Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Di Aug 30 2011, 20:26

Entgegen der landläufigen Meinung, das alte Grammophonplatten "nicht gut klingen", schaffte man es in den Aufnahmestudios schon recht früh wirklich ordentliche Frequenzgänge in Schellack zu "verewigen". Hier mal grobe Richtwerte, die auch für eine Digitalisierung interessant sein können.

Akustische Aufnahmen
Bei dem alten Verfahren mit Trichteraufnahme, waren recht enge Grenzen gesetzt.
Die meisten akustischen Platten gehen von c. 120/150Hz bis etwa 4000Hz.
Gelegentlich findet man aber auch Platten, die die Möglichkeiten dieses Verfahrens voll ausschöpfen.
Einige Artiphon Aufnahmen aus den frühen 20´er Jahren zeichneten einen Bass bis hinab zu c. 70Hz auf.
Edison schaffte es auf seinen Tiefenschriftplatten bis hinauf zu c. 6.500/7000Hz.
Damit war das akustische Verfahren aber an seinen Grenen angelangt. Auch sind solche weiten Gänge bei den Trichteraufnahmen "Ausrutscher" und nicht häufig zu finden.

Elektrische Aufnahmen

Hier soll es mal um die "guten" elektrischen Platten gehen.
Das einige Firmen es auch mit Mikrophon zu keinen ordentlichen Ergebnissen brachten, wissen wir ja fast alle aus leidvoller Erfahrung

Die ersten elektrischen Aufnahmen ab 1925 hatten einen Frequenzumfang von c. 70Hz - 7000H. Wobei es hier schon ab c. 5000Hz zu einem starken absinken kam, also Frequenzen um die 6500/7000Hz proportional schon recht leise waren.

So ab 1928 verbesserte sich bei den meisten Firmen der Frequenzumfang nochmal.
Aufnahmen mit Frequenzen bis 8000Hz waren keine Seltenheit.
Auf Grammophon findet man so ab 1929 auch Ergebnisse bis c. 10.000Hz.
Ultraphon schaffte 1929/30 sogar so bis 13.000/14.000Hz - dies allerdings mit einem doch recht erheblichen Klirrfaktor in den Höhen.

In den 1930´er Jahren wurden die Grenzfrequenzen immer besser.
Bass hinunter bis 50Hz schafften die meisten. So ab 1936/37 sind Aufnahmen bis c. 15.000Hz häufiger zu finden.

Ab Ende der 30´er, anfang der 1940´er Jahre schaffte man dann schon fast Hi-fi Norm mit oberen Grenzen um die 18.000 - 19.000Hz.


Wer hat noch Beispiele für "Ausreißer" in der Güte der Aufnahmen in seiner Sammlung?



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Do Feb 23 2012, 11:59

Hallo Uli!

Es würde mich schon sehr interessieren, wo du diese technischen Daten herhast. Nachdem was ich bisher so gelesen habe, lag die höchstmögliche Frequenz weit darunter.

In dem Buch "Schallplatte und Tonband" von Hans Sutaner aus dem Jahre 1954 steht, daß die höchste brauchbare Frequenz um 6.000 Hz lag. Das deckt sich auch mit meiner Berechnung, die ich hier mal erwähnt hatte: Link - Hier klicken

Da kam ich auf eine maximal höchste Frequenz von 6.667 Hz. Da dieser Hans Sutaner historisch wesentlich näher an der Materie war, als wir heutzutage, denn er hat ja mit dieser Art der Musikwiedergabe "gelebt", bin ich geneigt, ihm mehr zu glauben.

In einer alten Funkschau aus dem Jahre 1929 wird aus anderer Sicht das Problem behandelt und erklärt: Link - Hier klicken

Und auch dort wird als höchste subjektiv hörbare Frequenz bei der Maximallautstärke 6400 Hertz angegeben.

Da sich die technischen Vorraussetzungen, was die Breite der Rille und die Dicke der Abtastnadel angeht, erst durch die Mikrorille und der dazu passenden dünnen Abtastnadel geändert haben, wird sich die höchstmögliche Frequenz bei den Schellackplatten nicht großartig geändert haben. Schon gar nicht bis zu einer Frequenz von 19.000 Hz. Sogar die Schallplatten mit Mikrorille waren noch bis Ende der 1950er Jahre auf ca. 15.000 Hz beschränkt.

Man ist zwar später, soweit ich weiß, war das in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, dazu übergegangen, die Frequenz, ab der mit konstanter Amplitude geschnitten wurde, von 250 Hz auf 500 Hz zu ändern. Dadurch konnte der Aufnahmepegel höher gemacht werden, wodurch sich wiederum der Geräuschspannungsabstand verbessert hat. Auch hat man die hohen Frequenzen, die wiedergegeben werden konnten, angehoben. Dadurch hat sich zwar der Höreindruck verbessert, nicht jedoch wurde dadurch die höchstmögliche Frequenz nach oben verschoben.

Wie gesagt, das sind die Daten, die ich mir bisher so erlesen habe. Da ich kein Techniker bin, kann ich das weder be- noch widerlegen. Trotzdem weiß ich, daß bei der Beurteilung des Frequenzganges bestimmte Toleranzen eingehalten müssen. Auch spielt die Höhe des Klirrfaktors eine nicht unwichtige Rolle.

Man könnte theoretisch auch bei Tonband und einer Geschwindigkeit von 2,4 cm/sec noch eine Frequenz bis zu 10.000 Hz "herauskitzeln". Aber wie würde sich das dann wohl anhören?

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Do Feb 23 2012, 14:26

Hallo Willi,

Gegenfrage: wenn die Platten diese Frequenzen NICHT könnten, warum gibt es dann Tonabnehmer aus den 30er / 40er Jahren, die diese hohen Frequenzbereiche sauber abtasten können? Und meine Bearbeitungssoftware bzw. Ohren sagen auch etwas anderes...

Gruß

RFO



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Do Feb 23 2012, 16:24

Hallo RFO!

Was die Tonabnehmer betrifft, kann man das so erklären: Man nimmt eine Platte z.B. mit einem 2 KHz-Ton bei 78 Upm und tastet sie mit dem Tonabnehmer ab. Dann erhöht man die Abspielgeschwindigkeit und somit auch die Frequenz und mißt, welche Frequenz der Tonabnehmer abtasten kann. Es gibt also nicht zwangsläufig Auskunft darüber ab, welche Grenzfrequenz bei 78 Upm nun tatsächlich aufgezeichnet bzw. wiedergegeben werden kann.

Was das betrifft, was die Ohren sagen, so muß man leider auch sagen, daß einen die Ohren auch täuschen können. So hat man z.B. Versuche gemacht, und bei Schellackplatten alles Knistern und Rauschen herausgefiltert. Der Höreindruck war: "Dumpf."

Dann hat man nachträglich Knistern und feines Rauschen wieder hinzugefügt und plötzlich wurde dieselbe, vorher gefilterte Aufnahme beim Höreindruck als "mit mehr Höhen" empfunden. Es gibt eben nicht nur optische, sondern auch akkustische Täuschungen.

Wenn ich mir unter WaveLab die Frequenzanalyse anzeigen lasse, bei Aufnahmen, die ich vorher vorsichtig entknistert habe, so wird mir über 5.000 Hz nicht mehr allzuviel angezeigt. Und die Frage, ob das nun Anteile der Musik oder nicht doch das Plattenrauschen sind, darf auch nicht vergessen werden.

Ich bin in diesem Falle also äußerst skeptisch. Lasse mir aber auch gerne mit Fakten das Gegenteil beweisen.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Do Feb 23 2012, 19:47

Die Daten?
Schlicht und ergreifend hunderte von Platten beim digitalisieren durch gemessen und mir den Frequenzgang graphisch anzeigen lassen

Und mit Frequenzgang meine ich nicht das Rauschen oder verzerrte Obertöne, sondern die tatsächliche Musikalische Information!

Berechnungen sind gut - jedoch decken sie sich häufig nicht mit der Realität.
Andererseits könnte man auch sagen, wer misst misst Mist...

Natürlich wird die Toninformation je älter die Aufnahme und je höher die Frequenz immer leiser - aber sie ist vorhanden!
Mit entsprechender Frequenzgang Anpassung mittels eines digitalen Equalizers lassen sich diese auch noch "heraus kitzeln". Natürlich erhöht sich dadurch auch der Störpegel....

Bei gut erhaltenen Platten funktioniert dies, bei abgespielten nicht.


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Feb 24 2012, 13:56

Uli, nimms mir nicht übel, aber woher weist du, daß es sich bei den hohen Frequenzen tatsächlich um Musikinformationen handelt? Dazu müßte man zunächst einmal sämtliche Störgeräusche herausfiltern. Bei dem Knistern geht das noch recht gut, ohne die Musik dabei zu beschneiden. Aber beim Herausfiltern des Rauschens wird es dann schon wesentlich schwieriger. Das geht meistens an die "Substanz".

Wie schon gesagt, da halte ich mich doch lieber an das, was in Fachbüchern steht. Ich weiß persönlich zu wenig von der Materie, als daß ich Kritik an den Ausführungen von Leuten machen könnte, die beruflich mit dieser Materie zu tun hatten bzw. haben.

Auch in diesem Artikel wird die Grenzfrequenz bei Schellackplatten bei 6.300 Hz benannt (etwas nach unten scrollen):
Link - Hier klicken

Daß über dieser Frequenz nun gar nichts mehr kommt, stimmt natürlich auch nicht. Aber bei der Benennung der Grenzfrequenz handelt es sich ja immerhin um die noch brauchbare noch reproduzierbare Frequenz. Nicht um Frequenzen, die noch irgendwo rudimentär vorhanden sind.

Davor abgesehen: Wie kommst du auf eine Frequenz von 19 KHz? Soweit ich weiß liegen die höchsten Frequenzen, die bei Orchestermusik vorkommen, bei ca. 13 KHz? Wie sollten dann Frequenzen von 19 KHz noch Anteile der Musik sein können?

Irgendwie ist mir das einfach zu widersprüchlich.

Nur möchte ich hier nich falsch verstanden werden: Ich will nicht unbedingt Recht haben, sondern das Richtige herausfinden. Nur will ich dann aber auch überzeugt werden.

VG Willi


PS: Der Film "Fitzcaraldo" war in der Tat klasse.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Feb 24 2012, 14:42


Ich suche mal am Wochenende einige Frequenzbilder raus - wenn wir jetzt anfangen uns >Berechnungen um die Ohren zu hauen, drehen wir uns ganz schnell im Kreis!
Ich meinte natürlich (wie ich ja oben schon schrieb) brauchbare Frequenzen!
Außerdem ist das ganze auch ohne Berechnung hörbar! Vielleicht kommt es mir da zugute, das ich mein noch nicht so altes Gehör relativ wenig neben den Bassboxen von irgendwelchen Clubs abgestumpft habe *lol

Die reine Frequenz bei Orchestermusik gehen wohl nur so bis 13Khz - die Obertöne noch viel weiter!
Ansonsten wären ja alle "modernen" Hifi Anlagen ab den 1950er Jahren ja Humbug!



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Feb 24 2012, 15:25

Ein Bild habe ich gefunden in den tiefen meiner Festplatte, andere muss ich erst das Wochenende über neu erstellen.

Ultraphon 1930, Aufnahme aus der Dreigroschenoper (Mx.Nr muss ich noch suchen)





(weißes Spektrum = sehr laut, rot = etwas leiser, blau = noch leiser, aber deutlich über der Hörschwelle. Es sind eben die Obertöne zu den Grundfrequenzen der einzelnen Instrumente und Stimmen)

Diese Aufnahme (Frequenzbild) ist ungefiltert. Die Frequenzen weit über 14.000Hz sind musikalische Toninformationen, keine Kratzer o.ä.!
Ich persönlich traue lieber meinen eigenen Augen, als einem alten Fachbuch...

Natürlich 1930 noch mit einem entsprechenden Klirrfaktor, aber deutlich hörbar aufgenommen, soweit dies das eigene Ohr noch zulässt.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Feb 24 2012, 15:51

Also, Thema "Grundtöne und Oberschwingungen":

Die höchsten Grundtöne eines Orchesters liefern Klavier, Piccoloflöte und Violine. Alle drei liegen um 4.000 Hz. Sie werden nur noch von der Orgel getopt, die es bis auf etwa 8.500 Hz schafft. Wobei hier der Grundton und die Oberschwingung gleich sind.

