Fred Ross Jazz Band

Fred Ross (geb. als Erwin Rosenthal)
(* 5. Januar 1892 in Berlin; † ?)





Leider ist auch über diesen frühen "Jazz-Pionier" nur wenig bekannt. Bereits Ende der zwanziger Jahre verlieren sich seine Spuren. Zwar hinterließ Fred Ross nur eine Handvoll obskurer Aufnahmen aus dem Jahr 1921, trotzdem ist er ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Ragtime der Kaiserzeit und dem beginnenden Jazz - nicht nur in Deutschland, sondern auch anderen europäischen Ländern.

Fred Ross alias Erwin Rosenthal wurde nach eigenen Angaben 1892 in Berlin geboren.
Zeit seiner Karriere versuchte Ross/Rosenthal sich und seine Band als "Amerikanisch" zu verkaufen, inklusive einer "Geschichte" über einen längeren Aufenthalt in den USA.
Laut dem Buch "Was nicht im Badeker steht" (1927) verdiente er sich in den USA mit allen möglichen Jobs. In einem Tanzlokal arbeitete er als Kellner. Kurzfristig fiel dort der Pianist aus, und Fred Ross soll (mit schwarz geschminktem Gesicht!) für diesen eingesprungen sein.

Zwar reiste 1913 ein gewisser "Erwin Rosenthal" (Kaufmännischer Angestellter in der Textilbranche/Halle) in die USA ein, die dortigen Angaben in den Passagierlisten wie Geburtsort, Geburtsjahr usw. widersprechen jedoch gänzlich seinen eigenen Angaben aus den zwanziger Jahren bei einer polizeilichen Meldung in Wien. Auch in einem Interview in Wien nennt er ein Alter welches mit dem angegebenen 1892 übereinstimmt.
Die Wahrheit dürfte sein, dass Fred Ross überhaupt nicht in den USA war.




Alle Anzeigen aus der BZ am Mittag (Berlin).

Anfang März 1921 taucht eine Original-Jazz-Band im Berliner "Monbijou" in der Friedrichstadt auf. Geboten wird u.a. auch "Exzentrik Ragtime". Möglicherweise handelt es sich schon um die Band von Fred Ross.

7. März 1921

Konrad Nowakowski


Etwas später nennt die Lokalität erstmals die "Ross Brothers" aus New York mit Jazz-Band.

8. April 1921

Konrad Nowakowski


Im Juni 1921 spielt die "Original Ragtime Band Fred Ross" im Clover Club.

16. Juni 1921

Konrad Nowakowski


Am 2. Juli 1921 entstehen die Einspielungen für Beka. Auf den Etiketten wird der Auftrittsort mit "Palais Heinroth" genannt.




Jedenfalls leitete Fred Ross 1921 u.a. in einem der mondänsten Nachtklubs, dem Berliner Palais Heinroth die Fred Ross Jazz Band. Somit ist er zusammen mit den Piccadilly Four und Eric Borchard einer der ersten "Jazz-Musiker" im Berlin der frühen Nachkriegsjahre um 1920.


(1)


Im April 1921 annonciert die Kapelle in der BZ am Mittag als "Ross Brothers from New York".

Am 2. Juli 1921 entstanden mit der Fred Ross Jazz Band sechs Einspielungen für die Beka (Lindström).

Fred Ross Jazz-Band : Fred Ross (Erwin Rosenthal)(p,ldr) mit möglicherweise: Fritz Pallmann (tp), Kurt Arlt (cl,as) plus vielleicht einer zweiten Klarinette, Arno Lewitsch (vln), Sascha Lumm (bj), Ernst Weiland ? (d)

Berlin, 2. Juli 1921
31085 Ohio-trick-trot Beka B3204
31086 Wondering -
31087 Watch your step B3205
31088 Carmencita -
31089 Tackin' en down B3206
31090 Ja-da -
(Besetzungsangabe: Horst Lange)

Fritz Pallmann spielte zu dieser Zeit bei Eric Borchard. Der spätere "Tricktrommler der Scala" Ernst Bimbo Weiland ist eher unwahrscheinlich. Korrekterweise muss es heißen: Besetzung bis auf Fred Ross unbekannt.



