Die etwas ominöse AN-Serie auf RUSI wurde gelegentlich schon angeschnitten, da nun ein paar weitere Aufnahmen auftauchten, dazu mal ein gesonderter Eintrag. Rusi auf 20cm Platten war ja (bis auf wenige Aufnahmen der Deutschen Grammophon), ein Produkt der Lindström. Mehr dazu unter
Allerdings gibt es noch einen weiteren "Ausreißer": Mit der Matrizserie xx-AN tauchen einige Einspielungen unbekannter Herkunft auf. Bisher hier bekannt:
37AN Tanzorchester - Verzeih mir uns sei wieder gut (Schlager)
38AN Tanzorchester - Ich bin verrückt nach Hilde (Schlager)
Bei allen Einspielungen handelt es sich entweder um akustische Aufnahmen, oder, vom Klangbild her, um frühe elektrische Aufnahmen wie sie bei der Grammophon üblich waren - teilweise zeigen sie das typische "Grammophon-Pfeifen" gegen Ende der Aufnahme.
Ein Hörvergleich lässt stark vermuten, dass es sich bei den Schlager Aufnahmen um ein und das selbe Orchester handelt. Möglicherweise während einer Sitzung entstanden. Die Titelauswahl macht auch deutlich: Dieses Orchester, bzw. diese Serie, wurde in Deutschland aufgenommen.
Geht man etwas „detektivisch“ an die Platten heran, lassen sich noch einige Dinge feststellen, die vielleicht irgendwann zur Lösung beitragen könnten.
Technisches
Das typische „Grammophon-Pfeifen“ gegen Ende der Aufnahme wurde ja bereits angesprochen. Bei „Ist dein kleines Herz…“ hört man es gegen Ende auch deutlich. Bei allen weiteren Aufnahmen lässt es sich zumindest optisch in einem Spektrogramm belegen.
Anscheinend wurden die RUSI-Platten in mindestens zwei verschiedenen Presswerken hergestellt.
Die Bestellnummern mit dem Präfix R.O. (Rusi Odeon?) tragen auch das Lindström L. Da RUSI ja ein Produkt der Lindström war, werden diese Platten wohl dort gepresst worden sein. Bei jenen Platten die nur ein R als Präfix haben, fehlt das Lindström L. Auch ist hier die Bearbeitung um das Mittelloch (Puck) deutlich anders.
Labelvarianten
Ähnlich wie bei den 20cm Derby-Platten könnte hier neben der Lindström eben auch die Deutsche Grammophon als Presswerk beteiligt gewesen sein; vor allem da die Grammophon ja auch nachweislich Aufnahmen zu der RUSI-Serie beisteuerte.
(Aufnahmebuch Lindström)
Musikalisches
Das Orchester aus vermutlich tp/tp/tb/vln/cl-as/cl-ts/cl(?)-barsax/p/bj/tuba/dr hört sich nach allem anderen, nur nicht einer zusammengewürfelten Studioformation an. Die Auswahl der Titel lässt auf eine Entstehungszeit in der ersten Jahreshälfte 1929 schließen. Auffallend vor allem die ausgesprochen gute Solistik der Saxophone (inkl. Einem Baritonsaxophon-solo) und des Posaunisten. Im Gegensatz zu vielen anderen bekannten Orchestern tritt hier auch der Pianist immer wieder hervor. Auch die Satzführung des Violinisten fällt sehr positiv auf. Alls in allem scheint es sich um ein gut eingespieltes Ensemble zu handeln.
Der Vergleich mit Einspielungen anderer Orchester ist hier etwas schwierig; zum einen "verschleiert" die akustische Aufnahme etwas den Klangcharakter, zum anderen sind durch die kurze Spielzeit von nur gut 2 Minuten die Arrangements sehr "straff" gespielt - trotzdem bleibt Raum für kurze, individuelle Einwürfe und Solistik der Musiker.
Finden sich in euren Sammlungen weitere Exemplare aus der AN-Serie? Zur Komplettierung würden wir uns über Label-Bilder und / oder Überspielungen sehr freuen um die AN-Serie weiter vervollständigen zu können!
Durch Zufall befindet sich tatsächlich eine RUSI-Platte aus dieser Matrizenserie in meinem Besitz:
Ro3040 A / 30 AN I Erst sagen die "Ja", dann sagen sie "Nein" - Slow-Fox Mechan. Copt. 1929
Die Matrize ist im Wachs kopfstehend oberhalb des Etiketts erkennbar.
