Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, So Nov 15 2015, 12:02

Mit der Frage ist nun nicht die Herstellung der eigentlichen Schellackplatte gemeint, sondern der gesamte Prozess davor, also die Erstellung der Preßmatrize mit all den Zwischenschritten.

Zu Anfang hat man wohl von der Wachsmatrize direkt die Preßmatrize erstellt, was natürlich dazu führte, daß jede weitere erstellte Preßmatrize eine etwas schlechtere Qualität hatte, denn die Wachsmatrize nutzt sich jedesmal etwas ab. Auch konnte es passieren, daß die Wachsmatrize bei diesem Vorgang zerbrach.

In dem Buch "Caruso - Eine Biographie", von Pietro Gargano und Gianni Cesarini, wird hiervon berichtet:

Man ergriff die Gelegenheit (Anmerk.: 30. November 1902), die Arien "Dai campi, dai prati" und "Celeste Aida" zu wiederholen, deren Originalmatrizen zerbrochen waren: Das Dublizieren von Matrizen wurde in Europa erst im Winter 1902/03 eingeführt.


Nun ist es ja so, daß irgendwann das "Negativ-Positiv-Negativ"-Verfahren eingeführt wurde, bei dem auf galvanischem Wege zunächst von der Wachsmatrize ein Negativ, hiervon ein Positiv und davon wiederum mehrere Negative, die eigentlichen Preßmatrizen, hergestellt wurden. Dieses Verfahren wurde dann irgendwann das "Vater-Mutter-Söhne"-Verfahren genannt.

Die Frage ist nun, ab wann dieses Verfahren eingeführt wurde. In dem RCA-Victor Film, von Anfang der 1940er Jahre, wird es so dargestellt, daß auch schon zu Zeiten Carusos der Herstellungsprozess so ablief. Caruso hat von 1905 bis 1920 für die Victor Platten aufgenommen. Das "Vater-Mutter-Söhne"-Verfahren muß also während dieser Zeit bereits angewandt worden sein.

Hier wäre es sehr interessant, zu erfahren, ob es auch noch andere Verfahren, als das Galvanische, gegeben hat und wie diese funktioniert haben.

Nur eine Bitte habe ich: Falls lediglich englischsprachige Texte vorliegen, wäre es sehr hilfreich, diese ins Deutsche zu übersetzen. Ich bin bei weitem nicht der einzige, der seine große Mühe damit hat, englische technische Texte zu verstehen. Und es sollte ja im Sinne des Schreibers sein, daß möglichst alle diese Dinge verstehen können.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 15 2015, 15:04

Der Herstellungsprozess änderte sich im Laufe der Jahre / Jahrzehnte. Etwas vereinfacht:

Ab 1888
(Die ganz frühen Prozesse von Berliner außen vor gelassen)





Ab Mai 1900




Bis c. 1920?




Ab den 1920ern



In den / Ab denn 1930ern



Ich hoffe, ich habe jetzt nichts grundlegend durcheinander gebracht...




Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, So Nov 15 2015, 15:53

Wie in einem Filmbeitrag zu sehen war, benutzte man wohl noch 1948 Wachsplatten. Die Lackfolien kamen erst später.

Es kamen wohl auch unterschiedliche Wachsmaster zum Einsatz. Einmal etwa 3cm dicke Wachsplatten, aber auch, wie es in dem Victor-Film zu sehen ist, mit einer Wachsschicht beschichtete Metallplatten - nicht zu verwechseln mit den Zinkplatten von vor 1900, die ja lediglich mit einer hauchdünnen Wachsschicht bedeckt waren.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 15 2015, 16:03

Du kannst nicht von einem Film auf alle Firmen und Situationen schließen

Bei anderen Firmen wurden schon 1937 Folien verwendet.

Grüße

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, So Nov 15 2015, 19:50


Ist denn auch bekannt, wieviele Firmen bereits in Folie geschnitten haben? Bei der Victor haben sie offenbar noch Anfang der 1940er Jahre in Wachs geschnitten.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 15 2015, 21:02

Ab den späteren 1930er Jahren kamen auch Folien zum Einsatz. Es wurde aber wohl längere Zeit beides parallel verwendet. Sowohl für den Victor-Werbefilm, wie auch andere, ähnliche Filme und/oder Photoreportagen muss man immer im Hinterkopf behalten: Es ist eine Momentaufnahme!

Wenn in einem Victorfilm "nur" eine Wachsplatte zu sehen ist, bedeutet dies ja noch lange nicht, dass sie nicht auch andere Verfahren verwendet hat. Es sind Werbefilme mit relativ geringer, historischer Beweiskraft.

Generell: Wenn irgendwo (ob nun hier auch wo anders) Jahreszahlen, Daten usw. angegeben sind, bedeutet dies einfach, dass (ungefähr) zu diesem Zeitpunkt erstmals etwas neues eingeführt wurde / erschien / erfunden wurde usw. Natürlich liefen alte und neue Prozesse oft lange Zeit auch parallel.

