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Früher Scherzartikel der Deutschen Grammophon-A. G.
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DGAG
Fr Apr 19 2024, 00:42 Druck Ansicht

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Früher Scherzartikel der Deutschen Grammophon - A. G.

Ein für die Deutsche Grammophon - A. G. ganz unerwarteter Artikel ist mir kürzlich in die Hände gefallen und ich brauchte eine Weile, bis ich erkannte, um was es sich dabei handelte. Schließlich ist das unscheinbare Objekt noch nirgendwo beschrieben worden und auch Spezialisten völlig unbekannt.

Zuerst glaubte ich, einen in der Mitte gefalteten Werbezettel aus dünnem Papier, Maße der Vorderseite 9,5 x 16 cm, vor mir zu haben. Den Text "Grammophon spricht, lacht und singt" kennt man so oder so ähnlich bereits aus den 1890er Jahren. Markige Sprüche wie "Harte Platten, keine weichen Wachswalzen" sowie die Angabe der "Schallweite 100 Meter" dienten der Abgrenzung zum damals noch dominierenden Phonographen und sind typisch für die Zeit kurz vor und nach 1900.


Ungewöhnlich und interessant ist der folgende, umrahmte Text mit einigen Schlagworten zur im Dezember 1901 neu auf dem deutschen Markt eingeführten "Lambert Schreibmaschine". Die Londoner Muttergesellschaft hatte sich bereits ein Jahr zuvor wegen dieses Geräts in "The Gramophone & Typewriter, Limited" umbenannt, weil der Geschäftsführende Direktor William Barry Owen nicht an den dauerhaften Erfolg des Grammophons glauben und deshalb unbedingt ein zweites Standbein haben wollte. Eine kostspielige Fehlentscheidung, denn die "Lambert" erwies sich schon sehr bald als Ladenhüter.

Am Fuß des Dokuments ist das am 11. Mai 1900 eingetragene Warenzeichen "Die Stimme seines Herrn", allerdings vor zu dunklem Hintergrund kaum zu erkennen. Bis dahin war die Aufschrift nicht ungewöhnlich für einen Werbezettel. Eine deutlich erweiterte Sichtweise ergab sich erst, nachdem ich das Papier nach dem Erwerb umdrehen konnte.


Die Rückseite entpuppte sich völlig überraschend als "Gebrauchsanweisung" für einen Scherzartikel "Made in Germany", eine Art Tischfeuerwerk. Nachdem sich zudem herausstellte, dass das Papierstück nicht etwa gefaltet, sondern an beiden Längsseiten geschlossen, aber oben offen war, dachte ich an die Funktion eines Tütchens zur Aufbewahrung dieses Scherzartikels. Schließlich war, mehrsprachig, von einem sensationellen, pyrotechnischen Effekt "aus einer Papierdüte [sic]" die Rede.

Es zeigte sich am Ende, dass das fragile Objekt auch unten offen, damit in einen dünnwandigen Hohlzylinder umzuformen und also identisch mit dem "Ballon-Cylinder" [sic.!] war, von dem die Gebrauchsanleitung sprach. Meine anschließende Recherche in dieser Richtung führte zu einem schon damals bekannten Material für "Ernst- und Lustfeuerwerkerei": Ungeleimtes Papier wurde durch Eintauchen in eine Säuremischung und nach gründlicher Trocknung in leicht entzündliches und fast rückstandsfrei verbrennendes "Pyropapier" verwandelt.

Woher kamen jedoch die "herrlichsten Meteor-Strahlen und Leucht-Kugeln" laut Gebrauchsanweisung? Der Effekt von "farbigen Flammen" entsteht durch Bestreichen des Pyropapiers mit bestimmten Salzlösungen. Eisenpulver, aufgebracht in einem Bindemittel, erzeugt beim Abbrennen zudem Funken und Blitze. Mir war bereits aufgefallen, dass der Aufdruck im jeweils unteren Drittel beider Seiten des "Cylinders" undeutlicher, wie übermalt, erscheint und einen metallischen Glanzgrad hat. Offenbar eine Folge der Zusatzbehandlung für ein schönes Feuerwerk.

Letzte Sicherheit würde man bekommen, wenn man der Gebrauchsanleitung folgt und das einzigartige Dokument als Tischfeuerwerk in Rauch und Asche verwandelt. So ist es sicherlich den allermeisten "Ballon-Cylindern" ergangen, welche die Deutsche Grammophon - A. G., wohl als Werbegeschenk an Sylvester 1901, verteilt hat.
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