The Revelers
Die Revelers
von Josef Westner (humoresk)
„Comin’ for to carry me home to:
Dinah, is there anyone finer
in the state of Carolina?
If there is and you know’er, know’er,
show’er to me…”
In Deutschland schlug diese Platte ein wie eine Bombe: „Wir hatten ja so etwas noch nie erlebt vorher, wir hatten ja nur die üblichen Gesangsquartette erlebt mit ‚Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben’ mit Glacé-Handschuhen und Notenbüchlein“, beschrieb Comedian-Harmonists-Pianist Erwin Bootz den Kontrast zwischen altem und neuem Vokalgesang rückblickend. Die Revelers hatten den neuen Klang geschaffen, ihn zur Perfektion vollendet und ihm zu einem weltweiten Durchbruch verholfen. „‚Tops’ now as always“, titelte die Presse noch 1947, dreißig Jahre nach der Gründung des Ensembles.
Die Revelers – von links nach rechts: James Melton, Lewis James, Elliot Shaw und Wilfred Glenn, am Klavier: Frank Black
Mit Beginn der kommerziellen Verwertung von Tonaufnahmen im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hielten auch die Gesangsquartette Einzug in die amerikanischen Studios. Das farbige „Unique Quartette“ bannte bereits im Dezember 1890 Spirituals auf Walzen, weitere Einspielungen vom „Manhansett Quartette“ und dem „Brilliant Quartette“ entstanden 1891. Geistliches Liedgut oder – der später so genannte – Barbershop-Gesang wurde in den folgenden Jahrzehnten von unzähligen weiteren Gruppen gepflegt, namhafte Vertreter wie das „Peerless-“ oder das „American Quartet“ orientierten sich an den Strömungen der Unterhaltungsmusik und versuchten neue Entwicklungen aufzugreifen. Mit den bahnbrechenden Aufnahmen der „Original Dixieland Jass [sic!] Band“ von 1917 hing die Gründung der Revelers trotz der zeitlichen Nähe nicht zusammen, war die unter dem Namen „Shannon Four“ von Wilfred Glenn zusammengerufene Gruppe doch zunächst auf traditionelle Quartettarrangements sakraler wie profaner Art festgelegt. Die Initiative zur Gründung ging wohl von der Firma Victor aus, die vermutlich auf der Suche nach einem Ersatz für das zerfallende Orpheus Quartet war. Neben dem Bass Glenn waren Charles Hart (1. Tenor), Harvey Hindermyer (2. Tenor) und Elliot Shaw (Bariton) Gründungsmitglieder des Ensembles. Einer Anekdote zufolge war Glenn es auch, der den ursprünglichen Namen der Gruppe wählte: „We’ll call it the Shannon Four! That’ll get the Irish customers!“
Mandy
Shannon Four
24. Juli 1919
Bereits ein Jahr später kam es zum ersten von vielen Besetzungswechseln – Lewis James ersetzte Hindermyer. In verschiedenen Konstellationen, in vielfältigen Ablegern und für unterschiedliche Firmen war das Ensemble in den folgenden sieben Jahren tätig, ohne je die Popularität des American oder des Peerless Quartets zu erreichen. Man hörte sie auf Platten als Gounod, Acme, Lyric Male oder Fireside Quartet, auch als Crescent oder Apollo Trio, nebenbei waren sie in Veranstaltungen und auf Tourneen (unter anderem mit Ada Jones) zu erleben. Aber die hohe Auslastung – wenn man es so nennen will – scheint den Künstlern nicht gereicht zu haben. Nach acht Jahren war es das Ensemble leid, ausschließlich die von den Plattenfirmen geforderten old standard numbers aufzunehmen. Gemeinsam mit dem 1924 für Hart zur Gruppe gestoßenen Franklyn Baur entwickelte Glenn einen neuen, einen „jazzy style“. Clifford Cairns, Aufnahmeleiter der Victor, erfand dafür die Ensemblebezeichnung „The Revelers“.
Die Stars bei einer Pressekonferenz in Berlin 1929
Am 13. Juli 1925 betraten sie erstmals mit neuem Namen und neuem Klang das Aufnahmestudio in Camden und spielten erste Testversionen von „Just a bundle of sunshine“ und „Every sunday afternoon“ ein. Der endgültige Durchbruch gelang mit der Platte vom 4. September des Jahres: „I’m gonna charleston back to charleston“ und „Dinah“ wurden zu einem weltweiten Verkaufsschlager.
