Emil Berliner und das Grammophon
Gestorben, 3 August 1929, Washington DC
Am 11. September 1889 kam Emile Berliner mit seiner Frau Cora und seinen vier Kindern in Hannover an. Dort,
in der Hedwig Strasse 6, lebte seine weitläufige Verwandtschaft.
Wie Cora Berliner in ihrem Tagebuch schrieb, war Emile während ihres Aufenthaltes der ein Jahr dauern sollte,
ständig geschäftlich unterwegs. Berliner hatte die Rechte am bereits patentierten Grammophon zuvor vergeblich
Investoren in den USA angeboten.
Er bezog zunächst ein Laboratorium in der Telephonfabrik seines Bruders Joseph und begann dort, Schallplatten
mit dem aus den USA mitgebrachten "Aufnahme-Grammophon" herzustellen. Die Zinkplatten wurde danach mit
Chromsäure geätzt und konnten direkt mit dem "Wiedergabegrammophon" abgespielt werden, das Berliners
Mitarbeiter Werner Suess kurz vorher entwickelt und fertiggestellt hatte. Die Spieldauer war erstaunliche 5
Minuten.
Noch in Hannover lernte Emile Berliner den Frankfurter Fabrikanten Louis Rosenthal kennen. Dieser war an dem
Grammophon außerordentlich interessiert. Gegen das Versprechen einer Gewinnbeteiligung begann Rosenthal
die Entwicklung eines patentierbaren Verfahrens zur Schallplattenpressung sowie zur phototechnischen
Vergrößerungen von Schallplatten zur Erhöhung der Lautstärke.
Von den geätzten Zink-Schallplatten stellte Rosenthal zunächst einen Abdruck auf Papier her, dessen Negativ
phototechnisch vergrößert auf eine blank polierte und mit lichtempfindlicher Gelatine beschichtete Kupferplatte
übertragen wurde. Nach der Belichtung, dem Abwaschen mit heißem Wasser und der anschließenden Ätzung
war nach etwa 2 Stunden ein Pressstempel hergestellt.
Während seine Erfindung langsam praktisch nutzbar wurde, zeigte Berliner das Grammophon vor
wissenschaftlichen Gesellschaften in Hannover, Berlin und Frankfurt am Main. Die Wiedergabe war laut aber von
starken Nebengeräuschen begleitet. Berühmte Zuhörer wie von Heimholtz, von Siemens und von Bülow
erkannten jedoch einige prinzipielle Vorteile des Grammophons sowie ein gewisses Entwicklungspotenzial für die
nahe Zukunft.
Anfang 1890 fand im Belle-Alliance Theater in Berlin die, nach meinem jetzigen Kenntnisstand, weltweit erste,
rein kommerzielle Grammophonvorführung statt. Es wurden dafür einige kleine, nur noch 12 cm messende
Zinkschallplatten mit einer Spieldauer von kaum 1 Minute aufgenommen. Die Presse lobte vor allem die
gelungene Wiedergabe mehrstimmiger Musikstücke sowie den effektiven Trichter zur Tonverstärkung.
Zur selben Zeit wurde die sprechende Puppe von William Jacques in Deutschland gezeigt. Eine Sensation, da es
sich hier um die erste käufliche praktische Anwendung eines Edison Phonographen mit Wachswalze handelte.
Möglicherweise kam es mit der Vorstellung der sprechenden Puppe von Jacques zur Kontaktaufnahme zwischen
Berliner und der Puppenfabrik Kämmer & Reinhardt.
Die am 19. Mai 1890 gegründete Firma "Grammophon-Spielwaren-Fabrik Kämmer,
Reinhardt & Co." erhielt die Lizenz zur "Herstellung von sprechenden Puppen und der
Errichtung einer Grammophon-Fabrik zwecks Fertigung von handgetriebenen Grammophon-
Apparaten für den Neuheiten-Geschenkartikel-Handel."
Emile Berliner baute für Kämmer & Reinhardt daraufhin den Prototypen einer Miniaturausgabe seines
Wiedergabe-Grammophons, scheute aber vor der technisch anspruchsvolleren Umsetzung einer
Grammophonpuppe zurück.
Louis Rosenthal hatte mittlerweile das nun dringend benötigte, neue, patentierbare Reproduktions- und
Pressverfahren für Schallplatten entwickelt. Er führte Berliner und Firmenvertretern der Grammophonfabrik in
Waltershausen gleichlautende Kopien in Hartgummi, Celluloid und Kupfer vor. Rosenthals Vorführung
überzeugte und er wurde mit der Einrichtung eines Aufnahmelaboratoriums in Frankfurt am Main beauftragt.
Kurz vor seiner Abreise in die USA im September 1890 bevollmächtigte Emile notariell seinen Bruder Joseph ihn
in allen Angelegenheiten zu vertreten, welche sein Grammophonpatent betreffen.
Die ersten Grammophone standen Weihnachten 1890 zum Verkauf. Es gab bald verschiedene Varianten von
diversen, über ganz Deutschland verstreuten, Herstellern. Grammophone mit Münzeinwurfwaren ab 1891 in
Gaststätten aller großen Städte anzutreffen. Über angeschlossene Hörschläuche konnten bis zu vier Personen
gleichzeitig mithören.
Die Pressung der zunächst aus Zelluloid hergestellten Platten besorgte die "Rheinische Gummi- u. Celluloid-
Fabrik Neckarau-Mannheim." Nach wenigen Monaten zeigte sich, dass Zelluloid nicht widerstandsfähig genug
war, ab Anfang 1891 sind die Pressungen in Hartgummi ausgeführt worden.
Sogenannte Grammophonisten produzierten Originalaufnahmen auf Zinkschallplatten an einigen
Aufnahmestellen an denen jeder seine Stimme aufnehmen konnte. Aufnahmegrammophone wurden für diesen
Zweck in der Telephonfabrik Joseph Berliners hergestellt.
Die frühe Vermarktungsgeschichte des Grammophons in Deutschland kann mit 14.500 verkauften Geräten, 600
verschiedenen Aufnahmen in acht verschiedenen Sprachen und schätzungsweise 100.000 verkauften
Schallplatten bis Anfang 1893 durchaus als Erfolg bezeichnet werden.
Fehlende Infrastruktur und Erfahrung in der Organisation, gepaart mit wenig Risikobereitschaft von Kämmer &
Reinhardt, verhinderten jedoch den großen Durchbruch für das Grammophon, der erst einige Jahre später in den
USA erfolgen sollte.
Vielen Dank an unser Mitglied Starkton für die Erlaubnis seinen Artikel hier wiederzugeben.
1891
Berliner führte Sammelalben (engl. Scrapbooks) zu seinen Erfindungen und anderen Themen die ihn interessierten.
Diese sind in der amerikanische Library of Congress digitalisiert einsehbar.
Hieraus einiges an Material, manches stammt auch aus den Photoalben.
Viele der (Zeitungs) Artikel und Ausschnitte sind auf englisch, manche aber auch in deutsch abgefasst. Alleine aber schon wegen der vielen Bilder und Zeichnungen sind sie mindestens zwei Blicke wert.
Frühe Grammophone c. 1888 - 1898
Der Photophonograph
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