürlich auch sein, dass die unverhältnismäßig viel teurere Melba Nadel eine zusätzliche Einnahmequelle bedeutete. So mancher "Snob" unter den begüterten Kunden wird seinen Platten stets nur das "Beste" zugemutet, und sie damit unwissentlich früher abgenutzt haben.

PS: Auch bei meinem Needle Outfit fehlen die Melba Nadeln sämtlich. Dagegen sind die anderen Fächer noch gut mit, mit Flugrost behafteten, Nadeln gefüllt.

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Musikmeister, Sa Jun 15 2013, 14:40

gramofan schrieb ...

Ich vermute mal, dass es sich bei der Melba-Nadel (benannt nach Nellie Melba?)


Würde mich auch interessieren, ob diese Nadeln nach der Opernsängerin benannt wurden...

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Sa Jun 15 2013, 15:03

Musikmeister schrieb ...

gramofan schrieb ...

Ich vermute mal, dass es sich bei der Melba-Nadel (benannt nach Nellie Melba?)


Würde mich auch interessieren, ob diese Nadeln nach der Opernsängerin benannt wurden...

Das ist mit Sicherheit so. Die G & T Ltd. hatte sich die Rechte an der Bezeichnung "Melba" auch für Schalldosen und Grammophone gesichert. Im Dezember 1904 gab es deshalb einen Prozess gegen einen Konkurrenten, der diesen prestigeträchtigen Namen ebenfalls für Sprechmaschinen verwenden wollte.

Hier ist die geschützte "Melba" Schalldose welche 1905 in ganz geringer Stückzahl auf den Markt kam. Ich habe vergeblich versucht, dieses schöne Stück auf einer Auktion in England zu bekommen.




Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Musikmeister, Sa Jun 15 2013, 15:17

@Starkton:

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Aristodemo, Sa Jun 15 2013, 15:44

"Melba" Nadeln, für Künstler und MONARCH Schallplatten,
Dose mit 200 Stück 2,- fr
a 1000 10,- fr
"Grammophone" Nadeln , für CONCERT Schallplatten
Dose mit 200 Stück 1,- fr
a 1000 4,50 fr
dito "Grammophone-Piano" und "Grammophone-Pianissimo"
Special Nadeln "Condor
a 1000 7,50 fr

Preise von 1908 in alten Franc !

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Sa Jun 15 2013, 16:41

Danke für die Preise von 1908 in Frankreich.

Hier die etwas anderen Preise von Juli 1905 in England:
Melba: 7 Shilling 6 Pence [= 90 Pence] pro 1000 [= 1 Verpackungseinheit mit 5 Dosen], oder 1 Shilling 6 Pence [= 18 Pence] pro 200 [= 1 Dose]
Standard und Pianissimo: 3 Shilling [= 36 Pence] pro 1000, oder 9 Pence pro 200

Interessant, dass man nur bei den einfachen Nadeln Mengenrabatt bekam!

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Sa Jun 15 2013, 16:45

Aristodemo schrieb ...

"Melba" Nadeln, für Künstler und MONARCH Schallplatten,

Dann kann ich nur hoffen, dass sie zu diesem Zeitpunkt das Material der Nadeln geändert hatten.

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Aristodemo, Sa Jun 15 2013, 17:45

Das sind die Empfehlungen der GRAMMOPHON, nicht meine ;-)

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
gramofan, Sa Jun 15 2013, 22:34

Starkton schrieb ...

Die Melba Nadel sollte sich daher nicht wie üblich am Schallplattenmaterial abnutzen, sondern stattdessen die vom Pressvorgang übrig gebliebenen Rückstände aus der Rille holen.

Ich frage mich was für "Rückstände das wohl sein sollten? Das Pressmaterial (also die Schellackmischung) sollte doch wohl durch das Erhitzen und Pressen zu einem einheitlichen Werkstück geworden sein. Ansonsten gab es da ja nur noch die zum Pressen genutzten Pressstempel. Sollte man annehmen, dass davon soviel Material in den Rillen hängen blieb, dass es erstmal "rausgefegt" werden musste? Kommt mir doch alles eher merkwürdig vor. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich hier um einen scheinrational verbrämten Marketing-Trick handelt (noch dazu wenn man bedenkt, dass die Melba-Nadeln deutlich teurer waren als andere. Da musste man wohl besondere Gründe für die zusätzliche Ausgabe liefern).

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, So Jun 16 2013, 09:53

gramofan schrieb ...

Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich hier um einen scheinrational verbrämten Marketing-Trick handelt

Der Einwurf ist berechtigt, zumal die Nadel, wie @Aristodemo schrieb, später für Künstler [d.h. "Red Seal"] und MONARCH [d.h. 30cm] Schallplatten, also die teuersten Platten im Angebot, zum regelmäßigen Abspielen empfohlen wurde. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Immerhin möchte ich nicht ausschließen, dass Reste der Pressmasse am Stempel kleben blieben und auf die folgende Platte übertragen wurden, bzw. die Pressmasse nicht absolut homogen, und die Rille deshalb anfangs nicht ganz "sauber" war. Bei einigen Platten habe ich auch schon metallische Reste [vom Stempel?!] in der Pressmasse festgestellt.


