SCHLAGER – TEXTSAMMLUNG 1921 – 1932

Zusammengestellt von Dr. Wolfgang Stanicek - Vielen Dank!


Februar 1930
In: Skizzen. Illustrierte Monatsschrift für Kunst, Musik, Tanz, Sport, Mode und Haus, Berlin










Das Recht auf Schlager


sucht ein alter Berliner nachzuweisen. Er schreibt dem „Vorwärts“: Vor kurzem war im
„Vorwärts“ eine bewegliche Klage über die Verflachung, die Seichtigkeit moderner
Kompositionen zu lesen, die als „Schlager“ angeblich das Musikleben diskreditieren. Wäre
ich Künstler, so wäre es möglich, daß ich in allem dem Verfechter der klassischen Musik
zustimmen würde. Da ich aber nur Laie, nur Hörer bin, so habe ich ein Recht, mich zu
amüsieren bei Dingen, die mir zusagen. Und wenn man so über 40 Jahre das Berliner
Musikleben in allen Tonarten kennengelernt hat, so getraut man sich eben auch ein bißchen
mitzusprechen. Was ist denn ein „Schlager“? Eine von der Gunst des Publikums getragene,
von der Menge leicht und sicher aufgenommene musikalische Schöpfung. Darüber hat keine
Kritik zu befinden. Ungezählte Tausende finden daran einen Genuß. Wohlgemerkt, einen
zeitlichen Genuß, denn das ist der Unterschied zwischen Schlager und Klassizität, daß ersterer
nur eine bestimmte Zeit einen Resonanzboden findet, während klassische Dinge für die
Ewigkeit geschaffen sind. Niemals kann der Schlager entbehrt werden.
Ist nun unsere Schlagerproduktion wirklich schlechter geworden? Als vor mehr als 40 Jahren
Ernestine Wegener den Schlager schuf, den ganz Berlin nachsummte: „Ach ich weiß nicht,
mir ist heut so mollig“, als ein armer Klavierspieler im Hotel de Rome vor 30 Jahren den
„Rixdorfer“ komponierte, als um dieselbe Zeit „Der Mann mit dem Koks ist da“, und alle
diese Schöpfungen die internationale Runde machten, standen die auf höherer Warte als die
neuesten? Der Vergleich fällt sehr zugunsten unserer modernen Schlager aus.
Richtig ist, daß alle Schlagerproduktionen mehr oder weniger Anlehnungen sind, aber wenn
man bei großen und musikalisch wertvollen Produktionen überall eine kritische Sonde
anlegen wollte, würde man bei vielen auch Anlehnungen an ältere Meister oder die
Verarbeitung von Volksmelodien finden. [...]
In: Musikalienhandel, 23. Jg., Nr. 48 (R. 25), 17.6.1921, S. 111.




In: Musikalienhandel, 23. Jg., Nr. 102, 23.12.1921, S. 905.



In: Musikalienhandel, 24. Jg., Nr. 23 (R. 14), 21.3.1922


Kapellmeister und Vortragskünstler als Schrittmacher musikalischer Neuheiten.
Von Poldi Schmidl.

[...] Die Kapellmeister und Vortragskünstler bilden zwar die Vortruppen des Verlegers, aber
ihre beiderseitige Tätigkeit, ihr Wirken ist von einander sehr verschieden. Nicht jede Neuheit
kann durch Unterlegung eines Textes zugleich auch zum gesanglichen Vortragsstück gemacht
werden, und wenn dieser Brauch, einem ausgesprochenen Tanzstück Worte zu unterlegen,
auch allgemein geworden ist, die musikalische Seite der Neuheit leidet darunter. [...] Es
entstand ein Zwitterding musikalischer Unterhaltungsliteratur, das sich zwar den gerade in
Mode stehenden Tanzrhythmen anpaßt, ansonsten jedoch keinerlei andere Reize aufweist.
Seit dem der Tango vom Foxtrot, Shimmy und Paso Espagnol abgelöst wurde, entstanden
wenig oder gar keine musikalisch wertvollen Tanzmelodien, während die Gesangs- und die
Vortragsstücke zwar auch getanzt werden können und sollen, ohne aber das Liedgenre
bsonders zu vertreten, zu kennzeichnen und zu bereichern. Es ist hier nicht anders als auf
jedem anderen Gebiete, man kann nicht zwei Herren zugleich dienen. [...] Kein Wunder also,
wenn heute auch schon der Laie konstatiert, daß die meisten Neuheiten sich sehr wenig von
einander unterscheiden. Ob der mehr oder weniger wirksame Refrain, der doch immer nur
Tageswert haben darf, die Lebensfähigkeit und die Lebensdauer der Neuheit fördert, ist eine
leicht zu beantwortende Frage. [...]
In: Musikalienhandel, 24. Jg., Nr. 28 (R. 17), 7.4.1922, S. 73f.


In: Musikalienhandel, 24. Jg., Nr. 83 (R. 43), 17.10.1922



In: Musikalienhandel, 24. Jg., Nr. 100, 15.12.1922




Alle in: Musikalienhandel, 25. Jg. (1923)


Verlagsrecht und Radiogesellschaft. –
In einem Schweizer Blatte wird ausgeführt: In Amerika, England und Frankreich tobt zurzeit
ein Kampf der Musikverleger gegen die Broadcastgesellschaften. Die Verleger behaupten, die
Verbreitung geschützter Musikstücke durch die Rundspruchsender stelle eine
Beeinträchtigung ihrer Verlagsrechte dar und verlangen ein Verbot der unautorisierten
Benutzung, die nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr zulässig sein soll. Von den
Broadcastgesellschaften wird die formelle Berechtigung dieser Forderung zwar nicht
bestritten, die Zahlung einer Abgabe aber trotzdem abgelehnt, weil der Absatz der von den
Rundspruchsendern verbreiteten Musikstücke sich dank dieser nachdrücklichen Reklame
außerordentlich steigere. Theater, die ihre Aufführungen durch die Broadcaststationen
wiedergeben lassen, sollen – wie es heißt – Riesenerfolge vor übervollen Häusern erzielen,
weil viele Radioamateure das nur gehörte Stück nun auch einmal sehen wollen. Lieder, die
anfänglich fast keinen Absatz hatten, wurden nach der Wiedergabe durch Rundspruchsender
in Hunderttausenden von Exemplaren verkauft, weil alle Welt sie zu singen und zu spielen
begann. Wer die Einwirkung erfolgreicher Operetten-Aufführungen auf den Verkauf von
Noten der darin vorkommenden Lieder kennt, wird geneigt sein, diese Darstellung für richtig
zu halten. In Amerika wollen die Radio-Enthusiasten jetzt aber auch den strikten Beweis
dafür erbringen, daß die Verbreitung durch Broadcastsender die Interessen der Musikverleger
nicht verletze, sondern ihnen diene. Deshalb hat die Zeitschrift „Radio-News“ Preise für einen
Radio-Marsch und einen Radio-Jazz ausgeschrieben, die dem Publikum nur durch die
Rundspruchsender bekannt gemacht werden sollen. Sie werden nirgendswo vorher öffentlich
gespielt, und die Noten sind nur durch die Broadcaststationen, nicht durch die
Musikalienhandlungen zu beziehen. Jede Reklame für die Musikstücke auf anderem Wege als
dem des Rundspruchs ist ausgeschlossen. Die Verkaufsergebnisse sollen nach sechs und
zwölf Monaten bekannt gegeben werden. man hofft, daß sie zeigen, wie sehr die Verbreitung
durch Broadcasting den Verkauf von Musikstücken fördert. –
Zum Ganzen ist zu sagen, daß man die Tatsache der Verkaufsförderung ruhig zugeben kann,
daß aber nicht einzusehen ist, wieso dadurch der Anspruch des Verlegers oder richtiger des
Urhebers auf eine Abgabe der Broadcaststationen aufgehoben wird. Die Aufführung im
Theater oder im Konzertsaal fördert den Absatz ebenfalls, und die Broadcaststationen ziehen
aus der Verwertung der geschützten Stücke ebensogut Nutzen wie ihre älteren Konkurrenten.
Von diesem Standpunkte aus haben denn auch die Gerichte im Staate New York die
unautorisierte Verbretiung geschützter Musikstücke durch Broadcaststationen vorderhand
einmal unter Strafe gestellt. damit ist die rechtliche Grundlage für eine Einigung der
Interessenten geschaffen. (Bbl. Nr. 7. 1924.)
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 2, 11.1.1924, S. 52