(2).
2. Juli 1921
Die Melodie im Refrain stammt aus "Alabama Jubilee"

.


Entgegen der Angabe bei H. Lange ist auf den Aufnahmen kaum eine Trompete wahrzunehmen. Stilistisch erinnern die Aufnahmen an frühe Stücke der Art Hickmann Band in den USA sowie an das Savoy Quartett in England (3). Wie bei anderen, frühen "Jazz Bands" in Deutschland liegt auch hier die Betonung auf dem Banjo und dem Schlagzeug, das im Hintergrund allerlei "Lärm" produziert.

Schon bald nach diesen Einspielungen muss die "Fred Ross Jazz Band" Berlin verlassen haben. Die nächsten Spuren finden sich in Wien.

Am 2. September 1921 eröffnete in Wien das „Cercle des Etrangers“. Eine der Attraktionen war die "(Original) Amerikanische Jazz Band". Eine (nicht ganz leicht zu lesende) Besprechung offenbart uns: Diese Band kam aus Berlin!




31. August 1921


3. September 1921


Der neu engagierten, amerikanischen Jazzband Truppe geht von Berlin ein europäischer Ruf voraus...
Die amerikanische Jazz-Band bildet im Verein mit der Künstlerkapelle "Macho" eine echte Sensation.


Weitere Inserate (4) verraten, dass es sich hierbei um die Band der "Ross Brothers" handle - Leitung ein gewisser Fred Ross...
Bereits Anfang Oktober 1921 verließ die "Fred Ross Jazz Band" bereits Wien wieder Richtung Prag. In Wien tobte im Herbst/Winter 1921 die Inflation, soziale Spannungen gipfelten auch in Ausschreitungen Hotels und Gastbetrieben gegenüber. Die starke, tschechische Krone war da verlockender.
Trotzdem war die Kapelle von Fred Ross die erste ausländische "Jazz Band" (und wohl auch eine der ersten überhaupt) in Wien. Gleiches dürfte für den folgenden Auftritt in Prag gelten.

Dass die Ross Brothers in Wien im September 1921 tatsächlich eine Band von Fred Ross waren, trotz der gegenüber Berlin zuvor ja ganz anderen Bezeichnung der Band, ist eine weitere Entdeckung von Hans Pehl (Frankfurt). Gefunden hat er das in einem Inserat eines Lokals in Breslau, wo er die Ross Brothers im Dezember 1921 (also nach Prag), im Januar 1922 und noch einmal im September 1922 nachweisen konnte. Interessanterweise hatten sie dort dann einmal einen Pianisten, der nicht Ross war (Inserat dieses Mannes in Der Artist, 21.9.1922). Engagements von Ross im Jahr 1922 sind aber jedenfalls bekannt, nämlich in Breslau.
( Konrad Nowakowski,Wien)


Im Frühjahr 1923 war er wieder in Wien. Nun unter ganz "offiziellem" Namen eröffnete er hier im "Moulin Rouge".

12. Mai 1923



Amerikanisches Jazz Band Fred Ross


Schon bald danach wechselte er ins „Parisien“ des Ronacher Varieté.

30. Juli 1923



Auch Eric Borchard trat 1923 in Wien auf.
Im Laufe des Jahres 1923 taten sich die beiden "Jazzer" zusammen.
Eric Borchard und seine eigene Band (mit den hochinteressanten deutsch/amerikanischen Spiegel-Brüdern und einem französischen Banjospieler) verließen Ende Juni das Parisien in Wien, wo ihnen Ross, vom Moulin Rouge kommend, folgte. Im September 1923 kommt Eric Borchard dann zur Band von Fred Ross dazu, womit aus diesem auf dem Foto von Herrn Tartler ( Link - Hier klicken ) gezeigten Quartett ein Quintett wurde.


