Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Formiggini, So Jun 17 2012, 17:04
Palais de Danse
Abends im Berliner Palais de Danse. Die tschechische Tänzerin wird zusehends munterer – sie geht auf, als ob man sie in warmes Wasser getaucht hätte. Es ist aber auch zu schön ... !
Der Saal erstrahlt im Stil Ludwigs des Kitschigen; dass die Kellner auf dem Bauch keine Ornamente tragen, ist ein Wunder. Vorn an der Tür steht: EINTRITT NUR IN GESELLSCHAFTSTOILETTE – aber kann man im Sakko nicht auch in Gesellschaft gehen? Wir sind immer fein, wa? Ob wir fein sind!
Die Kapelle hebt an. Es ist die beste Tanzkapelle Berlins (lieber S. J., morgen wird im »Berliner Revolverfutteral« stehen: »Wie Kommunisten Inserate ködern!«) – die kleine runde Badewanne, in der getanzt wird, ist einen Augenblick leer, das Parkett glänzt ... Mensch, diss Parkett hat was jesehn ... ! Und dann tanzt ein Paar.
Eine so aufmerksame Zuhörerschaft kann kein Parlamentarier haben, wie diese beiden. Sie: ganz nett – so von dem Typus: » ... aber sie hat hübsche Augen!« – und Er: ein lockengekräuselter, gebückter Strumpfwarenverkäufer. Er ist aber Berufstänzer. Sie tanzen gut, ohne dass es gut aussieht. Wippen auf dem Platz, ein paar lustige Schritte. Ungeheurer Applaus.
Und wieder hebt die Kapelle an, und das Volk stürzt sich in die Arena. Die feinsten und die ältesten Damen Berlins. Woher die nur alle das Geld haben? Eine trägt einen wundervollen Pelz. Sicherlich echtes Reptil. Einer wogt vor Erregung der Busen. Soweit der kleine Vorrat reicht. Und los gehts.
Es wird unruhig, unruhig unter den Tänzern, unruhig im Publikum. Ich äuge – da tanzt ein mittelgroßer, fetter Mann in einem wundervollen Kaiserwilhelmgedächtnisgehrock – nein, da tanzt Gollnow. Der Mann legt einen Polka hin, dass alles schlicht begeistert ist. Er tanzt etwas, das es überhaupt nicht mehr gibt, etwas, das es wahrscheinlich nur in der Tanzstunde bei Petersen in Gollnow gegeben hat. So, mit Touren und Alleinrumdrehen und Pirouettieren, und jetzt – wahrhaftig! –, jetzt kniet sich der Fettbauch vor der Dame mitten im Tanz hin und jetzt wieder – und wieder. Der Saal erbraust. Und während wir uns noch freuen, steigt – du mein Preußen! – steigt ernsten Gesichtes der Stallmeister des Vergnügens in die Manege und verbietet dem Mann solche Kokolores. Der fügt sich und wedelt weiter in einem unmöglichen Polka dahin. Eins, zwei – eins, zwei – eins, zwei, drei, vier ... Schade. Es war eine Fächerpalme aus Papier.
Und die Jünglinge reißen die Nasenlöcher auf und schlenkern und schieben und hopsen und gleiten – je nach Bedarf. Und die Damen sind ganz in sich versunkene Lieder in Laub ... Und der Takt zuckt. Oben, an der Spitze des Bogens von dem Geigisten, hängen die Herzen. Und er zieht sie.
Um Punkt soundsoviel Uhr packen die Verursacher des Bachanals, die göttlichen Musiker, ihr Handwerkszeug zusammen. Denn alles ist in Berlin organisiert: die Musiker, die Kellner, die Lokale und die Lust.
Und wir gehen. Was war das? Es wurde getanzt, und einer dachte immer vom andern, der sei ein interessantes Bild, und schließlich waren sie wirklich alle zusammen eines. Na ... interessant ... Sie sind alle mit Spreewasser getauft: die Musiker, die Weine, die Manager und die Lust.
Peter Panter
Die Weltbühne, 27.01.1921, Nr. 4, S. 116.Palais de Danse Berlin, Behrenstraße 53/54, eröffnet 1910 mit Ladislaus Löwenthal als Kapellmeister.
Ab 1911 spielt hier der deutsche "Ragtime König" Giorgi Vintilescu die modernsten Schlager und Stücke, auch aus den USA.
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
snookerbee, Sa Sep 01 2012, 01:51
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
berauscht, Mi Nov 07 2012, 13:48
Hier gibt sich dieses Etablissement ganz unbescheiden. "Die eleganteste Tanzstätte der Welt".
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
berauscht, Mo Feb 18 2013, 18:10
In dreißiger Jahren war das Etablissement nicht mehr ganz so fein. Unter dem neuen Namen
Atlantis setzte man mehr auf die breite Masse (2350 Plätze).
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Musikmeister, Sa Feb 01 2014, 22:13
Grammophonteam schrieb ...
