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Eldorado, Berlin, Lutherstraße
Moderatoren:SchellackFreak, berauscht, GrammophonTeam, Charleston1966, DGAG, Der_Designer, LoopingLoui
Autor Eintrag
berauscht
Mo Okt 29 2012, 10:25 Druck Ansicht
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1993



Das Eldorado war von ca. 1926 - 1933 "Stammlokal" des Orchesters Gabriel Formiggini.
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GrammophonTeam
Do Mär 05 2015, 23:46
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1825


Wenn Fremde nach Berlin kommen, Engländer oder mehr noch Franzosen, so lautet ihre erste Frage an den Cicerone: "Werden wir auch ins Eldorado gehen?" Phantastische Vorstellungen scheinen in den Metropolen des Kontinents über dieses Lokal verbreitet zu sein, dessen Attraktion einzig darin besteht, daß hier Frauen in Männer- und Männer in Frauenkleidung zu sehen sind.











Muguette, ein Herr aus dem "Eldorado" (Berlin)




Ein Tanzsaal größeren Stils mit einem äußerst eleganten Publikum. Smokings und Fräcke und große Abendroben – so präsentiert sich die Normalität, die zum Schauen hierher kommt. Die Akteurs sind in großer Zahl vorhanden. Grelle Plakate locken schon am Eingang, und Malereien, in denen die Perversität ihrer selbst spottet, schmücken den Gang. An der Garderobe setzt der Nepp ein. ‚Hier ist’s richtig!‘ heißt es auf den Affichen. Eine geheimnisvolle Devise, unter der man sich allerhand vorstellen kann. Alles ist Kulisse, und nur der ganz Weltfremde glaubt an ihre Echtheit. Selbst die echten Transvestiten, die ihre Abart in den Dienst des Geschäftes stellen, werden hier Komödianten. Zwischen den Tänzen, bei denen auch der Normale sich den pikanten Genuss leisten kann, mit einem effeminierten Manne in Frauenkleidern zu tanzen, gibt es Brettldarbietungen. Eine männliche Chanteuse singt mit ihrem schrillen Sopran zweideutige Pariser Chansons. Ein ganz mädchenhafter Revuestar tanzt unter dem Scheinwerferlicht weiblich graziöse Pirouetten. Er ist nackt bis auf die Brustschilde und einen Schamgurt, und selbst diese Nacktheit ist noch täuschend, sie macht den Zuschauern noch Kopfzerbrechen, sie läßt noch Zweifel, ob Mann ob Frau. Eine der entzückendsten und elegantesten Frauen, die im ganzen Saale anwesend sind, ist oft der zierliche Bob, und es gibt Männer genug, die in der Tiefe ihres Herzens bedauern, daß er kein Mädchen ist, daß die Natur sie durch einen Irrtum um eine deliziöse Geliebte betrogen hat.


[ Bearbeitet Do Mär 05 2015, 23:53 ]
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gramofan
So Mär 08 2015, 16:06
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Okt 01 2011, 20:32
Wohnort: bei Berlin
Beiträge: 1175
Unten abgebildete Alu-Marke (Durchmesser ca. 36 mm) wurde als Werbung verteilt:



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Gast
So Mär 08 2015, 16:29
Gast
Falls das ein Löchlein bei dem Stern auf der Münze ist.....

Da gehörte wohl eine kleine Kordel/Faden durch.

Mir ist sowas ganz schwach im Hinterkopf - irgendwoher kenne ich solche Marken.
Habe nur komplett vergessen, wozu sie dienten...

Gruß, Nils

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gramofan
So Mär 08 2015, 17:30
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Okt 01 2011, 20:32
Wohnort: bei Berlin
Beiträge: 1175
Das in dem Stern ist ein kleines Loch. Hatte mal ein zweites Exemplar, das war an derselben Stelle ebenfalls gelocht. Muss also Absicht sein - aber wozu?
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Musikmeister
So Mär 08 2015, 20:55
Autor
⇒ Mitglied seit ⇐: So Aug 21 2011, 21:23
Wohnort: Hamburg
Beiträge: 1096
Die Marke könnte als Werbevignette die damaligen Programmhefte verschönert bzw. verschlossen haben und eine Alternative zu den üblich hierfür genutzten Werbeaufklebern gewesen sein.
Wegen der neuen Anschrift des Eldorado würde ich die Marke auf ca. 1931/32 schätzen.
Meine Werbeanzeige stammt aus Dezember 1931.

