Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Fonostalgie, So Jul 02 2017, 21:27
Eine sensationelle Ausstellung der wirklich allerersten Schallplatten der Welt ist derzeit bis Ende Oktober in der Teilbibliothek 3 (im Hofgarten) der Uni Eichstätt zu sehen. Es ist die weltgrößte Sammlung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten der Jahre 1890 bis 1893! Jedes der interessanten Stücke ist durch den Spezialisten Stephan Puille ausführlich kommentiert und einige Tonbeispiele sind zu hören. Wer bei seiner Reise in den Sommerurlaub werktags an Ingolstadt vorbeifährt, sollte einen Abstecher nach Eichstätt einplanen.
Übrigens: zum Freihand-Bestand gehören neben den Sammlerjournalen "Record Collector" und "Stimmen die um die Welt gingen" auch viele Jahrgänge der "Stimme seines Herrn" und Kopien unzähliger alter Schallplattenkataloge...
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Starkton, Di Jul 04 2017, 11:31
Hier kann man einen kleinen Film mit Interview des Sammlungsleiters über die Ausstellung sehen:
Link - Hier klickenRe:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
veritas, Sa Jul 08 2017, 09:04
Es ist wirklich schön, daß man sich an der Uni dafür interessiert. Das leider bei weitem nicht an allen solchen Bildungseinrichtungen der Fall.
Und dank der wissenschaftlich korrekten Expertisen ist diese kleine Ausstellung sicher mehr wert, als die in manchen großen Museum - falls man dort überhaupt sowas in der Auslage findet.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Starkton, Mi Aug 09 2017, 15:18
Ich war vor ein paar Tagen in Eichstätt und empfehle wirklich, die seltene Gelegenheit zu nutzen, diese weltweit einzigartige Sammlung, d.h. 30 Platten samt Hüllen (+ 1 Leerhülle), zu besichtigen.
Obwohl das Licht wegen der Empfindlichkeit der Hartgummischallplatten gedämpft ist, kann man eine Menge interessanter Details erkennen.
Seit ich vor fast 30 Jahren als Studienanfänger über diese Sammlung gelesen hatte ließ sie mich nicht mehr los. Es war deshalb ein großer Moment für mich die Platten jetzt auch im Original sehen und untersuchen zu dürfen.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
gramofan, Mi Aug 09 2017, 20:19
Gibt es einen Ausstellungskatalog?
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Starkton, Mi Aug 09 2017, 22:11
Nein, leider nicht. Wenn die Ausstellung im November wieder schließt verschwinden die Platten erneut im Archiv. Die Unisammlung wollte ihre Schätze ohne großen Aufwand einfach mal zeigen.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
bavariola, Sa Okt 07 2017, 00:43
Werte Mitglieder,
endlich, endlich habe ich es geschafft, die Ausstellung der Berliner-Platten in der Seminarbibliothek der Katholischen Universitaet in Eichsteatt zu besuchen. Bereits Ende Mai hatte ich davon durch eine einigermassen unscheinbare Meldung in unserer Lokalzeitung erfahren. Indessen waren es nicht etwa eine weite Anreise oder organisatorische Probleme, die einen Besuch der Ausstellung fast zu verhindern schien, sondern der unschoene Umstand, dass ich stets viel Arbeit und wenig Zeit habe. So musste ich immer wieder den Zeitungsartikel ebenso vor mir herschieben wie eine Fahrt nach Eichstaett. Vorige Woche habe ich dann aber doch eine Moeglichkeit gefunden.
Wir alle wissen wohl grundsaetzlich um diese fruehen Platten; wir haben davon gelesen, Abbildungen in der Literatur oder im Internet gefunden (nicht zuletzt bei uns im Forum) und im Internet vielleicht auch Tonbeispiele aufgestoebert. Aber die allerwenigsten von uns haben solche Schallplatten je in echt gesehen. Stimmts? Dazu bietet diese Ausstellung die allerbeste Gelegenheit. Dem Vernehmen nach gibt es weltweit keine zweite Sammlung, die Berliner-Platten dieser Zeit in diesem Umfang beinhaltet, und insbesondere ist wohl nirgends sonst auch nur eine einzige der alten Huellen bekannt. Hier aber hat man 30 Schallplatten und 31 Huellen.