Orchester Bernard Etté im Pavillon Mascotte, Berlin
Inhalt, Bild oder Datei nur fuer angemeldete Mitglieder
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Formiggini, Sa Aug 23 2014, 11:15
Das
Palais de Danse gehörte zum/war Teil des Metropol Palast.
1912
1913
Bereits einen Tag nach der britische Kriegserklärung vom 4. August 1914 wurde dem
Palais de Danse sein Name "genommen".
5. August 1914
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Musikmeister, Sa Aug 23 2014, 19:22
Sehr schöne Infos. Vielen Dank!
Das Palais de Danse und der Pavillon Mascotte (eigentlich ein Weinlokal) lagen im 1.Stock. Das Cabaret im Erdgeschoss.
Das von mir bereits weiter oben gezeigte Foyer des Pavillon Mascotte mit der Baumimitation befand sich im 1.Stock.
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Musikmeister, So Aug 24 2014, 19:08
Der
Metropol-Palast wurde von 1928-1930 in
Alkazar umbenannt und nach einer grundlegenden Sanierung 1934 ging man ins
Atlantis.
Zur Eröffnung am 30.09.1934 spielten die Orchester James Kok und Billy Bartholomew.
Im Erdgeschoss wurde aus dem Cabaret das
Theater in der Behrenstrasse.
Der
Metropol-Palast wurde im 2.WK stark beschädigt, wie folgendes Bild aus 1947 mit dem
Metropol-Theater im Vordergrund zeigt. Wir schauen genau in das ehemalige
Pavillon Mascotte im nun zerstörten 1.Stock.
Heute steht ungefähr auf dem Gelände des Metropol-Palastes das Hotel Westin Grand Berlin.
Notenbücher mit moderner Musik aus dem Jahre 1913
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Musikmeister, So Aug 24 2014, 21:57
Reunion im Metropol-Palast, März 1913
Vor dem 1.Weltkrieg gab es einige Kapellmeister im
Metropol-Palast (
Palais de Danse und
Pavillon Mascotte), u.a. die von Grammophon-Schallplatten bekannten
Giorgi Vintilescu (
Link - Hier klicken ),
Josef Birnbaum und den Kapellmeister
Loewenthal.
Die Sensation Berlins, März 1912
Mai 1917
Juni 1918
Hier noch ein Programmheft des
Theaters in der Behrenstrasse (im Erdgeschoss des ehemaligen
Metropol-Palastes) aus der Zeit Anfang der 1940er Jahre, u.a. mit dem ebenfalls von Schallplatte und Film bekannten
Rudolf Platte.
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Formiggini, Do Feb 05 2015, 22:26
Pavillon Mascotte
Die Eröffnung des
Metropol-Palast mit dem Ballsaal
Palais de Danse und dem Restaurant
Pavillon Mascotte erfolgte zum 20. und 21. Dezember 1910.
Sowohl
Palais de Danse, wie auch
Pavillon Mascotte hatten einen Bühnenstand für Orchester. Im
Palais de Danse befand sich dieser auf einer Empore:
Im Restaurant Pavillon Mascotte (mit gehobener Weinkarte) war dieser ebenerdig. Hinter dem Orchester war ein großer Spiegel angebracht, vor dem der Flügel stand. Der reich verzierte Balkon wurde links und rechts von zwei großen Leuchtern begrenzt.
In der Mitte des Raumes befand sich ein Springbrunnen. Weitere Flächen für Gäste boten die Emporen. Zunächst wurde hier nur gespeist. Das Orchester spielte zur Untermalung. Lediglich bei Bällen und besonderen Anlässen wurde die Fläche zum tanzen frei gemacht. Erst ab Mitte der zwanziger Jahre gab es regelmäßige
5-Uhr-Tees als Tanzveranstaltung im Pavillon Mascotte. Nun waren die Tische um eine freie Fläche angeordnet. Viele Jahre galt das
Pavillon Mascotte als eines der teuersten Lokale mit der besten Weinkarte von Berlin.
Orchester Ette im Mascotte - c.1925 Das Restaurant war durch einen Übergang mit dem Ballsaal
Palais de Danse verbunden. Vermutlich wechselten sich Orchester in beiden Räumen ab. Auch wenn im
Pavillon Mascotte eher selten getanzt wurde, legte man immer großen Wert auf erstklassige Orchester.
1912 engagierte man die
"berühmteste Ungarische Zigeuner-Kapelle der Welt BERKES BELA Hofkapellmeister seiner Majestät Kaiser Franz Josef!" (Mehr zu diesem Orchester:
Link - Hier klicken )
Möglicherweise wurde das
Mascotte mit Ausbruch des ersten Weltkrieg geschlossen. Jedenfalls fand ich zwischen Ende 1914 und Herbst 1916 keinerlei Anzeigen des Lokals im Metropol-Palast.
Im September 1916 wurde das Restaurant neu eröffnet. Umbenannt in
Metropol - Casino (früher Mascotte) spielte hier die Kapelle Stern (mehr zu diesem Orchester
Link - Hier klicken ) mindestens bis 1918.
