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Die Geschichte (m)eines Grammophons - AristolA Koffergrammophon & offene Fragen
Moderatoren:SchellackFreak, berauscht, GrammophonTeam, Charleston1966, DGAG, Der_Designer, LoopingLoui
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Lossi
Do Mär 16 2023, 21:59 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 14 2023, 02:08
Wohnort: Niedersachsen
Beiträge: 11
Hallo an alle...

Ich wurde in Thüringen geboren...
1963 Jahre zog unsere Familie nach (Ost) Berlin...
Nähe Bornholmer Straße...
(Wo 1989 der erste Schlagbaum Richtung "Westen" geöffnet wurde...)
Ende der 60er, Anfang der 70er, war ich Schüler und "Pionier", der natürlich "gute Taten" vollbrachte...
So half ich einer älteren Dame (die damals schon über 80 war), aus unserem Haus.
Im Verlauf des Jahres erledigte ich Besorgungen für sie...
Im Winter holte ich für sie die Kohlen aus dem Keller in die Wohnung.
Jeweils 8 10-Liter-Eimer... vom Keller.. in den 2. Stock / Etage...
Als Dank bekam ich 2,50 (DDR) Mark, was für mich (10 Jahre) viel Geld war.
Ich hätte es auch umsonst gemacht, da ich diese Frau sehr mochte.
Sie wollte es aber so....
Weihnachten war aber immer etwas "Besonderes"....
Durch ihr Alter, durfte sie ja in den "Westen" fahren... oder gehen...
Sie hatte eine Cousine und Freunde in "West-Berlin", die sie regelmäßig besuchen konnte...
Zu Weihnachten bekam ich zu den 2,50 (DDR) Mark, zusätzlich ein Stück "West"-Seife ("LUX" oder "Rexona")
und eine Tafel Schokolade (Sarotti).
Weihnachten 1977 war alles anders...
Sie war krank und konnte nicht nach West-Berlin...
"Hol mir mal den großen Koffer vom Zwischenboden...", sagte sie...
Ich stieg auf die Leiter und wuchtete einen Koffer (in Größe eines Übersee-Koffers) vom Zwischenboden.
In diesem Koffer war ein kleinerer Koffer... In diesem noch einer...
In diesem war ein verschnürtes Paket, das mit Wachspapier umwickelt war...
"Das ist mein Weihnachtsgeschenk für Dich"... meinte sie...
Ich löste die Stricke... entfernte das Papier... Und... fiel fast um...
Ein Koffer-Grammophon !!!
"Ich habe letztens bei Deinen Eltern gesehen, dass Du Dich für Musik interessierst...
Und Schallplatten sammelst...
Ich glaube, das Gerät hat bei Dir ein gutes Zuhause..."
Ich war sprachlos.... !!!
"Die Schallplatten dazu, bekommst Du natürlich auch.."... sagte sie...
Und dann erzählte sie mir ihre Geschichte...

Sie war Apotheker-Gehilfin...
Ihr Mann Apotheker...
1926 hatten sie geheiratet...
Beide jüdischen Glaubens...
Eigene Apotheke...
Das Grammophon hatten sie 1926 oder 1927 gekauft...
Die Freude daran, dauerte für beide leider nur wenige Jahre...
Nach der "Kristallnacht" 1938, hat sie ihren Mann nicht mehr gesehen...

Dass das Grammophon in diesem (sehr guten) Zustand ist, liegt zum Einen an der Apotheker-Sauberkeit,
(wenn sie nachts nicht schlafen konnte, wischte sie sogar die Scheuerleisten, hinter den Möbeln, mit feuchten Lappen ab)
zum Anderen daran, dass sie zu Kriegsbeginn das Gerät so gut verpackte, versteckte und nie wieder benutzte.
Das Einzige, was mir (beim nach Hause gehen) kaputt ging, war der Ledergriff.
Zum Glück nur an einer Schlaufe, sodass das Gerät nicht auf den Boden krachte.
1978 begann ich eine Lehre zum Polsterer und habe dort den Griff durch eine (Kunst-) Lederschlaufe ersetzt.
(Eigentlich könnte ich mal nach einen alten Koffergriff suchen... )
(Fällt mir ja früh ein.... )