10. Septmber 1923



Ein Bild der Band im „Parisien“ ( Link - Hier klicken ) zeigt eine vierköpfige Kapelle, bestehend aus Geige, Banjo, Klavier und Schlagzeug. Instrumente vor der Band lassen jedoch vermuten, dass man auch gelegentlich zur Posaune, Saxophon und Trompete griff. Trotzdem eine für uns heute etwas ungewöhnliche Besetzung für eine "Jazz-Band", die jedoch verdeutlicht, dass sich die Fred Ross Band in den Jahren seit 1921 nur wenig verändert hatte.

Die letzte Anzeige die die Fred Ross Band im „Parisien“ nennt, stammt vom 4. April 1924. Vermutlich verließ Ross danach Wien, denn es finden sich in Zeitungen keinerlei Belege mehr von Auftritten.

Ross soll im April 1924 aus Wien nach Paris gegangen sein, taucht aber schon im Sommer wieder in Berlin auf. Einen im August geschlossenen Vertrag mit der Barberina hielt er nicht ein, was deren Direktor zu einem Inserat im Artist veranlasste, in dem er vor Vertragsabschlüssen mit Ross warnte (Der Artist vom 8.10.1924).

Im Berliner Adressbuch ist er weiterhin nicht geführt.

Vermutlich reiste die Kapelle quer durch die Lande. So spielte die "Fred Ross Jazz Band" ab dem 26. April 1926 in einem Kino in Turin/Italien (5).

Er findet sich aber auch in Erwähnungen der Musiker Wilbur Kurz, Mike Danzi und Georg Haentzschel aus der Zeit Ende 1925 bis Frühjahr 1927.

Erst 1927 war Erwin Rosenthal wieder in Berlin "sesshaft". Im Berliner Adressbuch ist er als "Kapellmeister" 1927 und 1928 zu finden.



Im Jahr 1927 bis zumindest Ende 1927 spielte Fred Ross im Eden-Hotel in Berlin.

Nach 1928 verwischen sich die Spuren von Erwin Rosenthal alias "Fred Ross".
Laut Zeitzeugen (3) soll er Ende der zwanziger Jahre Orchester und Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben haben.

Ab 1929 findet sich im Berliner Adressbuch kein Erwin Rosenthal mehr der als der gesuchte Musiker in Frage kommt. Möglich das er aus Berlin verzog.

Ebenso möglich: Die erwähnten "gesundheitlichen Gründe" - Fred Ross/Erwin Rosenthal verstarb 1929.

Im Forum: Link - Hier klicken




Unser Dank gilt vor allem Herrn Konrad Nowakowski aus Wien für seine Nachforschungen zu Fred Ross und deren Bereitstellung! Ebenso Herrn Hans Pehl (Frankfurt) für seine Recherche zu dem Musiker in den Primärquellen!
Ohne deren Arbeit wäre der aktuelle Stand der Biographie von Fred Ross nicht möglich.


ANKLAENGE 2011/2012 Jazz Unlimited. Beiträge zur Jazz-Rezeption in Österreich: Konrad Nowakowski: Jazz in Wien: Die Anfänge bis zur Abreise von Arthur Briggs im Mai 1926


(1) Dismarc.org/Europeana/GHT Link - Hier klicken
(2) Wolfgang Hirschenberger/Stompy
(3) Horst Bergmeier & Rainer Lotz, Der Jazz in Deutschland Vol.1
(4) Konrad Nowakowski, „Dolly spielt auf!“, Ernst Krenek Institut
(5) Jazz in Italien/Adriano Mazzoletti

You must be logged in to make comments on this site - please log in, or if you are not registered click here to signup

Ãœber Uns

Wir sind mehr als ein Forum! Als eingetragener Verein arbeiten wir an der Beständigkeit unserer Leidenschaft.

Ãœber uns

Wir suchen Dich!

Du schreibst Artikel, möchtest im Forum als Moderator aktiv werden? Dir liegt Social Media. Bewahre Wissen! Wir warten auf dich.

Schreib uns

Tipps

Einsteiger-Ratschläge für optimale Nutzung und wichtige Aspekte beim Grammophon und Schellackplatten-Kauf.

Zu den Informationen