Sie alle werden in der Ausstellung gezeigt, und zu jeder Platte hat Herr Stephan Puille aus Berlin (Hochschule fuer Technik und Wirtschaft) Beschreibungen verfasst. Ferner ist auf grossformatigen Texttafeln die Enteckung der Sammlung im Bischoeflichen Seminar im Jahre 1983 beschrieben, man erfaehrt in knapper Form das Noetige ueber Berliners Patent, und so ist die Patenschrift ebenfalls auf mehreren Tafeln vergroessert reproduziert. Weil diese Schallplatten mit bis zu 150 UpM abgespielt werden muessen, fiel die Aufgabe, Ueberspielungen auf Megnetband zu machen, seinerzeit dem Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt/Main zu. Ein paar Beispiele kann man vor Ort hoeren. Beilaeufig ist ein wenig Fachliteratur zu sehen, die uns Sammlern freilich mehr oder minder vertraut ist.
Ich gebe im Folgenden ein paar fotografische Beispiele dessen, was dort zu sehen ist (auch wenn der eine oder andere Vorredner bereits Fotos eingestellt hat; im Gegensatz zu ihnen habe ich vorwiegend auf Detailansichten Wert gelegt). Weil die Exponate im Sinne des Schutzes vor Licht (Licht ist Energie...) nur spaerlich beleuchtet sind, hatte ich als Fotograf einen schweren Stand - eigene Dummheit; ich haette es mir denken und ein Stativ mitnehmen koennen. So aber ergaben sich Probleme, die im Bereich von langen Belichtungszeiten und extrem geringer Tiefenschaerfe angesiedelt sind. Ich bitte dies bei der Beurteilung des einen oder anderen Bildes zu beruecksichtigen. Guter Ordnung halber weise ich noch einmal auf Herrn Stephan Puille aus Berlin als Urheber der abgelichteten Texte hin.
Ein Teil der Ausstellung: Beispiel Nr. 1: Platte, Schriftbereich in Nahaufnahme (ich verweigere mich dem Wort Label, zumal in dieser Fruehzeit), Huelle und Beschreibung:
Beispiel Nr. 2: Platte, Huelle, Beschreibung:
Diese Platte war beim Auffinden im Jahre 1983 noch jungfraeulich, was daran zu erkennen war, dass der auf der Rueckseite der Platte aufgeklebte Textzettel, der in diesem Falle relativ gross war und deshalb ueber das Mittelloch ging, noch unversehrt war. Dementsprechend ist das in der Ausstellung abhoerbare Tonbeispiel recht ordentlich.
Beispiel 3: Platte, Huelle, Beschreibung:
Zwei weitere Schallplatten: Auf der oberen (Nr. 102) ist das Markenzeichen der Firma
Grammophon-Fabrik Kaemmer & Co in Waltershausen (Thueringen) sehr deutlich zu erkennen, weil es offenbar mittels einer Art Schlagstempel in die Matrize gepaegt wurde (bei der weiter oben gezeigten Platte Nr. 161 ist das Markenzeichen in die Matrize graviert, die Linien sind feiner und weniger deutlich). Fa. Kaemmer und Reinhardt war aus einer Puppenfabrik hervorgegangen und stellte Grammohone und Schallplatten von 1889 bis 1893 in Lizenz her. Die untere Platte (Nr. 384) repraesentiert ein Beispiel fuer die erste, von Herrn Berliner selber entworfene Gestaltung des Schriftfeldes mit zwei recht grossformatigen Aetzstempeln.
Noch ein Wort zu den Klebezetteln: Sie befanden sich offenkundig jeweils sowohl auf der Huelle, als auch auf der Rueckseite der Platte. Die Papierfarben folgen einer Codierung wie folgt: Weiss = Instrumentalaufnahme; hellblau = deutsch; Lila (rosa) = französisch; rot = italienisch (nicht im Bild). Beide Klebezettel waren gleich. Aber es gibt ja bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme (in der Ausstellung wird darauf nicht explizit hingewiesen), und die ist hier zu sehen:
Fazit: Es ist eine
kleine Ausstellung, aber es ist fuer den ambitionierten Schallplattenfreund ein
grosses Thema. Ich habe ueber drei Stunden dort zugebracht. Einem jeden von uns sei der Besuch waermstens empfohlen. Allerdings ist Eile geboten: Die Ausstellung ist noch bis Ende Oktober 2017 geoeffnet, danach muss sie einer anderen Ausstellung weichen: Die Inkunabeln der Schallplatten-Herstellung geben den Raum frei fuer die Inkunabeln des Buchdrucks - Buch und Schallplatte: Das ist ja bekanntlich (seit es letztere gibt) eine gute Partnerschaft. Standort: Foyer der Staats- und Seminarbibliothek der Kathoischen Universitaet Eichstaett, Hofgarten, montags bis freitags von 8:30 Uhr bis 17:00 Uhr.
