Verrundungsradius Nadel
Willi-H-411, So Feb 23 2014, 14:28

Bei Abtastnadeln stößt man immer wieder auf den Begriff "Verrundungsradius". Der Radius ist der Halbdurchmesser einer Kugel. Somit würde, bei einem Verrundungsradius von 65µm, der Durchmesser 130µm betragen.

Hier nun liegt mein Verständnisproblem:

Die Rillenbreite einer Schellackplatte beträgt 120µm. Wenn der Durchmesser einer Nadelspitze jedoch 130µm beträgt, so würde die Nadel vom oberen Rand der Rille geführt werden und nicht von deren Rillenflanken. Das ist aber ja nicht so. Es würde höchstens Sinn machen, wenn sich statt des Begriffs "Durchmesser" die Benennung "Verrundungsradius" eingebürgert hätte. Das jedoch wäre nicht korrekt. Daher kann ich mir solch eine Fehlbenennung nicht vorstellen.

Weiß da jemand vielleicht eine Erklärung, wie sich das mit dem Verrundungsradius tatsächlich verhält?

VG Willi


Re: Verrundungsradius Nadel
, So Feb 23 2014, 14:39

Eines zur Bestätigung, der Radius ist der halbe Durchmesser. Das ist völlig korrekt.

Deswegen haben wir in der Schule auch noch den alten, deutschen Begriff "Halbmesser" für Radius gelernt.

Gruß, Nils

Re: Verrundungsradius Nadel
Arto, So Feb 23 2014, 16:52

Ausser bei vertikal geschnittene Platten ist der Abtaster nicht eine Kugel. Es ist einen Kegel mit Teil einer Kugel abgeschlossen. Damit kommt der Durchmesser der Kugel nie vor.

Vertikal geschnittene Platten können freilich einen Kugel verwenden, denn es gibt keine Rillenbreite an sich, nur Rillentiefe, und die betretene Fläche (in der Tat; es it theoretisch nur einen Kreisbogen) ändert sich dauernd. In beiden Fällen gibt es aber einen Abstand zwischen den Rillenböden durch den Reziprokwert "so-und-soviel Rillen pro Zoll" .

Re: Verrundungsradius Nadel
Willi-H-411, So Feb 23 2014, 18:04

Arto schrieb ...

Ausser bei vertikal geschnittene Platten ist der Abtaster nicht eine Kugel. Es ist einen Kegel mit Teil einer Kugel abgeschlossen. Damit kommt der Durchmesser der Kugel nie vor.

Das stimmt zwar, aber wenn die Spitze des Kegels einen Verrundungsradius von 65µm hat, so müßte doch auch hier ein Durchmesser von 130µm vorkommen.

Auf jeden Fall vielen Dank für deine Anmerkung, ich werde da mal drüber nachdenken. Vielleicht entwirrt sich meine Verständnislosigkeit ja doch noch.

VG Willi



Re: Verrundungsradius Nadel
berauscht, So Feb 23 2014, 18:44

Der Verrundungsradius gibt nicht den Radius r an, sondern den Radius R.

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Re: Verrundungsradius Nadel
Willi-H-411, So Feb 23 2014, 18:55

Vielen Dank für den Link. Dort scheint ja wirklich alles beschrieben zu sein. Ich werde mich da mal "durchbeißen".

VG Willi


Re: Verrundungsradius Nadel
Formiggini, So Feb 23 2014, 20:30

Hier hat sich im laufe der Jahrzehnte wohl tatsächlich ein falscher Begriff eingebürgert...

Wie berauscht richtig schreibt, muss hier zwischen r und R unterschieden werden... *Duden

r gibt vollkommen richtig den physikalischen Begriff Radius an. Aber...
Nadelverundungen, Schliff usw. mutierten im laufe der Zeit zu einer kleinen Geheimwissenschaft. R definiert eine Größe die mit dem uns bekannten Radius nur wenig zu tun hat. Dies ist ein Begriff der wohl erstmals im englischsprachigem Raum definiert wurde und durch "Übersetzungsfehler" oder anderes bei uns als "Radius" eingedeutscht wurde. Nur hat die Größe R nichts mit der Definition r zu tun...

Hoffentlich wird dies durch das folgende Bild etwas klarer. R ist die gerade Strecke des Auflagepunktes einer Nadel in der Rille im 90° Winkel zum Mittelpunkt der Nadel...