Der Musikfunk.
[...] Die Radiotechnik hat das Problem gelöst, einwandfrei das gesprochene Wort und Solowie
auch Orchester-Musik über weiteste Strecken hinweg hörbar zu machen und so von einer
Sprechstelle aus sich an viele Tausende von Zuhörern ungeachtet ihres Standortes zu wenden.
Damit ist die drahtlose Nachrichten-Ãœbermittlung, der lange Zeit nur amtliche Stellen und
Fachleute Interesse abgewonnen hatten, von größter Bedeutung für das große Publikum
geworden. [...]
Der deutsche Unterhaltungsrundfunk dient der drahtlosen Verbreitung von Vorträgen, ernster
Musik und Tanzmusik. Er benützt dazu Sender der Reichstelegraphen-Verwaltung, die in
verschiedenen Städten im Umkreis von 150 km senden. Die Teilnahme am
Unterhaltungsrundfunk ist jedermann möglich, da jeder Deutsche nach Erteilung einer Lizenz
durch die Postverwaltung einen drahtlosen Empfänger käuflich erwerben kann.
Durch den Musikfunk wird ernste und leichte Musik in breite Volksmassen getragen werden.
Daß dies zu einer Belebung des Musikalien- und Instrumentenhandels führen wird, ist nicht
der einzige Umstand, der für diesen ein besonderes Interesse an der neuen Bewegung
erweckt. Der Musikalien- und Instrumentenhandel wird auch unmittelbar durch Verkauf von
Radiogerät und -Literatur mit ihr in Fühlung treten.
Wie die Aussichten für diesen neuen Geschäftszweig liegen, läßt sich im Augenblick schwer
voraussagen. Die Zukunft wird lehren müssen, ob das allgemeine Interesse für Radio nur
Neugier oder wirkliche Begeisterung ist. Auch ist zu hoffen, daß das Dornengestrüpp
behördlicher Vorschriften, das heute noch eine gewisse Hemmung bedeutet, mit der Zeit
etwas gelichtet wird. Jedenfalls dürfen wir die Erwartung aussprechen, daß sich der Deutsche
Musikalien- und Instrumentenhandel auf der Grundlage hervorragender Apparate und einer
großzügig angelegten Rundfunk-Organisation tatkräftig dem neuen Gebiet zuwenden wird.
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 14, 4.4.1924, S. 341


In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 3, 18.1.1924, S. 40


[...] Diese neuen vulgären Schlager machen den Absatz deutscher Musik im Auslande
unmöglich und drohen die Sympathien für das ganze Volk zu gefährden. Hier gilt es einen
Kampf für die Kultur! Es ist nicht wahr, es kann nicht wahr sein, daß das Volk an solchen
traurigen Erzeugnissen Gefallen findet. Die täglich neu auftauchenden kleinen Verleger, die
gar keine Fachleute sind, sie sind Schuld daran, daß dem Volk solche schlüpfrige Ware
geboten wird. Früher gab es eine Zensur, die das Ausarten solcher Machenschaften
verhinderte, jetzt muß der deutsche Verleger dagegen auftreten und kämpfen. Die
Schlagermusik ist eine Folge der modernen Tänze. Wir haben Schlager von allen Ländern, die
wir gerne dem Publikum vorlegen können. Mit Trauer, oft mit Scham, müssen wir uns zur
Auslage der deutschen Schlager wenden, die wir durchaus nicht jedem Kunden vorlegen
können. Soll denn das Ausland mit Gewalt dazu getrieben werden, sich der deutschen Musik
zu entwöhnen? Die Schieber und Neureichen sind die Käufer dieser modernen Noten, sie
verstehen nichts davon! Bietet ihnen nicht solche Texte und Titel, so werden sie auch einen
Foxtrott mit anständigem Text und Titel kaufen. Oft ist schon über diesen Punkt geschrieben
worden und die guten großen Verleger halten ihr Geschäft frei von solcher Ware, aber es muß
mehr geschehen, es muß gehandelt werden, bevor es zu spät ist. Wozu besteht der glänzend
organisierte Musikalienhändler-Verband mit seinen Kreisvereinen? Warum sollte es nicht
möglich sein, alle Sortimenter zu einem Widerspruch zu vereinen und die schlüpfrigen Werke
aus den Fenstern verschwinden zu lassen? Was soll der Ausländer sich dabei denken, wenn er
sich die Schaufenster erster deutscher Musikalienhandlungen ansieht? Es gab doch eine so
glänzende Zeit, als deutsche Komponisten Walzer komponierten, die noch immer in der
ganzen Welt beliebt sind, warum sollten nicht auch Foxtrotts und Shimmys komponiert
werden können, die sich über die Welt verbreiten, dank der Musik und dem Rhythmus, anstatt
unmöglich zu sein wegen Text und Titel. [...]
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 21, 23.5.1924, S. 529

Gegen den Schund im Musikalienhandel.
Daß das in unserem letzten Berichte über die Belebung der deutschen Musikalienausfuhr
gerügte starke Überhandnehmen der minderwertigen, das deutsche Ansehen schädigenden
Schlager (Heft 20 S. 529) auch von deutschen Musikalienhändlern als ein schlimmes Übel
empfunden wird, geht aus dem nachfolgenden Eingesandt eines angesehenen Hauses hervor,
das wir ohne Nennung von Namen abdrucken. Es lautet:
Dem Buch- und Musikalienhändler wird immer der Vorwurf gemacht, er sei kein Kaufmann.
In früherer Zeit, als er sich noch als Träger der Kultur betrachtete, war er stolz darauf, denn er
sah in dem Vorwurf eine Anerkennung seiner Tätigkeit, die ihn hinaushob über den Stand des
Krämers.
Der Kampf um die Existenz hat hier leider Wandel geschaffen. Auch der Sortimenter ist heute
oft gezwungen, Geschäfte zu machen, die ihm früher zuwider gewesen wären. Wir älteren
Händler leiden sehr darunter, gegen unsere Überzeugung handeln zu müssen. Wir verkaufen
lieber eine gute ernste Musik, als die modernen Schlager, die oft von einer unglaublichen
Flachheit und Gemeinheit sind. Aber nicht jeder denkt so.
Vor kurzem erfuhr ich von einem Reisenden, daß ein erstklassiges Münchner Geschäft sich
mit diesem Schmerzenskind unseres Berufes überhaupt nicht befaßt, und einem Kunden, der
einen bekannten Foxtrott wünschte, vom Inhaber die Antwort gegeben wurde: „Ich kenne das
Stück zwar, aber ich will es nicht kennen.“ Ich drücke diesem Berufsgenossen im Geiste die
Hand und wünschte nur, daß auch ich in der Lage wäre, es ihm gleichtun zu können. Wohl ist
es mir gelungen, mit Erfolg erzieherisch auf die Kundschaft einwirken zu können, aber ganz
kann ich der Schlagerliteratur nicht entraten.
Es ist nun ohne Zweifel, daß in letzter Zeit die Verflachung und Verschlechterung
bedrohliche Fortschritte gemacht hat, aber etwas könnte doch von jedem Musikalienhändler
geschehen, um den immer weiter gehenden Verfall aufzuhalten. Es gibt Verlagsfirmen, die
Veröffentlichungen hinausgeben lassen mit Titeln, die an Eindeutigkeit wirklich keinen
Wunsch mehr offen lassen. Ich möchte diese Firmen nicht nennen, um keine Reklame für sie
zu machen, aber ich möchte alle anständigen Elemente, alle einsichtigen Berufsgenossen auf
Deck rufen und sie bitten, doch daran mitzuarbeiten, daß wir aus diesem entsetzlichen Pfuhl
des Schmutzes herauskommen. Das liegt wirklich in der Macht eines jeden Ladeninhabers
und es braucht ihm deshalb noch nicht der Vorwurf gemacht zu werden, er sei ein schlechter
Kaufmann.
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 22, 30.5.1924, S. 561f

„Schlagertexte“
Unter dieser Ueberschrift sendet ein Mitglied folgende Bemerkungen: Als ich vor kurzem im
„Musikalienhandel“ den Artikel einer Geschäftsinhaberin über das Unzüchtige der Schlager
las und darin die Bitte ausgesprochen wurde, doch eine Ausgabe ohne Text erscheinen zu
lassen, da der Text oft derart gemein sei, daß man die Stücke nicht in die Hände unserer
jüngeren Generation legen könne, mußt ich anfänglich lächeln, doch je länger ich die Sache
verfolgte, desto mehr sah ich ein, daß die Einsenderin sehr recht hat.
Armes Deutschland, wie tief bist du gesunken! Man lese sich das Rundschreiben der Firma
Karl Weiß, Durlach, welches dem Allgemeinen Wahlzettel (Verlag Naumburg, Leipzig)
beilag, durch, es lautet:

„Der größte Erfolg des Stimmungsschlagers“.

Schenk mir doch nur eine Liebesnacht

Refrain:
Schenk mir doch nur eine Liebesnacht
Morgen früh kannst verschwinden du ganz sacht,
Wenn es uns hat ganz sonderbar [eher: wunderbar, Anm.] geschmeckt
so wiederholen wir in vierzehn Tagen das Rezept.


Text und Musik von Siegfried Weiß.

