Neue Truppe, Die
Musikmeister, So Apr 27 2014, 13:10

Hier ein Plattenetikett Die Neue Truppe aus dem Jahre 1930, welches wohl politisch einzuordnen ist.
Die Aufnahme entstand ca. im November 1929. Hinter "Jazzorchester" verbirgt sich das Orchester Eddy Walis. Die Aufnahme gibt es auch als Artiphon-Platte.



Re: Neue Truppe, Die
Telefunken, Di Jan 10 2017, 00:19

Hallo,

Ich bin, nachdem ich selbst so eine Platte entdeckt habe, auf folgende Informationen dieses Labels aufmerksam geworden. Die Informationen stammen aus der bereits beendeten Auktionsliste von Andreas Schmauder.

"Beierle, Alfred Die Neue Truppe 101 (Deutscher Theater- und Filmschauspieler, 1884-1950; Beierle gehörte zu den kritischen Berliner Intellektuellen der Theater- und Kabarettszene, machte sich auch als Rezitator einen Namen und betrieb das kleine Plattenlabel "Die Neue Truppe") "

Bilder der Platte folgen sobald ich die Dateigröße verkleinert habe.

Gruß Jonas

Re: Neue Truppe, Die
Telefunken, Di Jan 10 2017, 11:16

So endlich die Bilder.






Re: Neue Truppe, Die
berauscht, Do Jan 26 2017, 15:00

Die Platte wurden von Artiphon erzeugt, wie an dem Stempel 9 auf der Lizenzmarke zu erkennen ist.

Re: Neue Truppe, Die
krammofoon, Do Jan 26 2017, 15:07

Servus :-)

Ist zwar ziemlich OT, aber gibt es irgendwo eine Liste, auf welcher die Zuordnung dieser Lizenzmarkennummern zu Herstellern steht, bzw. könntest du sie hier veröffentlichen?

Gruss
Georg

Re: Neue Truppe, Die
berauscht, Do Mär 16 2017, 12:39

Fritz Rosenfeld:

