Jim Cowler - Ein Komponistenporträt

Die Familie des Komponisten stellte uns dankenswerterweise ihre vor einiger Zeit erarbeitete Biographie zur Verfügung. Wir möchten diese hier zunächst mit kleinen Ergänzungen wiedergeben.

Jim Cowler

Ein Komponistenporträt



(Sammlung Musikmeister)


Am 23. Januar 1898 erblickte Herbert Noack in Berlin, Frankfurterstr. Das Licht der Welt. Vater und Mutter Noack betrieben eine Gastwirtschaft mit Speiselokal Ein waschechter Berliner also mit bürgerlichem Namen Herbert Noack.




Aus dem Berliner Adressbuch 1898


Er erhielt vom 6. Bis 12. Lebensjahr bei der Privatlehrerin Frl. Langefeld die Grundausbildung am Klavier. Nach dieser Ausbildung wurde er zum Vorspielen dem Hof- und Domorganisten Bernhard Irrgang (1869–1916), Hochschule für Musik in Berlin vorgestellt. Nachdem die reiche Begabung des Jungen anerkannt worden war, entschied sich hier seine weitere Ausbildung.
Er wurde dem Berliner Kantor Julius Schuppmann (1881 – 1917) zur Klavierausbildung zugewiesen; schloss seine Ausbildung bei Prof. Irrgang ab.

Der Schüler studierte Kirchenmusik. Während dieser Ausbildungszeit spielte er im elterlichen Lokal und als musikalischer Begleiter in verschiedenen Kinos der Stummfilmzeit. Als gerade 15-jähriger erhielt der Komponist , auf Grund eines geschickt gemachten Arrangements mit eigenem Stil, ein Engagement am damaligen B.T.L. (Biophon - Theater – LS, Berlin Alexanderstr. 39/40 von 1905 – 1933), hier schreibt er für das Lichtspieltheater /Kino dann jahrelang Musikaufstellungen. Im Jahr 1917 stirbt der Vater, Herbert Noack muss zum Militär und kehrt nach dem Kriegsende nach Berlin zurück.

„In einer geradezu verblüffenden Produktionsverschwendung komponierte der Jüngling für Kleinkunstbühnen Kabarettinterpreten, schuf Instrumentationen und Arrangements“ So der Kritiker C.M von Coellen im Jahr 1935 über die Zeit von 1919 bis etwa 1927.

Die Aufzeichnungen des Komponisten weisen die ersten Kompositionen im Jahr 1914 aus. Das erste Werk ist das Walzerintermezzo „Liebesklänge“ im Jahr 1919, im Verlag des Bruders Walter Noack. Es kamen die ersten bescheidenen Erfolge mit „Berlin-Königsberg, „Tanzelfchen“, „Mittsommernacht“, „Mohammed Aly“ und „Araby“ (Nicht die Komposition von Nichols Horatio die um 1926 in Deutschland als „Am blauen Nil“ bekannt wurde!). Weitere Titel erschienen unter dem Namen Herbert Noack, bzw. unter dem frühen Pseudonym Herbert Henderson. Von dem Titel „Araby“ entstanden auch erste Schallplattenaufnahmen des Komponisten. Im Juni 1923 nahm das VOX Tanzorchester diesen Titel auf VOX 01378 auf, sowie im Mai 1923 auf Beka 32138 und Favorite .488 aufgenommen. Bei beiden Einspielungen wurde das Pseudonym Herbert Henderson verwendet.

Eine weitere frühe Platteneinspielung war:
Mohamed Aly — Foxtrott (Herbert Henderson) August 1923 auf Beka 32181

Im Jahre 1922/23 tritt der Mann in das Leben des Komponisten, der entscheidend für den weiteren Erfolg wird, der Verleger des C.M. Roehr Verlages in Berlin. Der Verleger empfiehlt die Wahl eines Pseudonyms und es entsteht der Name Jim Cowler, da sich ausländische Namen in der Weltstadt Berlin gut verkaufen.