Beste Gruesse an alle! P.S.: Buch und Platte: Dieses Bild ist selbstredend nicht Bestandteil der Ausstellung, aber es ist vor dem eben geschilderten Hintergrund sehr sinnfaellig. (Quelle: Die Schallplatten-Fibel, Hrsg. Telefunkenplatte, Reher-Verlag Berlin SW 68, 1939).
Noch einmal: Beste Gruesse an alle!
Zur Beachtung: Ich habe bisher darauf verzichtet, meine Bilddateien mit einem Wasserzeichen zu schuetzen, denn dadurch werden sie in aesthetischer Hinsicht unansehnlich bis unbrauchbar, und ich wuerde auch weiterhin gerne so verfahren. Umso mehr bitte ich die werten Leser/Nutzer, sollten sie beabsichtigen, meine Bilddateien weiterzuverwenden (gleichgueltig ob gewerblich oder nicht), zuvor mit mir Ruecksprache zu nehmen (PN), zumal ich, sollte ich erstmalig meine Arbeiten an anderer Stelle (Dissertation, Chronik, Fachbuch oder was auch immer) wiederfinden, augenblicklich die unschoene Wasserzeichen-Methode verwenden oder - was wahrscheinlicher ist - meine Arbeit konsequent ganz einstellen wuerde, und das ginge dann zu Lasten aller. Ich bitte um Verstaendnis und Beachtung. Vielen Dank!Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Hedensö, Sa Okt 07 2017, 07:44
Ein toller Bericht! Herzlichen Dank dafür!
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Nostalphon, So Okt 08 2017, 16:33
Wirklich ein ganz toller Beitrag.
Auch ein Dankeschön von mir.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Limania, So Okt 08 2017, 18:57
Da kann man sich nur anschließen!
Vielen herzlichen Dank für diesen tollen Bericht!
LG Limania
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Starkton, Mo Okt 09 2017, 12:06
Ich freue mich, dass Dir die Ausstellung ebenfalls gefällt und Du Dir die Zeit für die ausführliche Rezension genommen hast. Ich befürchte, dass viele Jahre vergehen bis die Sammlung wieder gezeigt wird.
bavariola schrieb ...
Beispiel Nr. 1: Platte, Schriftbereich in Nahaufnahme (ich verweigere mich dem Wort Label, zumal in dieser Fruehzeit), Huelle und Beschreibung:
Ich verstehe den Widerwillen, aber wenn man "Label" nicht auf die Bedeutung als Papieretikett in der Plattenmitte beschränkt, sondern mit "Kennzeichnung eines Tonträgers" gleichsetzt, lässt sich diese Bezeichnung gut und richtig anwenden. Edison Diamond Discs zum Beispiel hatten bis 1920 auch kein Papierlabel.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Starkton, Mi Okt 18 2017, 15:47
Ausstellungsverlängerung bis Mitte Dezember.Gerade erfahre ich, dass die Ausstellung erst in der Woche vor Weihnachten abgebaut wird.
Re:
Einmalige Ausstellung von Emil Berliners Hartgummi-Schallplatten
Vogtländer, Sa Okt 21 2017, 13:45
Herzlichen Dank für die sehr ansprechende Rezension und Beschreibung der Ausstellung.
Für mich, angesiedelt im Vogtland/Sachsen, ist die Reise doch zu weit, aber durch den Beitrag von "Starkton" und vor allem der Beschreibung und Bebilderung durch "bavariola", kann ich mir ein einen recht guten Eindruck verschaffen.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie durch gekonnte Formulierung und sicheren Stil die Emotionen beim Lesen geweckt werden können.
Herzlichen Dank für den Beitrag.
Liebe Grüße aus dem herbstlich schönen Vogtland, Mario