Wie kann sich ein deutscher Verleger finden, der derartige Geisteserzeugnisse in den Verlag
nimmt und wie mag es in dem Hirn eines solchen Dichters und Komponisten aussehen?
Deutschland wache auf!
Du Land der Dichter und Denker verabscheue derartige geistig niedrige Erzeugnisse, die
eines Deutschen unwürdig sind. Kollegen helft!
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 26, 2.7.1924, S. 646

Schlagerabonnements
„[...] Beschwerde über die Schlagerabonnements für Salonorchester [...]
Es kann keinem Sortimenter zugemutet werden, solche Piècen für M. 2. –/M. 1.80 zu
verkaufen und sie für M. 1.10 einzukaufen, wenn der Musiker sie laut Inserate im „Artist“
und in der Musikerzeitung direkt vom Verlag für M. –.60 bekommt.“
„[...] Auch die Verteilung von Künstlerexemplaren sollte nur gleichmäßig durch die
Sortimenter geschehen, nicht durch Reisende, die damit nur das reguläre Geschäft stören.“
Der Vorstand des Vereins der Deutschen Musikalienhändler zu Leipzig.
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 28, 31.7.1924, S. 675

An „Oswald“ und an alle, die es angeht.
[...] Zu 2. Die Musikgattung „Schlager“ existiert, sie kann nicht beseitigt werden; sie soll es
auch nicht, denn der Schlager ist ein Moment der Lebensfreude, er kann unsere Nerven in
Stunden des Sichungebundenfühlens entlasten und er beschwingt uns mit seinem flotten
Rhythmus. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß eine gewisse erotische Nuance dem
Schlagertext eigen ist, und daß er ohne sie seine Würze verlieren würde. Leider haben die
meisten Schlager der letzten Jahre das Erotische in geschmackloser Verzerrung in den
Mittelpunkt des Schlager gestellt und statt eines zarten Pinselstrichs dicke aufdringliche
Farbenklexe geliefert. Nicht der Schlager an sich ist also zu verurteilen, sondern die
eindeutige, unanständige Art der Hervorhebung des Erotischen dabei ist es. die dem
deutschen Geschmack der Nachkriegszeit ein so schlechtes Zeugnis ausstellt. Es kam eben
leider nicht mehr darauf an, daß auch der Schlager ein kleines Kunstwerk in seiner Art sein
müßte, sondern darauf, was den niederen Instinkten der Masse am meisten entsprechen und
auf diese Weise das beste Geschäft verbürgen würde. Eine „Schlagerfabrik“ übertraf an
Eindeutigkeit die andere, und so zeigte sich eine wechselweise Einwirkung der
Geschmacksverschlechterung vom Publikum auf den Verlag und vom Verlag aufs Publikum.
Die Frage, wie dem entgegenzuwirken sei, ist außerordentlich schwierig. Der Deutsche
Musikalien-Verleger-Verein, der doch am ehesten gegen derartige Auswüchse des deutschen
Musikverlags sollte einschreiten können, hat uns auf Anfrage erklärt:
„Für eine Einwirkung auf den deutschen Musikverlag, die Herstellung musikalischer
Schundliteratur einzuschränken, besitzt der Deutsche Musikalien-Verleger-Verein keine
Machtmittel. Seiner Ansicht nach bleibt deshalb nur übrig, bei der Ankündigung derartiger
Verlagswerke im „Vereinswahlzettel“ eine gewisse Auslese vorzunehmen, vor allem im
Hinblick auf den Abdruck anstößiger Texte.“
Den letzteren Vorschlag haben wir schon mit wechselndem Erfolge durchgeführt; meist
haben wir bei Ablehnung einer uns anstößig erscheinenden Überschrift oder eines solchen
Textes entrüstete Antworten erhalten, wir hätten doch den und jenen Schlager aufgenommen,
der wäre erst deutlich! Aber dieser Text hatte uns nicht vorgelegen, da uns bei der Aufgabe
des Inserates das Notenblatt nicht übermittelt wird. Dieser Umstand hat zu der Erwägung
geführt, ob man für Schlager
a) eine Vorzensur einrichten könne. Die Geschäftstelle könnte natürlich diese Zensur
nicht übernehmen, sondern höchstens ein Ausschuß von Mitgliedern, die sich dann
freilich seitens des abgelehnten Schlagerverlegers dem sehr beliebten Vorwurf des
„Konkurrenzneides“ aussetzen würden. Dieser Gedanke erscheint daher schwer
durchführbar, auch wenn man die Kommission aus Künstlern bilden wollte, da diese
kaum das Verständnis für die Erzeugnisse der heiteren Muse haben, sondern von
einem hohen künstlerischen Gesichtspunkt aus urteilen und wohl alle Schlager
ablehnen würden. Dagegen scheint uns wenigstens der Gedanke wertvoll, daß der
Schriftleitung von jedem angekündigten Schlager ein Exemplar übersandt werden
muß, damit wenigstens der größte Unflat zurückgewiesen werden kann; über
Beschwerden gegen eine Ablehnung könnte der Presseausschuß entscheiden. Freilich
ist die Verweigerung der Inserataufnahme noch kein durchschlagendes Mittel, denn
wenn wir das Inserat ablehnen, werden es andere Zeitungen nicht verweigern. Eine
Zensur hat immer einen unangenehmen Beigeschmack, und es ist leicht, sie zu
diskreditieren; womöglich macht man noch Reklame damit, wenn ein Schlager vom
Presseausschuß abgelehnt worden ist.
b) Ist also dieser Ausweg keineswegs ein Allheilmittel und erklärt sich die jetzt
bestehende Organisation der Deutschen Musikverleger außerstande, Abhilfe zu
schaffen, so könnte man vielleicht mit größerem Erfolge versuchen, durch den
Sortimenter eine allmähliche Gesundung herbeizuführen. Der Sortimenter ist in der
Lage, auf das Publikum einzuwirken, er kann vor dem Verkauf eines Schlagers an die
Jugend oder an eine ahnungslose Mutter auf den Text hinweisen und an Stelle eines
von ihm beanstandeten Schlager ein anderes Stück empfehlen; der Sortimenter soll der
Berater seiner Kunden sein, dazu gehört, daß er sie auf anstößige Texte aufmerksam
macht.
Der Verein könnte auch, um den Sortimenter in dieser Tätigkeit zu unterstützen,
Schilder anfertigen lassen, die etwa folgenden Wortlaut tragen könnten:
„Schlager mit anstößigem Text werden hier nicht verkauft“.
Durch den Aushang eines solchen Schildes würde der Sortimenter seinem
Kundenkreis gegenüber dokumentieren, daß er sich für die von ihm verkauften Noten
und Texte sittlich verantwortlich fühlt und nicht jeden Schmutz unbesehen
weiterreichen will, daß es ihm nicht bloß aufs Geschäft, sondern auch auf die Qualität
der von ihm vertriebenen Noten ankommt; er wird dadurch besonders das Vertrauen
ernster denkender Menschen gewinnen. Man bedenke auch, welche allgemeine
Wirkung der Aushang eines solchen Schildes in allen deutschen Städten haben würde;
nicht nur das Publikum, auch die Presse würde darauf aufmerksam werden, und man
könnte auf diese Weise allmählich dem Volke zum Bewußtsein bringen, welchen
Schund es gedankenlos verbreiten hilft. Kommt aber eine von kulturell gerichteten
Zeitungen oder Persönlichkeiten aufgegriffene Bewegung gegen das allzu Eindeutige
der Schlagererotik zustande, so werden die Schlagerverleger schnell das Steuer
herumdrehen und in ihrer Anpassungsfähigkeit an Zeitströmungen dem veredelteren
Geschmack des Publikums Rechnung tragen, um nicht auf ihren Verlagswerken sitzen
zu bleiben.
Die Entscheidung im einzelnen Falle dem Sortimenter zu überlassen, hätte auch den
Vorteil, daß man einer Verschiedenheit der Anschauungen in verschiedenen
Landesteilen Deutschlands gerecht würde und daß die obenerwähnten Nachteile, die
mit einer Zensur durch eine Zentralstelle verbunden sind, vermieden werden könnten.
Eine wirkungsvolle Tätigkeit auf diesem Gebiete zu entfalten, scheint mir eine der
Aufgaben der zukünftigen Sortimenterkammer zu sein, die ihren Kammermitgliedern
zu möglichst einheitlichem Vorgehen Richtlinien geben könnte.
c) Freilich wird auch dieser Vorschlag nicht verhindern, daß weniger charakterfeste
Sortimenter dann erst recht den Vertrieb von Schlagern mit anstößigen Texten zur
Spezialität machen; aber sie würden sich dadurch selbst als Sortimenter geringeren
Ranges dokumentieren; dann könnte man wohl auch verlangen, daß nicht nur die
Sortimenterkollegen von ihnen abrücken, sondern daß auch der ernste Verlag sich
hinter die kulturellen Bestrebungen der Sortimenterkammer stellt und den Außenseiter
nicht mehr beliefert.
d) Ein nicht zu unterschätzendes Moment bei der Verbreitung von Schlagern, namentlich
solcher mit anstößigem Text, sind die Musikkapellen und Jazzbands in Bars und
ähnlichen Lokalen, wo die Musiker meist den Kehrreim mitsingen und dadurch für
den Ankauf solcher Schlager werben; in solchen Lokalen gilt ja die Losung: „Je toller,
desto besser“. Aber sie stehen nicht mehr in der Blüte, wie in der Inflationszeit und sie
werden in den kommenden Jahren der Arbeit immer mehr an Bedeutung verlieren.
Bleiben noch die Tanzlokale und die Musiklehrer als weitere Verbreiter. Sollte man
nicht auf diese im Sinne einer Geschmacksveredelung einwirken können? Sollte es
nicht möglich sein, zu erreichen, daß namentlich die Musiklehrer durch ihre
Organisationen dahin beeinflußt werden, dem unanständigen Schlager
entgegenzutreten, wo sie ihn oder den Wunsch, ihn zu spielen, bei ihren Schülern
finden? Vielleicht könnte man sogar daran denken, den Reichskunstwart, eine
Reichsstelle, die die Aufgabe hat, auf die Veredelung der Kunst einzuwirken, für die
„Kunstgattung Schlager“ zu interessieren. Ohne Eingreifen einer Behörde geht ja nun
mal nichts in Deutschland!
e) Am ehesten und durchgreifendsten wird die Gesundung vom Volke selbst kommen. In
dieser Beziehung vertrauen wir auf die deutsche Jugend, die zweifellos dazu neigt,
von der verzerrten Kultur der Nachkriegsjahre zu einer höheren Kulturwarte
emporzusteigen; das beweist schon ihre Liebe zur Natur und zum Volksliede. Wenn
sie darin durch verständnisvolle Jugendführer, auch durch die Lehrer, unterstützt
würde, die in den oberen Klassen ruhig einmal an einem besonders platten
Schlagertext das Geistlose solcher Machwerke darlegen könnten, dann würden wir
bald eine bessere Gattung Schlager erhalten. [...]
Die Schriftleitung.
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 29, 15.8.1924, S. 703f.