R ist also grob die Hälfte von r (Sprich, was fast der Rest der Welt unter Radius versteht...)
Leider werden fast überall diese beiden Größen verwechselt. Es heißt zwar Verrundungsradius, gemeint ist damit aber nicht die Größe r (physikalischer Radius), sondern die nicht genormte Größe R.
Es handelt sich wohl tatsächlich um eine Fehlbenennung die sich seit vielen Jahren weiterführt.

Im Deutschen wäre es wesentlich besser ausschließlich von Durchmesser zu sprechen.

Verwirrend das alles...

Re: Verrundungsradius Nadel
Willi-H-411, So Feb 23 2014, 21:26

Gute Erklärung. Wenn du hier aber schreibst, es sei wohl besser, von Durchmesser zu sprechen, wäre dann nicht r etwa die Hälfte von R?


Re: Verrundungsradius Nadel
Formiggini, Mo Feb 24 2014, 09:39

Nochmal anders...

r und R geben zwei vollkommen unterschiedliche Verhältnisse in einer Nadel an. Diese sind voneinander völlig unabhängig. Diese beiden Größen werden nur in unserem Sprachgebrauch häufig durcheinander gebracht.

r ist die Größe der tatsächlichen Spitze, also das wirkliche Ende der Nadel.
R ist eine Größe die in der Nadel liegt. Diese gibt an wie "schnell" die Nadel nach oben hin breiter wird. r kann immer gleich sein, R aber unterschiedlich. Je größer R ist, umso schneller wird die Nadel nach oben breiter.




R lässt sich nicht aus r ableiten!

Im englischen wird unterschieden zwischen:
stylus tip radius (=R)
bottom radius (=r)

Bei uns hat sich leider für beide Angaben der Begriff "Verrundungsradius" eingebürgert, was jedoch falsch ist.

PS: Gelegentlich findet man für R auch den Begriff "Modulationsradius".

Re: Verrundungsradius Nadel
Willi-H-411, Mo Feb 24 2014, 09:59

Danke, jetzt habe ich es kapiert.


Re: Verrundungsradius Nadel
, Mo Feb 24 2014, 10:57

Nun ja, der Radius ist aber nun mal trotzdem der HALBmesser und nicht der Durchmesser eines Kreises.

Die Darstellungen wie oben bezeichenen allesamt falsch den Durchmesser als Radius.
Ob nun oben, oder an der Spitze.

Ich habe gestern schon einige Wörterbücher, auch online, durchgessehen. In denen ist auch im Englischen der Radius der HALBmesser. Der Durchmesser hingegen ist diameter.

Gruß, Nils

Re: Verrundungsradius Nadel
, Mo Feb 24 2014, 11:35

Niemand sagt, dass sich der Verrundungsradius auf den Durchmesser des Saphirs, bzw. Diamanten bezieht, oder? Das ist eine Mutmassung die hier einfach angestellt wird. Es kann sich durchaus um einen Radius handeln der sich auf eine imaginäre Halbkugel bezieht, und den man dann z. B. mit einer Schablone nachmessen kann.
Man schrieb ja schon, bei einer geschliffenen radialen Nadel handelt es sich um einen Kegel oder Zylinder mit verrundeter Spitze. Gedanklich kann ich diese Spitze doch theoretisch so halbrund stumpf oder spitz schleifen wie ich will.
Den Radius, dem dieser Kugelausschnitt dann entspricht kann ich einfach als Radius angeben.

Bei einem Werkstück dessen lange Kante ich rund mache, kann ich ja auch verschiedenste Radien anwenden ohne Bezug auf andere Dimensionen z. B. Wanddicke des Werkstückes. Die Wanddicke setzt lediglich gewisse Grenzen, genau wie ein Kegel- oder Zylinderdurchmesser.

Gruß Gerhard

Re: Verrundungsradius Nadel
Formiggini, Mo Feb 24 2014, 12:41

Die Darstellungen wie oben bezeichenen allesamt falsch den Durchmesser als Radius.


Sie bezeichnen weder das eine noch das andere! Sie sollen einfach nur verdeutlichen das r und R zwei gänzlich verschiedene Punkte in/an einer Nadel bezeichnet! Ob diese dann als Durchmesser oder Radius angegeben werden sei mal ganz dahingestellt.

