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Homocord - Klangqualität elektrischer Aufnahmen
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Formiggini
Fri Jul 08 2011, 20:14pm Print View
†
Joined: Tue Dec 28 2010, 19:20pm
Posts: 1579
Homocord war neben der Grammophon zwar eines der ersten Labels in Deutschland, das elektrisch aufgenommene Platten herausbrachte, die Qualität der Aufnahmen lässt aber sehr zu wünschen übrig.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, zuerst ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Firma.

Das Label wurde 1904 in Berlin gegründet, u.a. von Hermann Eisner, der später auch das Artiphon Label einführte.
Die Firma/Das Label hieß 1904 aber ursprünglich HOMOPHON.
Dies führte jedoch zu Namenspatentstreitigkeiten mit der Firma ZONOPHON(E). Die Homophon unterlag in dem Patentstreit, und wechselte im August 1911 zu dem Namen HOMOKORD. Allerdings wurde nur der Labelname geändert, die Firma hieß weiterhin HOMOPHON.
Für den englischen Markt lautete der Name HOMOCHORD.
Um 1924 (kennt jemand einen genaueren Zeitpunkt?) änderte man auch in Deutschland den Namen zu HOMOCORD.
Homophon/Homocord war allerdings bis 1928 eine deutsche Firma, sie hatte nur eine "Zweigstelle" in England - Wichtig für den weiteren Verlauf!

1925 übernahm einen Teil der englischen Homocord (eigentlich Homochord) die britische Columbia - allerdings noch nicht das deutsche Label!
Durch diese Ãœbernahme hatte aber auch die deutsche Homocord Zugang zu Patenten der englischen Columbia.

Columbia erwarb 1925 das Recht an dem neuen elektrischen Aufnahmeverfahren der amerikanischen Western Electric.
Für dieses Verfahren der Western Electric (WE) mussten je Platte Patentgebühren an die WE bezahlt werden. Columbia führte dazu ein "W" im Kreis ein, womit die Platten im Spiegel gestempelt wurden. Auch die Matriznummern führten nun ein "W".

Die deutsche Homocord begann im März 1926 elektrisch aufgenommene Platten auf den Markt zu bringen - stolz als "Homocord Electro". (Electrola startete ebenfalls im März, Lindström zog im April 1926 mit elektrischen Aufnahmen nach).

So stolz allerdings hätte man wohl nicht sein sollen, wenn man sich die Qualität der Aufnahmen anhört:

Eine frühe elektrische, c. Mai/Juni 1926





Auch aus dem Jahr 1926




Eigentlich lässt nur der besser aufgenommene Bass auf eine elektrische Aufnahme tippen. Vorallem der Refraingesang hört sich durch und durch akustisch aufgenommen an.

Leider wurde die Qualität auch im weiteren Verlauf 1926/27 nicht entscheidend besser, auch wenn manche Platten etwas weniger nach "Blecheimer" klangen:



Was war da nur bei der Homocord los, bzw. was für ein System verwendeten sie?

Ich hatte schon länger den Verdacht, das die Homocord durch den Aktienaustausch mit der Columbia Zugang zu dem Verfahren der Western Electric hatte.

Auf einer Platte fand ich diesen Verdacht nun bestätigt. Auch diese frühe elektrische Aufnahme trägt ein "W", das Lizenzzeichen der Columbia für das Western Electric Verfahren.





Warum hören sich die elektrischen Homocord so schlecht an? Das WE Verfahren zeigte bei der Columbia (Wie auch bei HMV und der amerikanischen Victor) ausgezeichnete Ergebnisse.
Hier kann man leider nur raten.
Die stärksten Verzerrungen und Resonanzen bei den Homocords liegen zwischen 300Hz bis 1000Hz, mit einem starken "Buckel" bei c. 600Hz.
Dies sind eigentlich typische Resonanzen einer Aufnahme, die durch einen Metalltrichter gemacht wurden.

Ich las einaml in einem englischen Artikel (leider kann ich mich nicht mehr an die genaue Quelle erinnern), das man bei der Western Electric "Pakete" in Lizenz erwerben konnte. Entweder nur auf die eigentliche Schneidetechnik, oder die Verstärkeranlage, bzw. das WE Mikrophon.
Möglich das man bei der Homocord sparen wollte, und auf das (teure) WE Mikrophon verzichtete. Stattdessen verwendete man ein Kohlekörnermikro mit Trichter wie diesem hier:




(Übrigens verwendete auch Lindström auf Beka, Odeon usw. ab 1926 das WE Verfahren - mit wesentlich besseren Ergebnissen! Auf frühen elektrischen Beka´s kann man ebenfalls das WE "W" im Plattenspiegel finden.)

Es wurde auch der Verdacht geäußert, das die Techniker bei der Homocord das System einfach nicht im Griff hatten.
Dagegen spricht aber der lange Zeitraum der qualitativ schlechten Aufnahmen. Irgendwann hätten sie doch mit der Technik umgehen können müssen.
Schließlich war das WE System nicht billig, für jede verkaufte Platte musste man Gebühren an WE abführe - da will man doch gute Ergebnisse!

Möglich auch, das Homocord kein vollwertiges WE System erwarb, sondern ein unausgereiftes Experimentalstadium.
Die meisten Homocords tragen ja kein "W" als Lizenzzeichen, sondern den Vermerk "MECH. COPYRIGHT BERLIN 192X".

Tatsache sind nur die Resonanzen einer typischen Trichteraufnahme.

Die Klangqualität änderte sich bei der Homocord schlagartig 1928/29.
1928 übernahm die englische Columbia auch die deutsche Homocord in vollem Umfang (um das Label dann bald einzustellen...)
Mit dieser Ãœbernahme wurde bei der Homocord dann nach dem gleichen System wie bei der Columbia aufgenommen: Western Electric...

Meine Fragen an euch:
- Kennt jemand von euch genauere Umstände der Aufnahmetechnik?
- Finden sich auch noch auf weiteren Homocords das "W" im Spiegel, unter dem Label oder in der Matriznummer?
- Tragen Homocords ab 1928/29 (also nach der Übernahme durch die Columbia) noch den Vermerk "MECH. COPYRIGHT BERLIN 192X", oder wurde dann wieder ein "W" wie bei der Columbia eingeführt?

[ Edited Sat Feb 24 2018, 16:04pm ]
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Formiggini
Sat Jul 09 2011, 22:17pm
†
Joined: Tue Dec 28 2010, 19:20pm
Posts: 1579
Einige frühe Homocord Electro tragen noch den Schriftzug

"Elektrisch aufgenommen!"



Dieser Vermerk hat etwas den Beigeschmack von

"Bitte glaubt uns, das IST eine elektrische Aufnahme!"...
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