In diesem Film über die (gesamte) Herstellung von Schallplatten bei der Columbia (Europa) 1928 sieht man ab c. 9:00 Min auch die Wege der Wachsmatrize:



Grüße

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, So Nov 15 2015, 22:03

Dieser Film ist ca. 20 Jahre jünger, aber die Herstellung der Wachplatte hat sich nicht großartig verändert: Link - Hier klicken

Es wäre jetzt interessant, zu wissen, wieviele Plattenfirmen damals schon Lackfolien benutzt haben. In dem Buch "Tonaufzeichnung analog" von Bernhard Krieg steht:

ab 1948
Ablösung des Wachses bei der Aufnahme durch mit Nitrozelluloselack überzogene Aluminiumscheiben, den "Folien".


Von daher müßte man doch annehmen, daß zwar schon vorher solche "Folien" benutzt worden sind, in der Hauptsache aber wohl doch noch in Wachs geschnitten wurde.

Wenn das Schneiden in eine Folie seinerzeit bessere Resultate gebracht hätte, als das Schneiden in Wachs, so hätte sich dieses Verfahren doch sicherlich recht schnell durchgesetzt. Oder kann es sein, daß sich hier wieder irgendwelche Patente hindernd bemerkbar gemacht haben?

Oder könnte es sein, daß diese Folien für die damaligen Schneidstichel zu hart waren und deshalb bessere Resultate bei Wachsplatten erzielt wurden? Das Wachs wurde ja vom Schneiden angewärmt. Gab es damals schon beheizte Schneidstichel, die ja für das Schneiden in Folie nötig wären?

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 15 2015, 22:16

Die Aufnahme auf Wachs dürfte noch viele Jahre üblich gewesen sein - alleine schon deswegen, weil (zumindest die größeren) Fabriken darauf eingerichtet waren und dafür eigenständige Produktionsabläufe hatten.

Wann bei welcher Firma denn nun tatsächlich umgestellt wurde - dafür müsste man an die (soweit noch vorhandenen) Firmenunterlagen als Primärquellen kommen und diese auswerten. Technisch war es seit den 1930er Jahren möglich und wurde auch angewendet.

Grüße

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
berauscht, So Nov 15 2015, 23:10

Schon 1931 wurden Aufnahmeschallplatten für die Galvanisierung genutzt.
Link - Hier klicken

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 15 2015, 23:30

Zumindest mein persönlicher Eindruck, auch in Bezug auf den verlinkten Tilophon-Artikel:

"Kleinere" Firmen / Aufnahmestudios nutzten Folien, die eventuell auch fertig zu beziehen waren. Dies gilt auch für Firmen wie "Variety" aus dem verlinkten Video von 1937 mit Ellington im Studio. "Variety" war nur ein Aufnahmestudio - keine Fabrik! Es gab hinter diesen Studios schlicht keine eigene Produktion von (hochwertigen) Aufnahmematrizen aus Wachs.

Größere Firmen, mit eigener Produktion, nutzten wesentlich länger Wachsmatrizen. Ihnen stand die eigene Produktion "im Haus" zur Verfügung. Also weniger ein technischer, als viel mehr ein wirtschaftlicher Hintergrund.

Grüße

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, Mo Nov 16 2015, 14:06

Sehr interessanter Artikel. Irgendwie hatte ich den übersehen.

Es wird dort aber auch geschrieben, daß das Schneiden in eine solche Folie einige Tücken besaß. Vor allem nutzte sich der Schneidesaphir schneller ab, als beim Schneiden in Wachs oder konnte sogar abbrechen.

Was die Tonqualität betrifft, so macht mich folgende Aussage doch etwas stutzig:

Da nicht, wie bei anderen Verfahren, die Rille eingedrückt oder ausgekratzt, sondern tatsächlich so rein geschnitten wird, wie das Schneidmesser auf einer Präzisionsdrehbank ein Gewinde schneidet, ist das Nadelgeräusch der Tilophanplatten nicht größer als das einer erstklassigen gepreßten Schellackplatte.


Daraus müßte man doch schließen können, daß die Tonqualität einer Wachsplatte besser ist, denn diese ist besser, als die einer Schellackplatte.

Es scheint wohl in der Tat, wie Formiggini es ja auch schon geschrieben hat, eine Frage des Preises gewesen zu sein. Große Plattenfirmen konnten sich das Schneiden in Wachs leisten, während kleine Firmen, die lediglich Aufnahmen machten, ohne diesen ganzen Herstellungsapparat im Rücken zu haben, auf die Folien zurückgegriffen haben, einfach, weil es für sie günstiger war.