Einige Platten sind in den Jahren dazu gekommen...
Einige im Lauf der Zeit, bei mehreren Umzügen, kaputt gegangen. (leider)
Um eine Platte, welche ich mit dem Grammophon bekam, tat es mir besonders Leid...
Diese war aus dem Jahr 1929, im Durchmesser 2cm grösser, als eine Grammophon-LP.
Die Platte war von einem Sprecher "moderiert"...
Auf der A-Seite waren Anspielungen der Musiktitel, die 1929 erschienen waren...
Ebenfalls ein paar auf der B-Seite...
Danach etwas Weihnachtsmusik...
Dann die *Ab-Moderation*:
*Wir wünschen Ihnen eine friedliche und gesegnete deutsche Weihnacht, sowie ein glückliches 1930*
Den Abschluss machte das Glockengeläut der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche.
Der Verlust der Platte ist umso trauriger, da vier der fünf Glocken später zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurden.
Dieses Glockengeläut wird so nicht mehr gehört werden...
(bei YouTube gibt es eine Aufnahme des alten Geläuts)
Von Platte wäre es natürlich noch emotionaler...

Ein paar Fragen sind jetzt aber noch offen...
- zu wem gehört das "AristolA" - Logo ?
- die "Juwel Electro" Schalldose von "Goldring" wurde ab 1926 produziert...
"Goldring" ging 1933 nach England
(Der Kauf 1926/27 kommt also hin)
- Electrola 101 und HMV 101 sind Baujahr 1925 - 31 und haben das Nadelfach an der Ecke.
Bei meinem Gerät ist die Nadeldose aber (noch) auf der Oberseite, unterhalb des Tonarms. ???
- Das Koffergerät "Limania-Splendid Nr. 260" kommt meinem am nächsten, hat aber wiederum das
Nadelfach an der Kurbelseite.
Ist mein Gerät dann ein früheres "Limania-Splendid" ?
- was bedeutet das F.Z.D. auf der Unterseite des Plattentellers ?
Die 25 steht für den Durchmesser (cm), die 10 für die Höhe (mm)

Geräte-Daten
H x B x T : 15 x 29 x 41 cm
Deckelhöhe alleine : 4 cm
Tellerdurchmesser : 25 cm

Liebe Grüße
Lossi









































[ Bearbeitet Sa Mär 18 2023, 03:18 ]
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Lossi
Do Mär 16 2023, 22:11
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 14 2023, 02:08
Wohnort: Niedersachsen
Beiträge: 11
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snookerbee
Sa Mär 18 2023, 18:32
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1660
Herlichen Dank für die äusserst interessante Geschichte! Das ist ja eine schöne und nachdrückliche Einführung in das Dasein als Grammophonbesitzer gewesen. Leider ist mein Gebiet eher Musik und Platten, gar nicht die Grammo-Technik. Daher kann ich die Fragen nicht beantworten. Ich wundere mich auch, dass noch keine Antworten hier kamen ... Vielleicht finden sich ja noch einige Infos an. Danke auch für die detaillierten Bilder!

Viel Freude noch an diesem Platz und Grüsse aus Berlin.
Claus
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LoopingLoui
Sa Mär 18 2023, 20:49
"Moderator"

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 26 2021, 19:14
Wohnort: Niedersachsen
Beiträge: 339
Ich muss mich ebenso herzlichst für diese tolle Hintergrundgeschichte bedanken. Solche Sachen aus erster Hand zu erhalten ist heute eigentlich gänzlich unmöglich.

Leider kann ich zur Marke Aristol auch nichts weiter beitragen, als dass der Motor von der Firma Grubu stammt und das Baujahr ziemlich genau passt. Damals gab es unzählige kleine Hersteller, die die Technik von Grossisten kauften und ihre Geräte damit bestückten.
Die Bürste ist ein nettes Zubehör dazu und nicht ganz häufig.

Weißt du auf welchem Label die von dir gesuchte/vermisste Platte war?
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Lossi
Sa Mär 18 2023, 22:59
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 14 2023, 02:08
Wohnort: Niedersachsen
Beiträge: 11
Das kann ich leider nicht mehr sagen...
Beka, Electrola, Kalliope... ???
Ich lege meine Hand dafür aber nicht ins Feuer...
Was ich mir auch vorstellen könnte... Die Platte war ein Werbegeschenk...???
Musikabteilung eines Kaufhauses (z.B. KaDeWe)
Eine *moderierte* Platte ist schon ungewöhnlich.
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