Jim Cowler komponiert viele Schlager wie „Black und Blue“ und „Fayum – Du stolze Frau“, hauptsächlich jedoch instrumentiert und arrangiert er weiter unter dem Namen Herbert Noack für alle großen Komponisten seiner Zeit wie z.B. Henry Richards, Walter Kollo, Ray Henderson, Fritz Loewe, Leo Fall usw., wie vorliegende und verlegte Druckexemplare beweisen. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen bearbeitet er mehr als 250 Werke!

Der eigene Durchbruch gelingt aber erst 1927 mit „Heut war ich bei der Frida“. Dieser Schlager geht um die Welt („All about Frida“), wird in Deutschland auf vielen Plattenmarken aufgenommen und bildet den ersten großen Erfolg.

Jim Cowler-Nova
Von A. von Gizycki-Arkadjew
(In: Der Artist. 45. Jg., Nr. 2178, 16.9.1927)


„Heut war ich bei der Frida“ ist der neueste von Roehr edierte Schlager aus der Feder von Jim
Cowler. Auf diesen Schlagerkomponisten, der leider selten, dafür dann fast ausnahmslos ganz
vorzügliche Werklein schreibt, soll hingewiesen werden, weil er einer von den wenigen ist,
welche, wie der auch von mir sehr geschätzte Fred Ralph [d. i. Hermann Krome, Anm.] sich
in eine amerikanische Schreibweise hineingefunden haben, die dem Tanzschlager einen Wert
verleihen, der über sogenanntem „Eintags“-Interesse bei Künstlern und Publikum steht.
„Fayum“ (Roehr-Verlag) von Jim Cowler ließ vor ca. 4 Jahren diesen Komponisten schnell
populär werden und heute noch spielt jede Kapelle gerne diesen melodisch flüssigen und
klangschönen Fox. [...] Cowler war vernünftig genug, nach diesem Erfolge nicht irgendwie
drauflos zu fabrizieren, sondern veröffentlichte Neuerscheinungen aus seiner Feder nur dann,
wenn er die Ueberzeugung hatte, daß er uns einen weiteren Fortschritt seiner Entwicklung,
gemäß den Forderungen des Tages dokumentieren könne. Bei der Masse von Tanzschlagern,
mit denen uns die Verlegerschaft überschüttet, ist es kein Wunder, daß von weiten Kreisen
unserer Kollegenschaft oft wervolle Weizenkörner mit der Spreu zusammen unbeachtet
weggeworfen werden. Das hat leider auch Cowler an sich erfahren müssen, wenn er gerade
das Pech hatte mit einem Werklein bei der Veröffentlichung in eine Serie minderwertiger
Editionen hineinzugeraten. Die Nummer muß schon sehr stark sein, um sich dann trotzdem
herausschälen und behaupten zu können. So ist es mit seinem Schlager „Von wem hast du die
Augen“, der wiederum durch weichlinige Melodik bei exaktem Rhythmus eine willkommene
Bereicherung sowohl des Tanz- als auch des Vortrags-Repertoires bietet. Als deutsches
Novum bringt Herbert Noack [Jim Cowler ist dessen Pseudonym, Anm.] im letzten Cowler-
Schlager „Heut war ich bei der Frida“ ein Parlophon-Hot-Chorus, also ein weiterer Beweis
dessen, daß wir in Tanzschlagern absolut nicht mehr von Amerika abhöngig sind, denn wer
das Wesen des „Hot“-Stils so gesund erfaßt, wie hier Noack, und sich klugerweise dem
Stande der deutschen Saxophon-Technik, unbeschadet der klanglichen Wirkung, anpaßt, der
trägt ein gut Teil dazu bei, daß der leider in unserer Musikerschaft noch viel zu oft
anzutreffende Transozean-Fimmel kuriert wird."