Vor allem boten diese Folien ja wohl auch die Möglichkeit der sofortigen Kontrolle der Aufnahme, was bei Wachsplatten nicht möglich ist. Zudem konnten ja auch mehrere "Väter" galvanisch erstellt werden, falls hierbei ein Fehler unterlief. Das macht dann auch eine weitere Aufnahme überflüssig, die ja ebenfalls mit weiteren Kosten verbunden gewesen wäre.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
berauscht, Mo Nov 16 2015, 17:22

Willi-H-411 schrieb ...

Daraus müßte man doch schließen können, daß die Tonqualität einer Wachsplatte besser ist, denn diese ist besser, als die einer Schellackplatte.


Ich glaube Du darfst das nicht so genau nehmen. Der Artikel wendet sich ja nicht unbedingt an Berufs-Aufnahmetechniker. Ein Amateur, Händler oder Journalist hätte ja gar nichts damit anzufangen gewusst, wenn im Vergleich von einer Wachsplatte gesprochen worden wäre. Eine erstklassige Schellackplatte hatte hingegen aber jeder schon gehört und konnte die Qualität so ungefähr einordnen.

Die Firma verwendete aber für hochwertige Aufnahmen selber auch Wachsplatten

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Mi Nov 18 2015, 01:51

Das Standardwerk über Schallaufnahmetechnik und Schallplattenherstellung Stand 1935 ist H. Courtney Bryson: The Gramophone Record, London: Ernest Benn Limited 1935. 286 Seiten reine Technik auf englisch. Das Buch ist selten, weil die Auflage schon 1942 im Blitz vernichtet wurde. Bryson war einige Zeit mit Columbia Graphophone verbunden und schreibt auch viel über Laminierte Platten. Ich möchte gern Kapitel 6 "Matrizenherstellung" Seiten 112-149 vollständig übersetzen, aber es ist zu viel.

Dort wird man aber mehrere Fakten wahr, die auch hier im Forum besprochen wurden, und wo ich mehr an Bryson glaube.

Beispielsweise schreibt er S. 130: "Das Wachs mit seiner Schicht aus Kupfer wird dann vom Bad entfernt und gespült, und das Metallniederschlag wird geschickt vom Hand mittels eines stumpfen Schabers getrennt. Grosse Schicklichkeit ist für diese Operation nötig um zu vermeiden, den 'copper shell' oder 'master', wie es jetzt benannt wird, zu beschädigen. Es ist im allgemeinen unmöglich eine zweite Kupfermatrize [lies: Vater] herzustellen, weil einige der Hervorsprünge im Wachs während der Trennung abreissen. Das Wachs wird daher zurück zu der Wachspolier-Abteilung gegeben um eine neue Oberfläche zu bekommen. Die Oberfläche der Kupfermatrize, die sich am nächsten zu dem Wachs befand wird von allem Wachs mittels eines Lösungsmittels gereinigt, und [Seite 131] dann mit Ethyl-Alkohol gewaschen und mitunter mit einer Ätznatron-Lösung."

Es geben somit zwei Aussagen, dass man unmöglich von einem und demselben Wachs mehrere Väter bekommen kann: 1) Ausreissungen im Wachs und 2) man muss Wachsreste mit Lösungsmittel entfernen, und die müssten doch in der Wachsoberfläche fehlen. Hier im Forum wurde einmal behauptet, dass man mehrere Kupfermatrizen in der frühen akustischen Periode von einem Wachs bekommen könnte. Entweder waren die damals viel geschickter, oder das Wachs war härter (dies war zwar eine Tatsache) und vielleicht dadurch auch zäher. Es könnte auch sein, dass der Graphit (mitunter mit Kupferpulver gemischt) dicker aufgelegt wurde, aber das würde eine rauhe Rillenoberfläche geben und dazu die Höhen beeinträchtigen.


Bezüglich einer Trennschicht: die werden auf Seiten 132-134 behandelt und waren für Kupfer-Kupfer und Kupfer-Nickel unterschiedlich. Für Kupfer-Kupfer wurde einen zweistufigen Prozess verwendet: erstens wurde Silber mittels Silbernitrat als hauchdünnen Belag geschafft, und danach wurde mittels Kaliumiodid Silberiodid geschafft, welches elektrisch leitend war und "spröde" und damit trennbar. Für Kupfer-Nickel wurde Ammoniumbichromat verwendet.

Bryson gibt auch an, dass 'neulich' (1935) die Nickelschicht für die Pressmatrize (Sohn) auch nachträglich verchromt wurde um eine bessere Haltbarkeit zu erreichen (ausnahmsweise bis zu 12.000 Platten!).

Beste Grüsse,

Arto


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, Do Nov 19 2015, 12:25

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man versucht hat so viele Kupfermatrizen wie möglich vom Wachsoriginal zu erhalten. Die zeitgenössischen Quellen und auch meine Beobachtungen als Sammler früher Schallplatten lassen für mich keinen anderen Schluss zu.

Bryson war kein Zeitzeuge. Ich frage mich wie seine Quellenlage war. Es wäre zu wünschen, dass Originaldokumente, speziell von 1900 bis 1905, allgemein zugänglich wären um nicht von sekundären Quellen abhängig zu sein.