Auf Electrola wohl aus Werbegründen fälschlicherweise als "Negergesang" ausgegeben.
Arrangements und Vortragsweise des Ensembles hatten sich grundlegend gewandelt. Die a capella oder zur Orchesterbegleitung gesungene four-part harmony war zu einem lockeren, klavierbegleiteten, vom Jazz inspirierten Gesang geworden, der sich an den populären Unterhaltungsorchestern der Zeit orientierte. Pianist Ed Smalle, der als Arrangeur für viele der frühen Revelers-Hits verantwortlich zeichnete, ergänzte das Quartett bisweilen um eine weitere Gesangsstimme, Instrumentenimitationen wurden zu einem Markenzeichen der Revelers. Die Omnipräsenz der Gruppe blieb auch nach dem Stilwechsel erhalten: Auf Columbia firmierte man als „Singing Sophomores“, auf Brunswick sang man als „Merrymakers“, als anonymes Quartett nahm man unzählige Orchesterrefrains auf.
Als „Singing Sophomores“ im Magazin „Der Ton” vom Dezember 1927
Für Quentin Riggs, der die Geschichte der Revelers nachgezeichnet hat, ist 1926 das entscheidende Jahr in der Karriere des Ensembles. Die Revelers bekamen – mit unter den ersten – einen Vertrag bei der neugegründeten National Broadcasting Company, dem ersten landesweiten Rundfunksender der USA. Zudem wurde die erste Europa-Tournee ein voller Erfolg, gekrönt von einem Auftritt vor der englischen Köngisfamilie (nach Deutschland kamen die Sänger damals noch nicht). Im Herbst verließen Ed Smalle und Franklyn Baur die Gruppe. Während der Tenor mit Charles Harrison nur kurzfristig ersetzt werden konnte, fand man in dem Pianisten Frank Black einen langfristigen und kongenialen Ersatz für Vorgänger Smalle. Harrison sang zwar knapp ein Jahr mit der Gruppe, begleitete sie aber nicht auf eine weitere Europa-Tournee 1927. Der später namhafte Frank Luther ersetzte ihn für die Reise. Die Erfolge der Gruppe waren enorm – nicht nur in Europa: In den USA entstanden zwei Kurzfilme mit ihren größten Hits, der Terminkalender war mit Plattenaufnahmen dicht gefüllt und im Radio waren die Revelers an den damals beliebtesten Sendungen beteiligt. Ein Beispiel dafür wäre die Palmolive Hour, in der die Gruppe bis 1931 regelmäßig zu Gast war.
Erst Ende 1927 konnte im jungen James Melton ein langfristiger Ersatz auf der Position des 1. Tenors gefunden werden – mit dem berühmten „Nola“ gab er am 18. November sein Debüt mit den Kollegen im Plattenstudio. Die folgenden Jahre waren vom stetigen Erfolg der Gruppe geprägt – mit ausgedehnten Europa-Tourneen, die die Revelers 1928 auch erstmals nach Deutschland führte (vorerst noch nicht zu Konzerten, nur zu Presseterminen, zu denen die Electrola in Berlin geladen hatte). In allen Ländern wurden die Stars begeistert empfangen:
The Revelers have taken London by storm.
Die von Millionen Gramola-Schallplatten her weltberühmten „Revelers“, die unvergleichlichen Sänger amerikanischer Jazz- und Negerlieder, sind zum ersten Male [sic!] in Europa. In Wien als einziger Stadt außer London und Paris werden die „Revelers“ ein Konzert [...] geben.
Gott hat die Revellers in einem Moment voller Güte geschaffen.
"The Revelers", das weltberühmte amerikanische Jazz-Quartett, mit seinem Pianisten Frank Black, welche an drei Abenden in Wien ihre originellen, künstlerisch vollendeten Lieder brachten und - mitten in der toten Saison - drei ausverkaufte Säle erzielten.