Zu den „dringlichen kurzen Anfragen“.
Erfreulicherweise scheinen die „dringlichen kurzen Anfragen“ Oswalds in Nr. 29 Widerhall
im Kreise unserer Leser zu finden. Von der Firma Max Hieber, München, ging uns
nachfolgender Brief als erste Aeußerung zu. [...]
Zu Frage 2 möchten wir bemerken, daß sich unserer Ansicht nach ganz von selbst mit der Zeit
die wirklich lasziven Texte verdrängen lassen werden. Ein besonderer Kampf dagegen dürfte
sich als sehr zwecklos herausstellen. Das Publikum wird im Laufe der Zeit ganz von selbst
solche Geschmacklosigkeiten ablehnen, und außerdem sollen die Herrschaften, denen ein
Text nicht anständig genug ist, denselben einfach nicht lesen. [...] Eine Vorzensur halten wir
für ganz falsch, wir weisen dabei nur auf den Fall hin, daß wir vor längeren Jahren einmal ein
Verlagswerk von uns anzeigen wollten, betitelt „Nicht ums verrecken“; die Anzeige wurde
abgelehnt. [...] Wir können Ihnen aber mitteilen, daß diese Nummer eine unserer besten
Verlagsnummern ist und daß bisher in Bayern kein Mensch etwas dahinter gefunden hat.
Wenn die Herren zur Hauptversammlung hier sind, dann können sie ja etwas bayerischen
Dialekt studieren und werden dann manchen Ausdruck weniger hart finden, als er in
Norddeutschland aufgefaßt wird. Doch das nur nebenbei, wir wollten dabei nur darauf
hinweisen, daß z. B. der Ausdruck „Verrecken“ in dieser Zusammensetzung hier auch in
Akademikerkreisen keinen Anstoß erregt. [...]
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 30, 27.8.1924, S. 736

Zur Schlagerfrage
schreibt unser Mitglied Eduard Opitz in Oberhausen, Rhld., er halte den Vorschlag, Schilder
mit dem angeführten Wortlaut anfertigen zu lassen, für außerordentlich gut. Für ein gutes
Mittel zur Bekämpfung der Schundmusik und zur Läuterung des musikalischen Geschmacks
hält er die Veranstaltung von Musikwochen verbunden mit einer Musikalienausstellung. [...]
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 30, 27.8.1924, S. 736

Kulturelle Aufgaben des Musikalienhandels und der Konzertdirektionen
Von Dr. Friedrich Stichtenoth.
[...] Solange ein Verleger nur daran denkt, seine Taschen zu füllen, solange übt er Verbrechen
am geistigen Gute seines Volkes wie der ganzen Menschheit, ebenso wie der Buch- und
Musikalienhändler, dessen einziges Ziel es ist, lediglich Verkäufer zu sein. Man gehe nur in
ein Kaffeehaus und höre sich an, was die Kapelle den Besuchern in die Ohren paukt und jazzt,
so bekommt man das Grausen, und diese Musik (sprich: Lärm) dringt in immer weitere
Volkskreise und hilft wacker mit, das geistige Niveau der urteilslosen Masse immer tiefer
herabzudrücken [...] Der Verleger, der für solchen Schund, wie ihn die modernen Schlager –
mit sehr, sehr wenig Ausnahmen – darstellen, in seiner eigenen Persönlichkeit kein Reagenz
hat, ist nicht wert, daß er Verleger ist. Man wende hier nicht ein: „das Volk verlangt solche
Sachen“. Das rechtfertigt nichts. Man darf eben urteilslosen Menschen ebenso wie Kindern
nicht jeden Willen tun. [...] Ausschaltung des Schmutzes, das ist die erste Forderung, die an
die Verleger gestellt werden muß. Freilich genügt es nicht, wenn die Verleger einer Nation
sich entschließen würden, dieser Forderung nachzukommen, hier kann nur gemeinsames
internationales Vorgehen helfen [...] Es nützt nicht viel, kleine Inseln von höherem Niveau zu
errichten, wenn man sie nicht genügend gegen die von allen Seiten hereinbrechende Flut
schützen kann. [...] Möchten sich für diesen Gedanken möglichst viele maßgebliche
Interessenten finden, die ihm zur Durchführung verhelfen, dann wird Deutschland zu einer
Keimzelle werden für die geistige Reinigung der Völker. [...]
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 33, 19.9.1924, S. 870f


In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 41, 14.11.1924, S. 1125


Zum Musikerrabatt und anderen Fragen!
Von Martha Harpf
[...] Schlager muß der Sortimenter natürlich im Fesnter haben; denn ohne die Schlager gehts
leider heute nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei, wo massenhaft gute Musik und nebenbei „der
Schlager“ verlangt wurde. Damals gabs eben nur einen Schlager, heute gibts, der Tanzwut
folgend, Schlager über Schlager. [...]
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Nr. 42, 21.11.1924, S. 1137