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jitterbug
Mo Mär 09 2015, 11:37
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Mär 27 2013, 16:49
Wohnort: Berlin
Beiträge: 408
Zu dem Thema "Eldorado" hat der Sammler und Autor Ralf Jörg Raber seit Jahren recherchiert und vor wenigen Jahren im Männerschwarm-Verlag ein Buch über Homosexualität im Schlager herausgebracht:

Buch: "Wir sind wie wir sind"

Zuvor (2004) gab es bereits bei Bear Family eine gut recherchierte und zusammengestellte CD zu dem Thema:

CD: "Wir sind wie wir sind"

Dort kann man mehrere Informationen, auch zum "Eldorado" entnehmen, das nämlich aus zwei Etablissements bestand: In der Lutherstraße der "normale" Tanzbetrieb im ursprüglichen Etablissement, in der Motz-/Ecke Kalkreuthstraße befand sich die Dependance als Schwulenbar, ebenfalls mit Tanz.

Um in der schwulen Lokalität tanzen zu können, musste man eine Mitgliedschaft erwerben, die durch eine Plakette bestätigt wurde: Mit der Plakette, die zwei Frauen zeigt, durften weibliche Gäste miteinender tanzen, mit der, die zwei Männer zeigt, die männlichen Gäste.

Die oben abgebildete Münze ist NICHT eine Werbemünze, sondern erlaubt Clubmitgliedern über den Kauf einer solchen Münze in den Privatveranstaltungen des "Eldorado Motzstraße" mit gleichgeschlechtlichen Partnern zu tanzen. Dies war hierzulande in der Öffentlichkeit bei Androhung von Zuchthausstrafe laut § 175 ff Strafgesetzbuch verboten: In der DDR wurde der Paragraph bereits 1988 ersatzlos abgeschafft (nachdem die verschärfte NS-Fassung bereits in den 50er Jahren außer Kraft gesetzt wurde), in Westdeutschland galt bis 1969 die Nazi-Fassung, 1973 wurde ein "reformierter Paragraph", der die gleichgeschlechtlichen Beziehungen zwischen Volljährigen (ab 21!) straffrei ließ, aber als "sittenwidrig" diffamierte. Heterosexuelle Beziehungen waren seit 1949 ab 16 Jahren erlaubt, Hochzeiten mit Einwilligung der Eltern auch...

Erst 1998 hat das Bundesverfassungsgericht auf Geheiß des Europäischen Gerichtshofes den § 175 ersatzlos streichen müssen, nachdem die Ex-DDR-Bürger durch die westdeutsche Gesetzgebung rückwirkend kriminalisiert wurden und entsprechende Beschwerden und Prozesse nach der Vereiningung am 3. Oktober 1990 entweder eingestellt oder negativ entschieden wurden.

Übrigens sind homosexuele KZ-Häftlinge bis zu ihrem Tode hierzulande nicht rehabilitiert und entschädigt worden, sondern galten bis ins Grab hinein als vorbestrafte Verbrecher. Selbst posthum sind diese Opfer des Faschismus von der deutschen Politik nicht als solche anerkannt, geschweige denn entschädigt worden.

Die kleine Steele gegenüber dem Holocaust-Mahnmahl im Berliner Tiergarten, wie auch die Gedenkplakette am U-bahnhof Nollendorfplatz in Berlin sind mehrfach jährlich Ziel von Anschlägen, Vandalismus und Diffamierung.

Das "Eldorado Motzstraße" war übrigens das erste Lokal, das von den braunen Machthabern mit Gewalt geschlossen wurde, noch bevor jüdische Geschäfte per Aufruf boykottiert wurden.

Heute erinnert der Name eines Bio-Supermarktes an die historische Ecke:

"Speisekammer im Eldorado"

Unten zwei Bilder aus dem Netz...

Viele Grüße, Stephan






[ Bearbeitet So Jan 28 2018, 11:39 ]
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gramofan
Mo Mär 09 2015, 22:04
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Okt 01 2011, 20:32
Wohnort: bei Berlin
Beiträge: 1175
jitterbug schrieb ...

Um in der schwulen Lokalität tanzen zu können, musste man eine Mitgliedschaft erwerben, die durch eine Plakette bestätigt wurde: Mit der Plakette, die zwei Frauen zeigt, durften weibliche Gäste miteinender tanzen, mit der, die zwei Männer zeigt, die männlichen Gäste.

Die oben abgebildete Münze ist NICHT eine Werbemünze, sondern erlaubt Clubmitgliedern über den Kauf einer solchen Münze in den Privatveranstaltungen des "Eldorado Motzstraße" mit gleichgeschlechtlichen Partnern zu tanzen.


Lieber Stephan,
vielen Dank für diesen Hinweis, der mich dieses kleine Fundstück ganz anders einordnen lässt. Allerdings zeigen meine Bilder einfach Vor- und Rückseite derselben Münze. Es wurden demnach anscheinend nicht verschiedene Münzen für lesbische und schwule Paare ausgegeben (vielleicht wolltest Du das auch gar nicht sagen und ich hab's nur falsch verstanden).
Gruß
Martin
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Formiggini
Mi Sep 09 2015, 20:15

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Das Eldorado in der Motzstr. wurde im Oktober 1932 geschlossen (Artikel vom 8.10.1932), in der Lutherstr. im März 1933 (Artikel 2 vom 13.3.1933).






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