Die höchsten Oberschwingungen liegen bei ca. 12.000 Hz und werden von dem Xylophon und der Piccoloflöte produziert. Direkt darunter ist wieder die Violine dabei, mit ca. 10.000 Hz.

Von daher können diese hohen Frequenzen in deiner Graphik nicht von der Musik stammen.

Du fragtest auch danach, ob dann die "modernen" Hifi Anlagen ab den 1950er Jahren ja Humbug seien. Nun, in vielerlei Hinsicht sicherlich. Da werden Verstärker angeboten, die einen Frequenzbereich von 5 bis 50.000 Hz bestreichen. Ebenso dazu passende Boxen. So etwas empfinde ich in der Tat als Humbug. Aber dieses Thema gehört nicht in diesen Thread.

Und was die Güte des Gehörs betrifft: Es kommt nicht nur auf das Alter an, sondern auch und vor allem darauf, wie geschult das Gehör ist. Und da bilde ich mir, als Musiker, schon ein, ein solches zu haben.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Feb 24 2012, 16:02

Hallo,

also ich finde das ist doch ganz einfach zu beweisen heutzutage: man nehme einen Rechner, eine solche besagte Aufnahme, starte die Bearbeitungssoftware mit integriertem Frequenzfilter, und lasse einfach mal die Grenzfrequenz der Höhen während des Abspielens der Aufnahme immer weiter sinken, bzw. ändere diese immer wieder. Dann dürftest Du nicht mehr fragen.

Gruß

RFO

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Feb 24 2012, 16:39

Hallo RFO!

Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die höchsten Oberschwingungen, die bei Orchestermusik auftreten, bei etwa 12.000 Hz liegen.

Außerdem müßte man bei deiner Methode ein sehr steilflankiges Filter haben. Wenn, dann macht es meiner Auffassung nach nur Sinn, zunächst einmal die Nebengeräusche herauszufiltern, so daß wirklich nur noch die reine Musik vorliegt. Erst dann zeigt eine Graphic die korrekten Daten an.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Feb 24 2012, 17:37

Eigentlich wollte ich mich ab einer gewissen Stelle nicht mehr an der Diskussion beteiligen - die Aussage, das es eine Tatsache sei, das die höchsten Oberschwingungen der Orchestermusik bei c. 12.000Hz liegen, kann man so aber einfach nicht stehen lassen!
Diese Aussage widerspricht schlicht der Physik...

Ein Grundton von z.B. 2000Hz hat Obertöne bei:
1. Oberton: 4000
2. Oberton: 6000
3. Oberton: 8000
4. Oberton: 10000
5. Oberton: 12000
6. Oberton: 14000
7. Oberton: 16000
8. Oberton: 18000
9. Oberton: 20000 usw.

Diese sind alle Hörbar, keine akustische Täuschung und wichtiger Bestandteil der Lebendigkeit einer musikalischen Aufführung - natürlich kann man diese Obertöne auch aufzeichnen!


Unter diesem link Link - Hier klicken , kann man seine musikalischen Kenntnisse auffrischen, und mittels eines kleinen Rechners die Obertöne zu den einzelnen Grundtönen berechnen.


Auf die Schnelle fand ich zu diesem Thema nur ein englischsprachiges Fachbuch von 1957 bei mir, die Übersetzung spare ich mir jetzt erst mal.

Aus diesem Buch:


1957

Aus dem Kapitel über musikalische Obertöne und der Wichtigkeit deren Darstellung bei Plattenaufnahmen





Grüße
Uli

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Feb 24 2012, 18:17

... und ich möchte nur noch hinzufügen, dass es mit Software kein Problem darstellt steilflankig abzuschneiden. Zur Not filtert sie zusätzlich z.B. auch einen Bereich von 1 Hz aus (z.B. um genau 50 Hz Brumm zu eliminieren).

Die frühen Magnetbandaufzeichnungen der RRG klingen ja schon recht gut, es fehlt aber trotzdem etwas. Man hatte damals wohl den Gedanken, dass mehr als 10 khz nicht nötig sind. Die Aufnahmen klingen entsprechend; wäre da "nichts", würde man es ja nicht merken. Ergo fehlen Oberwellen, die die Feinheit einer Aufnahme erst ausmachen.

Gruß

RFO

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Feb 24 2012, 19:57

Ich finde es sehr schade, daß Fakten aus Fachbüchern und anderer Fachliteratur über die Grenzen der Schallaufzeichnung bei Schellackplatten der persönlichen Philosophie und Glaubenseinstellung weichen sollen. Wenn in mehreren Quellen, die ich hier aufgeführt habe, als oberste Frequenz ca. 6.000 Hz angegeben wird, werden Bildchen präsentiert, aus denen in keinster Weise hervorgeht, daß es sich bei den hohen Frequenzen tatsächlich um Musikanteile handelt. Es wird als "Fakt" dargestellt, weil man ja angeblich diese Frequenzen auch hört.

In dem Bericht aus der Funkschau wird erklärt, weshalb höhere Frequenzen aus physikalischen Gründen nicht aufgenommen und wiedergegeben werden können. Aber das wird hier einfach ignoriert, mit den Worten, man könne eben doch nicht alles glauben, was man so in der Fachliteratur findet. Andererseit stützt man sich gerne auf die Physik, wenn sie einem in den Kram paßt ("Diese Aussage widerspricht schlicht der Physik...").

Nein, diese meine Aussage, die höchsten Obertöne lägen bei ca. 12.000 Hz, widersprechen keinesfalls der Physik. Zitat:

Der musikalische Grundtonbereich reicht von ca. 41Hz (tiefster Ton eines Kontra- oder 4-saitigen E-Basses) bis zu ca. 3.520Hz (höchster Ton einer Violine). Die klangbestimmenden Oberwellen können aber die 4fache Frequenz der Grundwelle erreichen.

Link - Hier klicken

Auch Äußerungen, wie "Eigentlich wollte ich mich ab einer gewissen Stelle nicht mehr an der Diskussion beteiligen" machen eigentlich deutlich, daß solch einem die wirklichen Argumente ausgehen. Teilweise wurde ja auch vorher schon leicht polemisiert ("Vielleicht kommt es mir da zugute, das ich mein noch nicht so altes Gehör relativ wenig neben den Bassboxen von irgendwelchen Clubs abgestumpft habe") - Eigentlich eine Unverschämtheit.

Ich habe mich hier bemüht, Fakten aus der Fachliteratur aufzuzeigen. Es bringt aber absolut nichts, wenn hierauf nicht eingegangen wird. Vielleicht wurden diese Quellen ja noch nicht einmal gelesen.

Oder aber es verhält sich so, wie auch bei Sekten, daß nur das als "Wahrheit" angesehen und zugelassen wird, was der eigenen "religiösen Überzeugung" entspricht. Dann bin ich hier aber wohl fehl am Platze. Ich habe in meinem Leben schon zu viele "HiFi-Freaks" kennengelernt, die Unterschiede gehört haben, wo absolut keine Unterschiede zu hören waren.

Und, RFO, du hattest mir in der Email selber geschrieben, daß dein BG 19 auch "nur" so an die 10 KHz rankommt. Diese Tonqualität ist aber um Klassen besser, als die Schellackaufnahmen aus den 30er und 40er Jahren. Folglich würdest du dir in diesem Punkte selber widersprechen.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Feb 24 2012, 20:22

Lieber Willi,

ich klinke mich hiermit aus diesem Krieg aus. Nur zum Abschluss noch eines, die BG 19 ist NICHT in der Lage, die Feinheiten so mancher Schellackplatte aus besagter Zeit wiederzugeben.

Hier ein gefilterter Titel von vor Kriegsende, nur 10 bis 15 khz sind noch vorhanden:





Schreibe nicht immer, dass da nichts sein kann - beweise es praktisch.!

Persönliche Angriffe haben hier nichts zu suchen.

Gruß

RFO

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Feb 24 2012, 21:41

Warum soll ich etwas beweisen, das durch Fachleute schon bewiesen worden ist. Das Bildchen sagt nicht viel aus. Dann laß doch mal hören, was sich in diesem Frequenzspektrum zwischen 10 und 15 KHz an Musikanteilen befindet.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, So Feb 26 2012, 13:32

Gut, versuchen wir einfach mal vom persönlichen Höreindruck in den eigenen vier Wänden weg zu kommen, und schauen nochmal verschiedene Quellen an.

Hier nochmal der Artikel aus einem englischen Fachbuch von 1957 zu der Wichtigkeit der Obertöne in der Schallaufzeichnung:





Zehnte Oktave 8.192 bis 16.000Hz
Wichtige Obertöne, vor allem der Holzblasinstrumente, Trommeln, Becken usw finden sich in diesen Oktaven (Obertönen) welche verantwortlich ist für den lebendigen, glänzenden Charakter der Musik.
Gute, glatte Dynamik ist hier ebenfalls wichtig für eine genaue Wiedergabe der Schwingungen.
Belastungsspitzen in dieser Oktave (welche nicht ungewöhnlich sind) können bei den Streichern Kammartige Verzerrungen verursachen oder eine "Sirenen Artige" Qualität.
Überbetonung führt generell zu einem Anwachsen des sogenannten "Chrom Veredelten Klang" einiger sogenannter Hi-fi Systeme.


In der bereits verlinkten Zeitschrift von 1929 wird ja auf die Grenzen eingegangen - dort findet sich aber auch die klare Aussage, das es bereits 1929 technisch Möglich war, Frequenzen bis zu 10.000Hz auf Platte aufzunehmen:








Hier wird ja ausdrücklich erwähnt, das eine Aufnahme bis 10khz keine Schwierigkeit darstellt, dies auch demonstriert wurde.
Soweit ich den weiteren Verlauf verstehe, vor allem in Bezug auf die 6400Hz, liegt hier das Problem in der Wiedergabe.
Insgesamt ist der Artikel aber auch etwas Widersprüchlich - einerseits heißt es Aufnahmen bis 10khz seien jetzt Möglich - dies soll auch demonstriert worden sein, andererseits wird eben jene Grenze von 6400Hz erwähnt.
Wobei auch deutlich zu lesen ist, das die Rechnung über 6400Hz erst noch einer praktischen Überprüfung standhalten muss.

Leider findet sich keine Fortsetzung des Artikels, zu welchem praktischen Ergebnis Dr. Hagemann kam.

Verlassen wir mal diese frühen Versuche und Betrachten was später auf 78rpm Möglich war.

Decca Label - 78rpm


Bildquelle: Link - Hier klicken


Decca brachte 1945 die ersten Schellackplatten mit dem neuen FFRR Verfahren auf den Markt.
In Kürze, FFRR steht für Full Frequency Range Recording - also Aufnahme mit vollem Tonumfang.
Dieser ging von c. 80Hz bis 15.000Hz bei einem Signal-Rausch-Verhältnis von 60db.
Anfangs gab es noch Schwierigkeiten diesen Frequenzumfang zuverlässig zu reproduzieren, da das Schellackmaterial oftmals zu einem zu starken Grundrauschen führte. Erst durch das Pressmaterial Deccalite (ähnlich Vinyl) konnte man auch bei 78 Umdrehungen den vollen Tonumfang mit vermindertem Grundrauschen "genießen".

Für diesen Absatz wurde der Schnelle halber WIKI als Quelle genommen Link - Hier klicken Vielleicht hat ja jemand Originale Technische Beschreibungen zu FFRR auf 78rpm.



Kommen wir zu dem direkten Höreindruck einer gut aufgenommenen 78er Schellackplatte.
Leider besitze ich keine Decca FFRR, aber diese Platte von Dezember 1953 weißt einen ähnlichen Frequenzgang auf.





Gegebenenfalls einen Kopfhörer bei den Musikbeispielen verwenden. Kleine Computerlautsprecher sind nicht immer in der Lage den Frequenzgang zuverlässig darzustellen.


Für die Hörbeispiele kam ich der oben genannten Bitte nach, die Aufnahme wurde zunächst entknackst um nicht die graphische Frequenzdarstellung zu verfälschen.
Die kleinen Auszüge aus der bildlichen Frequenzdarstellung entsprechen also der tatsächlichen Musikalischen Information.

Für das erste Hörbeispiel wurde der Frequenzgang oberhalb von 16Khz steilflankig beschnitten, da sich hier nur noch Verzerrungen befanden.




Hier das gleiche Musikstück, jedoch mit einem Frequenzschnitt bei c. 12500Hz




Gegebenenfalls zwischen den beiden Aufnahmen hin und her schalten.