Es folgt eine Flut von Schlagern u.a. „Der Onkel und die Tante“, „Ich hab ein Zimmer goldige Frau“ (Das 1928 u.a. von den frühen Comedian Harmonists aufgenommen wird), „Drüben in der Heimat blühen die weißen Rosen“, „Wenn ich Liebe brauch dann geh ich zur Pauline“, „Was nützt mir den schönste Lenz, „Was du mir im Mai versprochen“, „Kokolores“, „Es gibt eine Frau die dich niemals vergißt“. Letztes Stück geht als Mutterlied in den Volksmund ein, und wird auch von Richard Tauber aufgenommen.
Es folgen die ersten Filmmusiken für „Pension Schoeller“ (1930) und „Das Rheinlandmädel“ (1930): In dem Film von 1931 "Einer Frau muss man alles verzeih'n" sieht und hört man sogar das Jim Cowler Orchester mit der Eigenkomposition „Mit dir möchte ich so gern nach Spanien“.




Dann geht es Schlag auf Schlag, die Jahre 1930 bis etwa 1937 bilden die Höhepunkte im Schaffen des Komponisten. „Herr Ober, zwei Mokka“(1930), „Wer im Frühling keine Braut hat“(1930), „Du bist meine große Liebe“(1930), „Ich fahr mit meiner kleinen Limousine“(1930), „Mein Herz sagt leise: Ich liebe dich“(1930), „Es rauscht das Meer ein Liebeslied“(1933), „Badener Grüße“(1933), „Eine kleine Träne“(1933), „Liebling mit dem blonden Haar“(1934). „Kleine Möwe, flieg nach Helgoland“(1934 – das wohl bekannteste Lied des Komponisten), „Nie vergeß´ ich ein Liebeslied aus Hawaii“(1934), „In einer kleinen Stadt wohnt meine große Liebe“(1935), „Das Ringlein mit dem dunkelblauen Stein“(1935), „Wenn vom Himmelszelt ein kleines Sternlein fällt“(1936), „Der alte Postillione“(1936) und viele mehr.


Auch entstehen weitere Filmmusiken für „Wenn ich König wär“(1933), „Der geheimnisvolle Mr. X“(1936), „Haupttreffer: Ein Mann“(1933?) sowie „Das Veilchen vom Potsdamer Platz“(1936) mit dem Schlager „Veilchen, kleine blaue Veilchen“.

Der Rundfunk sichert sich die Mitarbeit des Komponisten für Hörspiele, Spezialmusiken und Liederabende. Eigene Aufführungen am Schiffbauerdamm Theater und an der Komischen Oper in Berlin folgen.

Je weiter wir uns den Jahren ab 1938 nähern, desto mehr Ärger bereitet dem Komponisten sein ausländisches Pseudonym.
Mit der Reichsmusikkammer liegt er im ewigen Kampf, bis zur Androhung des Berufsverbotes. Die Emigration mit der Familie nach Amerika oder England wird geplant. Der Komponist besucht New York und London, kehrt jedoch enttäuscht zurück. Beide Städte gefallen ihm nicht. Was hilft es, man muss eben auch unter dem (etwas eingedeutschten) Namen Herbert Kauler arbeiten. In manchen Programmen steht kein Name mehr, eine Trotzreaktion gegenüber der Zensur. Er leidet stark unter den äußeren Zwängen, zumal es um seine Gesundheit auch nicht besonders steht. Komponiert und verlegt wird in diesen Jahren so gut wie keine Melodie. Es ist der große Erfolgseinbruch im Schaffen des Komponisten. Die dauernde Arbeitsbelastung und ein chronisches Nierenleiden erzwingen immer mehr Pausen.

Der musikalische Werdegang war 1938 abrupt unterbrochen worden, Marschlieder und ähnliches zu produzieren lag Jim Cowler nicht. Er ist im Prinzip immer „seiner Linie“, der Melodie und der Harmonie treu geblieben. Von 1941 bis zum Kriegsende erfolgt die musikalische Ausübung des Berufes in Form der Frontbetreuung von der Ost- bis zur Westfront mit Ensemble Auftritten usw. Währenddessen wird die Familie in Berlin ausgebombt, auch das Büro des Komponisten wird zerstört, viel persönliche Unterlagen sowie das eigene Musikarchiv gehen verloren.