Natürlich war es ein schwieriges Unterfangen, ich traue den damaligen Spezialisten aber einiges zu, unter anderem, dass sie fehlerhafte Matrizen reparieren konnten. Die Verwendung einer anderen Wachsmischung kann man sicherlich voraussetzen.

Vielen Dank für die Informationen zur Trennschicht. Gibt Bryson den Stand von 1922 oder 1935 wieder? Silberjodid ist ein wirklich interessantes Material. Es zieht sich ungewöhnlicher Weise bei Erwärmung zusammen. Kupfer dehnt sich dabei aus. Dieses unterschiedliche Materialverhalten lässt sich in der Tat zur Trennung von Metallschichten nutzen. Welche zusätzliche Rolle die Sprödigkeit und gute Leitfähigkeit von Silberjodid spielen kann ich nicht beurteilen.

Beim Trennmittel Ammoniumdichromat wird wohl die Eigenschaft genutzt, sich bereits bei 100 °C exotherm zu zersetzen. Man könnte die damit behandelten Metallschichten regelrecht "auseinandersprengen."

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Fr Nov 20 2015, 01:53

Bryson war gewiss ein Zeitzeuge aus 1935, und er hat über die Trennschichte und Schwierigkeiten zeitgennössig berichtet.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, Fr Nov 20 2015, 09:10

Genau, das meinte ich.

Wie ich es verstehe hat Bryson kein wissenschaftshistorisches Buch über Schallplattenherstellung geschrieben, sondern den damals aktuellen Stand von 1935 zusammengefasst. Die Methoden von 1900 und 1922 können völlig andere, und für Bryson nicht nachvollziehbar gewesen sein.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Fr Nov 20 2015, 12:09

Eben, und die Schellackplatten haben noch 25 Jahre einen Beitrag zu unserem Alltag gegeben. Daher is Bryson eine Quellenschrift im Interessengebiet des Forums, und dazu hochwertig. Dazu bringt er wichtige Erfahrungen bezüglich die Rohsubstanzen und den Eigenschaften der Gemische, die um 1935 verwendet wurden.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, Fr Nov 20 2015, 13:23

Starkton hatte Link - Hier klicken u.a. geschrieben:

Im März 1898 konnte Emile seinen Aktionären mitteilen dass es von nun an möglich war, Kopien von Pressmatrizen herzustellen. Zu diesem Zweck wurden besonders dicke Schallplatten aus einer Schellackmischung mit Hartgummianteil von einer frischen Matrize gepresst um davon weitere Matrizen galvanoplastisch herzustellen. Wenn die erste Matrize abgenutzt oder beschädigt war, konnte eine zweite oder dritte als Ersatz herangezogen werden um eine theoretisch unbegrenzte Anzahl von Kopien der Originalaufnahme herzustellen.


Wenn es also 1898 bereits möglich war, auf diese Weise zu mehreren Preßmatrizen zu gelangen, so kann ich mir nicht vorstellen, daß man nach Einführung der Wachsplatte von dieser mehrere Preßmatrizen abgeformt haben soll. Ganz egal, wie hoch das Können der damaligen Fachleute auch gewesen sein mag, eine beschädigte Wachsplatte wieder zu reparieren, dürfte auch diesen Menschen unmöglich gewesen sein. Zumal man ja offenbar eine recht brauchbare Methode zur Verfügung hatte (s. Zitat Starkton).

Bleibt also weiterhin die Frage, ab wann man dieses Prizip "Vater-Mutter-Söhne" eingeführt hat. Starkton vermutet zwar, daß hierfür wahrscheinlich als "Trennmittel" Nitrolack verwendet wurde und dieser erst ab ca. Anfang der 1920er Jahre entwickelt wurde, jedoch schrieb Arto von Silbernitrat und Kaliumiodid, zwei Chemikalien, die ja wohl auch schon vor 1920 bekannt waren. Von daher hätte man auch schon vor 1920 ein "Trennmittel" gehabt.

Es bleibt also spannend.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, Fr Nov 20 2015, 14:01

Hier sind zwei der ungefähr ein Zentimeter dicken, übergroßen Schallplatten von 1898 welche von Sammlern "Secondary Master" genannt werden. Der innere Teil entspricht jeweils der 17 cm Berliner Platte.

Ich habe ausschließlich solche gesehen welche im Jahr 1898 aufgenommen wurden, einem goldenen Jahr für die Schallplatte. Danach brachen durch die Auseinandersetzung mit Frank Seaman harte Zeiten für Emile Berliner an, und die Absatzzahlen sanken erheblich. Vielleicht hat das die Weiterentwicklung erstmal zum Stillstand gebracht, bevor durch Eldridge Johnson der Schnitt in Wachs im Jahr 1898 zuerst experimentell und ab Mai 1900 standardmäßig eingeführt wurde.