Spaßeshalber noch mit einem Schnitt bei 10.000Hz




Nachdem die Frage aufkam, was den oberhalb von 12.000Hz hörbar sein, habe ich mal nur den Bereich zwischen 12khz und 16khz ausgeschnitten:

Hier finden sich eben nur die Obertöne - keine rein musikalische Information die man als Hörgenuß empfinden würde.
Aber eben in Kombination mit den Grundtönen führt dies zu dem in dem obigen Artikel erwähnten lebendigen Musikcharakter.

Ob die Hörbaren Verzerrungen, vor allem bei den Blechbläsern schon Aufnahme seitig vorhanden waren, oder dem Verschleiß der Platte zu Schulden sind, mag ich ohne Mikroskopische Untersuchung der Rillen nicht zu beurteilen.

Es sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, das nicht alle Schellackplatten einen solchen Frequenzumfang aufwiesen. Es sollte von Anfang an einfach gezeigt werden, was technisch in den jeweiligen Jahrzehnten maximal möglich war.

Ich hoffe mit diesen Beispielen und Litaraturauszuszügen weitere Diskussionsgrundlage geliefert zu haben.
Es soll ja eben keine Glaubensdiskussion sein, sondern ein Abgleich verschiedenster Quellen stattfinden, um besser Nachvollziehen zu können, wie sich die Güte der Schallaufzeichnung im laufe der Jahrzehnte entwickelte.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
GrammophonTeam, So Feb 26 2012, 15:13

Nachdem hier am Rande das FFRR Verfahren angesprochen wurde, hier die Entzerrungskurve für FFRR Platten:





Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
, So Feb 26 2012, 16:09

So, jetzt konnte ich mir das mal anhören (der Herr Flashplayer wollte das nicht so wie ich) .

Ganz eindeutig, ich höre selbst schon beim "Intro" und den Bläsern einen leichten Unterschied zwischen Vollversion und Beschneidung auf 12 kHz.
Beim Schlagzeug ist es dann natürlich noch eindeutiger.

Damit MUSS sich bei dem Panther also auch was sogar jenseits der 12 kHz nach oben abspielen - und es ist ein Bestandteil des Gesamteindrucks des Orchesters, nicht des Klirrens oder Störgeräusche.

Versuch macht kluch ! :-D

Gruß, Nils

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
, So Feb 26 2012, 16:40

Muß mich Nils anschliessen, mir war schon länger klar dass da mehr ist, wenn auch die Techniker früher es selbst nicht wußten, denn beim Cleanen der Wagner Bayreuth Serie ist mir aufgefallen dass es sich fatal auswirkt, das Rauschen des Schellacks mittels Equalizer zu dämpfen.
Da ist auf einmal die ganze Brillanz weg.
Und wenn ich bei Youtube vergleiche zwischen den einzelnen Clienten, wie gecleaned wird, so empfinde ich alle Aufnahmen als ungenügend, bei denen obere Frequenzen abgeschnitten wurden (siehe Hörbeispiele weiter oben im Thread).

Außerdem ist mir, dank der Bereitstellung von hervorragend erhaltenen akustischen Aufnahmen, schon länger aufgefallen, dass auch die akustische Aufnahme mehr konnte als man ihr heutzutage gönnt.
Das liegt sicher daran, dass bei Abspielen solcher Aufnahmen mittels Stahlnadel die hohen Brillanzen als erstes weggehobelt werden. So klingen 98% der akustischen Aufnahmen die man zu hören bekommt dumpf und stumpf.

Wer mal eine brillantere akustische Aufnahme hören möchte, der suche bei youtube im Kanal SchreibenderEngel Wien, du Stadt meiner Träume und achte mal auf das gesungene "s" von Albert Schäffer. Auch hörenswert der Isartaler Ländler in diesem Kanal, ebenso tonumfangreich erhalten. Das sind aber auch Platten die haben vielleicht zwei dreimal ne Nadel gesehn in ihrem Leben.

Gruß Gerhard

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
_-_-_, So Feb 26 2012, 16:45

Also ich finde, man hört deutlich einen Unterschied zwischen dem 16 kHz, 12,5 kHz und 10 kHz Frequenzschnitt. (Gehört mit Teufel-2.0-Lautsprechern)



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
, So Feb 26 2012, 17:13

Hier noch zum Vergleich der von mir nach Gehör erstellten Equalizerkurve in meinem Cleaning Programm zu Uli´s Kennlinie für ffrr Aufnahmen.







Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
RF-Musiker, So Feb 26 2012, 18:46

Wobei ich aber feststellen muss, dass bei 10 kHz Tiefpass der Klang angenehmer ist, weil weniger verzerrt. Die anderen Versionen klingen, als wenn man alles durch einen falsch eingestellten Ecxciter gejagt hat.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, So Feb 26 2012, 18:57

Die Überspielung erfolgte ohne jegliche Absenkung der Höhen mit einem geradlinigen Vorverstärker. Nur die Bässe wurden nachträglich angehoben.
Es ging mir hier nicht um eine gute Digitalisierung, sondern darum festzustellen, was an Höhen aufgezeichnet wurde.

Zum "Hören", bzw als echte Musikdatei muss bei Aufnahmen aus den 50er Jahren, auch auf Schellackplatte eine Höhenabsenkung erfolgen - dies fand hier nicht statt.

Angenehmer mit abgesenkten Höhen ist die Aufnahme allemal

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, So Feb 26 2012, 20:31

So, ich habe mir nun auch die Beispiele von Uli über Kopfhörer angehört und mit Befriedigung festgestellt, daß mein Gehör wohl doch noch nicht vergreist oder durch Bassboxen von irgendwelchen Clubs abgestumpft ist.

Die Unterschiede waren in der Tat hörbar. Aber, wie es RF-Musiker auch schon angemerkt hat, klingt die Aufnahme mit der 10 KHz Beschneidung am besten. Und das liegt eben daran, daß die Aufnahme für die Wiedergabe nicht korrekt entzerrt war. Die Höhen sind zwar vorhanden, aber wie hoch ist deren Klirrfaktor? Wie aus dem Diagramm von Grammophonteam zu ersehen ist, müssen die Höhen abgesenkt werden. Bei 10 KHz um ca. 6 dB.

Wenn man bestimmen will, wie groß der wiedergegebene Frequenzbereich ist, muß muß man sich hierbei an die Normen halten, die festgelegt wurden, um den Frequenzbereich zu benennen. U.a. darf der zu übertragende Frequenzbereich nur in einem bestimmten Umfang in dB schwanken. Soweit ich weiß, dürfen hier +-3 dB nicht überschritten werden. Außerdem darf der Kirrfaktor nur eine bestimmte Größe haben. Wenn ich mich nicht irre, sind das etwa 1,5%. Fällt die Frequenz nach oben stärker als diesen erlaubten Wert ab oder ist der Wert des Klirrfaktors größer, als der, den die Norm vorgibt, so werden diese Frequenzen für die Angabe des Frequenzumfanges nicht mehr berücksichtigt.

Hinzu kommt bei diesem Beispiel, daß es viel zu jung ist und mit der vorangegangenen Streitfrage nichts mehr zu tun hat. Denn diese bezog sich auf Aufnahmen, die in den 30er und 40er Jahren gemacht wurden.

Um darauf zurückzukommen und auch auf den Wert von 6.400 Hz, um den es ja dabei ging: Es wird durchaus so sein, daß auch noch höhere Frequenzen bei solchen Schellackplatten vorhanden sind, aber entweder sind sie leiser, als 3 dB und/oder der Klirrfaktor ist höher. Es ist ja nicht so, daß über 6.400 Hz plötzlich alles abgeschnitten war, so wie man das mit einem sehr steilflankigen Filter machen kann. Die höheren Frequenzen wurden stetig leiser und somit für das menschliche Ohr nicht mehr "brauchbar".

Auch hierzu muß man sich einer Tatsache bewußt sein, daß nämlich das menschliche Ohr bei gleichzeitig auftretenden Geräuschen oder Tönen, nur einen relativ "kleinen" Dynamikbereich wahrnehmen kann. Ein Beispiel: Sitzt man in einen ruhigen Zimmer, kann man eine Wanduhr ticken hören. Schaltet man nun den Staubsauger ein, tickt die Wanduhr zwar immer noch, aber das Ohr kann sie nicht mehr wahrnehmen.

Genauso ist das bei den höheren Frequenzen, wenn sie zu stark abfallen: Die normal lauten Töne sind nun zu laut, als daß das Ohr die hohen leisen Töne noch wahrnehmen könnte. Es kommt also nicht nur darauf an, wie hoch die höchsten noch aufgenommenen Frequenzen sind, sondern mit wieviel dB sie noch auf dem Tonträger vorhanden sind. All das darf bei einer Diskussion über dieses Thema nicht übersehen werden. Denn sonst fehlen die Grundlagen zu einer objektiven Herangehungsweise und man verzettelt sich.

Abschließend noch mal zu dem Artikel aus der Funkschau aus dem Jahre 1929. Uli hatte angemerkt, da sei einiges widersprüchlich. Das finde ich nicht. Es ist recht gut dort erklärt, sofern ich da nicht was falsch verstanden habe:

Es wird dort davon berichtet, daß es gelungen sei, mit Galtonpfeifen erzeugte Töne bis zu 10000 Hertz auf die Platte zu schreiben. Ich nehme nun mal an, daß es sich um sehr reine Töne, ähnlich eines Sinustones, handelte. Außerdem wurden sie wohl bei Vollaussteuerung gemacht. Danach wird erklärt, weshalb bei normaler Musikaufzeichnung eine solche Frequenz nicht erreicht werden kann:

Könnte die Schriftzuggröße schuldig sein? Der Referent glaubt dies, denn die maximale Schriftzuggröße (nach einer Seite) ist 0,065 mm. Sie muß vorbehalten bleiben für den tiefsten Ton innerhalb eines Klangbildes. Sagen wir z. B. etwa das tiefe G der menschlichen Baßstimme, für das wir eine Schwingungszahl von 100 Hertz annehmen können. Bei einem Ton von 200 Hertz und der gleichen Wiedergabelautstärke brauchen wir nur die halbe Amplitude. Bei 400 Hertz wieder die Hälfte von derjenigen bei 200 usw. Die Grenze liegt nun ganz einfach da, wo die Nadelspitze noch die kleinstmögliche Ausbuchtung erfassen kann. Gingen wir von 0,065 mm als der größtmöglichen Ausbuchtung aus, so dürfte die kleinstmögliche vielleicht bei 0,00065 mm liegen, also 1:100. Wenn wir nun annehmen (und in der Praxis dürfte dies zutreffen), daß bei 200 Hertz die größtmögliche Amplitude von 0,065 mm gegeben ist, so ergibt sich folgende Reihe immer gleiche subjektive Lautstärke vorausgesetzt):
200 = 0,065 mm
400 = 0,030 mm
800 = 0,0015 mm
1600 = 0,00075 mm.

Bei einem Grundton von 1600 Hertz dürfte also wahrscheinlich die Grenze liegen. Wenn wir nun rechnen, daß die dritte Harmonische in der Kurvenform des Grundtones noch sehr stark ausgeprägt ist (durch Abweichung von der Sinusform), so würde die höchste subjektiv hörbare Frequenz bei der Maximallautstärke 6400 Hertz betragen.


Das müßte für die Schellackplatten gelten, die unter 200 Hz mit konstanter Amplitude und über 200 Hz mit konstanter Schnelle geschnitten wurden. In den 1950er Jahren wurde dieser Wert auf 500 Hz verlegt. Es wurde also erst ab 500 Hz mit konstanter Schnelle geschnitten. Dadurch konnten die Platten lauter ausgesteuert werden, und somit konnte auch der brauchbare Frequenzbereich nach oben hin erweitert werden. Außerdem wurden nun auch die Höhen beim Schneiden angehoben.

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
SchellackFreak, Do Mai 05 2016, 14:10

Nachdem immer mal wieder etwas Ungläubigkeit aufkommt, was bei Schellackplatten schon möglich war, hier ein weiteres Beispiel. Um 1931 hatte Western Electric ihr Aufnahmesystem weiter verbessert. Ab 1932 begann die Victor in Amerika kommerziell Platten nach dem neuen Verfahren zu veröffentlichen. Alle in der Bestellnummern-Serie 24xxx

Aufgenommen wurde mit mindestens zwei Mikrofonen für das Orchester und eines für Sänger. Die Frequenzen waren bis etwa 14 Khz fast gleichmäßig, erst danach fällt die Kurve ab. Außerdem soll auch eine andere Schneidekurve angewendet worden sein. Dazu verwendete man ein besonders rauscharmes Pressmaterial für die Schellackplatten. Umdrehungen normal bei 78. Der Klang ist jedenfalls für eine Aufnahme aus den frühen dreißiger Jahren erstaunlich und zeigt was technisch, auch mit den damaligen Schneidköpfen, schon möglich war.