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Aristodemo, So Jun 16 2013, 11:01

Es wurde ja später empfohlen neue Platten zunächst mit einer "Condor"-Nadel zu spielen. Die "Melba"- Nadel war dann wohl eher die Nadel des Platten-Connoisseur, "immer nur das Beste vom Besten".
Ob beweisbar oder nicht, GRAMMOPHON blieb bei ihrer Empfehlung !

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Willi-H-411, So Jun 16 2013, 12:00

Die Preßstempel verschlissen sich ja durch das Pressen. Folglich müssen immer kleine oder kleinste Reste des Stempels auch in der Rille geblieben sein. Das könnte dann durchaus zu höherem Knistern geführt haben.

NUR: Löst man diese Reste nun heraus (wie auch immer), so entstehen statt dessen kleine "Krater", die ebenfalls hörbar sein müssen.

Nur mal so 'ne Idee.

VG Willi


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
gramofan, So Jun 16 2013, 14:28

Starkton schrieb ...

Bei einigen Platten habe ich auch schon metallische Reste [vom Stempel?!] in der Pressmasse festgestellt.


Ich nehme mal an, dass diese metallischen Reste in den Rillen (die ich auch schon gelegentlich glaubte, festgestellt zu haben) nicht vom Pressvorgang stammen, sondern schlicht Nadelabrieb vom vorhergehenden Spielen mit Stahlnadeln sind! Zur Erinnerung: eine gute Grammophonnadel ist weicher als das Plattenmaterial, um den größeren Verschleiß an der Nadel und nicht an der Platte zuhaben.


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Musikmeister, So Jun 16 2013, 18:40

Werbeanzeige Grammophon-Nadel-Ausstattung aus September 1911:




Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, So Jun 16 2013, 20:29

Hier sind Fotos von einem Original der Nadelausstattung der Deutschen Grammophon A.G. Sie wurde seit Ende 1908 oder 1909 mehrere Jahre, bis in die Zeit des 1. Weltkriegs, hergestellt. Da sie vergleichsweise häufig auftaucht, muss die Verbreitung groß gewesen sein.

An Stelle der Sorte Melba hat die D.G.A.G. die hochpreisige Condor Nadel angeboten, inklusive der Empfehlung, sie "die ersten beiden Male" auf neuen Platten zu verwenden.










Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
LT1550, So Jun 16 2013, 23:28

Danke! Sehr interessante Informationen.

Was für ein Aufwand mit den "gebrauchten Nadeln". Die hätte ich einfach in den nächsten Mülleimer geworfen ;-)

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Willi-H-411, Mo Jun 17 2013, 07:48

Vielleicht gab es ja damals Sammelstellen, wo man die gebrauchten Nadeln abgeben konnte? Immerhin war es ja ein guter Rohstoff, der ja nur zu einem Bruchteil verbraucht worden war. Man hätte die alten Nadeln ja gut einschmelzen können, um dann wieder neue Nadeln machen zu können?

VG Willi


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
LT1550, Mo Jun 17 2013, 11:35

Willi-H-411 schrieb ...

Vielleicht gab es ja damals Sammelstellen, wo man die gebrauchten Nadeln abgeben konnte? Immerhin war es ja ein guter Rohstoff, der ja nur zu einem Bruchteil verbraucht worden war. Man hätte die alten Nadeln ja gut einschmelzen können, um dann wieder neue Nadeln machen zu können?


Wobei, ihren Zweck erfüllte diese Dose vermutlich dennoch. Bevor die abgenutzten Nadeln irgendwo herumfliegen, weil kein Mülleimer in der Nähe ist oder man sie mit neuen Nadeln vermischt... denke mal, dass das der Hauptgrund war.


Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
gramofan, Mo Jun 17 2013, 12:50

Für eine industrielle Wiedreverwertung des Materials waren wahrscheinlich die Mengen im Vergleich zum organisatorischen Aufwand zu gering. Anders als beim Plattenmaterial hört man aus den beiden Weltkriegen nichts von einer Materialrückgabepflicht bei Bezug neuer Nadeln. Allerdings sparte man da Bleche indem Papiertüten, Holzkästschen usw. eingesetzt wurden.

Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
Starkton, Mo Jun 17 2013, 16:39

LT1550 schrieb ...

Bevor die abgenutzten Nadeln irgendwo herumfliegen, weil kein Mülleimer in der Nähe ist oder man sie mit neuen Nadeln vermischt... denke mal, dass das der Hauptgrund war.

Würde ich auch sagen.

Hier ist ein Cartoon zu diesem Thema aus einem englischen Sammlermagazin. Trockener, englischer Humor ist einfach unübertrefflich:




Re: The Gramophone & Typewriter Ltd. Nadelausstattung von 1907
HGN, Mi Jun 19 2013, 19:30

OK. Aber where do we throw the used needles :-)
HGN