Einfach nicht an dem Begriffen Radius oder Durchmesser aufhängen - dies spielt dabei erstmal keinerlei Rolle. Einzig wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Größe der tatsächlichen Nadelspitze (r) und dem inneren R.

Eine Nadel taucht NIE komplett in die Rille ein.





R kann die tatsächliche Größe der Nadel angeben. Aber nur r ist dafür verantwortlich wie tief die Nadel in die Rille "einsinkt".
Wenn für eine Schellacknadel 65µm angegeben wird, bezeichnet dies logischerweise den Durchmesser an Punkt r.
r ist hier dann nicht die Bezeichnung für "Radius", sondern die örtliche Definition wo an der Nadel das ganze "65µm groß" ist.

Auch hat Gast vollkommen recht - die Bezeichnung "Verrundungsradius" taucht selten auf. Üblicherweise spricht man nur von der "Nadelverrundung" - ohne Radius!

Nochmal: Verrundungsradius ist für die Größe ein Begriff der fachlich nicht richtig ist, sich aber eingebürgert hat!

Bei modernen, hochwertigen Nadeln im oberen Preissegment werden z.B. die Größen einer Nadel wie folgt angegeben:

Nadelverrundung: r/R 8/18µm

R/r gibt hier die "dickste" und "dünnste" Stelle der Nadel an. Von Radius ist da nie die Rede!
Dazu kommen nach noch die verschiedenen Arten des Schliff.

Weder r noch R beziehen sich bei der Angabe von Nadelgrößen auf Radius, sondern auf zwei Punkte der Nadel.
Ich fürchte ich habe mich da in obigen Einträgen etwas Missverständlich ausgedrückt...

Grüße


Re: Verrundungsradius Nadel
Arto, Mo Feb 24 2014, 12:54

Zitat: "Eine Nadel taucht NIE komplett in die Rille ein".

Aber doch: bei vertikalen platten is die Abtastung davon bedingt.

Bei einem Stahlnadel sorgt den Verschleiß dafür, dass die Nadel komplett eintaucht.

Re: Verrundungsradius Nadel
Formiggini, Mo Feb 24 2014, 12:56

Ja - da hast du Recht!

Obiges bezieht sich alles auf Platten in Seitenschrift und moderne Saphir oder Diamantnadeln. Stahlnadeln verhalten sich völlig anders.

Grüße

Re: Verrundungsradius Nadel
berauscht, Mo Feb 24 2014, 13:29

Die Nadel tangiert die Rillenflanken an zwei Punkten. Legt man durch diese Punkte senkrecht eine Gerade, so ergibt deren Schnittpunkt den Mittelpunkt eines Kreises, dessen Halbmesser wohl mit R bezeichnet wird.
Bei Seitenschrift ist der Schall durch seitliche Auslenkung der Rille aufgezeichnet. Ist der Halbmesser der Kurve der seitlichen Auslenkung in der Rille kleiner als der Halbmesser R der Nadel verzerrt die Platte.

Re: Verrundungsradius Nadel
Arto, Mo Feb 24 2014, 16:37

Die Zeichnung oben von Formiggini ist korrekt wenn der Abtaster sphärisch (kugelförmig mir Halbmesser = Radius "r") auf einer Kegel auf Kreisbasis sitzt. Da ist der Krümmungshalbmesser in allen Richtungen, auch senkrecht zur Rillenoberfläche, der gleiche. Und in diesem Fall stimmt es, dass die zwei Normale (senkrechte Geraden) an den Berührungspunkten sich im Zentrum der Kugel treffen, und wir wiederfinden "r" aus der Zeichnung.

Aber, es verhält sich ganz anders bei elliptischen Nadeln sowie bei Line-Contact Nadeln. Da ist die Krümmung bei den Enden der langen Ellipsenachse von Interesse, und sie ist viel kleiner als der Kugelhalbmesser "r". Die Normale (senkrechte Geraden) schneiden sich immernoch, aber die Krümmung von Interesse liegt NUR in einer Ebene senkrecht zur Plattenoberfläche, und der Schneidpunkt befindet sich weit oberhalb der Berührungspunkten. Ich habe leider weder Zeit noch Erfahrungen zur Hochladung von Zeichnungen, aber hier sollte eine Draufsicht besser dienen als ein Querschnitt.