Sozialistische Schallplatten

„Arbeiterwelt in Wort und Musik? Schallplatten? Den Film haben wir versäumt. Um den Rundfunk kämpfen wir. Die Schallplatte aber wollen wir unser nennen. Denn noch ahnen wir gar nicht — wir, die vor allem Neuen ungläubig den Kopf schütteln, welche Bedeutung sie bekommen wird. Der Tonfilm wird vielleicht das Kühnste, das wir erleben werden. Mit dem Tonfilm dringt die Schallplatte in neue Aufgabenbezirke: zu unterhalten, zu belehren und zu beleben."
Mit diesen das Problem umreißenden Sätzen leitet Alfred Beierle, der künstlerische Leiter der „Neuen Truppe" in Berlin, den Prospekt seiner Schallplatten ein. Seine Worte sagen nicht zu viel. Die Arbeiterschaft hat verhängnisvollerweise die ungeheure politische Bedeutung mechanischer Mittel der Verbreitung von Wort und Bild erst zu spät erkannt. Sie hat sich um den Film erst zu kümmern begonnen, als er schon rettungslos in die Hände von kapitalistischen Spekulanten gefallen und Waffe in der Faust von Reaktionären geworden, sie hat ihren Kampf um das Radio verhältnismäßig spät begonnen, und sie hat auch tatenlos zugesehen, wie eine ungeheure, den ganzen Erdball umspannende Schallplattenindustrie aus dem Boden wuchs, deren Geist des Kapitalismus, deren Sinn Gehirnverkleisterung der Menschheit ist.
Vielleicht rührt diese Gleichgültigkeit gegen das Problem der Schallplatte daher, daß das Grammophon aus älteren Tagen noch in wenig angenehmer Erinnerung war. Ach, das ist doch so ein großer Holzkasten mit einem weiten Blechtrichter, ach, das schmettert doch höchstens Gassenhauer, Musikkenner können das nicht anhören, im Gekreisch eines überfüllten Wirtshauszimmers mag sich's ja ganz gut machen — aber mit Kunst, mit Musikkultur hat es doch wahrhaftig nichts zu schaffen. Dieser gewaltige Irrtum besteht heute noch, in einer Zeit, der vom Radio ganz neue Wege der Aufnahms- und Wiedergabetechnik gewiesen wurden, die ganz neue, von den alten grundlegend verschiedene Sprechapparate erfunden hat. Der Trichter ist verschwunden, die Schalldose anders konstruiert, die knarrenden, quiekenden Nebengeräusche fast ganz ausgeschaltet, die Aufnahmsverfahren so weit vorgeschritten, daß elektrische Raumtonaufnahmen einen ganz
reinen, plastischen Klang ergeben, der es auch dem musikalisch geschulten Hörer schwer macht, die Grammophonaufnahme eines Orchesters vom Klang eines „echten" Orchesters, die Grammophonaufnahme einer menschlichen Stimme vom Klang einer „echten", im selben Raum erklingenden menschlichen Stimme zu unterscheiden. Es sind oft Versuche gemacht worden, vor Musikkennern hinter einem Vorhang Sänger auftreten zu lassen und dazwischen Grammophonaufnahmen dieser Sänger zu spielen; das Ergebnis war verblüffend, nur in den allerwenigsten Fällen war ein Unterschied festzustellen. Die Technik des Grammophons ist fast vollkommen; klingt manche Schallplatte noch schwächer, so ist das Schuld der einzelnen Erzeugerfirma, nicht aber Schuld der Sache an sich. Sind die technischen Probleme eines geistigen und künstlerischen Wirkungsmittels gelöst, so beginnen die ideologischen. Wie der Film eine unerhört schnell entwickelte hohe Kunst in den Dienst der kapitalistischen Ordnung stellen mußte, wie er dazu verwendet wurde, jegliche Art der politischen und sozialen Reaktion zu verteidigen, Imperialismus und Militarismus zu verherrlichen, die revolutionären Regungen im Menschen zu unterdrücken und abzutöten, so wurde das Radio zur Volksverdummung, zur Wirklichkeitsentstellung mißbraucht, und so wird auch die Schallplatte oft in reaktionärem und volksverdummendem Sinne verwendet. Bedenken wir die unbegrenzte Ausbreitungsmöglichkeit einer Schallplatte: sie dringt in vielen hunderttausend Exemplaren über den ganzen Erdball. Sie dringt in jedes einzelne Haus. In wenigen Jahren wird jeder, auch der kleinste Haushalt eine Sprechmaschine und eine kleine Schallplattenauswahl besitzen. In vielen öffentlichen Betrieben löst die Schallplatte bereits das Orchester ab; sie macht Tanzmusik in Kaffeehäusern, aus Eislaufplätzen, sie wirbt bei Platzkonzerten für Automarken, in südamerikanischen Ländern gibt es keinen Friseurladen, in dem nicht ein Grammophon spielte, ja, die Straßenhändler haben Sprechmaschinen neben sich stehen und suchen die Vorübergehenden mit den weichen Rhythmen der Tangos anzulocken. Von Aufnahmen der berühmtesten Opernsänger der Gegenwart bis zu Aufnahmen der unbekanntesten, schmalzigsten Winkeltenöre, von Aufnahmen der größten Orchester unserer Zeit bis zu Aufnahmen von Heurigensängern, von Beethoven und Mozart bis zu den Schlagern des Tages ist in den Schallplattenhandlungen alles zu finden, was die musikalische Produktion aller Zeiten hervorgebracht hat. Heute haßt der musikalische Mensch das Grammophon nicht