Aus der Werkstatt eines Schlagerverlegers.
Von Ernst Wengraf (Wiener Bohême-Verlag).
[...] Der tüchtige Schlagerverleger ist sozusagen der Poiret der Musik. Der erfindet die Moden
nicht immer selbst, aber er macht die verrückten Einfälle der prominenten Modenärrinnen erst
für die Masse anziehend, schmackhaft und möglich.
Wir erfinden die Shimmys, Tangos, Bostons, Foxtrots, Blues nicht, aber wir frisieren sie erst
richtig auf. Denn wenn wir schon nichts mit der Göttin Kunst zu tun haben, so sind wir doch
die getreuesten Diener ihrer Stiefschwester Kunstgewerbe. Wie entsteht nun also der
Schlager?
Im Laufe des Kalendermonats, emistens gegen Ultimo, erscheinen die gottbegnadeten
Komponisten zu Dutzenden in den geheiligten Hallen des Verlages. Da heißt es sichten,
Einfall und Popularität prüfen und vor allem womöglich alles bereits auf dem Gebiete
Erschienene im Kopfe haben, denn das Wort Plagiat ist im Musikalischen leider kein
Fremdwort. Bei Namen wie Ralph Erwin, Richard Fall, Benesch, Stafford, Holländer, Stolz,
Benatzky und noch zehn oder zwölf anderen greift man meist gern zu, weil der Verlag bei
ihnen ja doch rechnen kann, auf seine Kosten zu kommen. Junge, unbekannte Komponisten,
seien sie noch so begabt, stellen immer ein Wagnis dar, denn unsere exekutiven Hände,
Interpreten, Kapellmeister und Sortimenter greifen immer lieber zu Namen, die schon populär
sind.
Ist die Musik erworben, dann kommen die Arrangeure dran. Was der Komponist abliefert,
eignet sich ja in den wenigsten Fällen für den Sortimentsverkauf. Nicht alles
Schlagerkomponisten, deren Werke populärer sind als die von Richard Strauß und Arnold
Schönberg, haben die Hochschule für Musik absolviert. Aus den Anfängen des berühmten
amerikansichen Ragtimekomponisten Irving Berlin, wird erzählt, daß er überhaupt kein
Instrument beherrschte, sondern sein Kompositionen dem Arrangeur einfach und schlicht
vorpfiff. Trotzdem wage ich zu behaupten, daß ihm sein „Mister Brown“ allein nicht viel
weniger eingetragen hat, als etwa Richard Strauß der „Rosenkavalier“.
Das gute Arrangement ist in vielen Fällen fast ebenso wichtig wie die Komposition. Denn
auch die musikalisch gebildeten Komponisten haben meist nicht die Routine, um ihr Werk
einfach und doch volltänend setzen zu können. Dazu gehört eine jahrelange, nur auf dieses
eine Moment gerichtete Praxis. Die guten Arrangeure wie Uhl, Lindemann, Morena, Ischbold
[sic!] und noch einige wenige andere sind mit Arbeit so überhäuft, daß die eigenen
kompositorischen Pläne, die sie mit Berechtigung hegen, zumeist zurückstehen müssen.
Eine Nummer, die beispielsweise von martin Uhl instrumentiert ist, wird jeder Kapellmeister
gern und oft spielen. Denn sie wird für Klavier genau so voll klingen, wie für das Salon-
Orchester in beliebiger Besetzung, Jazzband nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig mit dem
Arrangement wird der Text in Arbeit gegeben. Denn während sich früher einmal die
Komponisten durch ein lyrisches oder humoristisches Gedicht zu einem musikalischen Einfall
hinreißen ließen, komponieren sie heute ohne Text lustig drauf los, nur mit der Absicht, einen
gangbaren Tanzrhythmus zu schaffen. Der arme Dichterling kann sich dann den Kopf
zerbrechen, ob er auf die Musik eine „Nacht am Nil“ oder die „ungetreue Lisette“ oder
„Margarine“ dichten soll. Auch beim Textieren gibt es eine kleine Gilde erprobter Autoren,
die nach Möglichkeit in Ermanglung ausreichenden Nachwuchses immer wieder
herangezogen werden. Namen wie Beda, Grünbaum, Benatzky, Rebner, Rillo, Vigny,
Katscher, Neubach, Schwabach usw. geben die Gewähr für eine reinliche, geschmackvolle
Textierung, die das Ohr erreichen kann.
Ist nun schließlich auch der Text gefeilt und approbiert, dann tritt an den geplagten Verleger
die wichtige Frage der Ausstattung heran. Denn sein Schmerzenskind, die Schlagernummer,
ist ja nun eine heiratsfähige Tochter und muß eine hübsche Hochzeitsausstattung bekommen.
Da ist einmal das Titlbild. Es soll Plakatwirkung haben und doch künstlerische wirken; es soll
in die Augen stechen, aber nicht kitschige Farbeffekte zeigen; es soll sich auf das Lied
beziehen, ohne den Inhalt ganz zu verraten; es soll für das Klavier des galanten Junggesellen
genau so möglich sein, wie für die Mappe der jungfräulichen Etudenspielerin. Vértes, Dely,
Antonescu, Konya, Rob, Herzig und Ortmann sind Namen, die man hier am häufigsten und
geschmackvollsten antrifft.
Die Wahl der Druckerei sit Vertrauenssache. Leichtes und doch haltbares Papier verringert
die späteren Portospesen. Sorgfältigster Strich versteht sich eigentlich von selbst. Denn ein
paar verschwommene Notenköpfe können ja den Erfolg der ganzen Nummer schmeißen.
Endlich sind die Ballen mit dem schönen bedruckten Notenpapier zur Stelle. Wird es das
große Geschäft sein, oder haben wir etliche Ballen Makulatur eingehandelt? Das kann noch
niemand sagen. Nur der Autor schwört auf den Erfolg.
Schon während des Druckes hat die Vorreklame in der Fachpresse eingesetzt. Jetzt beginnt
die eigentliche Propagandaarbeit. Das Repertoirebüro nach amerikanischem Muster setzt sich
mit den Interpreten von Varieté, Kabarett und Bar in Verbindung; an tausend Stellen soll das
köstliche Werk möglichst gleichzeitig in die armen Ohren der erholungsbedürftigen
Publikümmer gehämmert werden; mit List und Gewalt werden die Bedauernswerten
veranlaßt, beim zweiten und dritten Vers den Refrain mitzusingen und wenn sie’s tun, wenn
sie halb widerwillig, halb amüsiert die gedruckten Textzettel zur Hand nehmen und keß oder
schüchtern mitzwitschern, dann ist der Weg des Schlagers ziemlich gesichert.
Die riesigen Auflagen ziffern, deren sich die Nummern in den U.S.A. rühmen, machen es
verständlich, daß wir den Herrschaften überm großen Teich möglichst viel abzugucken
versuchen. Daraus erklärt sich die Hochflut von Revuen, die verschiedene Schlager in ein
dünnes dramatisches Gewand gehüllt schmackhaft und abwechslungsreich servieren.
Die Behandlung der Kapellmeister, die zum Teil über Primadonnenlaunen verfügen, ist
wieder ein Kapitel für sich. Manchen muß man bis ins Haus nachlaufen, bis sie sich dazu
bequemen, die gute Nummer, die doch auch ihren Erfolg bedingt, ins Repertoire
aufzunehmen. Doch muß man ihnen gerechterweise zubilligen, daß sie bei der zum Teil
gehaltlosen Ueberproduktion manchmal wirklich nicht wissen, wo ihnen der Noten-Kopf
steht.
Jedenfalls ist es leichter, die Sängerinnen und Sänger zu bearbeiten als die etwa 20 000
Kapellmeister, von denen unser Wohl und Wehe abhängt. Eine ungeheuerliche
Organisationsarbeit ist nötig, um neben diesen Interpreten noch für Kino-Theater- und
Grammophonreklame tätig sein zu können, ganz zu schweigen von der Beschickung der
Messen und der Entsendung von Reisenden zum Provinzkunden.
Wenn man das alles aber durchgeführt hat, dann steht man erst recht in Gottes Hand. Leo
Stein, der verstorbene Librettist der „Lustigen Witwe“ hat das so schön und präzis gesagt:
„Wir sind alle Esel! Das Publikum macht sich seine Schlager selbst!“
Absolut richtig! Und doch nicht ganz. Denn so wie nach Moltkes weisem Ausspruch auf die
Dauer nur der Tüchtige Glück hat, so macht es eben in unserem Geschäfte der Einfall nicht
allein, sondern mindestens in gleichem Maße auch die gute und solide Verarbeitung. Man
muß im Schlagerverlage sozusagen dem Glücke etwas nachhelfen.
Allerdings soll das nicht in der Weise geschehen, daß man auf die niedrigsten Instinkte der
Menschen spekuliert, wie dies bedauerlicherweise in der letzten Zeit öfter geschehen ist.
Gerade im „Musikalienhandel“ ist wiederholt Klage geführt worden über „Schundliteratur“,
die sich in letzter Zeit in unserer Branche breit macht.
Man mißverstehe mich nicht! Ich weiß ganz genau, daß man dem Schlager das bißchen Erotik
nicht nehmen darf, ohne ihn selbst vollständig unmöglich zu mahcen. Das liegt in der Natur
der Sache. Schließlich lassen sich auch in der deutschen Literatur Beispiele genug anführen,
daß auch ganz große Kerle nicht gerade mit Glacéhandschuhen gedichtet haben. Man denke
zum Beispiel an Walter von der Vogelweide’s „Tandaradei“, an gewisse Fastnachtspiele von
Hans Sachs, an das Volksbuch von Till Eulenspiegel, an Goethes „Walpurgisnacht“. Haben
die Schreiber dieser Werke etwa auf die Lüsternheit des Publikums spekuliert?
Es muß zwischen der feinen, pikanten Pointe, wie wir selbst sie sicher gern hören und der
fastdicken Zote, wie sie neuerdings auftaucht, der schärfste Trennungsstrich gezogen werden.
Mit polizeilichen Maßregeln wird da schwer anzukämpfen sein. Man muß sich auf den
gesunden Sinn des Publikums verlassen, das früher oder später mit derartigen Auswüchsen,
die ja doch mehr oder minder als Folgeerscheinung von Krieg und Inflation zu werden sind,
schon fertig werden.
Halte jeder anständige Schlager-Verleger sein haus rein, nicht nur in dieser Beziehung,
sondern auch in jeder anderen, dann ist genügend dafür gesorgt, daß unser harmloses,
gutmütiges Sorgenkind weiterhin in der ganzen Welt, in der man sich nicht langweilt, ein gern
gesehener Gast bleibt, zum Wohle eines Gewerbes, das heute vielen Tausenden von
Menschen direkt und indirekt Beschäftigung und Brot gibt.
Erreichen wir Verleger dann auch bald amerikanische Millionen-Auflageziffern, das wäre für
uns und für den Handel erst der richtige Schlager!
In: Musikalienhandel, 26. Jg., Sonder-Nummer V (Sonder-Nummer für Schlager-Musik),
4.11.1924, S. 129f


Anm.: Ernst Wengraf (1886-1933) ist Mitgründer des Wiener Bohême-Verlages, stiller
Gesellschafter, Prokurist und General-Vertreter des Verlages für Deutschland an der Berliner
Adresse. Er gründet mit 1.1.1929 seinen eigenen Verlag, den Monopol-Lieder-Verlag (Ernst
Wengraf). Lit.: Fetthauer 2004, S. 506; Musikalienhandel, 31. Jg., Nr. 2, 11.1.1929, S. 48


