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Hymnophon in Japanischer Ausstattung, Ernst Holzweissig Nachf., Leipzig 1905
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PONOPHON
Mo Feb 17 2025, 17:17 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Dez 12 2015, 17:45
Wohnort: Österreich
Beiträge: 257
HERSTELLER: Musikwarenfabrik Ernst Holzweissig Nachfolger in Leipzig
SERIENNUMMER: 22 ?, am Tonarm an zwei Stellen mit Schlagzahlen gestempelt
BAUJAHR: 1905
GEHÄUSE: Blindholz Fichte, überzogen mit ca. 6 mm starken Aufleimungen aus sehr weichem Hartholz, dunkelgrün gefasst. Kerbschnitt Dekor mit Wasserlilien und stilisierter Vögel, z.T. farbig hervorgehoben. Füllungen aus geprägter Pappe mit Darstellungen musizierender Geishas. Schwarz, mit auf jeder Seite unterschiedlich farbig hervorgehobenen Akzenten. Maße am Sockel ca. 40x50cm Höhe bis zur Tischplatte ohne Aufbauten ca.31cm
TRICHTER: Eisenblech, innen rot lackiert, Schallstück Messing Durchmesser ca. 24cm
MOTOR: Überaus kräftiger Einfeder-Motor, Federbreite ca. 45mm, Stärke 0,8mm, Aufzug-Begrenzung mittels Andreaskreuzes, Fliehkraftregler mit 4 Bleigewichten. Man kann an der Konstruktion deutlich die Herkunft aus der Spieluhren-Industrie erkennen.
SCHALLDOSE: Baugleich zu Symphonion Modellen.

INTERESSANTE DETAILS:
Unter dem geschützten Namen „Hymnophon“ brachte 1904 die Fa. Ernst Holzweissig Nachf. in Leipzig einen Platten-Sprechapparat auf den Markt, dessen Trichter innerhalb des Gehäuses untergebracht wurde. Die Ausführung in Nussholz-Furnier, im altdeutschen Stil ähnelte der von Musikwerken. In der Ausgabe Nr. 28, der „Phonographischen Zeitschrift“ vom 12. Juli 1905 taucht auf Seite 596 zu ersten Mal die Werbeanzeige mit dem Hymnophon in „Japanischer Ausstattung“ auf.

Anhand dieses bekannten schwarzweißen Werbebildes und der Assoziation zu schwarzem China-Lack, baut sich in unseren Köpfen schnelle eine Vorstellung auf, wie das Gerät ausgesehen haben könnte. Ich staunte nicht schlecht, als ich zum ersten Mal mit dem tatsächlichen Erscheinungsbild konfrontiert wurde. Im Sommer 2024 konnte ich das Gerät, in seine Einzelteile zerlegt und vom Holzwurm stark geschädigt erwerben. Der Vorbesitzer hatte Jahre zuvor begonnen es zu bearbeiten, hat es aber dann beiseitegelegt. Das war ein Glücksfall für mich und ein Glücksfall für das Hymnophon, denn er hatte die ebenen Flächen bereits bis auf das blanke Holz abgeschliffen und begonnen die Wurmlöcher zu verfüllen. Die originale Fassung war an den Profilen und in den Vertiefungen des Kerbschnitts aber noch erhalten. Zum Glück wurden die Papp-Einlagen nicht angefasst und der Holzwurm hatte weitgehend auch das Blindholz verschmäht. Da die Stabilität des Holzes durch den Wurmfraß nicht mehr gegeben war, war da einiges mehr zu tun. Ich habe mich mit der Stabilisierung der Substanz beschäftigt und anhand der erhaltenen Reste die Oberfläche wieder hergestellt. Auch an den mechanischen Teilen hatte der Zahn der Zeit in Form von Korrosion genagt, sodass auch da eine Aufbereitung erforderlich war. Hiermit kann ich das fertige Ergebnis vorstellen und freue mich ganz besonders so ein Gerät in echt zeigen zu können. Da ich bislang keinerlei Infos außer der Werbung und dem Patent darüber gefunden habe, gehe ich davon aus, dass bislang wohl nur wenige das richtige Aussehen kannten.

















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[ Bearbeitet Mi Feb 19 2025, 12:23 ]
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LoopingLoui
Di Feb 18 2025, 07:10
"Moderator"

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 26 2021, 19:14
Wohnort: Altkreis Bersenbrück
Beiträge: 808
Ein wirklich hoch attraktives Gerät, vielen Dank fürs zeigen!
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Fehlmann1960
Di Feb 18 2025, 08:13
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Dez 19 2013, 15:39
Wohnort: CH- 4492 Tecknau
Beiträge: 458
Hallo Christian

Gratulation! Zu dieser tollen Restauration und dieses Ergebnis. Habe hier noch eine Anzeige, schon länger mal in der Phonographischen Zeitschrift gefunden. Es handelt sich vermutlich um die "Standard" Ausführung des Hymnophons.

Hymnophon Werbung aus Phonographische Zeischrift 7.12.1904 (Quelle: Bayrische Staatsbibliothek München)
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DGAG
Di Feb 18 2025, 10:16

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 710
Wunderschön! Ich kann nur ahnen wie es vorher ausgesehen hat und kann Dich zur Restaurierung dieser Rarität nur beglückwünschen. Dass ich jemals ein Hymnophon in japanischer Ausstattung zu Gesicht bekommen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Dieses Modell ist auf der Leipziger Herbstmesse 1905 vorgestellt worden und ich hätte auch angenommen, dass es schwarz lackiert sein würde. Es kann allerdings gut sein, dass es von den "Japan-Schatullen", wie sie damals genannt wurden, mehrere (Farb-)Varianten gab. Vermutlich auch mit Geldeinwurf.

Vor vielen Jahren hätte ich fast ein Hymnophon-Fass gekauft, siehe Werbeanzeige ganz oben, aber es hatte keine Füße mehr und die Optik hielt keinen Vergleich mit dieser olivgrünen Schönheit stand. Vielen Dank auch für die tollen Fotos.
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DGAG
Mi Feb 19 2025, 11:25

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 710
Das kompakte Erscheinungsbild des Hymnophon passte perfekt zum internationalen Trend der Zeit, deshalb fand sich mit der Bettini Phonograph Co. aus New York schnell ein Importeur auch in die USA. Die Verkaufsanzeige in der Talking Machine World von Februar 1905 betont als Nachteil aller anderen auf dem Markt befindlichen (Trichter-)Grammophone, dass der Trichter den Umriss "zerstören" und im Vergleich zur Nützlichkeit zu viel Raum verbrauchen würde.



Ich frage mich übrigens gerade, warum im Warenzeichen zwei Affen auftauchen.
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alang
Mi Mär 19 2025, 21:32
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jun 12 2012, 19:52
Wohnort: Delaware, USA
Beiträge: 661
Auch von mir, vielen Dank fuer die Vorstellung dieses seltenen Apparates. Die Wiederherstellung ist Dir wirklich grossartig gelungen, vor allem wenn man bedenkt, dass ausser dieser Werbung keinerlei Dokumentation zur Verfuegung stand. Gratulation!
Andreas
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