LET'S BEGIN
PAUL WHITEMAN & HIS ORCHESTRA
.
Victor 24453-A (78510-1)
NY, 3. November 1933


Teilweise gab es auf einer Plattenseite eine Aufnahme nach dem neuen Verfahren, auf der anderen eine nicht ganz so gut klingende nach dem bekannten. Leider war auch hier die Wiedergabetechnik noch nicht so weit. Diese „HiFi“-Platten nutzten sich stärker ab. Dazu beschwerten sich vor allem Besitzer von Jukeboxen über den „schlechten Klang“ auf den frühen, elektrischen Plattenspielern – sie hätten einen zu „metallischen“ Klang. Ende 1934 stellte die Victor die Produktion dieser Platten wieder ein oder verschlechterten wieder künstlich das Klangbild zu „dumpfer“.


Um doppelte Einträge zum gleichen Thema zu vermeiden, habe ich den Thread Die höchstmögliche Frequenz bei Schellackplatten geschlossen und den Verlauf mit hier in den schon bestehenden Eintrag kopiert. So bleibt das Thema zusammen.

(Zur vollen Auflösung/Lesbarkeit Bild anklicken)




Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
RF-Musiker, Do Mai 05 2016, 21:19

Es klingt erstaunlich.
Aber es ist auch verständlich, dass Jukeboxen auf die "normalen" Schallplatten abgestimmt waren, die schonende Wiedergabe von Schallplatten so noch nicht üblich war.
Was das rein technische angeht, hätte es die modernen Langspielplatten wirklich schon 1935 geben können, Vinyl gab es, hochwertige Schneidtechnik, man wusste auch schon, wie man schmale Rillen schneidet, aber die Leute wollten immer noch Schallplatten ohne Strom abspielen.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
SchellackFreak, Do Mai 05 2016, 21:42

Hallo Ronny,

ja - rein technisch wäre eine moderne Schallplatte in "fast HiFi" um 1935 möglich gewesen. Es waren wohl ausschließlich wirtschaftliche Gründe, warum die Einführung und Umsetzung dann doch scheiterte. Erst musste die Wirtschaftskrise "verdaut" werden, für neue, hochwertige Abspielgeräte fehlte das Geld - dann kam der Krieg.

Ähnlich ja auch beim Auto - auch hier war ein technisch moderner Volkswagen (auf beiden Seiten des Ozeans) fertig, oder auch das Fernsehen.... Trotzdem dauerte es gut weitere 20 Jahre, bis sich die breite Bevölkerung motorisieren konnte oder in die Röhre guckte.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Do Mai 05 2016, 22:40

Da RFO die Ambrosz-Polka angesprochen hatte, hier ein Bild, welches mehr als tausend Worte sagt:


Wie unschwer zu erkennen ist, endet der Frequenzgang bei etwas unter 7 KHz.


Das Beispiel von SchellackFreak schneidet auch nicht besser ab:



Hier enden die Nutzfrequenzen ebenfalls bei unter 7 KHz. Die Spitzen, die man sehen kann, sind die bösen Verzerrungen.


Was ich hier mal vorgerechnet hatte, waren theoretisch mögliche Frequenzgänge, die jedoch an den damals vorhandenen Schneideköpfen scheiterten. Daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß die Produktion der hier vorgestellten Victor-Platten vor allem auch deswegen eingestellt worden ist, da man festgestellt hat, daß man sich viel zu große Verzerrungen einhandelt.

Es wurden erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Schneideköpfe entwickelt, mit denen man den Frequenzgang auf 15 KHz erweitern konnte. Das ist nun mal ein Fakt. Die Begrenzung bei den Schellackplatten vor 1950 unter 10 KHz, teilweise sogar unter 8 KHz, war daher wohl darin begründet, daß die Schneideköpfe ansonsten zu sehr verzerrten.

Wie gesagt: Theoretisch ist vieles möglich. Man kann auch bei einem Tonbandgerät mit 2,4 cm/s durch Anhebung der hohen Frequenzen bei der Aufnahme den Frequenzbereich auf über 10 KHz anheben, nur möchte sich das niemand anhören, da es vollkommen verzerrt klingt.

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
SchellackFreak, Do Mai 05 2016, 22:54



Wenn Du der Meinung bist, hier hört die Aufnahme um die 7 Khz auf, und der Rest seien nur Verzerrungen, die den Höreindruck nicht positiv beeinflussen, sei dir diese Meinung vergönnt.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
snookerbee, Do Mai 05 2016, 23:02


Wenn überhaupt, dann sollte das Frequenzdiagramm in einer beseren Auflösung gezeigt werden. Hier ein Auszug aus den US-Aufnahme von Yannick. Persönlich kann ich nicht erkennen, wo da Verzerrungen anfangen und wo Nutzsignal aufhört. Am stärksten werden die Signale um 3 Khz dargestellt. Um 7 kHz gibt es keinen erkennbaren Abfall bei diesem Ausschnitt.



VG Claus

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
SchellackFreak, Do Mai 05 2016, 23:17

Ein Stück aus der Aufnahme von oben. Bei 7 Khz habe ich immer wieder eine Absenkung an und ausgeschaltet. Der Unterschied ist so gut hörbar, dass ich es mir spare die Stellen einzeln aufzuführen.

.


Ob diese Anteile, die ja auf der Platte sind und aufgenommen wurden, positiv den Höreindruck beeinflussen, muss eben jeder selbst für sich entscheiden.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Do Mai 05 2016, 23:27

Na ja, so einfach ist die Sache ja nun wieder auch nicht.

Es gibt nicht nur optische, sondern auch akustische Täuschungen. Es sind ja "Informationen" oberhalb von 7 KHz vorhanden, auch wenn es sich um Verzerrungen handelt. Unser Ohr bekommt aber nun mal diese Frequenzen "angeboten" und macht daraus "brauchbare" Töne. Die Musik hört sich dadurch, subjektiv betrachtet, besser an.

Die Frage ist nur: Wovon reden wir hier?

Wenn man über einen brauchbaren Frequenzgang spricht, so darf man nicht die Frequenzen hinzunehmen, die zwar irgendwie vorhanden, aber verzerrt vorhanden sind. Dabei spielt der Klirrfaktor eine sehr große und wichtige Rolle. Der darf, wenn ich mich recht erinnere, laut HiFi-Norm nicht größer als 1% bis maximal 1,5% sein. Dieser Wert wird jedoch bei der vorliegenden Aufnahme sehr deutlich überschritten.

Von daher war es also für die damaligen Tontechniker eine Gradwanderung, wie hoch man den Klirrfaktor zulassen soll, um die Verzerrungen möglichst gering zu halten, die hohen Frequenzen jedoch nicht zu früh abzuschneiden, damit die Musik nicht zu dumpf klingt.

Und dann stellt sich eine weitere Frage: Wie ist es korrekt, und was gefällt besser?

Es gibt Leute, die bei ihrer Stereo-Anlage die Regler für Bässe und Höhen voll aufdrehen - weil es ihnen so gefällt. Unter HiFi-Gesichtspunkten ein absolutes No-Go, wie es ja so schön auf Neu-Deutsch heißt. Ich empfinde eine Schellacküberspielung besser, die weniger Klirrfaktor aufweist, auch wenn sie dadurch vielleicht etwas dumpfer ist. Die damalige Technik hat eben bei einem geringen Klirrfaktor keine höheren Frequenzen zugelassen. Hat man den Frequenzgang nach oben hin erweitert, wurde auch der Klirrfaktor größer.

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
SchellackFreak, Do Mai 05 2016, 23:36

Gut, dann lasse ich dir die Meinung, dass es sich bei der besser werdenden Aufnahmequalität in den dreißiger Jahren um akustische Täuschungen handelt.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Mai 06 2016, 07:40

Hallo,

nur zwei Fragen:

Es wurden erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Schneideköpfe entwickelt, mit denen man den Frequenzgang auf 15 KHz erweitern konnte. Das ist nun mal ein Fakt. Die Begrenzung bei den Schellackplatten vor 1950 unter 10 KHz…


Welche (historischen) Schneideköpfe stehen dir in deiner Sammlung zur Verfügung und wie hast du diese vermessen, um zu der Aussage zu kommen, dass dies ein Fakt sei? Dein „Fakt“ wiederspricht nämlich einfach dem, was uns auf den alten Schallplatten überliefert ist. Die EMI stellte z.B. mit der JG.449 eine schon im Juli 1948 aufgenommene Frequenzplatte mit einem linearen Verlauf bis 20.000 Hz vor (Quelle: Peter Copeland, "Manual of Analoque Sound Restoration Techniques", British Institute of Recorded Sound).

Hier enden die Nutzfrequenzen ebenfalls bei unter 7 KHz. Die Spitzen, die man sehen kann, sind die bösen Verzerrungen.


Auch hier die ganz wichtige Frage: Wie hast du dies gemessen? Extern mit z.B. einem Oszilloskop oder mit einer Software. Wenn am PC, welches Programm hast du verwendet. Leider ist mir (noch) kein günstiges Programm bekannt, welches die Verzerrungen messen kann. Daher würde es mich sehr interessieren, mit welchen Mitteln du die Verzerrungen der Aufnahmen vermisst.

Sollte dies jedoch nicht auf Messungen beruhen, handelt es sich allerdings lediglich um deinen persönlichen Höreindruck ohne jegliche „Beweiskraft“ in der technischen Sache als solches. Dass man an die Aufnahmen der 30er und 40er Jahre nicht die "Messlatte" der späteren Hifi-Normen anlegen kann (Klirrfaktor, Verzerrungen etc.) , ist ja wohl klar. Deine generalisierte Aussage, dass es sich ab einer gewissen Frequenz (deiner Meinung nach wohl unter 10.000 Herz anzusiedeln) eigentlich nur noch um "Frequenzmüll" oder akustische Täuschungen handelt, halte ich persönlich für eine etwas gefährliche Verallgemeinerung.

Frequenzmessplatte der Victor bis 10.000 Hz, um 1931


Grüße


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
veritas, Fr Mai 06 2016, 08:49

SchellackFreak schrieb ...

Ein Stück aus der Aufnahme von oben. Bei 7 Khz habe ich immer wieder eine Absenkung an und ausgeschaltet. Der Unterschied ist so gut hörbar, dass ich es mir spare die Stellen einzeln aufzuführen.


Sehr interessant. Nach meinem Höreindruck klingt die Aufnahme mit zugeschalteter Absenkung viel ausgeglichener. Der Klirrfaktor muß in der Tat noch ganz enorm gewesen sein. Da klingeln mir fast schon die Ohren.

Das größte Problem dürfte die heimische Wiedergabe gewesen sein. Gerade die ab ca. 1930 von Victor neu eingeführten Inertia-Tonarme sind mit ihrem exzessiven Auflagegewicht nicht wirklich für die Hochtonwiedergabe geeignet, ganz zu schweigen von der dahinter verbauten Elektrik.

Welche Entzerrungskurve hast Du eigentlich bei der Überspielung verwendet, also Turnover / Bass Rolloff? Bei Victor war man ja sehr experimentierfreudig.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Mai 06 2016, 09:53

veritas schrieb ...

SchellackFreak schrieb ...

Ein Stück aus der Aufnahme von oben. Bei 7 Khz habe ich immer wieder eine Absenkung an und ausgeschaltet. Der Unterschied ist so gut hörbar, dass ich es mir spare die Stellen einzeln aufzuführen.


Sehr interessant. Nach meinem Höreindruck klingt die Aufnahme mit zugeschalteter Absenkung viel ausgeglichener. Der Klirrfaktor muß in der Tat noch ganz enorm gewesen sein. Da klingeln mir fast schon die Ohren.

Das größte Problem dürfte die heimische Wiedergabe gewesen sein. Gerade die ab ca. 1930 von Victor neu eingeführten Inertia-Tonarme sind mit ihrem exzessiven Auflagegewicht nicht wirklich für die Hochtonwiedergabe geeignet, ganz zu schweigen von der dahinter verbauten Elektrik.


Gegenfrage: was hat die Wiedergabe der Höhen mit der Auflagekraft zu tun? Meines Erachtens (und anhand diverser elektrischer Schalldosen als Beispiel) nach ist die Rückstellkraft und Masse des schwingenden Teiles des Systems hauptsächlich dafür verantwortlich, und nicht der Druck. Es handelt sich um Seitenauslenkungen, nicht um mehrdimensionale wie bei stereophonen Aufnahmen späterer Jahrzehnte.

Die Audioqualität dürfte u.a. auch etwas der Dateigröße geschuldet sein; es ging hierbei auch nicht um das untere Ende des Frequenzspektrums (Entzerrung), sondern um das obere, welches je nach Jahr/Firma/Land ohne Veränderung geschnitten sein kann. Aber wem erzähle ich das eigentlich...


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Mai 06 2016, 10:15

veritas schrieb ...

SchellackFreak schrieb ...

Ein Stück aus der Aufnahme von oben. Bei 7 Khz habe ich immer wieder eine Absenkung an und ausgeschaltet. Der Unterschied ist so gut hörbar, dass ich es mir spare die Stellen einzeln aufzuführen.


Sehr interessant. Nach meinem Höreindruck klingt die Aufnahme mit zugeschalteter Absenkung viel ausgeglichener. Der Klirrfaktor muß in der Tat noch ganz enorm gewesen sein. Da klingeln mir fast schon die Ohren.

Es scheint also nicht nur meinen Ohren so zu ergehen.


Formiggini schrieb ...

Hallo,

nur zwei Fragen:

Es wurden erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Schneideköpfe entwickelt, mit denen man den Frequenzgang auf 15 KHz erweitern konnte. Das ist nun mal ein Fakt. Die Begrenzung bei den Schellackplatten vor 1950 unter 10 KHz…


Welche (historischen) Schneideköpfe stehen dir in deiner Sammlung zur Verfügung und wie hast du diese vermessen, um zu der Aussage zu kommen, dass dies ein Fakt sei? Dein „Fakt“ wiederspricht nämlich einfach dem, was uns auf den alten Schallplatten überliefert ist. Die EMI stellte z.B. mit der JG.449 eine schon im Juli 1948 aufgenommene Frequenzplatte mit einem linearen Verlauf bis 20.000 Hz vor (Quelle: Peter Copeland, "Manual of Analoque Sound Restoration Techniques", British Institute of Recorded Sound).


Hier muß ich mich korrigieren: Es war schon 1952, daß man den Frequenzumfang auf 15 KHz erhöhen konnte. Diesen Fakt habe ich dem Buch "Tonaufzeichnung analog - Mit Platte und Magnetband bis an die physikalischen Grenzen", von Bernhard Krieg, entnommen:

1952: Einführung gegengekoppelter Schallfolienschreiber. Ausweitung des Übertragungsbereiches bis 15 KHz, vernachlässigbarer Klirrfaktor.


Was die von dir beschriebene EMI-Testplatte betrifft: Wie wurde sie geschnitten? War es in Echtzeit, oder hat man sie mit langsamerer Geschwindigkeit geschnitten? Das macht nämlich einen sehr großen Unterschied aus.


Formiggini schrieb ...

Frequenzmessplatte der Victor bis 10.000 Hz, um 1931



Und auch hier wieder dieselbe Frage: Wurde die Platte in Echtzeit geschnitten? Und wofür wurde sie verwendet? Um zu zeigen, wie hoch die aufnehmbare Frequenz war, oder zum Testen von Abtastsystemen? Und warum hat man hier bei 10 KHz aufgehört wenn doch, wie hier ja immer wieder geschrieben wird, mehr möglich gewesen sein soll?

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Mai 06 2016, 10:39

Willi-H-411 schrieb ...

Hier muß ich mich korrigieren: Es war schon 1952, daß man den Frequenzumfang auf 15 KHz erhöhen konnte. Diesen Fakt habe ich dem Buch "Tonaufzeichnung analog - Mit Platte und Magnetband bis an die physikalischen Grenzen", von Bernhard Krieg, entnommen:

1952: Einführung gegengekoppelter Schallfolienschreiber. Ausweitung des Übertragungsbereiches bis 15 KHz, vernachlässigbarer Klirrfaktor.




VG Willi



Bitte ergänze Deine Angabe mit Zitat der Quelle des Autors. Wie kommt er zu dieser Aussage? Messung? Meinung? Man darf eines nämlich nie vergessen in der modernen Zeit: um vorherige Technik schlecht zu reden, wird regelmäßig der gerade lebenden Generation weisgemacht, dass die früheren Dinge um Längen schlechter waren als das, was man gerade neu erwerben kann.

Wie soll man 1931 die Platte denn sonst geschnitten haben als in Echtzeit? Bisher sind (zumindest mir) keine Platten bekannt, welche nach dem Tri-Ergon Verfahren bei anderen Plattenmarken aufgezeichnet wurden. Stahldrahtgeräte wohl auch nicht, Magnetophon gab es erst 5 Jahre später. Und ob man die Drehzahl der Aufnahmemaschine auf 50% heruntergersetzt hat, um dann - mangels Masse und geänderten Gleichlaufschwankungen - neue Probleme zu bekommen, schließe ich aus meiner Sicht eher aus.

Sollte ich die nächste Zeit zwischen meinen Arztbesuchen Lust dazu bekommen eine Frequenzplatte in Echtzeit mit der Neumann Maschine aufzuzeichnen (mit Sinustönen eines Frequenzgenerators, evtl. Oszi dazu), und mit einem TO 1001 wiederzugeben, landet das Ergebnis hier. Allerdings ist der Aufnahmeverstärker dazu mangels Geld immer noch nicht fertig. Ehrlich gesagt sind mir die Aufnahmestichel (Rubin) für solche Spielereien eigentlich zu kostbar.

Zusätzlich liegt noch eine Sennheiser Klirrfaktormessbrücke mit zugehörigem Voltmeter in Teilen in der Ecke, die ich allerdings ohne externe Hilfe momentan nicht instand zu setzen weiß.


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
veritas, Fr Mai 06 2016, 10:45

Rundfunkonkel schrieb ...

Gegenfrage: was hat die Wiedergabe der Höhen mit der Auflagekraft zu tun? Meines Erachtens (und anhand diverser elektrischer Schalldosen als Beispiel) nach ist die Rückstellkraft und Masse des schwingenden Teiles des Systems hauptsächlich dafür verantwortlich, und nicht der Druck. Es handelt sich um Seitenauslenkungen, nicht um mehrdimensionale wie bei stereophonen Aufnahmen späterer Jahrzehnte.

Die Audioqualität dürfte u.a. auch etwas der Dateigröße geschuldet sein; es ging hierbei auch nicht um das untere Ende des Frequenzspektrums (Entzerrung), sondern um das obere, welches je nach Jahr/Firma/Land ohne Veränderung geschnitten sein kann. Aber wem erzähle ich das eigentlich...



Ganz einfach: Eine Rille mit feiner Auslenkung wird von einer Stahlnadel bei hoher Auflagekraft entsprechend begradigt. Die seitliche Nachgiebigkeit ist natürlich ebenfalls ausschlaggebend. Kann ich davon ausgehen, daß Du diesen massereichen Victor-Pickup (auch als GE und Philco verkauft) kennst? Die Compliance-Werte dürften weitaus niedriger sein als bei einer Orthophonic.

Eine Entzerrung betrift doch sehr wohl das gesamte Frequenzspektrum. Allein schon der Turnover hat eine relative Auswirkung auf die Hochtonwiedergabe, ganz zu schweigen von einem möglichen Rolloff, welches ebenfalls sehr oft zur Anwendung kommt. Beim oben genannten Beispiel ist die korrekte Entzerrung schon deshalb nach dem jeweililgen Verfahren des Herstellers essentiell wichtig. Subjektiv nach Gehör eingestellte Entzerrungen mögen ja im Hausgebrauch funktionieren, über Frequenzgänge sollte man aber nicht diskutieren, wenn alles heillos verbogen ist.

Bei der verlustbehafteten Datenreduktion á la .mp3 kann ich Dir absolut beipflichten. In der Spektralansicht sieht man besonders gut jenseits der 16 KHz. Dieses Verhalten wurde dem LAME-Encoder erst vor einigen Jahren beigebracht, um mehr Bandbreite im Bereich darunter zu haben. Mir mißfällt sehr, denn das originale Nutzsignal wird ziemlich stark verfälscht.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Mai 06 2016, 12:00

Rundfunkonkel schrieb ...
Bitte ergänze Deine Angabe mit Zitat der Quelle des Autors. Wie kommt er zu dieser Aussage? Messung? Meinung? Man darf eines nämlich nie vergessen in der modernen Zeit: um vorherige Technik schlecht zu reden, wird regelmäßig der gerade lebenden Generation weisgemacht, dass die früheren Dinge um Längen schlechter waren als das, was man gerade neu erwerben kann.


Über den Autor:

Als ausgebildeter Elektroniker, studierter Musikus und Nachrichtentechniker hat er seine Erfahrungen zu diesem Thema bei weltbekannten Unternehmen der Audiotechnik gesammelt. Mit diesen industriellen Erfahrungen wechselte er 1976 zur schreibenden Zunft. Durch viele Veröffentlichungen zur Audiotechnik und zahlreichen anderen Themen wie durch verschiedene Lehraufträge ist sein Name in einschlägigen Kreisen bekannt.



Rundfunkonkel schrieb ...
Wie soll man 1931 die Platte denn sonst geschnitten haben als in Echtzeit?

Messplatten lassen und ließen sich auch damals schon bei geringerer Geschwindigkeit schneiden.

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Mai 06 2016, 12:44

1952: Einführung gegengekoppelter Schallfolienschreiber. Ausweitung des Übertragungsbereiches bis 15 KHz, vernachlässigbarer Klirrfaktor.


Willi, dort steht nicht, dass erstmals bis 15 KHz aufgenommen wurde, sondern dies (nach Angabe des Autors, was es lange noch zu keinem "Fakt" macht) mit vernachlässigbarem Klirrfaktor. Dies deckt sich ja auch mit den ganzen Platteneispielungen vor 1952 die über 10 KHz gingen.

Ob diese Frequenzplatten in Echtzeit oder nicht geschnitten wurde, wissen wir nicht. Sollte nicht noch einer der Techniker als Zeitzeuge leben, werden wir es wohl auch nie erfahren. Diese Platten dienten üblicherweise um Wiedergabesysteme zu testen.

Mal ganz sachlich einige tatsächliche Fakten als Zusammenfassung:











Ganz generell: Es geht hier ja auch nicht darum, ab wann in sog. "Hifi" aufgenommen wurde, sondern zu welcher Zeit ungefähr welche Frequenzen aufgenommen wurden. Die Qualität dabei ist erst mal nebenrangig. Dazu ohne geeignete Messmittel um z.B. Klirrfaktoren messen zu können rein subjektiv und daher ohne irgendwelche "Beweiskraft".

Wie und ob auf der Wiedergabeseite dabei abgesenkt oder angehoben wird, spielt dabei ja auch (zunächst) keine Rolle. Es geht ja nicht darum, was wir auf der Wiedergabeseite daraus machen, sondern was bei der Aufnahmeseite auf die Platte (in die Rille) gebracht wurde.

Gruß

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Mai 06 2016, 13:36

Man kann natürlich Gelesenes immer auch unterschiedlich interpretieren. Ich verstehe unter "Ausweitung des Übertragungsbereiches bis 15 KHz" allerdings schon, daß Platten vorher eben nur unterhalb dieser Grenze geschnitten werden konnten.

Und im Grunde schreibst du ja auch nichts anderes: "Um 1940 - verschiedene Quellen und Fachartikel legen als Industriestandard einen Frequenzbereich bis 10 KHz nahe."

1940 war die Schallplattentechnik ja auch schon erheblich weiterentwickelt. Und ab ca. 1941 hat sich dann ja auch die geringere Nadelverrundung von 65µm beim Schneiden durchgesetzt. Auch das trug sicherlich zur Verbesserung bei der Aufnahme der hohen Frequenzen bei. Denn wenn der Schneidestichel "dünner" ist, kann er die hohen Frequenzen sauberer eingravieren. Das ist ja vergleichbar mit dem Luftspalt bei Tonköpfen von Tonbandgeräten: Ein breiterer Luftspalt kann, bei gleicher Geschwindigkeit, die hohen Frequenzen nicht aufnehmen bzw. wiedergeben.

Was mir hier auffällt, ist, daß wir wohl mit unterschiedlichen Maßstäben an die Sache herangehen. Mir geht es darum, bis zu welcher Frequenz die Tonaufnahmen sauber sind. Und dabei komme ich natürlich auf eine wesentlich niedrigere Grenze. Wenn man jedoch die Frage nach dem Klirrfaktor nicht miteinbezieht, liegt diese Grenze natürlich höher.

Wie ich ja bereits in einem Beitrag von gestern geschrieben hatte:

Von daher war es also für die damaligen Tontechniker eine Gradwanderung, wie hoch man den Klirrfaktor zulassen soll, um die Verzerrungen möglichst gering zu halten, die hohen Frequenzen jedoch nicht zu früh abzuschneiden, damit die Musik nicht zu dumpf klingt.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Mai 06 2016, 14:06

@veritas: "Eine Entzerrung betrift doch sehr wohl das gesamte Frequenzspektrum. Allein schon der Turnover hat eine relative Auswirkung auf die Hochtonwiedergabe, ganz zu schweigen von einem möglichen Rolloff, welches ebenfalls sehr oft zur Anwendung kommt. Beim oben genannten Beispiel ist die korrekte Entzerrung schon deshalb nach dem jeweililgen Verfahren des Herstellers essentiell wichtig. Subjektiv nach Gehör eingestellte Entzerrungen mögen ja im Hausgebrauch funktionieren, über Frequenzgänge sollte man aber nicht diskutieren, wenn alles heillos verbogen ist."

Beim ersteren kann ich Dir nicht zustimmen, beim letzteren - theoretisch - auf jeden Fall. Allerdings besteht ja das Problem, dass die heute verwendeten Kurven ebenfalls lediglich Erfahrungswerte darstellen, die es - immer mal wieder - zu korrigieren gilt. Wild herumprobieren bis es irgendwie "klingt" mag zwar für den Einzelnen funktionieren, genaugenommen sollte man aber stets nur die gerade verwendete Aufnahme-Verzerrkurve des Labels benutzen, damit am Ende das Gesamtkunstwerk der Aufnahme dem entspricht, was Künstler UND Tonmeister gemeinsam erarbeitet haben. Und man nicht mit der Tagesform seiner Ohren etwas falsch macht. Oder die Wiedergabekette etwas vorgaukelt, was mit anderem Equipment ganz anders klingt.




Willi-H-411 schrieb ...
geringere Nadelverrundung von 65µm beim Schneiden durchgesetzt.


Anbei ein 78 rpm Schneid-Rubin vs. einer 65µm Abtastnadel.






Wie man einigermaßen erkennen kann ist der Stichel um einiges schärfer als der Saphir. Das ist auch der Grund, warum man - nicht nur bei Vinyl - heute mit ovalen Auflageformen der Abtastnadel versucht der Form des Stichels möglichst nahe zu kommen, um das Maximum aus den Aufnahmen herauszuholen. Eine zu große Nadelverrundung gleitet wie ein Treckerrad über die vorhandenen Feinheiten einer Aufnahme.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Fr Mai 06 2016, 14:28

Eine zu große Nadelverrundung, ja, um aber nochmals aus dem Buch von Bernhard Krieg zu zitieren:

Der Verrundungsradius des Schneidstichels muß ungefähr halb so groß sein wie der des Abtasters, um eine möglichst rauscharme Wiedergabe zu ermöglichen.


Wählt man den Verrundungsradius des Abtasters zu klein, rauscht es mehr.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Fr Mai 06 2016, 14:41

Hallo Willi,

nur mal als Beispiel für die "Verlässlichkeit" früherer Autoren:

1952: Einführung gegengekoppelter Schallfolienschreiber


Bereits der erste Aufnahmeverstärker 1925/26 der Western Electric (der WE-9A) war ein gegengekoppelter Verstärker. Mit diesem Verstärker der WE wurden, u.a. in den USA, bis in die 30er Jahre auch Schallfolien geschnitten.



Dies führt natürlich die Aussage von Bernhard Krieg, dass erst 1952 gegengekoppelte Schallfolienschreiber eingeführt wurden, komplett ad absurdum...

Decca führte ihr FFRR (Full frequency range recording) Verfahren 1945 ein. Dies geht, auch nach heutiger Definition, von c. 80 - 15.000 Hz. Dies passt wieder nicht zu der Aussage von Krieg mit "1952: 15 KHz"....

Grüße

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
veritas, Fr Mai 06 2016, 16:21

Rundfunkonkel schrieb ...

Beim ersteren kann ich Dir nicht zustimmen, beim letzteren - theoretisch - auf jeden Fall. Allerdings besteht ja das Problem, dass die heute verwendeten Kurven ebenfalls lediglich Erfahrungswerte darstellen, die es - immer mal wieder - zu korrigieren gilt. Wild herumprobieren bis es irgendwie "klingt" mag zwar für den Einzelnen funktionieren, genaugenommen sollte man aber stets nur die gerade verwendete Aufnahme-Verzerrkurve des Labels benutzen, damit am Ende das Gesamtkunstwerk der Aufnahme dem entspricht, was Künstler UND Tonmeister gemeinsam erarbeitet haben. Und man nicht mit der Tagesform seiner Ohren etwas falsch macht. Oder die Wiedergabekette etwas vorgaukelt, was mit anderem Equipment ganz anders klingt.



Da sprichst Du ein wahres Wort schriftlich aus. Deshalb interessiert mich ja nachwievor die Information, welche Entzerrung hier konkret verwendet wurde. Ich habe mir selbst angewöhnt, die bearbeiteten Dateiversionen im Namen zumindest mit dem angewandten Preset zu versehen, ggf. dann noch die Bemerkung "eq-mod" für eine veränderte Version.
Wenn Du aber z.B. zwei völlig unterschiedliche Kurven zueinander invertiert anwendest, dann kann sehr wohl das gesamte Spektrum beeinflußt sein.

Als derzeitige Referenz verwende ich die recht umfangreiche Liste für das Nyquist-Plugin 78 RPM EQ Curve Generator: Link - Hier klicken

Und hinzu kommen dann ja noch weitaus andere Begleitumstände á la Nadelverrundung, Plattenzustand und auch die Art des Pickups und das daraus resultierende Dynamikverhalten. Im Grunde genommen liegen unsere Auffassungen gar nicht so weit auseinander.




In Sachen Frequenzgang von Überspielungen stelle ich mal folgende Spektralansicht zur Diskussion:


Man sieht hier einen Frequenzgang bis jenseits der 20 KHz, korrekt?

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Fr Mai 06 2016, 17:15

@veritas: nein, dieses wiederkehrende Muster passt nicht zu einer "normalen" Aufnahme. Oder sehen wir hier ein Volks-Trautonium tönen?

Edit: normalerweise verwende ich diese Anzeigeform nicht, sondern die in meiner Software (Wavep....y), und bin daher mit dieser hier nur wenig vertraut.

Was mich an der ganzen Geschichte der Oberwellen stört ist die Tatsache, dass man mittels eines Sperrkreises die Frequenzen hätte unterbinden können. Alles, was der Schreibkopf nicht in Bewegung umzusetzen hat, kommt dem aufzuzeichnenden Signal zu gute. Warum also ist da "etwas" (und der Musiker spielt auch in diesen Bereichen), wenn es eigentlich relativ einfach hätte vermieden werden können. So manches Becken, manche Triangel tauchen erst im Klanginhalt auf, wenn man die Höhen nicht abtrennt.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
snookerbee, Fr Mai 06 2016, 17:59

@veritas:

Sieht für mich aus wie eine Aufnahme eines satten Blechsatzes, vielleicht aus den 1950ern. Die maximale Frequenz ist in der Leiste rechts mit 22500 Hz angegeben. Allerdings (vermute ich) wurde das Signal über 10 khz angehoben. Das erkennt man an dem in diesem Bereich stärkeren Hintergrundrauschen (rote Fläche links in der Zeitachse).

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
veritas, Fr Mai 06 2016, 21:21

Es ist schon eine normale Aufnahme. Was man sieht ist zuerst ein Klaviervorspiel, gefolgt von einem Klarinettensolo. Es ist eine akustische Aufnahme auf Walze, entstanden ca. 1897-99. Ich habe keine Anhebung der Höhen vorgenommen.

Sie ist ein gutes Beispiel dafür, daß vorhandene Oberwellen nicht automatisch einen hohen Frequenzgang ausmachen. Trotzdem klingen genau diese Oberwellen für meinen Geschmack gar nicht mal schlecht und sind eine hervorragende Illusion für eine gute Hochtonwiedergabe. In diesem konkreten Fall ist ein recht großer dieser Illusion verursacht durch das pantographische Kopierverfahren.

Immerhin war es auch schon deutlich vor 1900 möglich, bei bestimmten Instrumenten tatsächlich bis etwa 4 KHz aufzuzeichnen und auch wiederzugeben. Im obigen Beispiel aber wäre jetzt die interessante Frage: Wo hört das eigentliche Eigangssignal der Klarinette in diesem Stück wirklich auf und wo beginnen die Verzerrungen?

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Starkton, Sa Mai 07 2016, 00:29

veritas schrieb ...

Immerhin war es auch schon deutlich vor 1900 möglich, bei bestimmten Instrumenten tatsächlich bis etwa 4 KHz aufzuzeichnen und auch wiederzugeben.

Dazu würde vielleicht passen, dass man auf der im August 1908 von Graf Zeppelin besprochenen Schallplatte die Flüsterstimme des Souffleurs vernehmen konnte. (Österreichische Nähmaschinen- und Fahrrad-Zeitung, 30. Januar 1909)

Laut dieser Quelle hört man nämlich bei ganz geringem Schalldruck nur noch Frequenzen um etwa 4 KHz: Link - Hier klicken

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Sa Mai 07 2016, 08:36

Formiggini schrieb ...

nur mal als Beispiel für die "Verlässlichkeit" früherer Autoren:

1952: Einführung gegengekoppelter Schallfolienschreiber


Bereits der erste Aufnahmeverstärker 1925/26 der Western Electric (der WE-9A) war ein gegengekoppelter Verstärker. Mit diesem Verstärker der WE wurden, u.a. in den USA, bis in die 30er Jahre auch Schallfolien geschnitten.

Dies führt natürlich die Aussage von Bernhard Krieg, dass erst 1952 gegengekoppelte Schallfolienschreiber eingeführt wurden, komplett ad absurdum...

Decca führte ihr FFRR (Full frequency range recording) Verfahren 1945 ein. Dies geht, auch nach heutiger Definition, von c. 80 - 15.000 Hz. Dies passt wieder nicht zu der Aussage von Krieg mit "1952: 15 KHz"....

Ich muß zugeben, das verwirrt mich jetzt.

Hier muß geklärt werden, ob ein gegengekoppelter Verstärker und ein gegengekoppelter Schallfolienschreiber dasselbe sind.

Ich habe eine Seite von Neumann gefunden, auf der steht:

Es handelte sich stets um elektrodynamische gegengekoppelte Wandler.


Quelle: Link - Hier klicken

Auch auf hifimuseum.de ( Link - Hier klicken ) habe ich etwas dazu gefunden. Wenn ich das richtig verstehe, ist ein gegengekoppelter Schreiber schon etwas anderes, als ein gegengekoppelter Verstärker.

Damit ist es möglich, den Schreiber so weit gegenzukoppeln, dass er ohne zusätzliche elektrische Entzerrung über einen ungewöhnlich weiten Frequenzbereich hin ein geradliniges Übertragungsmaß erhält.


Interessant sind die Daten, die bei diesen Schneideköpfen aus dem Jahre 1966 angegeben werden. Neumann hatte verschiedene Schneideköpfe im Sortiment:

Elektrodynamischer Schreiber ES 59: 30 ... 24.000Hz
Stereo-Schreiber SX 45: 30 ... 16.000Hz
Elektromagnetischer Schreiber MS 52 H: 40 ... 12.000Hz

Und das im Jahre 1966!

Aber auch deine letzte Anmerkung, über das Decca FFRR-Verfahren von 1945, verwirrt mich:
80 - 15.000 Hz

Wohingegen seitens der DGAG bereits Jahre zuvor der Bassbereich bis runter zu 25 Hz hätte gehen sollen.


Ebenso widersprechen sich die Angaben:

"Platteneinspielungen der 30er Jahre belegen Frequenzgänge von teils deutlich über 10 KHz"

und:

"Um 1940 - verschiedene Quellen und Fachartikel legen als Industriestandard einen Frequenzbereich bis 10 KHz nahe. Dies deckt sich auch mit vielen Aufnahmen der Zeit."

Wieso sollte sich der Frequenzbereich plötzlich wieder verschlechtert haben?

In beiden Fällen erwähnst du einen "erheblichen Klirrfaktor".

Wurden hier damals die Werte vielleicht doch nach unterschiedlichen Maßstäben bekanntgegeben? Man kennt solch ein Vorgehen heutzutage ja auch. Da werden Werte für die Ausgangsleistung von Verstärkern angegeben, die sich lediglich auf kurze Maximalspitzen beziehen. Die tatsächliche Ausgangsleistung ist wesentlich geringer.

Warum sollte man daher den "Machern" von damals ein seriöseres Verhalten zugestehen?

Verstehe mich bitte nicht falsch: Es kommt mir nicht darauf an, recht zu haben, sondern herauszufinden, was denn nun tatsächlich richtig war bzw. richtig ist. Daher mein kritisches Hinterfragen.

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Sa Mai 07 2016, 09:48

Hallo Willi,

ja – dies artet fast in Haarspalterei aus…

Ganz generell: Auch in der Historie der Technik lassen sich keine festen „Grenzen“ ziehen. Neuerungen, Übergänge, Innovationen gingen oft fliesend ineinander über. Daher halte ich es auch für sehr unseriös, feste „Stichtage“ oder „Stichjahre“ zu ziehen wie zum Beispiel : „Ab 1952….“ usw. Dies ist aus historischer Sicht einfach falsch und kann, wie jetzt ja auch hier, zu unnötigen Diskussionen führen, wenn man sich an irgendwelchen „fiktiven“ Daten aus Büchern aufhängt.

Nur als ein Beispiel: Der Übergang vom akustischen Aufnahmeverfahren bei der DGAG zog sich ein gutes Jahr hin – vom Sommer 1925 bis zum Sommer 1926. Welches „Datum“ soll man hier nun festsetzen? Allgemein wird als „Beginn“ des elektrischen Aufnahmeverfahrens das Jahr 1925 angegeben (Western Electric bei Victor, Columbia usw.). Aber – bereits seit 1924 veröffentlichte das kleine Label „Autograph“ in Chicago fast ausschließlich elektrische Aufnahmen nach einem eigenen Verfahren. Daher wäre also die Angabe „1924“ (historisch) korrekt – findet man aber nur in wenigen Literaturstellen….

Zurück zu unserem Thema – ich versuche es mal einzeln.

Gegenkopplung
Hier ging ich tatsächlich davon aus, dass Krieg in seinem Buch gegengekoppelte Verstärker meint. Interessant aber auch diese, von dir zitierte Stelle: „Damit ist es möglich, den Schreiber so weit gegenzukoppeln, dass er ohne zusätzliche elektrische Entzerrung….“

„Ohne zusätzliche elektrische Entzerrung…“ – dies war schon bei den ersten Schreibern der WE ab 1925 der Fall! Hier geschah die Entzerrung fast ausschließlich mechanisch über die Gummi-Bedämpfung des Schreibers. Dies hatte aber noch einen anderen, interessanten Nebeneffekt. Laut den Firmenunterlagen hatte die Gummi-Bedämpfung des Schreibers einen „Ideal-Bereich“ – sowohl vom Alter wie auch der Temperatur. Er sollte regelmäßig gewechselt werden; nach einem Service-Handbuch der (englischen) Columbia sollte auch ein bestimmter Temperaturbereich während der Aufnahme eingehalten werden.

War die Bedämpfung nun „überaltert“, es bei der Aufnahme zu warm oder zu kalt, änderte der Schreiber sein Verhalten. Und damit auch die angegebenen Spezifikationen in Bezug auf Entzerrung und Frequenzbereiche. Ganz schön „tricky“….

„Obergrenzen“ in den 30er und 40er Jahren
Sind faktisch nicht „fest“ zu machen! „Ausreißer“ gab es immer – nach oben und unten. Deswegen schreib ich ja auch „Industriestandard“. Dies war der „übliche“ Bereich. Natürlich konnte es bei jeder Firma etwas anders aussehen. Nehmen wir noch mal die Victor in den USA.

Ab 1932 führten sie (kommerziell) ihre neuen „Wide Range“ Aufnahmen ein – zu der auch die obige Aufnahme von 1933 des Whiteman Orchesters gehört. Auch unter Historikern in den USA wird hier der Bereich bis c. 14 KHz als gegeben angesehen. 1934 stellte die Victor dieses „Experiment“ wieder ein. Oder doch nicht…? Nein – nicht überall! Sie behielten dieses Verfahren in einem Studio – den RCA Victor Studios in Hollywood. Und verbesserten das System weiterhin. Warum genau dort? Hier waren in den Filmstudios die hohen Frequenzen gewünscht. Die Musik (zu einem Film) wurde damals schon zunächst auf Platte aufgenommen, dann synchronisiert in die Filmhandlung eingespielt. Hier war der erweiterte Frequenzgang des Verfahrens von Vorteil.

Nun nutzte die RCA Victor die Hollywood Studios nicht nur für Filmaufnahmen, sondern auch für kommerzielle Plattenaufnahmen. Wann immer einer ihrer Vertragspartner in Kalifornien war, wurden sie natürlich in den dortigen Studios aufgenommen – mit dem Ergebnis eines vollkommen anderen Klangbildes als, z.B. in den New Yorker Studios. Dieses „Wide Range“ Verfahren der Victor war nach 1934 also nicht gänzlich „gestorben“ – es fand aber nur noch in einem Studio Anwendung.

Es gibt einige Einspielungen des Ellington Orchesters aus den Jahren 1940 bis 1942. Das Klangbild (und auch Frequenzspektrum) ist, im Vergleich zu anderen Aufnahmen der Victor der Zeit, fast schon Atemberaubend. Diese Aufnahmen fanden alle in den Hollywood Studios statt. Also schon starke Unterschiede innerhalb einer einzigen Firma!

Ein weiteres Beispiel aus den USA - hier 1947


Mitch Miller spielt Vaughn Williams Oboe Concerto ein. In dem Begleittext (des 78 Rpm) Albums verweist die Plattenfirma stolz auf die neuen Fairchild-Schneideköpfe und den linearen Frequenzgang von 30 bis 14.000 Hz – aufgenommen mit nur einem Mikrophon. Der nicht-lineare Frequenzgang ging natürlich weiter. Dies soll aber, erst mal, für uns unerheblich sein. Jedenfalls wurden diese Schneideköpfe von Fairchild, quasi unverändert, bis in die 50er Jahre auch zur Produktion von LPs verwendet.

Was ich auch damit sagen will – es gab fast nichts, was es nicht gab! Technische Veränderungen, Verbesserungen usw. zogen sich normalerweise über einen langen Zeitraum hin und konnten auch innerhalb einer einzigen Firma unterschiedlich sein. Die Grenzen waren fließend und konnten sich im Laufe der Jahre auch immer mal wieder in die eine oder andere Richtung verschieben.

Angaben wie z.B. „1952: Ausweitung des Übertragungsbereiches bis 15 KHz“ sind, aus historischer Betrachtungsweise, einfach schrecklich verallgemeinernd und (im Grunde) falsch. Solche Aussagen führen dann eben auch leider dazu, dass sie als „Fakt“ angenommen werden – obwohl die tatsächliche (historische und technische) Entwicklung anders ablief.

Grüße



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Di Mai 10 2016, 16:25

Formiggini schrieb ...

Hallo Willi,

ja – dies artet fast in Haarspalterei aus…

Das sehe ich nicht so, zumal bei mir nicht mehr soviele Haare zum Spalten vorhanden sind.

Mir scheint es eher der Fall zu sein, daß die damaligen Aussagen über den Frequenzbereich nach anderen Maßstäben ermittelt wurde, als es heutzutage der Fall ist. Heutzutage (eigentlich schon seit den 1950er Jahren) darf für die Angabe des höchsten Frequenzbereiches ein bestimmter Klirrfaktorwert nicht überschritten sein. Wie war das damals? Bis zu wieviel Prozent durfte der betragen? 10%, 20%? Wie groß durfte die Abweichung in dB sein? Daten, zu denen zumindest ich keinen Zugang habe. Dies wäre aber ein sehr wichtiger Punkt, um die damaligen Angaben für uns heute nachvollziehbar machen zu können. Gibt man sich nämlich mit einem höheren Klirrfaktor zufrieden, kann man den Frequenzbereicht durchaus nach oben hin erweitern.

Um das Pferd nun mal von hinten aufzuzäumen, habe ich hier ein Beispiel für die Schallplattentechnik Ende der 1960er ausgewählt:





Es handelt sich hier um einen Ausschnitt einer Schallplatte von James Last. Man mag nun zu James Last stehen wie man will, die Schallplatten von ihm hatten jedenfalls immer eine sehr gute Qualität. In der Frequenzanalyse sieht man sehr gut, daß bereits über 12 KHz ein deutlicher Abfall stattfindet. (Hörbeispiele sind hier ja leider nicht möglich.)

Hier ein Beispiel aus einer Platte von Benny Goodman, aus dem Jahre 1956.

Einmal zu Anfang der Platte:






Und hier gegen Ende der Platte:






Zu Anfang der Platte fällt der Frequenzgang erst bei ca. 9 KHz ab, gegen Ende der Platte bereits wesentlich früher.


Abschließend noch eine Platte von Louis Armstrong aus dem Jahre 1932. Es handelt sich hier um eine Überspielung direkt von der Mutter-Matrize.

Hier wieder zunächst der Anfang der Platte:






Und hier gegen Ende der Platte:






Wie wenig solche Analysen jedoch über die tatsächliche Qualität einer Schallplatte aussagen, kann man an diesem Beispiel hier sehen:






Nach der Frequenzanalyse müßte der Frequenzverlauf erst über 14 KHz abfallen, und auch die Spektralansicht zeigt noch bis mindestens 8 KHz Informationen an. Nur handelt es sich hier um eine akustisch aufgenommene Platte. Man kann also den tatsächlichen Frequenzbereich mit maximal 4 KHz bis 5 KHz annehmen. Gerade bei ca. 1:45 zeigt die Spektralansicht eine Spitze bis über 11 KHz, was man mit absoluter Wahrscheinlichkeit als Verzerrung deuten kann. Bei stark bespielten akustisch aufgenommenen Platten zeigen sich solche Spitzen bei lauten hohen Frequenzen noch deutlicher.

Das bringt mich zu dem Punkt, wie man solche Spitzen bei unseren doch schon recht betagten Schellackplatten deuten muß.

Bei der Louis Armstrong Platte von 1932 sieht man solche Spitzen nicht. Es handelt sich ja hier auch nicht um eine Überspielung von Platte, die im Laufe der Zeiten gelitten hat, sondern um eine direkte Überspielung von der Mutter-Matrize.

Obwohl hier bei ca. 8 KHz ein deutlicher Abfall zu erkennen ist, hat die Aufnahme sehr gute Höhen. Das Becken des Schlagzeugs und auch die S-Laute des Sängers kommen sehr gut rüber. Nur schade, daß ich dieses Ton-Beispiel hier nicht bringen kann.

Zum Abschluß noch eine Frage:

Wenn die Aufnahmetechnik in den 1930er Jahren bereits solch hohe Frequenzen aufnehmen konnte, weshalb klingt dann die Schallplatte von James Last vom Ende der 1960er Jahre um sovieles besser, wobei hier doch bereits ab ca. 12 KHz ein deutlicher Abfall zu sehen ist?

VG Willi



Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Rundfunkonkel, Di Mai 10 2016, 19:00

Willi-H-411 schrieb ...

Wenn die Aufnahmetechnik in den 1930er Jahren bereits solch hohe Frequenzen aufnehmen konnte, weshalb klingt dann die Schallplatte von James Last vom Ende der 1960er Jahre um sovieles besser, wobei hier doch bereits ab ca. 12 KHz ein deutlicher Abfall zu sehen ist?


Womit wurde die James-Last LP abgetastet -welche Nadelform wurde benutz - welches System, was für ein Vorverstärker - war dieser 100% in Ordnung und exakt auf RIAA Norm? - welche Abweichung hat das System - ist das Abtastsystem per Messplatte mit dem (hoffentlich einstellbaren) Vorverstärker abgeglichen worden - tangentialer Tonarm oder ein "normaler" - war das System exakt zur Platte ausgerichtet - welche Abweichungen zur Ideallinie hatte die Abtastnadel während dieses Titels (= Verzerrungsanstieg) - usw. usf. Erst wenn Du exakt das abtastest, was die Aufnahmeeinheit damals in der Rille gespeichert hat, können wir uns über die Frequenzgrenzen unterhalten. Ach so, welchen Zustand hat die benutze Vinyl noch? Wenn diese schon dermaßen ausgehobelte Rillen hat, dass deswegen die Höhen nachlassen, stimmt das Messergebnis auch nicht mehr.

Nachtrag: Für weitere Infos empfehle ich die Literatur zum Thema Highend-Vinyl Abspielen. Vieles ist bei Schellack nicht anders.

Eigentlich interessieren mich die Gründe nicht, für mich ist es wie es ist.

Noch ein Nachtrag wegen einer persönlichen Beobachtung. Wieso tauchen denn diese "Verzerrungen", also die höheren Frequenzen, meist bei den besseren Labelmarken auf, und nicht bei den einfacheren - die mangels Geld vermutlich eher in Gefahr gerieten, mit zweitklassigen Gerätschaften Aufnahmen machen zu müssen?


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Arto, Mi Mai 11 2016, 00:13

Spektren sind echt interessant und können sehr viele Auskünfte geben. Aber ich verstehe nicht was ich aus einem Spektrum von James Last auf einer Platte herleiten kann. Alle Musikstücke sind ja nicht gleich, was die Energie, die sich in einem gewissen, schmalen Frequenzband befindet, betrifft. Wenn man die Eigenschaften der technischen Kette von Aufnahme zu Wiedergabe bewerten möchte, muss man ein gut definiertes Signal als Eingang haben, sonst bekommt man die Summe der Spektren der Musik und der Kette. Kennt man die Spektralverteilung des Signals, kann man es nachträglich subtrahieren. Ein gutes Signal is weisses Rauschen, denn hier ist die Energie pro Hz bandbreite konstant.

Auch gibt es einen Unterschied, ob es ein Kurtzzeitspektrum ist oder ob man über beispielsweise 100 Spektren gemittelt hat. So schön rund wie diese Spektren sind, erwarte ich dass kräftig gemittelt wurde.

Die einzelne Messwerte verstehe ich auch nicht: "Zu Anfang der Platte fällt der Frequenzgang erst bei ca. 9 KHz ab", dies ist aber ein Signal dass schon 42 dB niedriger als unterhalb von 1000 Hz liegt.

Ich glaube nicht, dass bei einfacheren Labels zweitklassige Gerätschaften zu der Aufnahme verwendet haben, und dass dadurch Verzerrungen entstehen. Die meisten Verzerrungen kommen aus der Wiedergabe, wenn die Nadelrundung zu gross ist um die kurzen Wellen zu folgen. Dabei hat elliptische, und insbesondere Line Contact Nadel sehr geholfen, gewiss bei Langspielplatten aber auch bei Schellacks. Da bekommt man jedoch andere Probleme, denn die besten Ergebnisse bekommt man wenn die "Kante" den gleichen Winkel zu der Plattenoberfläche hat wie der vertikale Schneidwinkel. Für LPs sind es ung. 18 Grad von lotrecht abweichend (und so sind die Pickups gemacht), aber für Schellacks ist es meistens lotrecht.

Ich kann Fritz Bergtold: "Moderne Schallplattentechnik", Franzis-Verlag 1959 (diese zweite Ausgabe is erweitert) stark empfehlen. Dort findet man auch Auskünfte über Schneid- und Abspielkennlinien und insbesondere die Toleranzen (Abweichungen vom Sollwert).

Bestens, Arto

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Mi Mai 11 2016, 10:29

Arto schrieb ...
Die einzelne Messwerte verstehe ich auch nicht: "Zu Anfang der Platte fällt der Frequenzgang erst bei ca. 9 KHz ab", dies ist aber ein Signal dass schon 42 dB niedriger als unterhalb von 1000 Hz liegt.

Es stimmt, bei 8.500 Hz liegt der Pegel bei ca. -43 dB, aber bei 1 KHz hat es nur einen Pegel von -28 dB. Der Unterschied beträgt also lediglich 15 dB, bei einem Frequenzunterschied von Faktor 8,5.

Bei 10 KHz ist der Pegel schon auf -54 dB abgefallen; bei einem Frequenzunterschied von Faktor 1,17 ein Abfall von 11 dB.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Mi Mai 11 2016, 13:31

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Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Di Mai 24 2016, 09:53

So, nachdem ich mich mit Formiggini per PN ausgetauscht hatte, mußte ich feststellen, daß sich hier wohl einige Mißverständnisse eingeschlichen haben. Ich will nun versuchen, diese zu klären.

Demnach waren Verzerrungen "denen damals [Na!!!]-egal Sie tauchen in technischen Spezifikationen erst in den späten 1940er, frühen 1950er Jahren auf."

Das deckt sich mit einer Angabe in dem Buch "Schmalfilm - richtig vorgeführt" von Dipl. Ing. Helmut Naumann; Verlag von Wilhelm Knapp, 1942 (Neuauflage 1949). Dort wird zum Verstärker des Ampro-Bogenlampen-Projektors geschrieben:

Der unterhalb des Bildprojektors ... aufgestellte Verstärker liefert 55 Watt bei erträglicher Verzerrung.


Das sagt zwar einiges über Lautstärke aus, nicht jedoch über die zu hörende Tonqualität.

Offenbar muß man die früher gemachten Angaben zu dem möglichen Frequenzgang bei Schellackplatten unter dem gleichen Gesichtspunkt verstehen.

Es ist zwar schade, daß es zu solch einem Mißverständnis gekommen ist, aber andererseits war es auch spannend, sich mit dieser Materie dermaßen auseinanderzusetzen. Dieses Mißverständnis hätte vielleicht vermieden werden können, wenn bereits im Vorfeld auf meine Einwände bezüglich der Verzerrungen bei den alten Aufnahmen eingegangen worden wäre. Aber offenbar bin nicht nur ich dazu in der Lage, Dinge zu überlesen.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
veritas, Di Mai 24 2016, 10:42

Danke für die Ausführung und dem Ergründungsdrang. Die Tonbeispiele waren schon ein Hinweis auf die "elastischen" Maßstäbe, die für die damaligen Angaben von Frequenzgängen herangezogen wurden.

Der zeitliche Kontext spielt da ebenso eine Rolle. Selbst eine nach unseren Eindrücken grauenhafte Hochtonwiedergabe war zu dieser Zeit absolute Premiere.

Hinzu kommt noch der Umstand, daß viele dieser Schilderungen aus der Literatur sich auf Laborbedingungen beziehen, also keineswegs eine Marktdurchdringung hatten.

Würde man heute den tatsächlichen Stand der Technik als Meßlatte nehmen, dann müßte nahezu jeder von uns seine Filme nur noch in 4k-Auflösung auf entsprechenden Bildschirmen anschauen. Und unterwegs wären wir alle nur noch in Fahrzeugen von Tesla.

Daß das natürlich nicht der Fall ist, wird jedem einleuchten. Vor 80-90 Jahren wird es mit der Audiotechnik ebenso gewesen sein. In 80-90 Jahren würde ich mich nicht wundern, wenn behauptet wird, daß nur die wenigsten Menschen im Jahr 2016 diese Errungenschaften (E-Fahrzeug, 4k-Filme, etc.) noch nicht genutzt hätten.

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Formiggini, Di Mai 24 2016, 11:33

Gut, dass wir jetzt mal darüber gesprochen haben…

Persönlich dachte ich, dass es mit Sätzen (bzw. Aussagen) hier im Verlauf wie:

Ultraphon schaffte 1929/30 sogar so bis 13.000/14.000Hz - dies allerdings mit einem doch recht erheblichen Klirrfaktor in den Höhen...


Natürlich 1930 noch mit einem entsprechenden Klirrfaktor…


Was natürlich auch klar ist: Der Klirrfaktor und die Verzerrungen in den hohen Bereichen, bei diesen frühen Aufnahmen, erfüllt in keinster Weise "HiFi-Norm"...


Platteneinspielungen der 30er Jahre belegen Frequenzgänge von teils deutlich über 10 KHz. Dies jedoch noch teilweise mit erheblichen Klirrfaktor….


Dies deckt sich auch mit vielen Aufnahmen der Zeit. Der Klirrfaktor erfüllt jedoch noch nicht spätere Hifi-Normen….


Ganz generell: Es geht hier ja auch nicht darum, ab wann in sog. "Hifi" aufgenommen wurde, sondern zu welcher Zeit ungefähr welche Frequenzen aufgenommen wurden….


deutlich genug gewesen sei

So „kompliziert“ ist halt die digitale Kommunikation. Deswegen noch einmal ganz deutlich: Die (Frequenz) Angaben sind natürlich NICHT mit der späteren Qualität zu vergleichen! Bei historischen Angaben sind diese immer im zeitlichen (technischen) Kontext zu sehen.

Und ja, den Technikern war damals wohl der Klirrfaktor noch relativ egal. Egal ob man nun die „Funkschau“ als Quelle heranzieht, oder die Laborberichte der Bell (Western Electric) „Bell System Technical Journal (1922-1983“ Link - Hier klicken - der Klirrfaktor findet, in Bezug auf Schallaufzeichnung, erst in den späten 1940er Jahren in Zusammenhang mit der Magnetbandtechnik (Tonband u.ä.) Einzug. Dies ist zumindest mein Schluss, nach Durchsicht vieler Quellen.

Was „denen“ damals wichtig war, war ein „linearer“ Verlauf bis zu einer gewissen Frequenzgrenze. Dieses „linear“ oder „geradlinig“ bezieht sich aber eben nicht auf einen Klirrfaktor, sondern, in der damaligen Techniksprache, auf eben nur einen möglichst gleichmäßigen Verlauf.

Western Electric


Telefunken 1936/37



Selbst beim berühmten Plattenspieler Telefunken TO1000 (und Nachfolgemodelle) gibt man nur stolz den „geraden“ Verlauf an. Wie viel „Klirr“ dieser beinhaltete – nun, dazu finden sich nirgends Angaben. Da es schlicht, zu dieser Zeit, noch keine Rolle spielte. Was es natürlich nicht gibt, sind historische Quellen, in denen ausführlich geschildert wird: "Also, wir haben es so gemacht...". Wir können uns nur aus vielen, unterschiedlichen Quellen die relevanten Stellen suchen, und versuchen diese wieder in einen Zusammenhang zu bringen, um uns ein vollständiges Bild machen zu können. Dies kann aber natürlich nur im historischen Kontext erfolgen, ohne die Maßstäbe aus späteren Jahrzehnten oder der heutigen Zeit anzusetzen.

Will man nun aber heute die damaligen Tondokumente in Zusammenhang mit späteren Qualitäten stellen, muss man zunächst ein einheitliches Messverfahren definieren, anschaffen und (technisch) anwenden. Dies ist jedoch sehr teuer und dürfte nur Forschungseinrichtungen möglich sein. Alleine die Tatsache, dass wir jeder zu Hause mit unterschiedlichen Nadeln, Verstärkern, Systemen, Analysewerkzeugen usw. arbeiten, lässt eine reproduzierbare Vergleichsmöglichkeit schon gar nicht zu. Zumindest keine, welche irgendwelche fachliche "Beweiskraft" hätte.

Gut – zumindest haben wir nun dieses Missverständnis (hoffentlich) geklärt

Grüße

Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Di Mai 24 2016, 12:32

Tja, was soll ich da nun schreiben?

Wenn ich einen "Bock geschossen" habe, stehe ich dazu. Und hier habe ich wohl eine ganze Herde erledigt.

Da waren wohl mehr als nur ein paar Knöppe auf meinen Augen.

Auf jeden Fall Dankeschön, daß du mir da geduldig weitergeholfen hast.

VG Willi


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
RF-Musiker, Sa Jan 07 2017, 23:41

Willi-H-411 schrieb ...

Man könnte theoretisch auch bei Tonband und einer Geschwindigkeit von 2,4 cm/sec noch eine Frequenz bis zu 10.000 Hz "herauskitzeln". Aber wie würde sich das dann wohl anhören?

VG Willi


Wie die Randspur bei VHS.


Re: Frequenzgrenzen bei Schellackplatten
Willi-H-411, Mo Jan 09 2017, 11:20

Auf Grund des anderen Bandmaterials (Chrom- bzw. Chromsubstitutbänder) konnte man dort immerhin doch bis 10 KHz kommen.

VG Willi