Beeinträchtigt Radio und Grammophon den Schlagerverkauf?
Von Paul Fago.
Wohin ich auch komme, überall klingt das gleiche Klagelied vom schlechten Geschäftsgang.
[...] Es fehlte vor allen Dingen das große Schlagergeschäft. Selbst Bandausgaben mit den
bekanntesten Schlagern, die im Frühjahr erschienen, erreichten bei weitem nicht den Absatz
wie bisher. Und so muß man sich unwillkürlich fragen: Ist das große Schlagergeschäft als
solches vorbei, und worin sind die Gründe zu suchen?
Zwar werden ausländische, namentlich amerikanische Tanzschlager wie „Sahara“,
„Pasadena“, „When it’s night-time in Italy“, aber auch einige deutsche Nummern noch immer
gut gekauft. Produziert wird nach wie vor mehr als reichlich! Die Auswahl in geschmacklosen
Kehrreimen und Vortexten ist nach wie vor groß! Und auch die modernen Operetten- und
Schlagerkomponisten sind fleißig bei der Arbeit...
Welches sind nun die Gründe des Rückganges im Schlagerverkauf? An Reklame fehlt es
wahrhaftig nicht! Ãœberall wird trotz der Sommerzeit nach wie vor getanzt: die
Operettentheater bringen unzählige Novitäten (einige sogar mit erfolgreichen Schlagern); in
allen Bädern Musik und nochmals Musik, auch die Begeisterung für Militärmusik blüht
wieder auf. Wohin man auch kommt: Überall Rekalme für den Schlager! Und gleichwohl ist
der Verkauf der einzig und allein gewinnbringenden Klavierausgaben gleich Null! Das
Salonorchester- und Instrumentalgeschäft ist überall noch gut. Der Musiker kauft nach wie
vor.
Findet das Publikum keinen Geschmack mehr am Schlager? Liegt Übersättigung vor? Ist
vielleicht nur die Kauflust, nicht aber das zum Kaufen erforderliche Geld vorhanden? So fragt
man sich immer wieder. Oder liegt der Grund darin, daß die Anschaffungspreise eines
Instrumentes für die Interessenten unerschwinglich sind? Spielt etwa die Misere der
Wohnungsnot (Raummangel) eine erhebliche Rolle? Sind die Preise der Noten zu hoch?
Oder, und jetzt komme ich zum Thema, ist die große Masser der Interssenten durch Radio
resp. Grammophon so in Anspruch genommen oder inzwischen geistig so untätig und bequem
geworden, daß die Mehrzahl nicht mehr daran denkt, sich ausübend zu betätigen? Fast jeder
Haushalt hat ja heute einen Radioapparat. Für kaum 10 Mark ersteht man ihn, der
vollkommen für den jeweils zuständigen Sender genügt. Hat man ein Grammophon und ist
selbst so geschickt, vermittels einiger Drähte und eines Verstärkers die Wellen hindurch zu
leiten, so ist zugleich ein fabelhafter Lautsprecher vorhanden, der, ohne daß man sich selbst
bemüht, ein reichhaltiges Programm von Tanz- und Unterhaltungsmusik bringt; neuerdings
auch Opern und Operetten.
Wer noch kein Radiofreund ist, aber musikalische Genüsse nicht entbehren will, wird sich
und sein Gesellschaft mit dem Grammophon unterhalten. Hat man es daher heute noch nötig,
Schlager zu kaufen und dann noch gar zu spielen?
Dem Zuge der Zeit folgend, hat sich neuerdings der Musikhandel auch vielfach auf
Nebenzweige umgestellt, wozu an erster Stelle der Plattenverkauf, dann aber der Vertrieb von
Radioapparaten nebst Zubehör gehört. Mag damit für viele Sortimenter ein großerer oder
kleinerer Ausgleich für den Ausfall des Schlagerverkaufs geschaffen sein, aber wie wird der
moderne Verleger entschädigt? Aus der Verwertung der Aufführungsrechte fließen nach dem
Rückschlag der Inflationszeit dem modernen Verleger und Komponisten leider noch keine
Vermögen zu (der bevorstehenden Abrechnung sieht man mit Spannung entgegen), und auch
die Ammre ist infolge der gesetzlichen Bestimmungen nicht in der Lage, ihre Lizenzgebühren
bald und wesentlich zu erhöhen, so daß für alle Bezugsberechtigten nach Abzug der
Verwaltungskosten nicht gerade viel übrig bleibt. Hier sollte von den Beteiligten – Verleger,
Komponisten, Textdichter – doch der Versuch gemacht werden, Besserung zu schaffen.
Ich sprach viele Sortimenter, die, lediglich auf den Notenverkauf angewiesen, unter dem
Rückgange des Schlagergeschäftes wirtschaftlich sehr zu leiden hatten und nun versuchen
wollten, durch Hinzunahme von Nebenabteilungen die Einnahmen wieder zu steigern.
Vielfach fehlt es am Platz, noch mehr an Kapital! Das reguläre Sortimentsgeschäft mit den
zeitraubenden Ansichts- und Auswahlsendungen wurde durch den bedeutenden
Schlagerverkauf angenehm belebt. Wie aber dafür vollen Ersatz schaffen? Einige Vorschläge
dafür will ich demnächst veröffentlichen.
Allerdings hörte ich auch verschiedentlich (wenn auch nur vereinzelt) auf meinen Reisen, daß
der Rundfunk mitunter auch eine Reklame für den Notenverkauf sei, daß vielfach
Musiknummern unter Bezugnahme auf die Rundfunkprogramme verlangt wurden. Fest steht
allerdings, daß der Verkauf von Textbüchern sich durch den Rundfunk ganz bedeutend belebt
hat. Leider hat namentlich in den Großstädten der Straßenhandel sich des Verkaufs
bemächtigt und bietet dem regulären Sortiment eine unerwünschte Konkurrenz. [...]
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 21, 29.5.1925, S. 694

Unzüchtige Schlager.
Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte stand am 26. Mai zur Verhandlung eine Anklage
gegen den Musikverlag „Drei Sterne“, Berlin W. 8, wegen der Veröffentlichung und
Verbreitung der folgenden fünf „Schlager“:

Grüber, Der Hausschlüssel.
Burns, Der stramme Hund.
Kuhn, Liebling, ach bitte.
Raymond, Was kannst denn du?
Meusel, Radio

und dazu gehöriger Reklamezettel. Gegen die Texte wurde der Vorwurf erhoben, daß sie
gegen § 184 des StGB. verstoßen: der Verlag habe sich also wegen Verbreitung unzüchtiger
Schriften zu verantworten. Die Inhaberin des Verlages wurde zu einer Geldstrafe von 500
Mark verurteilt und außerdem Einziehung und Unbrauchbarmachung der Reklamezettel
sowie der Musikalien und Platten, soweit der Text in Betracht kommt, verfügt. Die
Beschlagnahmungen dieser „Schlager“ waren seinerzeit im Rheinlande erfolgt. Es ist
erfreulich, daß hier energisch gegen die schlimmsten Auswüchse der Schlagermusik
vorgegangen ist.
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 22, 5.6.1925, S. 735

Der Einfluß von Radio und Grammophon.
Von Adolf Hieber.
Herr Fago hat meiner Ansicht nach vollständig recht, wenn er schreibt, daß für moderne
Schlager augenblicklich genug Reklame gemacht wird; der schlechte Absatz kann daher
unmöglich an einer mangelhaften Propaganda liegen. Meiner Ansicht nach ist das Publikum
heute bereits außerordentlich schlagermüde geworden. Ob das nun an den Texten liegt, deren
großtenteils ewige Wiederholung speziell in erotischer Beziehung mit der Zeit beginnt
langweilig zu werden, oder ob trotz der immer noch grassierenden Tanzwut eine gewisse
Bequemlichkeit des Publikums vorhanden ist, selbst Schlager zu spielen, vermag ich
augenblicklich nicht zu entscheiden. Darüber dürfen wir uns aber unter keinen Umständen
hinwegtäuschen, daß die augenblicklich in jeder Branche schlechte Geschäftslage sich
besonders darin ausdrückt, daß das Publikum eben nur die notwendigsten Anschaffungen
vornimmt. Meiner Ansicht nach gehört ja auch zu diesen notwendigsten Anschaffungen in
keiner Weise Schlagermusik.
Daß speziell der Rundfunk eine direkte Schädigung im Schlagergeschäft hervorrufen soll,
glaube ich auf Grund unserer eingehenden Beobachtungen nicht annehmen zu müssen. Ich
halte es allerdings für möglich, daß durch das viele Spielen von Schlagern in den
Unterhaltungskonzerten der Rundfunkkapellen das Publikum einerseits außerordentlich
übersättigt sit und durch die dadurch hervorgerufene Bequemlichkeit kein Anreiz zum Kauf
der Noten mehr besteht, da ja auch durch allzuviel Radio-Hören die Zeit für Selbstübung von
Musik fehlt. Solange jedoch die Rundfunkartikel, wie Lautsprecher, Verstärkungsapparate
usw. nicht billiger werden, halte ich diese Gefahr für nicht allzu groß, denn mit angehängten
Kopfhörern läßt sich nicht tanzen. Nachdem nun auch in Bayern speziell ernst Musik im
Rundfunkt gepflegt wird, ist anzunehmen, daß auch im Absatz von ernster Musik eine
Stockung eintreten müßte; das ist jedoch nicht der Fall; denn der Verkauf dieser Art von
Musik hält sich immer auf einer gleichmäßigen Höhe. Andererseits wäre ja auch anzunehmen,
daß durch den Vortrag speziell von guter Musik ein bedeutend höherer Anreiz gegeben wäre,
sich auch ernste Musik zu kaufen, jedoch läßt sich eine Steigerung nicht erkennen. Nach dem
Vorhergesagten möchte ich schließen, daß bisher der Rundfunk weder eine besondere
Förderung, noch eine außerordentlich Schädigung des Notengeschäftes hervorgerufen hat. Ich
meinerseits möchte eher zur Annahme des ersteren neigen. [...]
Vielmehr glaube ich, daß das Grammophon für Tanzschlager eine größere Konkurrenz
darstellt, wenn auch meiner Ansicht nach durch die hohen Plattenpreise im Verhältnis zu den
Noten ein Ausgleich wieder hergestellt werden kann.
Für den Verlag läßt sich eine neue Einnahmequelle durch Abgabe an Rundfunkgesellschaften
für Aufführungsrechte usw. schon erzielen. Wie weit die Verhandlungen hierüber gediehen
sind, entzieht sich meiner Kenntnis, doch dürften die Sendegesellschaften heute schon in der
Lage sein, an den Verlag entsprechende Aufführungsrechte zu bezahlen. [...]
Auf jeden Fall glaube ich aber, daß der Rückgang im Absatz von Schlagermusik mehr auf den
momentan besonders starken Geldmangel zurückzuführen sein dürfte – neben einer
eintretenden Schlagermüdigkeit –, als gerade auf eine besondere Konkurrenz vonseiten des
Rundfunkts oder des Grammophongeschäftes.
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 23, 12.6.1925, S. 745f

Amerikana 1925.
Von Max Hinrichsen, New York.
[...] und möchte heute speziell das „Geschäft“ im musik-amerikanischen Verlagswesen zu
schildern versuchen. [...] das wirkliche „Geschäft“, die Quelle der Haupteinnahmen ist aber –
genau wie in Deutschland – die leichte Musik. [...]
„Ein einziger Schlager, dann bin ich ein gemachter Mann!“ sagen die Verleger immer, die
noch keinen „Hit“ herausgebracht haben. Da niemand im Voraus bestimmen kann, ob ein
populäres Musikstück Erfolg haben wird, so hat jeder eine Chance, die sich die meisten auch
nicht entgehen lassen.
Es gibt in U.S.A. wohl nicht viel weniger Komponsiten als Autos, und das will im Lande
Henry Fords schon etwas heißen. Was da manchmal an die Verleger eingesadt wird, wäre
wirklich wert, veröffentlicht zu werden, meist aber als Witz. Viele der Erleuchteten kennen
nicht einmal die Noten. Kommt da einer zum Verleger und bietet ein Musikstück an –
todsichere Sache, Bombengeschäft. Man sagt: „Lassen Sie das Manuskript hier, wir werden
es prüfen.“ Ja – da ist kein Manuskript, klavierspielen kann er auch nicht, aber pfeifen,
„whistle“, das könnte er wohl! Also wird vorgepfiffen. Taugt die Melodie etwas, dann
schreibt sie der ständige Arrangeur des Verlagshauses auf und macht ein Stück daraus. So
sind wohl viele Sachen „komponiert“ worden, manche werden dann weitergepfiffen, manche
ausgepfiffen.
Ãœber das Weiterpfeifen freuen sich sowohl Entdecker als auch Verleger. Man kann sich
denken, daß sich speziell hier in Amerika. wo der Geschmack des einen der Geschmack aller
ist, das wirkliche Schlagergeschäft als recht ertragreich erweist. Noch bis vor kurzem hörte
man von Verdiensten von einer halben Million Dollars und mehr an einer einzigen Nummer
(Dardanella, Bananen usw.).
Da kam Radio. Seitdem gestaltete sich das gesamte Verlagsgeschäft, doch besonders das
populärer Musik, immer schwieriger. Das Publikum kaufte keine Noten mehr. Wozu selbst
musizieren, wenn es im Radio andere für einen tun? Man steht der merkwürdigen Situation
gegenüber: Ein Verlag bringt einen „Schlager“ heraus, den jeder singt, pfeift, hört, tanzt und –
geht daran zugrunde! Das ist etwas übertrieben, doch tatsächlich wird an diesen Sachen nicht
annähernd mehr das verdient wie vordem. [...]
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 26, 3.7.1925, S. 813f

Statistik der Musikalien-Neuerscheinungen 1924.
[...] Wenn auch der Begriff des Schundes sich nicht in festgesteckte Grenzen bannen läßt, so
ist diesmal doch versucht worden, das was sich ganz offensichtlich und einwandfrei als
solcher erweist, auszuscheiden, und das sind 162 Werke von der Gesamtzahl der
Neuerscheinungen [3705, davon 973 Ernste Musik und 2732 Leichte Musik, Anm.], also 4.37
%, und zwar 112 Lieder und 50 Tänze. [...]
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 36, 11.9.1925, S. 1105f.
Anm.: Die Ausweisung von sogenanntem Schund in zwei eigenen Spalten für Lieder und
Tänze ist in der Übersichtsgrafik nur in diesem Jahr, 1924, erfolgt


Läuterung des musikalischen Geschmacks.
Im „Berliner Tageblatt“ Nr. 428 finden sich unter dieser Überschrift mit den Untertiteln „Die
Krise im Musikalienhandel“ und „Das Ende der Riesenauflagen von leichter Musik“ folgende
bemerkenswerte Ausführungen:
[...] Jahre hindurch war der öffentliche Tanz verboten gewesen; nun, da die Fesseln gefallen
waren, brach die eingedämmte Lebenslust zügellos hervor, und es schien, als wolle man alle
Nöte des Tages mit einem wütenden Shimmy betäuben. Damals erzielten die Musikverleger
ihre größten Einnahmen, die nicht aus dem Verkauf der für sogenanntes „Salon“-Orchester
instrumentierten Exemplare flossen – diese Stücke wurden zur Popularisierung des
betreffenden Schlager, der „Nummer“, wie es heißt, meist gratis an die Kapellen der Ball- und
Tanzlokale verteilt –, sondern hauptsächlich durch den Absatz der „Klavier-Gesang“-
Ausgabe, d. h. der für Klavier meist recht simpel gesetzten Noten mit Singstimme und Text.
Die Höhe der Auflagen, zu denen es diese Schlager damals brachten, ist symptomatisch für
die Verfassung eines Publikums, das nach jahrelang aufgezwungener Enthaltsamkeit auch um
den Preis des guten Geschmacks sich gründlichst austoben wollte. Man braucht da nicht
gleich an einen Schlager wie die „Bananen“ zu denken, dessen Verbreitung in die
Hunderttausende ging; auch der Absatz minder bekannter Nummern war hoch genug, um den
Verlegern – wohlgemerkt: nicht den Autoren! – kleinere, größere und auch ganz große
Vermügen einzubringen.
Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei.
[...] ein führender deutscher Musikverleger [...]: „[...] Viele [...] Musikenthusiasten haben in
den schlimmsten Zeiten der Geldentwertung [...] ihre Klavier verkauft und müssen sich nun
damit begnügen, die neuesten Schlager im Theater, Kino oder Tanzlokal zu hören. Nun das
Wichtigste: in unaufhaltsamer Entwicklung hat sich, wie vorauszusehen war, die mechanische
Musikreproduktion des Marktes bemächtigt und eine unerschütterliche Position errungen.
Neben der wirtschaftlichen Schwäche des Publikums haben Grammophon und Radio dem
Musikverlagswesen den Todesstoß versetzt.“
[...] der Vorsitzende einer führende Organisation, welche die Interessen der Autoren und
Verleger bei der mechanischen Musikreproduktion zu wahren hat: „Auch der deutsche
Musikverleger partizipiert an den Einnahmen, die aus Grammophon und Radio fließen, doch
sind diese Tantiemen im Hinblick auf die ungeheure Verbreitung, die ein Musikstück durch
seine Reproduktion auf Platten oder durch Radio erfährt, viel zu niedrig bemessen. Auch die
Rechte der öffentlichen Aufführung in Cafés, Tanzlokalen, vor allem aber in den
Kinotheatern, werfen zu wenig ab. [...]“
In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 37, 18.9.1925, S. 1118