mehr, heute liebt er es, weil es ihm ausübende Künstler zuführt, die er sonst nicht hören könnte, weil es ihm Musikstücke, die er liebt und die er immer wieder hören will, in qualitativ bester Wiedergabe durch große Orchester und große Virtuosen zugänglich macht. Es ist kein Wunder, daß die Auflagen mancher Schallplatten ins Phantastische steigen. Eine halbe Million und mehr sind für Schlagerlieder, die durchgedrungen sind, keine seltenen Auflagen. Der Tonfilm erhöht diese Auslagen noch; jedes in einem Tonfilm gesungene Lied kommt aus Schallplatten in den Handel; Filmindustrie und Schallplattenindustrie arbeiten Hand in Hand. Von höchster Kunst bis zu kitschigster Unterhaltung geht die Produktion der Schallplattenfirmen. Daß die Unterhaltung die Kunst überwiegt, ist nicht allein Schuld der Platten- Schlager, Amüsierplatten. Eine Durchsicht der Kataloge aber wird dennoch überraschen. Was es da an Ungeist, was es da an Flachheit, was es da an Stumpfsinn gibt, hat auch der nicht erwartet, der genau weiß, daß in der kapitalistischen Gesellschaft ein Unternehmen wie eine Schallplattenfabrik von der Nachfrage, vom Geschmack des Publikums abhängt. Die Plattenindustrie trägt ihrerseits nicht wenig dazu bei, dieses Publikum allzu leicht und allzu gern nach. Bei manchen Firmen hat es fast den Anschein, als förderten sie die Verbreitung gewisser sentimentaler Schlagerlieder, die die guten alten Zeiten verherrlichen, die bekanntlich immer bester waren als die heutigen; als förderten sie die Verbreitung alter Miltärmärsche und jenes alkoholdunstigen „Humors" der, man drehe ihn wie man will, immer auf wehmütige Erinnerungen an verwehte Zeiten, gestürzte Regierungssysteme, - überwundene Gesellschaftsformen hinausläuft. Da die Erzeugung von Schallplatten ganz in kapitalistischen Händen liegt, gab es gegen diesen riesenhaften Volksverdummungsfeldzug keine Wehr: ihn mit den Mitteln der Überredung einzudämmen, durch Kritik auf seine Gefährlichkeit hinzuweisen, mußte ja immer Notaushilfe und Stückwerk bleiben. Helfen, wirklich helfen, konnte nur eins: der bürgerlichen Schallplattenproduktton eine proletarische entgegenzusetzen. Gewiß, auch die bürgerliche Schallplattenindustrie hat ein paar Arbeitermärsche, ein paar revolutionäre Lieder ausgenommen. Die Internationale, die Marseillaise, das Kinderfreundelied, den Schutzbundmarsch, die Warschawjanka, den Lassallemarsch, den Rotgardistenmarsch. Ganz planlos und systemlos erzeugt sie ab und zu eine Platte, von der sie sich bei der Arbeiterschaft großen Absatz erhofft; nicht geistige, nicht kämpferische Motive bestimmen die Herstellung dieser Platten, sondern das Geschäft. Es ist nun eine große, bedeutsame Tat Beierles, endlich eine Gesellschaft ins Leben gerufen zu haben, die planmäßig und systematisch, aus geistigen und kämpferischen Motiven mit der Erzeugung sozialistischer Schallplatten beginnt. Sie heißt „Die Neue Truppe" und hat ihren Sitz in Berlin. Eines fällt, wenn man die Liste der bisher erschienenen Platten durchsieht, sofort auf: die Sprechplatten überwiegen. Die Neue Truppe hat auch Musikplatten, Kampflieder und Marschmusiken der Arbeiterbewegung in durchweg guten Aufnahmen, russische Volkslieder und kleinere Stücke aus der klassischen Musikliteratur. An Zahl und Bedeutung wichtiger aber sind die Sprechplatten. Zum Teil sind sie von den Dichtern selbst gesprochen (Gottfried Venn spricht seine „Totenrede für Klabund", Aufnahmen Maxim Gorkis und Romain Rollands find in Vorbereitung), zum anderen Teil spricht sie Alfred Beierle selbst. Er ist ein großer Rezitator, einer jener wenigen Sprecher, die das innere Feuer verwehter alter Gedichte wieder zu erwecken verstehen, die den Worten gewaltige Sprengkraft verleihen. Und einer jener wenigen Rezitatoren, die guten Geschmack haben. Beierle gräbt verschollenes literarisches Gut aus, und man ist von der Aktualität dieser alten Reden und Gedichte überrascht. Eine seiner schönsten, vielleicht die wichtigste Platte ist Victor Hugos sprachgewaltige. bildhafte, von der Flamme der Menschenliebe und der Revolutionierung der Herzen durchlohte „Rede auf Voltaire"; eine zweiseitige große Platte. An älteren Freiheitsdichtern sind vor allem Herwegh und Freiligrath vertreten. Von diesem das Gesicht „Die Toten an die Lebenden", von jenem der „18. März", mit musikalischer Untermalung hinreißend gesprochen, „Bei und Arbeit!" ebenfalls mit Musikuntermalung sprechkünstlerisch überaus wirksam gestaltet, ferner „Die Partei". „Die Arbeiter an ihre Brüder", „Hoch die Republik" und anderes.