Willi-H-411 schrieb ...

eine beschädigte Wachsplatte wieder zu reparieren, dürfte auch diesen Menschen unmöglich gewesen sein.

Wachsplatten wurden in Einzelfällen repariert wenn sie gebrochen oder gesprungen waren. Diese Risse übertrugen sich jedoch auf die Matrize. Die Pressungen einiger Schallplatten haben deshalb Strukturen auf der Oberfläche die man für Haarrisse halten könnte.

Was man im Wachs wohl nicht reparieren konnte waren zerstörte Rillen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass unvollständig abgeformte Rillen auf den Kupfermatrizen nachgraviert wurden.

schrieb ...

Silbernitrat und Kaliumiodid, zwei Chemikalien, die ja wohl auch schon vor 1920 bekannt waren. Von daher hätte man auch schon vor 1920 ein "Trennmittel" gehabt.

Die Frage ist doch ob diese Verbindungen bereits 1922 als geeignet erkannt und für diesen Zweck eingesetzt wurden.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Fr Nov 20 2015, 17:21

Danke, Starkton, für die sehr interessante Bilddokumentation! Gegenstände, die seltener als Metallteile sind.

Ehrlich gesagt habe ich immer die in der Pressmatrize befindlichen Haarrisse als vom "Gipsabguss" stammend empfunden, aber das ist wahrscheinlich deswegen, dass ich erst über den erstaunlichen "Wiedergebrauch" des Aufnahmewachses viel später gehört habe.

Bezüglich 'Trennmittel' kann ich etwas weiteres beitragen, ein zweites unentbehrliches Buch:

Henry Seymour: 'The Reproduction of Sound. Being a description of the Mechanical Appliances and Technical Processes employed in the art'. London: W.B. Tattersall, Ltd. 1918 [geschätzt]. Sein Kapitel 10 ist "The Duplication of Matrices", und auf Seiten 183-4 gibt er in der Tat den Silberjodidprozess wieder.

Ich habe vergessen, warum gerade '1922' so wichtig war, aber hier gehen wir zurück zu 1914-17 (die Jahre, wo man Seymour auch in Zeitschriften verfolgen kann).

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, Fr Nov 20 2015, 19:03

Dass Silberjodid als Trennmittel bereits für 1914-17 genannt wird hätte ich nicht gedacht. Die Deutsche Grammophon führte den "Vater-Mutter-Sohn" Prozess erst im Jahr 1922 ein. War er anderswo schon früher in Gebrauch oder verzögerte der 1. Weltkrieg die technische Umsetzung?

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Willi-H-411, Fr Nov 20 2015, 20:14

Arto schrieb ...
Henry Seymour: 'The Reproduction of Sound. Being a description of the Mechanical Appliances and Technical Processes employed in the art'. London: W.B. Tattersall, Ltd. 1918 [geschätzt].

Laut der englischen Wikipedia schrieb er das Buch 1917.

Starkton, das mit dem Krieg als Ursache ist natürlich möglich. Zunächst waren es die Kriegsjahre, und die Jahre danach mußte die deutsche Wirtschaft erst wieder auf die Beine kommen. Dann ist es auch möglich, daß auf diesem Verfahren ein Patent war, auf das die Deutschen zunächst einmal nicht zugreifen durften.

VG Willi


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, So Nov 22 2015, 09:17

Ich habe einen interessanten Beitrag auf Seite 44 in der The Talking Machine World vom 15. Januar 1919 gefunden, siehe unten. Demnach hatte Eldridge Johnson im Jahr 1896 bereits erste Versuche mit dem Schnitt in Wachs angestellt. Im September diesen Jahres hat dann ein gewisser Herr DuBois ein Stück Wachs mit einer Aufnahme darauf erhalten um es galvanoplastisch mit Kupfer zu beschichten. Johnson konnte das Wachs vom Kupfer trennen, ohne beides(!) zu beschädigen. Nach der mikroskopischen Untersuchung der abgeformten Rillen war er sich sicher, dass das Verfahren Erfolg versprechend war.

Da der Schnitt in Wachs patentrechtlich (US Patent 341,214 von Bell und Tainter; auch UK Patent) geschützt war, blieben diese Versuche streng geheim. Etwa im April 1898 gelang es dem zwischenzeitlich für diesen Zweck angestellten William H. Nafey erstmals eine Kupfermatrize von einem Wachsoriginal herzustellen und Testpressungen ("Duplicate records") anzufertigen. Irgendwie steht das sicher im Zusammenhang mit der Vervielfältigungsmethode, welche Berliner am 31. März 1898 seinen Aktionären sehr nebulös ankündigte.