Auf der Bühne war diese Schöpfung Gottes hierzulande erst im August 1929 zu erleben – und traf dabei auf ihr deutsches Pendant, die Comedian Harmonists, wie deren Bass gegenüber Eberhard Fechner berichtete: „Wir trafen uns im ersten Stock der Scala und haben uns gegenseitig etwas vorgesungen. Die haben ganz komisch geguckt und sie hörten sehr schön hin auf das, was wir sangen“. Zu einem regelrechten Wettstreit sei es zwischen den beiden Gruppen gekommen, wird die Presse anderntags berichten, wobei Original und Kopie nur optisch voneinander zu unterscheiden seien – einmal fünf, einmal sechs Mitglieder.
Nach der Rückkehr in die USA sank die Zahl der Schallplattenaufnahmen auffallend ab. Dies hing mit der Wirtschaftskrise nach dem „Schwarzen Freitag“, wohl aber auch mit einem sich verändernden Musikgeschmack zusammen. Im Rundfunk und auf der Bühne blieben die Revelers nach wie vor eine feste Größe. Mit „When Yuba plays the rumba on the tuba“ schafften die Sänger im Juli 1931 noch einmal einen letzten weltweiten Hit, der auch in Deutschland als „Onkel Bumba aus Kalumba“ Einzug ins Repertoire der Gesangsgruppen fand. Die anschließenden Monate dürften von vielen Um- und Einbrüchen geprägt gewesen sein, so dass selbst der altgediente Bariton Elliot Shaw dem Ensemble Mitte 1931 für rund ein Jahr den Rücken kehrte und durch Phil Duey ersetzt werden musste. Als die Gruppe im Januar 1934 noch einmal ins Studio zurückkehrte und für Victor „The ginger-bread parade“, „Grandfather’s clock“ und „The last round-up“ aufnahmen – allesamt blieben unveröffentlicht –, hatte zudem Frank Parker James Melton als 1. Tenor abgelöst. Kaum ein Jahr später folgte ein neuerlicher Wechsel auf dieser Position – Robert Simmons kam in das Ensemble. Die letzten Schallplatten der Revelers entstanden im März 1938 für Decca, geistliche Stücke, die dem vormaligen Repertoire der Gruppe so gar nicht entsprechen wollten. Für Elliot Shaw war bei diesen Einspielungen bereits John Herrick mit von der Partie. Bis 1942 blieb diese Besetzung auf der Bühne und im Rundfunk aktiv.
Wilfred Glenn inmitten einer Nachkriegsformation der Revelers, 1950
Fünf Jahre später baute Wilfred Glenn die Gruppe mit jungen Mitgliedern – Glenn Burris (1. Tenor), Nino Ventura (2. Tenor), Rand Smith (Bariton) und Paul Vellucci (Piano) – neu auf. Ein „triumphant return to the concert field“ gelang dem neuen Ensemble laut einem erhaltenen Werbeprospekt, das es als „world’s most famous male quartet“ ankündigte. Mit den alten Lieder und Arrangements tourte die Gruppe in vielfach wechselnden Besetzungen bis 1954 durch die USA.
Mit 74 Jahren zog sich Glenn schließlich aus dem Showbusiness zurück und löste sein Gesangsensemble nach 37 Jahren endgültig auf. In aller Welt war die vokale Saat der Revelers auf fruchtbaren Boden gefallen, wie die Gruppengründungen der ausgehenden 1920er Jahre belegen. Stellvertretend für viele, die sich in ihrer Gesangsweise an den amerikanischen Vorbildern orientierten, reicht es aus, die zu nennen, die sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ihren Namen liehen: So gründeten sich die „Mobile Revelers“ in den USA, „Chór Revellersi Polscy“ und „Jidische Revelersn“ sangen in Polen, die „New Revellers“ formierten sich in der Tschechoslowakei und die „Spree-Revellers“ in Deutschland. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg entstand mit den „Radio Revellers“ in den USA ein neues Ensemble, das in seinem Namen auf die fast schon verblichenen Ahnen verwies. „World’s most famous male quartet“ – die Bezeichnung ist wohl kaum eine Übertreibung.
Dieser Beitrag basiert – neben anderen Quellen – auf einem Artikel von Quentin Riggs (The Revelers. In: The Talking Machine Review, 6 (1970), S. 158-163). Weiterer Dank gebührt allen Helfern und Informanten im Hintergrund, insbesondere Michael Hortig, Karsten Lehl, Theo Niemeyer, Ben Poelman und Hendrik Schreiner.
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