An älterem Gut findet sich Gastespierres „Rede über die Menschenrechte", Berangers „Heilige Allianz der Völker", das erschütternd schlicht gesprochene „Heiligenstädter Testament" von Beethoven und Georg Büchners „Friede den Hütten, Krieg den Palästen". Die moderne soziale Dichtung ist durch Ernst Preczang (die schöne Ballade „Hans Jörg"), Heinrich Lersch (das Kriegsgedicht „Ein Kamerad"), Max Barthel („Der große Hammer"), Karl Brüger („Bekenntnis") vertreten. Karl Kraus Gedicht „Der Bauer, der Hund und der Soldat" spricht Beierle mit eindringlichster und einfachster sprachlicher Gestaltung. Eine seiner schönsten Platten ist Richard Beer-Hofmanns „Schlaflied für Mirjam", eine ganz verhalten«, lyrisch verklärte, rezitatorisch große Sprechleistung. Zu den ergreifendsten Platten zählt ein Brief von Rosa Luxemburg aus dem Gefängnis; sehr schön ist auch die Jack-London-Platte, die einen Brief von und einen Brief an London bringt, und die Platte mit den aufwühlenden letzten Briefen Saccos und Vanzettis. Kurt Tucholskys kluges, resigniertes Gedicht „Ehekrach" wird von drei Sprechern sehr plastisch und witzig gebracht. Nicht nur die Auswahl, auch die Zusammenstellung der Plattenhälften verrät Beierles literarisches Verständnis, feine künstlerische Kultur. „Mirjams Schlaflied" bildet mit Brahms „Wiegenlied" eine Einheit, der „18. März" und Heines „Weber" (auch dieses oft gesprochene Gedicht bringt Beierle ausgezeichnet) gehören ebenso geistig zusammen wie die Rede Gastespierres und die „Marseillaise". Herweghs „Partei" und die „Internationale"; zu Tucholskys „Ehekrach" wirkt Schuberts „Ständchen" wie ein boshaft- ironisches Widerspiel. Es sind aber fast alle Platten auch mit einer anderen Rückseite zu haben, so daß zum Beispiel jemand, der die „Heilige Allianz der Völker" erwerben will, aber die Rückseite, die „Internationale", bereits besitzt, diese Platte mit der „Sonate Pathetique" von Beethoven aus der Rückseite erwerben kann. Die Platten der Neuen Truppe können in der Arbeiterbewegung mannigfachste Verwendung finden. Über die Möglichkeiten der Schallplatte in der Arbeiterbildung müßten prinzipielle Untersuchungen angestellt werden. Zweifellos aber kann ein Bildungsvortrag über Beethoven durch die Musikplatten und durch die Platte „Heiligenstädter Testament" bereichert werden, kann die Gastespierre-Platte einen Vortrag über die Französische Revolutton, die Jack-London-Platte einen London-Abend verlebendigen, die Hugo-Platte machtvoller Abschluß einer Voltaire-Feier sein, In den Großstädten wird die Sprechplatte bei proletarischen Festen sich nicht so schnell durchsetzen, weil aus nicht immer stichhaltigen Ursachen der lebendige Sprecher vorgezogen wird. In der Provinz aber, die Not an ausübenden Künstlern hat, wird sie sich sicher bald ihren Platz erobern. Der große Rezitator Beierle wird mit seinen von echtem revolutionären Feuer erfüllten Vorträgen sozialistischer Lyrik einen guten Teil so manchen Festprogrammes bestreiten können, die musikalischen Platten der Neuen Truppe so mancher Feier Auftakt und Zwischenspiel geben. Es ließen sich aus dem bisher vorhandenen Material, das ja von Tag zu Tag ergänzt wird, ganze Abende zusammenstellen, die bei entsprechender Einleitung und Gliederung abwechslungsreich, lebendig, revolutionierend zu wirken vermögen. In dem kleinen Kofferapparat, in den Rillen der schwarzen runden Platten steckt eine ungeheure geistige Kraft. Man muß sie nur zu heben und richtig zu nützen verstehen. Die Patten der Neuen Truppe werden nun auch nach Österreich gelangen, der Anbeiterradiobund wird sie vertreiben und den Organisationen wohl auch beim Bau von Lautsprecheranlagen mit Rat und Hilfe zur Verfügung stehen. Auch das für unsere Feste und für die Arbeiterbildungsbewegung brauchbare Material der anderen Schallplattenfirmen soll herausgesucht und zusammengestellt werden. Der sozialistischen Bücherliste, der sozialistischen Filmliste wird die sozialistische Schallplattenliste folgen. Unsere Bildungszentrale wird analog der Lichtbildreihe eine Schallplattenleihe für alle proletarischen Organisationen errichten und abendfüllende Schallplattenprogramme zusammenstellen. Einzelnes mag noch Experimenten vorbehalten bleiben; es ist zum Beispiel fraglich, ob doppelseitige Platten, die den Text in zwei Teile zerschneiden, sich zur Vorführung bei Arbeiterfesten eignen, wenn nicht zwei Sprechapparate zur Verfügung stehen. Doch dies sind Details. Wichtig ist systematische Pionierarbeit aus dem Gebiet der Schallplatte, ist die Überwindung alter, überholter Vorurteile gegen das Grammophon, ist die Förderung eines jungen und bedeutungsvollen Unternehmens, wie der Neuen Truppe. Es gilt wieder einmal, dem Bürgertum eine geistige Waffe zu entwinden. Die Arbeiterschaft hat schon in vielen Kämpfen gezeigt, daß sie den künstlerischen und politischen Wert geistiger Waffen zu würdigen und sie sich zu erobern versteht; sie wird ihre Kraft auch im Fall der Schallplatte bewähren.