Dies heißt natürlich nicht, dass Berliner Platten ab diesem Zeitpunkt nach dem Wachsschnittverfahren aufgenommen wurden. Es blieb bei der Zinkätzung, wie man an den verkauften, in den USA und später in Hannover gepressten, Platten ja leider auch hören kann. Nur wenige Menschen bekamen die Testpressungen vom Wachsoriginal zu Gesicht, bevor Johnson das neue Verfahren Anfang Mai 1900 ganz offiziell einführte. Am 3. Mai 1900 um Mitternacht lief nämlich das Bell und Tainter Patent in England aus. In den USA blieb es allerdings bis 1903 gültig.


Quelle: Link - Hier klicken

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 22 2015, 12:34

Interessanter Artikel über die Galvanoplastik aus der Phonographischen Zeitschrift, 1908. Leider schweigt man sich gerade darüber aus, wie man es schaffte mehrere Matrizen herzustellen. Firmengeheimnis...


PZ, 9. Jhg., No.6, S. 154f


Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 22 2015, 19:52

Das Geheimnis wurde hier als "Muttermatrizenverfahren" bezeichnet. Ein Jahr später verfasste der Toningenieur Otto Multhaupt (Favorite Record) einen langen Artikel über mehrere Ausgaben der Phonographischen Zeitschrift (ab No. 46, November 1909): "Das klischieren der Aufnahme".

Sehr detailliert berichtet er über die einzelnen Schritte der Galvanik und der damit zusammenhängenden Vorgänge. In der letzten Folge (No. 50) beschreibt er auch genau dieses Verfahren - also wie es möglich war mehrere Matrizen herzustellen.

Vom Aufnahmewachs wurde ein Stempel gezogen - dieser direkt zum pressen verwendet. Von diesem "Klischee" wurden im Mutterverfahren weitere Matrizen hergestellt. Aber eben, wie schon von Starkton beschrieben, nicht direkt galvanisch sondern zum Beispiel durch Abdruck.

Als zweite Möglichkeit das Versilberungsverfahren, wie es schon von Arto erwähnt wurde. Dabei bildete Silberjodid die "Trennschicht" in der weiteren Galvanik. Also schon ein "vollwertiges" Mutter-Vater-Sohn Verfahren.



Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, So Nov 22 2015, 20:48

Ich bringe hier ein Beispiel für ein gebrochenes Wachsoriginal von welchem dennoch eine Kupfermatrize gewonnen wurde. Ich habe den "Riss", welcher nur im Rillenbereich auftritt, mit Pfeilen markiert. Die Matrize wurde am Außenrand nachbearbeitet, dabei "ging der Riss verloren."

Cesira Ferrani und Giovanni Apostolou [sic.] haben das Duett aus "Faust" von Gounod im Dezember 1902 aufgenommen (mx. 2931 W²). Von dieser Platte sind mir noch zwei weitere Exemplare vom Stamper 0 aus dem Auktionshandel bekannt, die natürlich beide diesen abgeformten Riss tragen. Viele Händler und Sammler wissen das nicht und halten es für eine Beschädigung. Deshalb kann man solche Platten oft günstiger bekommen.



Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 22 2015, 21:52

Da der gesamte Artikel von Multhaupt sehr interessant ist, habe ich die verschiedenen Folgen zu einer pdf zusammengefügt. Im Original von der Qualität natürlich besser...

Das Klischieren der Aufnahme
(1909)




Was mich jedoch verwundert, wenn Multhaupt bereits 1909 schreibt ....die heute wohl am verbreitesten (Methode) das Versilberungsverfahren...., also direkt Mutter-Vater-Sohn mit Silberjodid als Trennmittel zwischen den Kupfermatrizen, warum wendete die Grammophon diese Methode erst ab 1922 an? Im Vergleich war die Favorite (Multhaupt) ja eher eine "kleinere" Firma.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Starkton, So Nov 22 2015, 23:07

Aufschlussreich ist, dass Multhaupt von St. Petersburg aus schreibt. Zu diesem Zeitpunkt war er nämlich Technischer Direktor bei Orpheon Record, einem berüchtigten russischen Piratenlabel, welches Raubkopien vor allem von Gramophone Co. Aufnahmen auf den Markt brachte.

Was war eigentlich seine Motivation solche offensichtlichen Produktionsgeheimnisse auszuplaudern? Wollte er der Phonographischen Industrie in Deutschland eins auswischen? Soweit ich weiß verließ er Favorite c. 1906. Ab April 1907 war er Gründungsmitglied und Geschäftsführer der Internationalen Grammophon Co. bevor er im Oktober 1907 auch dort ausschied. Wollten ihn danach nur noch die russischen Piraten haben?

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Nov 22 2015, 23:13

Interessante Frage! Es macht, mit diesem Hintergrund, wirklich fast den Anschein, als ob Multhaupt der Phono-Industrie in Deutschland einen "Denkzettel" verpassen wollte mit seinen Plaudereien aus dem Nähkästchen... Die detaillierten Einblicke in die Produktionsabläufe sind jedenfalls hochinteressant.