Juni 1918
Nach Ende des Kriegs erfolgt wieder die Umbenennung zu
Mascotte. Im Sommer 1919 bereist ein englischer Journalist Berlin und berichtet in Zeitungen über das Berliner Nachtleben. Dem
Pavillon Mascotte räumt er in einem Artikel größeren Raum ein:
Es sei das teuerste Lokal außerhalb von New York, der Prunk - aber auch der Spaß der einem hier geboten wird, sei unübertrefflich. Das Essen (für direkte Nachkriegszeit) fast verschwenderisch luxuriös, der Maître (Oberkellner) arbeitete zuvor im Waldorf in New York. Für zwei Personen bezahlte man für das Essen 13.-£ - mehr als der Monatslohn eines Arbeiters! Die Kapelle (im Restaurant) spielte englische und amerikanische Schlager und Tanzmusik. Nach dem Essen ging man durch die "Mitternachts Grotte" (Midnight Groto?) in den Ballsaal Palais de Danse. Hier gab es Tango, Foxtrott und Shimmy.
Der Artikel endet mit dem Vermerk, das wohl auch mit Falschgeld bezahlt und gespielt wird. Dies interessiere nur niemanden...
Ab Anfang 1922 finden sich in zeitgenössischen Artikeln Hinweise auf
Jazzbands im Mascotte. Laut Etikett spielte hier um 1921/22 das Orchester von Max de Groot.
1924 spielte auch Efim Schachmeister in dem Restaurant.
Leider nennen Zeitungsartikel der Zeit selten Orchester oder die die Namen der Musiker. Es lässt sich somit heute kaum noch nachvollziehen, ob und wann welches Orchester hier spielte. Sicher ist: Bedingt durch die direkte Nähe vom
Palais de Danse zum
Pavillon Mascotte kommt quasi jedes erwähnte Orchester unter dem einen oder anderen Lokal in Frage.
Erst im Oktober 1923 begann der Rundfunk in Deutschland - bereits im Dezember 1924 gab es auch
Live-Übertragungen von Tanzmusik aus dem Mascotte. Schachmeister?
Legendär waren damals auch die regelmäßigen Bälle im Mascotte. Dieser Artikel vom Januar 1925 gibt einen recht illusteren Einblick, wie es Nachts um vier hier zugehen konnte...
Wohl um 1925/26 entstand auch dieses Photo einer (bis jetzt) noch unbekannten Kapelle im Mascotte. Veröffentlicht jedoch erst 1932 auf einer
Mirola Bildplatte Auch das Orchester von Bernard Etté spielte 1925 auf einer der Bälle im Mascotte. Möglicherweise entsandt zu diesem oder einem ähnlichen Anlass oben gesehenes Photo der Kapelle.
Das teuer (zahlende) Publikum wendet sich zunehmend anderen Vergnügungsstätten zu. Es ist nicht mehr die Welt von 1910 aus der Kaiserzeit. Man öffnet sich sogar so
profanen Vergnügungen wie "Tanztees". Dies jedoch meist mit ausgesucht guten Tanzkapellen.
Im März 1927 spielen im Metropol-Palast mit dem
Palais de Danse und dem
Pavillon Mascotte eine Auswahl von Orchestern, die noch heute manchem den Mund wässrig machen könnten...
* Don Parker und seine Piccadilly-Hotel Band (London)
*James Kok Band
* The Abriani - Orchestra Alle diese Orchester nutzen nichts, kurz danach wird der
Metropol-Palast aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten geschlossen. Im Oktober 1927 eröffnet die Vergnügungsstätte wieder. Neuer Besitzer ist Josef König. Dieser brachte bereits um 1912 im Kerkau-Palast "Mr. Maseltop" nach Berlin:
Link - Hier klickenKaum eröffnet, ist die Spielstätte im Januar 1928 bereits wieder insolvent.
Mehrere Monate bleibt die Adresse geschlossen. Erst im September 1928 wird der Vergnügungstempel wieder eröffnet. Allerdings nutzt man unter dem neuen Betreiber nicht mehr den alten Namen. Der
Metropol-Palast ist Geschichte. Ab dem 1.September ist es nun das
ALKAZAR in der Behrenstr. 53/54.
31.12.1928
1930 schloss auch dieses. Ab 1934 dann als
Atlantis.
Ein letzter Versuch unter altem Namen - der Glanz war aber nur noch Fassade...
Wiedereröffnung Palais de Danse(Oktober 1930)
Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
GrammophonTeam, Fr Jul 15 2016, 18:21
(1912) Re:
Palais de Danse - Pavillon Mascotte - Metropol Palast
Grammo-Klaus, Di Feb 02 2021, 14:04
Hmm, ich hätte jetzt keine Verbindung zwischen dem Palais de Danse und dem Pavillon Mascotte gesehen. Interessanter Fakt. Wieder was dazugelernt.
Beide Etablissements hatten ihren Reiz gehabt, wenn man mal die Bilder auf sich wirken lässt.