Seine stille Liebe blieb die Kirchenmusik, die Orgel als Instrument. Für die Kinder waren es herrliche Stunden, wenn der Vater auf der Kirchenorgel spielte.

In den Jahren seiner größten Schaffenskraft (1927 – 1937) verdankt es der Komponist unter anderem den Textdichtern Fritz Rotter, Kurt Schwabach, dem Bühnenbildner und Autor Wolfgang Böttcher, den Autoren Werner Brink und Leo Breiten, insbesondere jedoch dem wohl erfolgreichsten deutschen Textdichter der Zeit Bruno Balz, dass zur rechten Zeit immer der richtige Partner für eine fruchtbare Zusammenarbeit zur Stelle war.

Herbert Noack 1948

(Sammlung Musikmeister)


Die Zeit von 1946 bis etwa 1956 bildete nochmals eine sporadische Schaffensperiode: Gastspiele in Hamburg, Saarbrücken, Bad Pyrmont sowie anderen Städten. Auch entstanden noch zahlreiche Kompositionen wie: „Den ersten Kuß gibt man am Morgen“, „Schönes Wetter“, Kontraste“, Tenoki“, „Musik der Welt“, „Wir sind ja nicht vom Neckar“, „Komm bald wieder“, „Muß es denn ein Cowboy sein“, „Schneeflöckchen“, „Denk an unsere Liebe“ und viele mehr.

Jedoch konnte der Komponist nicht mehr an seine großen Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen, zumal die Jahre von 1938 – 1945 eine große Arbeitslücke gerissen hatte. Bekannte Textdichter hatten sich anderen bekannten Komponisten angeschlossen. Bruno Balz bildete z.B. ab 1937/38 mit Michael Jary ein Duo. Gemeinsam lieferten sie die Lieder, die insbesondere Zarah Leander zum Weltstar machten. Der echte Anschluss war verpasst.

Sein Nierenleiden und eine beginnende Herzschwäche setzten ihm immer mehr zu. Er verlor jede Lust zur Arbeit, zumal noch ein Bandscheibenleiden zum allgemein negativen Gesundheitsbild hinzukam. Am 15. Juli 1964, im Alter von 66 Jahren, starb der Komponist leider viel zu früh an Herzversagen in seiner Heimatstadt Berlin, die er über alles geliebt hat. Er fand seine letzte Ruhestadt auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof in Berlin. Den Grabstein ziert eine, von einem jungen Bildhauer geschaffene Möwe. Der Komponist der „Kleinen Möwe…“ lebte nicht mehr.


Nachwort
Sein gesamtes musikalisches Werk, das hauptsächlich durch die Zeit von 1919 – 1937 geprägt wird, umfasst etwa 725 verlegte und gedruckte eigene Schlagermelodien, etwa 250 bearbeitete fremde Werke, sechs Filmmusiken und mehr als dreißig Hörspielmusiken
Weiterhin hat er die Musik zu mindestens fünf aufgeführten Theaterstücken geschrieben. Über Erfolg und auch Misserfolg zeugen diverse Kritiken. Unveröffentlichte Manuskripte mit mehr als achzig Titeln zeugen von einer wahrhaft großen Leistung innerhalb einer relativ kurzen Schaffensperiode. Die Salonkapelle „Draußen nur Kännchen“ spielt heute (2012) zum Teil lange vergrabene Stücke Jim Cowlers, nachdem die Familie das Musikarchiv des Komponisten zur Bearbeitung zur Verfügung stellte.




Die beiden Söhne des Komponisten wären dankbar für jeden Hinweis, der zur weiteren Auffindung von Werken ihres Vaters führt und der Komplettierung des Archives dient.

Das Urheberrecht dieser Niederschrift verbleibt bei den Söhnen des Komponisten. Weiterverbreitung und Abdruck bedarf ihrer Zustimmung.


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