In: Musikalienhandel, 27. Jg., Nr. 42, 23.10.1925, S. 1311



Zu Tee und Tanz. Band 7, Berlin 1925


Schlagertexte.
In der „Kölnischen Zeitung“ vom 16. Januar 1926, Morgenausgabe, sind unter „Kunst,
Wissenschaft und Leben“ folgende Ausführunge über Schlagertexte enthalten:
„Die Tanzlieder für unsere heutige Jugend. Aus Leverkusen erhalten wir folgenden
Herzenserguß eines Vaters: Unsere Kinder haben Tanzstunde. Allwöchentlich versammelt
sich die muntere Schar [...] Mit Eifer und Ernst [...] wird gelernt. [...] Wir müssen Tanznoten
beschaffen; [...] Also, im ersten Musikaliengeschäft wird gekauft; einem mächtigen Stoß wird
ein Exemplar entnommen. Die Nachfrage muß also riesig sein. Wir sind sicher, das Richtige
nach Hause zu bringen. [...] Auf dem Nachhauseweg blättere ich [...] Ich blättere zurück, sehe
mir auch die Namen der Textdichter und Komponisten an. [...] Man braucht wirklich nicht
prüde zu sein, um nüchternen Sinnes den ganzen Text ohne eine Ausnahme als grobe, nackte
Schweinerei zu bezeichnen, vollkommen witzlos. Das soll ich meiner Jugend nach Hause
bringen? Wir sind viel, viel tiefer im Sumpf, als wir Ahnungslosen es wissen! Wer weiß da
einen Rat?“ [...]
In: Musikalienhandel, 28. Jg., Nr. 4, 29.1.1926, S. 123

Die Krise des Musikschlagers.
Von Dr. H. R. Fleischmann, Wien.
[...] Wer einmal Schlagerverleger gewesen ist, wird nur mit Angstgefühlen an diese
Schreckenszeit zurückdenken. Denn da wurde sein Bureau ununterbrochen von
Schlagerkomponisten bestürmt, die ihm ihre fabelhaften Musekinder zum Verlag anboten. Da
rette sich, wer flüchten kann. Der Ansturm dieser von dem Genius ihrer BEgabung voll
überzeugten Künstler, von denen sich die meisten schon nach wenigen Minuten als
bescheidene Barspieler, Kinomusiker, Varietésänger entpuppten, geht so weit, daß z. B. mir
bekannte Verleger, um diesem Ansturme zu entgehen und ruhig Atem schöpfen zu können,
den Schlagerkomponisten einfach den Zutritt verwehren oder an der Eingangstüre
Warnungsplakate anbringen lassen, daß Schlagerangebote nicht genommen werden.
Gewöhnlich läßt sich aber der weichherzige Verleger doch immer wieder vereliten, das
Manuskript eines derartigen Schlagers zu erwerben, wobei für den Verleger in der Regel der
mehr oder minder bekannte Name des Komponisten, der auf diesem Gebiete bereits Erfolge
erzielt hat, maßgebend ist. Dieses Motiv muß ich aber als grundfalsch bezeichnen, denn es
bestätigt sich, daß der Schlagerkomponist in der Regel wirklich nur mit einem einzigen
Schlager den großen Erfolgt hatte, während alle übrigen Schlager erfolglos bleiben. Der
„berühmte“ Schlagerkomponist stellt aber an den Verleger unverhältnismäßig hohe
Bedingungen, die sich vom Standpunkte des Absatzes absolut nicht rechtfertigen lassen.
Schon deshalb nicht, weil es dem kaufenden Publikum im Grunde genommen vollkommen
gleichgültig ist, wer der geistige Urheber seiner Lieblingsschlager ist. ja, Versuche haben
ergeben, daß wohl der Titel, nicht aber der Autor des Schlagers in den meisten Fällen den
breiten Massen beknnt sind.
Wir kommen nun auf die Propagandamethoden des Schlagerverlegers zu sprechen. [...] Es ist
ein offenes Geheimnis, daß der Schlagerverleger die Salonorchester sowie alle anderen
Berufsmusiker mit Freiexemplaren geradezu überschüttet. Heute ist es für den
Musiksortimenter einfach unmöglich, die Salonorchester oder barspieler mit neuen Schlagern
zu versorgen, weil diese Musikergruppen alle Neuerscheinungen vom Verleger umsonst oder
doch zu einem Preise erhalten, der nicht einmal den Papierkosten entspricht. Diese Tatsache
wurde im Laufe meiner Geschäftsreisen durch Europa nahezu von allen Musiksortimentern
bestätigt.
Der Schlagerverleger begnügt sich aber nicht nur damit, in unnötiger Weise ganze Auflagen
seiner Neuerscheinungen an die Berufsmusiker zu verschenken, sondern er geht noch einen
Schritt weiter und zahlt an diese Leute ganz bedeutende Summen, damit sie die Neuigkeiten
des Schlagerverlages zum Vortrag bringen. Durch dieses Vorgehen schädigt er wieder alle
jene Kollegen, die diese Propagandamethoden auf keinen Fall mitmachen wollen und auf dem
richtigen Standpunkte stehen, daß derartige Schmiergelder den Vortragenden so verwöhnen,
daß er sich jeden Vortrag vom Verlger zahlen läßt, statt von seiner Kunst zu leben. [...]
Aber auch der Musikalienhändler müßte seine Vertriebsmethoden ändern, wenn er mit
Schlagermusik wieder Geschäfte machen will. [...] Wenn der Musikalienhändler in seinem
Laden die neuen Schlager ununterbrochen von einem flotten Pianisten spielen läßt, verkauft
sich diese Art Musik viel leichter, als wenn dem Kunden bloß ein Stoß neuester Schlager zu
Ansicht vorgelegt wird. [...] In Wien lebt ein geschickter Pianist, der auf Grund seines
Spielens in den Handlungen eine ganz ansehnliche Anzahl von Schlagern täglich absetzen
konnte. Die Wirkung erhöht sich natürlich, sobald die Musik durch einen Lautsprecher aus
dem Geschäftslokale auf die Straße projiziert wird und den Passanten unwillkürlich ohrfängt.
Soll schließlich die unleugbar vorhandene Schlagerkrise überwunden werden, so ist es
natürlich auch notwendig, das Publikum wieder für den Schlager zu interessieren. Denn
bekanntlich gehen derzeit nur englisch-amerikanische Schlager, während deutsche Schlager
gar keinen Absatz finden. Was hat eigentlich den deutschen Schlager vom Absatzmarkt
verdrängt? Nicht die musikalische Qualität, denn der deutsche Schlagerkomponist beherrscht
noch immer sein Metier und verfügt zumindest über eine gleiche melodische und rhythmische
Ader wie sein westlicher Kollege. Die Ursach ist zweifacher Art: zunächst der Zotentext, den
sich die breiten Massen auf die Dauer auf keinen Fall aufdrängen lassen. Dann aber auch die
geradezu äffische Nachahmung der amerikanischen Originale. Der Deutsche liebt auch im
Schlager Humor und echtes Gemüt, wie überhaupt deutsche Art. Erst wenn diese
Bedingungen erfüllt sind, kann man mit einem frischen Interesse für die deutsche
Schlagermusik rechnen, dann werden sich auch die geschäftlichen Erfolge wieder wie früher
einstellen.
In: Musikalienhandel, 28. Jg., Nr. 15, 16.4.1926, S. 430f.

50jährige Schutzfrist.
Die Stimmen, welche eine Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist in Deutschland
von 30 auf 50 Jahre fordern, sind nicht verstummt. Die Bewegung findet eine Stütze in der
Tatsache, daß im österreichischen Parlament und von der italienischen Regierung
Gesetzesvorlagen eingebracht sind, welche die 50jährige Schutzfrist anstreben, und daß auch
die Leitung des Berner Bureaus auf eine Verinheitlichung der Schutzdauer hinwirkt. Wir sind
der Meinung, daß eine Verlängerung der Schutzfrist den Interessen des Buchhandels kaum
entspricht aber auch nicht im Interesse der Autoren liegt. Ein Volk, das seine Dichter ehren
will, kann das nicht besser tun, als wenn es dafür sorgt daß deren Werke Gemeingut des
Volkes werden, d. h. in sein geistiges Eigentum übergehen. das ist aber bei der ejtzt
bestehnden Schutzfrist ovn 30 Jahren eher gewährleistet als bei eine solchen von 50 Jahren.
Dabei verkennen wir nicht, daß für Musikalien die Verhältnisse anders leigen. Nur erscheint
es uns recht schwierig, eine einigende Basis zu finden.
In: Musikalienhandel, 28. Jg., Nr. 18, 7.5.1926, S. 507

Jim Cowler-Nova.
Von A. von Gizycki-Arkadjew.
„Heut war ich bei der Frida“ ist der neueste von Roehr edierte Schlager aus der Feder von Jim
Cowler. Auf diesen Schlagerkomponisten, der leider selten, dafür dann fast ausnahmslos ganz
vorzügliche Werklein schreibt, soll hingewiesen werden, weil er einer von den wenigen ist,
welche, wie der auch von mir sehr geschätzte Fred Ralph [d. i. Hermann Krome, Anm.] sich
in eine amerikanische Schreibweise hineingefunden haben, die dem Tanzschlager einen Wert
verleihen, der über sogenanntem „Eintags“-Interesse bei Künstlern und Publikum steht.
„Fayum“ (Roehr-Verlag) von Jim Cowler ließ vor ca. 4 Jahren diesen Komponisten schnell
populär werden und heute noch spielt jede Kapelle gerne diesen melodisch flüssigen und
klangschönen Fox. [...]

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Vielen Dank an Hr. Georg Richter für die Bereitstellung des Scann!

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