Es handelt sich tatsächlich um eine akustische Aufnahme, sie ist gekoppelt mit Ro 3040 B (ohne eigene Matriznummer im Wachs) Die Schlittschuhläufer - Walzer (elektrische Aufnahme OHNE Mechan. Copt.!)
Deine Aufnahme, mit der bisher "frühesten" Matriznummer, ist oben in der Liste mit drin. Bei anderen Aufnahmen für Rusi aus der Lindström Lq-Serie entstanden in einer Aufnahmesitzung teils über 15 Titel. Möglich also, dass die AN-Serie mindestens die Nummern AN30 - AN38 (und / oder mehr) umfasst.
Grüße
PS: Handelt es sich bei deiner Einspielung vom Orchesterklang um das gleiche Ensemble?
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Sind es denn auch akustische Aufnahmen? Auf alle Fälle sind diese AN-Aufnahmen in einer anderen (weiteren) Sitzung als die bisher bekannten entstanden. Sehr interessant! Finden sich noch weitere Buchstaben, Kürzel oder sonstige Zeichen im Spiegel oder unter dem Etikett?
Grüße
PS: Unabhängig von RUSI, sind euch auf Lindström oder Grammophon weitere Kürzel (mx) mit Zahl-Zahl-AN bekannt? Wurde diese Serie nur für RUSI vergeben, oder auch für andere Marken um 1928/30?
Bei oben aufgeführter Platte RUSI R 3004 handelt es sich im übrigen um Blasorchester-Aufnahmen. (Der Begriff Künstler-Orchester ist hier eher irreführend.)
Die Aufnahmen klingen eher akustisch; es könnte aber auch das erste elektrische Aufnahmeverfahren sein, das die Deutsche Grammophon angewendet hat - das ist schwer zu unterscheiden.
Zu den Aufnahmeverfahren der RUSI 3001 und 3010 - Platten bin ich zu folgenden Hörergebnissen gekommen: RUSI 3001 ist auf jeden Fall nach dem ersten elektrischen Verfahren aufgenommen (die Platte ist sehr gut erhalten und klingt sogar "schön"). Die Weihnachtsplatte RUSI 3010 könnte sogar nach dem neueren elektrischen Verfahren hergestellt worden sein. Das ist aber in diesem Falle recht schwer zu unterscheiden. Auch letzteres Exemplar wurde nur sehr selten gespielt und klingt ebenfalls erstaunlich gut.
Dank eurer Beiträge dürfte eines klar sein, unabhängig von der Serie Lq25 - Lq50 brachte die Grammophon wohl deutlich mehr Aufnahmen in das "Projekt RUSI" ein, als bisher bekannt! Es ist anzunehmen, dass die AN-Serie bei 1AN begann und (mindestens) bis 38AN ging. Klasse!
Herr Lotz bestätigte ebenfalls den Verdacht, dass diese Aufnahmen bei der Grammophon entstanden - und auch, dass neben akustischen Aufnahmen einige elektrische in der AN-Serie zu finden sind.
Ein weiteres Detail, dass die Grammophon bestätigt: I hinter der Matriz.Nr. als Aufnahmeort
Dieser Zusatz steht bei der Grammophon für die Hochschule für Musik, Charlottenburg. Der (Aufnahme) Techniker ist unbekannt.
Die späteste mir bekannte Matrize ist 46 AN I (R. O. 3033 b) Tanz-Orchester "Du, mit dir möcht' ich 'mal baden geh'n" (A. Profes/R. Gilbert) Copt 1929.
Die 27 AM I hat bereits den Zusatz "I" für das Studio in der Musikhochschule, wurde also bereits elektrisch aufgenommen.
Wobei ja interessant ist, dass es sich bei den Tanz-Orchester Aufnahmen ab 30 AN I bis 38 AN I eben um akustische Aufnahmen handelt (Hörbeispiele hier weiter oben). Ist denn die Matrize 46 AN I (Du, mit dir möcht' ich 'mal baden geh'n) akustisch oder elektrisch aufgenommen?
Die obigen Hörbeispiele klingen in derTat furchtbar, dennoch gehe ich von einem elektrischen Aufnahmeverfahren aus, denn, warum hätte man eine Trichterapparatur in die Hochschule für Musik schleppen sollen, wo bereit ein Mikrophon installiert war... Vermutlich sind es um Umschnitte, die mit einem Qualitätsverlust einhergingen. Denkbar wären vielleicht "akustische" Umschnitte? Was die 46 AN I angeht, so habe ich derzeit keinen Zugriff darauf.