Dann erscheint ein fescher junger Mann, schwarzfarbig wie ein Zigeuner, mit lebenslustigen Augen die klug und energisch dreinblicken, und beginnt mir von den Seltsamkeiten zu erzählen, unter denen ein Schlager entsteht— "So war es auch bei meinem "Ich küsse ihre Hand Madam" Zuerst hieß es: "Madame ich küsse ihre Hand". Ralph Erwin vertonte es, spielte es mir vor, ich sagte ihm: "Die Musik gefällt mir nicht!" Er erwiderte: "Mir auch nicht!" Dann machten wir ein anderes Lied gemeinsam, an das erste haben wir gar nicht mehr gedacht. Erst nach zwei Monaten kommt eines Tages Erwin wieder zu mir und sagt: "Ich habe die Zeile jetzt anders vertont, wie du sie im Gespräch damals vorgeschlagen hast!" Ich höre – und bin entzückt. Er aber nicht! Er hielt noch immer nichts davon. Ich sage ihm: "Warte, du wirst sehen, das Lied wird gut!" Ließ ihn allein und arbeitete im Nebenzimmer und dann auch vor ihm den zu der Anfangszeile des Refrain passenden Text schnell aus, denn ich bin ja gewohnt nach der Musik den Text zu machen— So ist es mir auch bei meinem Schlager "Heut war ich bei der Frieda" gegangen. Da kam Jim Cowler, ein junger, ziemlich unbekannter Komponist, zu mir, der mich persönlich noch gar nicht kannte, und spielte mir die Musik vor. Dreiviertel Stunden später war der Text fertig. Ich arbeite am liebsten mit neuen, noch nicht von der Routine schablonierten Komponisten. Ich bevorzuge unsere deutschen Komponisten, die sicher mindestens ebensoviel Erfindungsgeist haben wie die amerikanischen, die heute in der Tanzmusik so erfolgreich sind—. —da rief mich eines Sonntags der Komponist Austin Egen an, der bekanntlich Autodidakt ist und nicht einmal nach Noten spielen kann, dabei aber eine Reihe von großen Schlagern geschrieben hat, und sagte zu mir: "Du, hast du vielleicht einen Text, ich habe eine Melodie im Ohr!" Er spielte sie mir telephonisch vor, darauf machte ich in einer halben Stunde einen fertigen Text zu den ersten paar Noten die ich gehört hatte, rief ihn wieder an und trug ihm das Gedicht telefonisch vor. Zehn Minuten später klingelte er mich an: "Ich hab die Musik schon fertig!" Nimmt sich ein Auto, bringt die fertige Musik mit! —Wann merken Sie nun, daß ein Lied eingeschlagen hat? Wie lange dauert es, bis sich der Erfolg zeigt? "Es gibt wohl keine Regel, aber im allgemeinen dauert es ungefähr einen Monat. Auch der Rundfunk trägt heute sehr schnell zur Popularisierung eines Liedes bei. — "Was war bisher Ihr größter Erfolg?" "Außer der "Frieda" das Lied "Was macht der Meyer am Himalaja". Weiter:"Man schenkt sich Rosen, wenn man verliebt ist." "Wie spielt sich der Verlag eines Schlagers ab?" "Das ist auch immer verschieden. "Ich küsse Ihre Hand Madame" ist folgendermaßen zum Verlag gekommen: Eines Tages saß ich in einer Bar, da kam der Verleger Karl Brüll zufällig zur Tür herein und fragte mich "Na, was gibt es Neues, Rotter?" Da erzählte ich ihm von der Entstehung dieses Liedes. Er sagte: "Das müssen Sie mir sofort vorspielen, ich brauche gerade wieder einen Schlager." Er schleppte mich nebenan in ein Lokal, wo hinten ein Klavier in einem Separatzimmer stand, und ich mußte es ihm sofort vorspielen. Er war begeistert und gab mir einen Vorschuß â€“ Rotter zögert, ich warte auf die Angabe der Summe. Warte vergeblich. Ich bin doch nicht von der Steuer, warum zögert er? "Raus mit der Farbe, wieviel hat er Vorschuß gegeben?" "Vierhundert Mark. Aber inzwischen hat mir das Lied noch ganz andere Summen getragen." —Sie hat ein allerliebstes, feines, kleines Händchen, ich sehe es bewundert an. Da sagt der Gatte: "Auf dieses Händchen, Doktor, habe ich den Text gemacht: "Ich küsse ihre Hand!" "Was, auf die Hand der eigenen Gattin?! Das ist eine noch größere Seltenheit wie dieser Erfolg!" Und nun geht er zur choreographischen Darstellung der zweiten Hälfte des Refrains über, in der es heißt: "Küß ich nur ihren roten Mund—" Er demonstriert es mir lachend. "Ich muß meinem Frauchen ja dankbar sein, sie hat so einen guten Blick für alles. Wenn ihr was nicht gefällt, wird es kein Schlager!" Auszugsweise: Scherls Magazin, Januar 1929 |
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