Es wird noch schlimmer: Line-Contact bedeutet ein Verlangen, dass die "Kante" (nicht scharf, aber mit einer kleinen Krümmung) in der gleichen Richtung geht wie der originale Schneidstichel, damit die "Kante" gut in die Bucht der Rille hineinsinken kann. Das heisst "Vertikal Tracking Angle". Die kleine Krümmung sorgt dann dafür, dass auch Hochfrequenzen mit erfasst werden, ohne Verzerrung. Dass tun die elliptischen schon, aber sie sind weniger schonend.

Re: Verrundungsradius Nadel
Formiggini, Mo Feb 24 2014, 17:00

Wie ich schon mal erwähnte - es ist fast eine "Geheimwissenschaft". Deswegen habe ich auch nur die einfachste, also sphärische Form als Beispiel herangezogen.

Hier die von Arto angesprochene "Line-Contact" Nadel, bzw. deren Spezifikation aus einem Datenblatt:







Verwirrender wird das ganze noch durch folgendes: Bei uns wird die Größe einer Nadel üblicherweise in µm und als Durchmesser angegeben.
In den USA jedoch meist als Radius und in mil, also Bruchteilen eines Inch.

Deswegen auch zuvor meine etwas flapsige Bemerkung "Vergiss R..."
Freuen wir uns einfach das es noch passende Nadeln für Schellackplatten gibt!

Grüße

Re: Verrundungsradius Nadel
Arto, Mo Feb 24 2014, 18:33

Ha-ha, da hast du völlig Recht! Aber, als ich mehr erfahren werde, kann ich bessere Zeichnungen zustellen. Deine letzte Zeichnungen geben eigenlich eine nicht-relevante Information, denn es zeigt eine unmodulierte Rille -- diese Abbildungsform erlaubt nicht zu sehen, wo die Line-Contact seine Stärke hat. Die Prinzipien sind aber einfach (aber winzig).

Re: Verrundungsradius Nadel
Charleston1966, Mo Feb 24 2014, 20:14

Also würde es sich lohnen für Schellacks ellyptische Nadeln in verschiedenen Größen machen zu lassen. Ein Mitglied hier im Forum hat wohl ein Shure DM 103 mit ellyptischer Nadel, die Aufnahmen hören sich sehr gut an obgleich die Aufnahmen nicht entrauscht und entknackt wurden, ein Vorteil gegenüber der normalen konischen Nadel?

Re: Verrundungsradius Nadel
Arto, Mo Feb 24 2014, 21:09

Elliptische Nadeln geben kürzere Störpulse, denn der Kontakt zwischen Partikelchen und Nadel dauert kürzer -- die Nadeloberfläche is einfach kleiner. Dabei sind sie meistens (bei elektromagnetischen Abtastern) auch höher. Wenn der Vorverstärker nicht übersteuert wird (also grosse Dynamik) und genügend Bandbreite hat, hört es sich als weniger störend an. Die “Entknacker” haben es auch einfacher dabei.

Re: Verrundungsradius Nadel
veritas, Mi Feb 26 2014, 10:32

Dieses Verhalten kann ich bei elliptischer Nadel grundsätzlich bestätigen. Für das direkte Hören kann ich solche Nadeln nicht unbedingt empfehlen. Als Grundlage für eine Filterung aber sind sie bei einigen Platten durchaus sinnvoll.

Vor 1 1/2 Jahren habe ich mir, vorwiegend aus Neugier, die D5130EJ für mein Stanton 500 bei Esoteric Sound gekauft: Link - Hier klicken

Die Größe von 3 mil (= 76 µm) hat bei meinen Einsätzen oft eine gute Universaleigenschaft. Im direkten Vergleich zu den sphärisch Nadeln gleicher Größe klingt die elliptische Nadel bei manchen Platten etwas besser. Einen bestimmten Jahrgang konnte ich bisweilen nicht feststellen. Von 1897er Berliner bis 50er-Jahre war fast alles dabei.

Die gnadenlose Wiedergabe kann sich aber bei manden Rillenschäden auch negativ in Form von erhöhtem Rauschen auswirken. Hier will ich aber künftig nochmal aufrüsten. Es gibt ja auch das Kit mit fünf weiteren Größen in elliptischer Form. Wenn dem nur nicht die über $600 im Weg stehen würden... *achja

Grüße, Norman