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Mo Nov 23 2015, 01:39

Also, zuerst muss ich hier im Forum um entschuldigung bitten: ich habe mich geweigert daran zu glauben, dass man in der Frühzeit der Matrizenherstellung mehrere Väter von demselben Originalwachs herstellen konnte. Es war aber nicht die Hervorbringung von Starkton des Rechtsspruches in der Sache American Graphophone v. Emerson Phonograph, das eine echte und hochinteresante Quelle ist, was mich überzeugt hat, sondern meine eigene Übersichten der Korrespondenz zwischen Victor und Gramophone. Die habe ich einfach vergessen und habe mich dadurch auf unpräzise Erinnerungen gestützt. Falls ich dadurch die Zeit der Leser verschwendet habe, bedaure ich es.

Starkton hat völlig Recht und hat vernünftigerweise daran festgehalten, und das wird u.A. in einem Brief von Alfred Clark (Paris) an Th. Birnbaum (GC in London) vom 22. Juni 1904 bestätigt: angeblich soll Belford Royal an Cleveland Walcutt (Paris) erzählt haben, dass in London nur einen 'shell' (Vater) von einem Wachs gemacht wird, und falls perfekt wird diesen nach Hannover geschickt. Falls nicht perfekt wird einen zweiten gemacht und beide werden nach Hannover geschickt. Sollte Paris auf derselben Weise vorgehen, oder gleich zwei (wie z.Z. üblich) machen?

Dazu hat Birnbaum am 24. Juni 1904 geantwortet, dass in London und anderswo wird gewöhnlicherweise einen zweiten 'shell' (Vater) gemacht, es wäre denn, dass das Wachs Ausreisser ausweist. Es war die Hinsicht damit aufzuhören, aber Vergleiche haben gezeigt, dass ein 'copy matrix' nicht so gut ist als der erste oder zweite 'shell', und man hat fortgesetzt.

Es geben eine anzahl Briefe von Calvin Child (VTMC) an Th. Birnbaum, und Briefwechslung zwischen Th. Birnbaum und Joseph Berliner Ende 1904 bis Anfang 1905, die sich mit dem 'dubbing' oder 'Gipsmutter' beschäftigt. Dieses ist eine Entwicklung von Johnson.

Leider kann ich z.Z. diese Sache nicht richtig in der Hand nehmen, denn ich bin anderswo verpflichtet. Dazu kann ich wegen Rechner- und Operativsystemwechsel mein Scanner nicht mehr benutzen, und ich habe wenig Zeit ein gutes Gerät zu erwerben.

Vom Phonographischen Zeitschrift kennen wir es wenn Deutsche Grammophon oder International Talking Machine Inserate machten, wo eine günstige Rechtsentscheidung über Warenzeichen oder Patente verbreitet wurden. So ein Fall ist auch Seite 44 im Talking Machine World vom 19. Januar 1919. American Graphophone war nicht erfolgreich gegen Emerson, und daher hat Emerson das ganze Urteil wiedergegeben. Vieles anderes als das Extrakt von Starkton ist hier interessant. Unter anderem die anderen Prozesse, wo das Patent von Joseph W. Jones (US Patent No. 688,739) vorgekommen ist. In dem Urteil wird zu einem britischen Patent No. 1487 als Stand der Technik hingewiesen -- es ist No. 1478 von 1894 von Jonathan Lewis Young, ein früher Sprechmaschinenspezialist.

Danke für Multhaupts berichte!

Bestens,

Arto

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, Mo Nov 23 2015, 16:46

Zu der Frage ab wann die Begriffe "Mutter-Vater-Sohn" für die verschiedenen Matrizen in der Galvanoplastik verwendet wurden, ein Artikel (auszugsweise) aus der Phonographischen Zeitschrift vom März 1911 (No. 13, S. 329ff): Verfahren zur Herstellung von Nickelstahl-Matrizen für Schallplatten-Pressereien

Hier werden bereits die Begriffe Vater und Mutter verwendet. Für den späteren Begriff Sohn wird noch die Bezeichnung Shell oder Press-Shell verwendet.




Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Mi Nov 25 2015, 00:13

Wie am 18. November 2015 versprochen habe ich mich jetzt über den elektrolytsichen Vorgang informieren lassen, und ich und mein Fachberater (ein anorganischer Chemiker) sind darüber einig, dass die Aussage:

"Die Galvanisierung funktioniert (physikalisch) genauso mit einer dünnen Schicht Trennlack. Der Prozess ist, elektrisch, mit dem eines Kondensators zu vergleichen." [Di Nov 17 2015, 17:23, im Thread "Electrical Re-creation", wo es nicht hinhört]

nicht eine korrekte Darstellung ist. Zur Reduktion der Metallionen, damit sie sich als einen metallischen Niederschlag auf der Oberfläche befestigen, sind Elektronen dauernd erforderlich. Für Kupfer sind das zwei Elektronen pro Atom Kupfer. Die Elektronen bewegen sich in entgegengesetzter Richtung zu der Galvanisierungsstrom und können nicht ohne eine leitende Verbindung durchkommen. Stromlos lässt sich eine Schicht von Metall autokatalytisch auf einenm Nichtleiter aufbringen, aber dieses verlangt, dass ein Katalysator auf der nichtleitende Oberfläche schon vorliegt. Dort werden aber die schon in der Lösung befindlichen Elektronen benutzt.



Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, Do Dez 03 2015, 12:10

Hallo Arto,

danke für diese ausführliche Erklärung! Dabei ist mit auch mein gedanklicher Fehler klar geworden. Zur Erinnerung aus dem anderen Beitrag, hier noch einmal das Funktionsbild eines Kondensators:

Mein Gedankengang: Bei einem Kondensator gehen ja die Elektronen durch die Trennschicht (Dielektrikum) hindurch. Dies ist ja aber in der Galvanik gar nicht erwünscht - die Elektronen sollen sich ja auf der Trennschicht niederschlagen, nicht hindurchgehen!

Ich habe mich mal umgehört, wie man heute verfährt, um galvanisch ein Abbild zu erhalten.

Das Formstück wird zunächst tatsächlich mit einem Trennlack behandelt. Dieser muss aber wieder elektrisch leitfähig gemacht werden! Heute verwendet man dazu Silberleitlack. Nun lässt sich wieder, wie gewohnt, davon galvanisch ein Negativ erstellen.

In der Praxis der Schallplatte könnte dies bedeuten:

- Das erste Negativ wird mit einem Trennlack überzogen.
- Dieser wird mit Graphitpulver oder nach dem Silberverfahren elektrisch leitfähig gemacht.
- Nun wird galvanisch ein weiteres Positiv gezogen.
- Durch den Trennlack lassen sich beide leicht lösen.

Grüße

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Fr Dez 04 2015, 14:21

Hallo, Formiggini,

rein physikalisch Funktioniert der Kondensator nicht so.

Ein Kondensator besteht aus zwei Leiterplatten, woszwischen sich ein Dielektrikum befindet. Das Dielektrium ist ein Isolator, und lässt bis zu der Durchbruchspannung keine Elektronen durch. Die Kondensatorwirkung entsteht dadurch, dass sich durch die Spannung auf einer Platte ein elektrisches Feld zwischen den Platten entwickelt, wo sich Elektronen auf der einen Platte sammeln, und auf der anderen Platte "Löcher" (das Fehlen an Elektronen). Diese "Löcher" entstehen dadurch, dass die auf der zweiten Platte befindlichen Elektronen abgestoßen werden. Es geht kein Gleichstrom durch einen Kondensator wenn er Funktionstauglich ist.

Wechselstrom, dagegen, kann mittels des elektrischen Feldes durch laufende Umpolung (die Elektronen auf der einen Seite laufen weg und werden mit "Löchern" ersetzt" und umgekehrt) durchkommen -- einen grossen Strom fordert viele Elektronen, und daher grosse Kondensatorwerte bei niedrigen Frequenzen. Und es gibt eine Phasenverschiebung, denn der Strom wächst später an als die Spannung.

Deswegen sind die Platten in der niedrigfrequenten Elektronik als Folien mit grosser Totalfläche gestaltet. Die hoffentlich wenigen Elektronen, die durchkommen, sind ungewünscht, und gestalten den Verlustwiderstand des Kondensators.

Bei der galvanischen Technik möchte man keine Elektronen auf der Oberfläche, nur reines Metall. Dazu braucht man die Elektronen von der Zuleitung und die Metallione in der wässrigen Lösung.

Ich werde später näher auf der Trennung eingehen.

Beste Grüße,

Arto

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Arto, Do Dez 17 2015, 00:20

So, jetzt haben wir etwas mehr zeitgenössisch zu der Galvanotechnik. Ich habe 'Luegers Lexikon der Gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften', 2. Ausgabe zwischen 1904 und 1910 erschienen (ja eigentlich habe ich auch die erste aus 1894-99, aber nicht zu Hand). In Band 4 befindet sich 'Galvanotechnik', und ich füge ein pdf bei.

An und für sich interessant, jedoch zu unserer Diskussion bringt es wenig, ausser auf Seite 253 oben, wo Silberjodid wieder besprochen wird. Und vielleicht die verschleisstaugliche Druckplatten Seite 252 unten.

Zu den anderen Punkten werde ich zurückkommen!

Beste Grüsse,

Arto
galvanotechnik_aus_luegers_lexikon_der_gesamten_technik.pdf

Re: Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
Formiggini, So Dez 20 2015, 10:18

An anderer Stelle kam die Frage auf, ab wann die Begriffe "Vater", "Mutter" und Sohn für die verschiedenen Matrizen in der Galvanoplastik verwendet wurden. Nach diesem Artikel waren sie "In der Fachsprache" 1929 üblich oder zumindest schon in Gebrauch: