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Wie war der Herstellungsprozess von der Wachsmatrize zur Preßmatrize?
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Willi-H-411
So Nov 15 2015, 12:02 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
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Mit der Frage ist nun nicht die Herstellung der eigentlichen Schellackplatte gemeint, sondern der gesamte Prozess davor, also die Erstellung der Preßmatrize mit all den Zwischenschritten.

Zu Anfang hat man wohl von der Wachsmatrize direkt die Preßmatrize erstellt, was natürlich dazu führte, daß jede weitere erstellte Preßmatrize eine etwas schlechtere Qualität hatte, denn die Wachsmatrize nutzt sich jedesmal etwas ab. Auch konnte es passieren, daß die Wachsmatrize bei diesem Vorgang zerbrach.

In dem Buch "Caruso - Eine Biographie", von Pietro Gargano und Gianni Cesarini, wird hiervon berichtet:

Man ergriff die Gelegenheit (Anmerk.: 30. November 1902), die Arien "Dai campi, dai prati" und "Celeste Aida" zu wiederholen, deren Originalmatrizen zerbrochen waren: Das Dublizieren von Matrizen wurde in Europa erst im Winter 1902/03 eingeführt.


Nun ist es ja so, daß irgendwann das "Negativ-Positiv-Negativ"-Verfahren eingeführt wurde, bei dem auf galvanischem Wege zunächst von der Wachsmatrize ein Negativ, hiervon ein Positiv und davon wiederum mehrere Negative, die eigentlichen Preßmatrizen, hergestellt wurden. Dieses Verfahren wurde dann irgendwann das "Vater-Mutter-Söhne"-Verfahren genannt.

Die Frage ist nun, ab wann dieses Verfahren eingeführt wurde. In dem RCA-Victor Film, von Anfang der 1940er Jahre, wird es so dargestellt, daß auch schon zu Zeiten Carusos der Herstellungsprozess so ablief. Caruso hat von 1905 bis 1920 für die Victor Platten aufgenommen. Das "Vater-Mutter-Söhne"-Verfahren muß also während dieser Zeit bereits angewandt worden sein.

Hier wäre es sehr interessant, zu erfahren, ob es auch noch andere Verfahren, als das Galvanische, gegeben hat und wie diese funktioniert haben.

Nur eine Bitte habe ich: Falls lediglich englischsprachige Texte vorliegen, wäre es sehr hilfreich, diese ins Deutsche zu übersetzen. Ich bin bei weitem nicht der einzige, der seine große Mühe damit hat, englische technische Texte zu verstehen. Und es sollte ja im Sinne des Schreibers sein, daß möglichst alle diese Dinge verstehen können.

VG Willi
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Formiggini
So Nov 15 2015, 15:04

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
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Der Herstellungsprozess änderte sich im Laufe der Jahre / Jahrzehnte. Etwas vereinfacht:

Ab 1888
(Die ganz frühen Prozesse von Berliner außen vor gelassen)

  • Noch keine "volle" Wachsmatrize bei der Aufnahme!

  • Eine Metallplatte wurde mit einer dünnen Wachsschicht (eigentlich wäre "Wachsähnlich" richtiger...) überzogen. Bei der Aufnahme "ritzte" der Schneidestichel durchs Wachs bis auf den Metallgrund.

  • Nach der Aufnahme wurde die Metall/Wachsplatte mit Säure behandelt - die Rillen quasi ins Metall eingeätzt.


Ab Mai 1900
  • Volle Wachsplatte bei der Aufnahme.

  • Die "gravierte" Wachsplatte wurde mittels feinstem Graphitstaub elektrisch leitfähig gemacht.

  • Von dieser leitfähigen Wachsplatte (1. Positiv) wurde galvanoplastisch ein Abdruck hergestellt (1. Negativ).


Bis c. 1920?
  • Von diesem 1. Negativ wurde ein Abguss (Wachs-Gipsmischung) oder Abdruck (Pressung) hergestellt = 2. Positiv.

  • Dieses 2. Positiv wieder mit Graphitstaub behandelt.

  • Durch die Galvanik wurde davon das 2. Negativ hergestellt = Pressmatrize.


Ab den 1920ern
  • Das 1. Negativ wurde mit einem Trennlack behandelt, und davon direkt (ohne Umweg eines Abguss / Abdruck) das 2. Positiv galvanisch hergestellt.

  • Das 2. Positiv wurde mit einem Trennlack behandelt, davon das 2. Negativ galvanisch hergestellt = Presstempel.


In den / Ab denn 1930ern
  • Lackplatten ersetzen die Wachsmatrize bei der Aufnahme.

  • Diese Aufnahme wird nicht mehr mit Graphit behandelt, um elektrisch leitfähig gemacht zu werden. Stattdessen wird im Vakuum und unter Hochspannung die Matrize (1. Positiv) mittels einer molekularen Zerstäubungsprozedur mit einer hauchdünnen Silberschicht überzogen.


Ich hoffe, ich habe jetzt nichts grundlegend durcheinander gebracht...




[ Bearbeitet So Nov 15 2015, 20:14 ]
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Willi-H-411
So Nov 15 2015, 15:53
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Wie in einem Filmbeitrag zu sehen war, benutzte man wohl noch 1948 Wachsplatten. Die Lackfolien kamen erst später.

Es kamen wohl auch unterschiedliche Wachsmaster zum Einsatz. Einmal etwa 3cm dicke Wachsplatten, aber auch, wie es in dem Victor-Film zu sehen ist, mit einer Wachsschicht beschichtete Metallplatten - nicht zu verwechseln mit den Zinkplatten von vor 1900, die ja lediglich mit einer hauchdünnen Wachsschicht bedeckt waren.

VG Willi
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Formiggini
So Nov 15 2015, 16:03

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
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Du kannst nicht von einem Film auf alle Firmen und Situationen schließen

Bei anderen Firmen wurden schon 1937 Folien verwendet.

Grüße

[ Bearbeitet Di Jan 02 2018, 10:20 ]
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Willi-H-411
So Nov 15 2015, 19:50
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
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Ist denn auch bekannt, wieviele Firmen bereits in Folie geschnitten haben? Bei der Victor haben sie offenbar noch Anfang der 1940er Jahre in Wachs geschnitten.

VG Willi


[ Bearbeitet Di Jan 02 2018, 10:21 ]
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Formiggini
So Nov 15 2015, 21:02

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
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Ab den späteren 1930er Jahren kamen auch Folien zum Einsatz. Es wurde aber wohl längere Zeit beides parallel verwendet. Sowohl für den Victor-Werbefilm, wie auch andere, ähnliche Filme und/oder Photoreportagen muss man immer im Hinterkopf behalten: Es ist eine Momentaufnahme!

Wenn in einem Victorfilm "nur" eine Wachsplatte zu sehen ist, bedeutet dies ja noch lange nicht, dass sie nicht auch andere Verfahren verwendet hat. Es sind Werbefilme mit relativ geringer, historischer Beweiskraft.

Generell: Wenn irgendwo (ob nun hier auch wo anders) Jahreszahlen, Daten usw. angegeben sind, bedeutet dies einfach, dass (ungefähr) zu diesem Zeitpunkt erstmals etwas neues eingeführt wurde / erschien / erfunden wurde usw. Natürlich liefen alte und neue Prozesse oft lange Zeit auch parallel.

In diesem Film über die (gesamte) Herstellung von Schallplatten bei der Columbia (Europa) 1928 sieht man ab c. 9:00 Min auch die Wege der Wachsmatrize:



Grüße

[ Bearbeitet Di Jan 02 2018, 10:24 ]
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Willi-H-411
So Nov 15 2015, 22:03
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Dieser Film ist ca. 20 Jahre jünger, aber die Herstellung der Wachplatte hat sich nicht großartig verändert: Link - Hier klicken

Es wäre jetzt interessant, zu wissen, wieviele Plattenfirmen damals schon Lackfolien benutzt haben. In dem Buch "Tonaufzeichnung analog" von Bernhard Krieg steht:

ab 1948
Ablösung des Wachses bei der Aufnahme durch mit Nitrozelluloselack überzogene Aluminiumscheiben, den "Folien".


Von daher müßte man doch annehmen, daß zwar schon vorher solche "Folien" benutzt worden sind, in der Hauptsache aber wohl doch noch in Wachs geschnitten wurde.

Wenn das Schneiden in eine Folie seinerzeit bessere Resultate gebracht hätte, als das Schneiden in Wachs, so hätte sich dieses Verfahren doch sicherlich recht schnell durchgesetzt. Oder kann es sein, daß sich hier wieder irgendwelche Patente hindernd bemerkbar gemacht haben?

Oder könnte es sein, daß diese Folien für die damaligen Schneidstichel zu hart waren und deshalb bessere Resultate bei Wachsplatten erzielt wurden? Das Wachs wurde ja vom Schneiden angewärmt. Gab es damals schon beheizte Schneidstichel, die ja für das Schneiden in Folie nötig wären?

VG Willi
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Formiggini
So Nov 15 2015, 22:16

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
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Die Aufnahme auf Wachs dürfte noch viele Jahre üblich gewesen sein - alleine schon deswegen, weil (zumindest die größeren) Fabriken darauf eingerichtet waren und dafür eigenständige Produktionsabläufe hatten.

Wann bei welcher Firma denn nun tatsächlich umgestellt wurde - dafür müsste man an die (soweit noch vorhandenen) Firmenunterlagen als Primärquellen kommen und diese auswerten. Technisch war es seit den 1930er Jahren möglich und wurde auch angewendet.

Grüße
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berauscht
So Nov 15 2015, 23:10
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1958
Schon 1931 wurden Aufnahmeschallplatten für die Galvanisierung genutzt.
Link - Hier klicken
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Formiggini
So Nov 15 2015, 23:30

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
Zumindest mein persönlicher Eindruck, auch in Bezug auf den verlinkten Tilophon-Artikel:

"Kleinere" Firmen / Aufnahmestudios nutzten Folien, die eventuell auch fertig zu beziehen waren. Dies gilt auch für Firmen wie "Variety" aus dem verlinkten Video von 1937 mit Ellington im Studio. "Variety" war nur ein Aufnahmestudio - keine Fabrik! Es gab hinter diesen Studios schlicht keine eigene Produktion von (hochwertigen) Aufnahmematrizen aus Wachs.

Größere Firmen, mit eigener Produktion, nutzten wesentlich länger Wachsmatrizen. Ihnen stand die eigene Produktion "im Haus" zur Verfügung. Also weniger ein technischer, als viel mehr ein wirtschaftlicher Hintergrund.

Grüße
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Willi-H-411
Mo Nov 16 2015, 14:06
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
Wohnort: Ruhrpott
Beiträge: 1296
Sehr interessanter Artikel. Irgendwie hatte ich den übersehen.

Es wird dort aber auch geschrieben, daß das Schneiden in eine solche Folie einige Tücken besaß. Vor allem nutzte sich der Schneidesaphir schneller ab, als beim Schneiden in Wachs oder konnte sogar abbrechen.

Was die Tonqualität betrifft, so macht mich folgende Aussage doch etwas stutzig:

Da nicht, wie bei anderen Verfahren, die Rille eingedrückt oder ausgekratzt, sondern tatsächlich so rein geschnitten wird, wie das Schneidmesser auf einer Präzisionsdrehbank ein Gewinde schneidet, ist das Nadelgeräusch der Tilophanplatten nicht größer als das einer erstklassigen gepreßten Schellackplatte.


Daraus müßte man doch schließen können, daß die Tonqualität einer Wachsplatte besser ist, denn diese ist besser, als die einer Schellackplatte.

Es scheint wohl in der Tat, wie Formiggini es ja auch schon geschrieben hat, eine Frage des Preises gewesen zu sein. Große Plattenfirmen konnten sich das Schneiden in Wachs leisten, während kleine Firmen, die lediglich Aufnahmen machten, ohne diesen ganzen Herstellungsapparat im Rücken zu haben, auf die Folien zurückgegriffen haben, einfach, weil es für sie günstiger war.

Vor allem boten diese Folien ja wohl auch die Möglichkeit der sofortigen Kontrolle der Aufnahme, was bei Wachsplatten nicht möglich ist. Zudem konnten ja auch mehrere "Väter" galvanisch erstellt werden, falls hierbei ein Fehler unterlief. Das macht dann auch eine weitere Aufnahme überflüssig, die ja ebenfalls mit weiteren Kosten verbunden gewesen wäre.

VG Willi
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berauscht
Mo Nov 16 2015, 17:22
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 1958
Willi-H-411 schrieb ...

Daraus müßte man doch schließen können, daß die Tonqualität einer Wachsplatte besser ist, denn diese ist besser, als die einer Schellackplatte.


Ich glaube Du darfst das nicht so genau nehmen. Der Artikel wendet sich ja nicht unbedingt an Berufs-Aufnahmetechniker. Ein Amateur, Händler oder Journalist hätte ja gar nichts damit anzufangen gewusst, wenn im Vergleich von einer Wachsplatte gesprochen worden wäre. Eine erstklassige Schellackplatte hatte hingegen aber jeder schon gehört und konnte die Qualität so ungefähr einordnen.

Die Firma verwendete aber für hochwertige Aufnahmen selber auch Wachsplatten
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Arto
Mi Nov 18 2015, 01:51
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jan 07 2014, 01:33
Wohnort: z.Z. Dänemark
Beiträge: 185
Das Standardwerk über Schallaufnahmetechnik und Schallplattenherstellung Stand 1935 ist H. Courtney Bryson: The Gramophone Record, London: Ernest Benn Limited 1935. 286 Seiten reine Technik auf englisch. Das Buch ist selten, weil die Auflage schon 1942 im Blitz vernichtet wurde. Bryson war einige Zeit mit Columbia Graphophone verbunden und schreibt auch viel über Laminierte Platten. Ich möchte gern Kapitel 6 "Matrizenherstellung" Seiten 112-149 vollständig übersetzen, aber es ist zu viel.

Dort wird man aber mehrere Fakten wahr, die auch hier im Forum besprochen wurden, und wo ich mehr an Bryson glaube.

Beispielsweise schreibt er S. 130: "Das Wachs mit seiner Schicht aus Kupfer wird dann vom Bad entfernt und gespült, und das Metallniederschlag wird geschickt vom Hand mittels eines stumpfen Schabers getrennt. Grosse Schicklichkeit ist für diese Operation nötig um zu vermeiden, den 'copper shell' oder 'master', wie es jetzt benannt wird, zu beschädigen. Es ist im allgemeinen unmöglich eine zweite Kupfermatrize [lies: Vater] herzustellen, weil einige der Hervorsprünge im Wachs während der Trennung abreissen. Das Wachs wird daher zurück zu der Wachspolier-Abteilung gegeben um eine neue Oberfläche zu bekommen. Die Oberfläche der Kupfermatrize, die sich am nächsten zu dem Wachs befand wird von allem Wachs mittels eines Lösungsmittels gereinigt, und [Seite 131] dann mit Ethyl-Alkohol gewaschen und mitunter mit einer Ätznatron-Lösung."

Es geben somit zwei Aussagen, dass man unmöglich von einem und demselben Wachs mehrere Väter bekommen kann: 1) Ausreissungen im Wachs und 2) man muss Wachsreste mit Lösungsmittel entfernen, und die müssten doch in der Wachsoberfläche fehlen. Hier im Forum wurde einmal behauptet, dass man mehrere Kupfermatrizen in der frühen akustischen Periode von einem Wachs bekommen könnte. Entweder waren die damals viel geschickter, oder das Wachs war härter (dies war zwar eine Tatsache) und vielleicht dadurch auch zäher. Es könnte auch sein, dass der Graphit (mitunter mit Kupferpulver gemischt) dicker aufgelegt wurde, aber das würde eine rauhe Rillenoberfläche geben und dazu die Höhen beeinträchtigen.


Bezüglich einer Trennschicht: die werden auf Seiten 132-134 behandelt und waren für Kupfer-Kupfer und Kupfer-Nickel unterschiedlich. Für Kupfer-Kupfer wurde einen zweistufigen Prozess verwendet: erstens wurde Silber mittels Silbernitrat als hauchdünnen Belag geschafft, und danach wurde mittels Kaliumiodid Silberiodid geschafft, welches elektrisch leitend war und "spröde" und damit trennbar. Für Kupfer-Nickel wurde Ammoniumbichromat verwendet.

Bryson gibt auch an, dass 'neulich' (1935) die Nickelschicht für die Pressmatrize (Sohn) auch nachträglich verchromt wurde um eine bessere Haltbarkeit zu erreichen (ausnahmsweise bis zu 12.000 Platten!).

Beste Grüsse,

Arto
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Starkton
Do Nov 19 2015, 12:25
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
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Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man versucht hat so viele Kupfermatrizen wie möglich vom Wachsoriginal zu erhalten. Die zeitgenössischen Quellen und auch meine Beobachtungen als Sammler früher Schallplatten lassen für mich keinen anderen Schluss zu.

Bryson war kein Zeitzeuge. Ich frage mich wie seine Quellenlage war. Es wäre zu wünschen, dass Originaldokumente, speziell von 1900 bis 1905, allgemein zugänglich wären um nicht von sekundären Quellen abhängig zu sein.

Natürlich war es ein schwieriges Unterfangen, ich traue den damaligen Spezialisten aber einiges zu, unter anderem, dass sie fehlerhafte Matrizen reparieren konnten. Die Verwendung einer anderen Wachsmischung kann man sicherlich voraussetzen.

Vielen Dank für die Informationen zur Trennschicht. Gibt Bryson den Stand von 1922 oder 1935 wieder? Silberjodid ist ein wirklich interessantes Material. Es zieht sich ungewöhnlicher Weise bei Erwärmung zusammen. Kupfer dehnt sich dabei aus. Dieses unterschiedliche Materialverhalten lässt sich in der Tat zur Trennung von Metallschichten nutzen. Welche zusätzliche Rolle die Sprödigkeit und gute Leitfähigkeit von Silberjodid spielen kann ich nicht beurteilen.

Beim Trennmittel Ammoniumdichromat wird wohl die Eigenschaft genutzt, sich bereits bei 100 °C exotherm zu zersetzen. Man könnte die damit behandelten Metallschichten regelrecht "auseinandersprengen."

[ Bearbeitet Do Nov 19 2015, 12:33 ]
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Arto
Fr Nov 20 2015, 01:53
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jan 07 2014, 01:33
Wohnort: z.Z. Dänemark
Beiträge: 185
Bryson war gewiss ein Zeitzeuge aus 1935, und er hat über die Trennschichte und Schwierigkeiten zeitgennössig berichtet.
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Starkton
Fr Nov 20 2015, 09:10
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Genau, das meinte ich.

Wie ich es verstehe hat Bryson kein wissenschaftshistorisches Buch über Schallplattenherstellung geschrieben, sondern den damals aktuellen Stand von 1935 zusammengefasst. Die Methoden von 1900 und 1922 können völlig andere, und für Bryson nicht nachvollziehbar gewesen sein.
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Arto
Fr Nov 20 2015, 12:09
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jan 07 2014, 01:33
Wohnort: z.Z. Dänemark
Beiträge: 185
Eben, und die Schellackplatten haben noch 25 Jahre einen Beitrag zu unserem Alltag gegeben. Daher is Bryson eine Quellenschrift im Interessengebiet des Forums, und dazu hochwertig. Dazu bringt er wichtige Erfahrungen bezüglich die Rohsubstanzen und den Eigenschaften der Gemische, die um 1935 verwendet wurden.
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Willi-H-411
Fr Nov 20 2015, 13:23
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 12 2011, 11:42
Wohnort: Ruhrpott
Beiträge: 1296
Starkton hatte Link - Hier klicken u.a. geschrieben:

Im März 1898 konnte Emile seinen Aktionären mitteilen dass es von nun an möglich war, Kopien von Pressmatrizen herzustellen. Zu diesem Zweck wurden besonders dicke Schallplatten aus einer Schellackmischung mit Hartgummianteil von einer frischen Matrize gepresst um davon weitere Matrizen galvanoplastisch herzustellen. Wenn die erste Matrize abgenutzt oder beschädigt war, konnte eine zweite oder dritte als Ersatz herangezogen werden um eine theoretisch unbegrenzte Anzahl von Kopien der Originalaufnahme herzustellen.


Wenn es also 1898 bereits möglich war, auf diese Weise zu mehreren Preßmatrizen zu gelangen, so kann ich mir nicht vorstellen, daß man nach Einführung der Wachsplatte von dieser mehrere Preßmatrizen abgeformt haben soll. Ganz egal, wie hoch das Können der damaligen Fachleute auch gewesen sein mag, eine beschädigte Wachsplatte wieder zu reparieren, dürfte auch diesen Menschen unmöglich gewesen sein. Zumal man ja offenbar eine recht brauchbare Methode zur Verfügung hatte (s. Zitat Starkton).

Bleibt also weiterhin die Frage, ab wann man dieses Prizip "Vater-Mutter-Söhne" eingeführt hat. Starkton vermutet zwar, daß hierfür wahrscheinlich als "Trennmittel" Nitrolack verwendet wurde und dieser erst ab ca. Anfang der 1920er Jahre entwickelt wurde, jedoch schrieb Arto von Silbernitrat und Kaliumiodid, zwei Chemikalien, die ja wohl auch schon vor 1920 bekannt waren. Von daher hätte man auch schon vor 1920 ein "Trennmittel" gehabt.

Es bleibt also spannend.

VG Willi
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Starkton
Fr Nov 20 2015, 14:01
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Hier sind zwei der ungefähr ein Zentimeter dicken, übergroßen Schallplatten von 1898 welche von Sammlern "Secondary Master" genannt werden. Der innere Teil entspricht jeweils der 17 cm Berliner Platte.

Ich habe ausschließlich solche gesehen welche im Jahr 1898 aufgenommen wurden, einem goldenen Jahr für die Schallplatte. Danach brachen durch die Auseinandersetzung mit Frank Seaman harte Zeiten für Emile Berliner an, und die Absatzzahlen sanken erheblich. Vielleicht hat das die Weiterentwicklung erstmal zum Stillstand gebracht, bevor durch Eldridge Johnson der Schnitt in Wachs im Jahr 1898 zuerst experimentell und ab Mai 1900 standardmäßig eingeführt wurde.




Willi-H-411 schrieb ...

eine beschädigte Wachsplatte wieder zu reparieren, dürfte auch diesen Menschen unmöglich gewesen sein.

Wachsplatten wurden in Einzelfällen repariert wenn sie gebrochen oder gesprungen waren. Diese Risse übertrugen sich jedoch auf die Matrize. Die Pressungen einiger Schallplatten haben deshalb Strukturen auf der Oberfläche die man für Haarrisse halten könnte.

Was man im Wachs wohl nicht reparieren konnte waren zerstörte Rillen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass unvollständig abgeformte Rillen auf den Kupfermatrizen nachgraviert wurden.

schrieb ...

Silbernitrat und Kaliumiodid, zwei Chemikalien, die ja wohl auch schon vor 1920 bekannt waren. Von daher hätte man auch schon vor 1920 ein "Trennmittel" gehabt.

Die Frage ist doch ob diese Verbindungen bereits 1922 als geeignet erkannt und für diesen Zweck eingesetzt wurden.

[ Bearbeitet So Nov 22 2015, 07:59 ]
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