„Japanisches Schrankgrammophon“.
PONOPHON, Mi Jul 18 2018, 19:12
HERSTELLER: Nicht bekannt
MODELL: Nicht bekannt
SERIENNUMMER: Nicht vorhanden
JAHR: ca. 1930
DAMALIGER PREIS: Nicht bekannt
GEHÄUSE: Kiefer massiv und Mahagoni-Sperrholz, dunkelrot lackiert, Japanische Malerei
PLATTENTELLER: Stahlblech 30cm
TRICHTER: Innenliegend, Stahlblech, Filz- und Gummi- gelagert
MOTOR: Paillard, Doppelfedermotor
SCHALLDOSE: Aluminium Membrane
INTERESSANTE DETAILS: Möglicherweise Einzelstück mit Ethno-Flair
Ich darf euch mein „Japanisches Schrankgrammophon“ vorstellen.
Gekauft habe ich es in Deutschland, es wurde aber sehr wahrscheinlich in Japan hergestellt und war vermutlich für den dortigen Markt bestimmt.
Zwar ist es recht einfach im Vergleich zu den hochwertigen, in USA oder Europa hergestellten asiatischen Schränken von Victor, G&T oder anderen Herstellern, wirkt aber dafür authentisch und entsprach sicher dem damaligen Volksgeschmack in Japan.
Weitgehend ist es aus Kiefernholz und Mahagoni Sperrholz gefertigt. Mahagoni ist auch in kleinen Teilen massiv versarbeitet. Kiefernholz war und ist in Japan ein weit-verbreitetes Bau- und Möbelholz.
Ganz offensichtlich handelt es sich um eine Handarbeit, wie sie in Japan, im Möbelbau, um 1930 durchaus üblich war. Vergleichbar wahrscheinlich mit unseren Bauernmöbeln bzw. ländlichen Weichholzmöbeln. Das Holz ist nur relativ grob gearbeitet, viele Bearbeitungsspuren sind noch zu erkennen. Die Tischlerarbeit wirkt auf uns heute fast wie "Kistentischlerei". Vergleicht man es aber mit Bildern Japanischer Antik-Möbel, passt es genau dazu. Der Dekor ist gekonnt, mit wenigen Strichen in Goldfarbe aufgemalt. Nach genauer Begutachtung, handelt es sich ganz sicher nicht um eine spätere Nachfertigung sondern stammt original aus der Zeit. Viele Details verraten, abgesehen von der Patina, eindeutig das Alter. Z. B. die Lagergummis des Motors und des Trichters, der Filz der unter dem Motorboard und beim Tonarm als Dämpfung dient, der Geruch, die alten, harzigen Fettspuren usw.
Motor Plattenteller und Beschläge stammen von Paillard, bei Tonarm und Schalldose kann ich es nicht sagen. Auch der Trichter dürfte ein Zukaufteil sein, der sieht professionell gefertigt aus, könnte aber ein Spengler mit etwas Routine auch so hinbekommen haben. An der Mechanik wurde jedenfalls nichts hineingebastelt, aus Teilen anderer Geräte. Die Kurbellänge stimmt genau zum Gehäuse und alles sieht sehr stimmig aus.
Leider Konnte ich den Schriftzug im Deckel noch nicht entziffern. Vielleicht gelingt es noch, interessant wäre es auf jeden Fall.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
alang, Mi Jul 18 2018, 21:33
Schoenes Geraet, das wuerde sich bei mir im Haus auch gut machen
Weisst Du ob die Stoffbespannung vor dem Trichter original oder von spaeter ist?
Vielen Dank fuers Vorstellen!
Andreas
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
PONOPHON, Do Jul 19 2018, 10:12
Es ist kein Stoff, sondern ein Drahtgeflecht, aus Zink-Draht. Ich denken nicht, dass es getauscht wurde. Es ist goldfarbig lackiert, was man durch das Blitzlicht nicht sehen kann.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
DGAG, Do Jul 19 2018, 11:21
Dieses Grammophon setzt in Design und knalligen Farben einen kräftigen Kontrast zu Deinen anderen Geräten. Ein echter Hingucker den man garantiert nicht übersieht.
Es ist sehr interessant der Frage nachzugehen ob es nach Machart, Verbindungstechniken, Design, eingesetzten Klebstoffen, Malerei und Werkzeugspuren tatsächlich in Japan selbst produziert worden sein könnte.
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass solche Grammophone als Ergebnis des Japonismus anzusehen sind, der bis in die 30er Jahre in Europa lebendig war und spezialisierte heimische Hersteller dazu brachte, im Stil der Japaner zu produzieren.
Die Inschrift würde hier vielleicht weiterhelfen, z.B. ob sie sinnhaft ist oder nicht. Ich kenne jemand den ich fragen könnte. Bin selbst schon sehr gespannt was da rauskommt. Sobald ich Näheres weiß gebe ich es hier bekannt.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
DGAG, Di Jul 24 2018, 10:09
Ich habe eine Japanerin zu den Schriftzeichen befragt. Sie sagte mir, dass es sich weder um japanische, chinesische noch koreanische Zeichen handelt. Diese "Schrift" hat offenbar rein dekorativen Charakter.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
Telraphon, Di Jul 24 2018, 15:13
Danke für die dreisprachige Überprüfung! :) Dies spräche ja gegen die Theorie der originalen Herkunft aus Japan... Ich hatte das Gerät damals bei Kleinanzeigen gesehen, war mir aber lediglich bewusst, dass es eben wie erwähnt keine koreanische Schrift sein kann, womit es für mich auch aus Stellplatzgründen eher uninteressant wurde.
Ein interessantes Gerät bleibt es aber trotzdem!
LG
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
PONOPHON, Di Jul 24 2018, 21:14
Danke Stephan für die „Übersetzung“! Ich habe mich mit den Japanischen, Chinesischen und auch Koreanischen Schriftzeichen im Internet beschäftigt. Gewisse Ähnlichkeiten waren auch erkennbar, aber kein einziges Zeichen war identifizierbar. Hoch interessant eigentlich, dass man eigene Zeichen erfunden hat. Vielleicht wurden sie von einem anderen „asiatischen“ Gegenstand abgemalt. Das spricht dann sicherlich für eine außerasiatische Herkunft, was ich aber nicht minder interessant finde! Das Grammophon freut mich sehr, weil es so ein ungewöhnlicher Farbtupfer zwischen den Eichen und Mahagoni Geräten ist. Ich möchte es nicht missen, zum Glück habe ich nach über 150 Stück immer noch ein Plätzchen wo ich was unterbringe.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
DGAG, Mi Jul 25 2018, 14:35
PONOPHON schrieb ...
zum Glück habe ich nach über 150 Stück immer noch ein Plätzchen wo ich was unterbringe.
Du hast eindeutig ein veritables Phonomuseum zuhause. Es gibt wohl größere Sammlungen, aber ich kenne in Qualität und Vielfalt nichts Vergleichbares in Deutschland.
Für ein Museum habe ich leider keinen Platz. Außerdem pflege ich einen anderen Sammlungsansatz: ich möchte alle Geräte in die Einrichtung integrieren und den Spagat schaffen, dass sie zum Hörplatz ausgerichtet sind und trotzdem genug Raum haben um wirken zu können. Momentan gefällt mir das Ergebnis überhaupt nicht!
Demnächst ist daher Möbelrücken angesagt, aber ich schaffe es nicht mehr als 5 Geräte im Wohnzimmer, dem einzigen Hör- und Schauraum meiner Wohnung, unterzubringen. Das ist eigentlich schon zu viel, weil Grammophone bzw. Phonographen ihre Wirkung am besten als Solitäre entfalten.
Meine (zumindest bei mir nicht umsetzbare) Idealvorstellung wäre, dass sie sich so verteilen, dass man immer nur eines im Blick hat und die Einrichtung daneben passend arrangiert. Das würde auch der ursprünglichen Aufstellung im damaligen Hörraum am ehesten entsprechen.
Re:
„Japanisches Schrankgrammophon“.
PONOPHON, Mi Jul 25 2018, 16:10
Mehr als 150 Stück klingt im ersten Moment viel. Wenn man mal darüber rechnet, relativiert sich das deutlich. Ich sammle seit 1981, also 37 Jahre, da komme ich im Schnitt auf abgerundet 4,1 Geräte pro Jahr. Das finde ich jetzt nicht so ungewöhnlich. Vom Platz her ist es so, dass ich am Land wohne und das Haus früher eine kleine Landwirtschaft beherbergte. Das heißt, dass ans Wohngebäude mit 2 Wohneinheiten auch noch ein Wirtschaftstrakt angeschlossen ist. Darin befindet sich u.a. meine Werkstatt. Der Dachboden über dem Wohngebäude ist z. T. ausgebaut und weiter ausbaufähig. In der Wohnung habe ich kein einziges Grammophon mehr, weil ich alles beisammen haben wollte. Mir fehlen aber die Geräte im direkten Wohnumfeld eigentlich sehr! Ob ich weiter ausbaue weiß ich noch nicht, die Wohnung im Erdgeschoss wurde letztes Jahr auch frei. Wie das oft so ist, schauen die Frauen eher darauf das Geld zusammen zu halten. Ich habe ihr den weiteren Dachbodenausbau schon als thermische Sanierung vorgeschlagen, aber sie hat mich durchschaut…