Tilophan Schallplatte Wien



Eine Schallaufzeichnungsgeschichte aus Wien


„Seit es Phonographen und Grammophone gibt, wird am Aufnahmeproblem gearbeitet und daß, das Problem kein unlösbares ist, beweisen die vielen Ausführungen die seit Jahrzehnten bestehen.Schon der erste Edison'sche Phonograph, bei dem noch gar keine Vervielfältigung der Walzen vorgesehen war, arbeitete mit direkt wiederzugebenden Aufnahmen.Die jetzt auch noch gebräuchlichen Diktierphonographen arbeiten nach den selben Prinzipien und weisen eigentlich gegenüber den ersten Edison'schen Ausführungen außer kleinen mechanischen Verbesserungen überhaupt keine wesentlichen Unterschiede auf. Diese Art der Aufnahme genügt vollkommen, um den Inhalt eines Gespräches oder Briefes festzulegen, entspricht aber nicht den unerhört gesteigerten Ansprüchen an musikalische Qualität, die heute von jedem gestellt werden, der auch nur einigermaßen musikalisches Gefühl und Gehör besitzt und der die hochwertigen elektrisch aufgenommenen Schallplatten und deren elektrische Wiedergabe im dynamischen Lautsprecher kennt.“ So Robert Pollak-Rudin zu Einführung in das Thema der Schallplattenaufnahme der er sich mit seiner Firma Tilophan widmete.

Bei einem kleinen Betrieb, wie es die Firma Tilophan war, ist die Geschichte der Firma natürlich immer eng mit der Persönlichkeit des Unternehmers verbunden. Daher zunächst ein paar biografische Informationen.
Robert Pollak-Rudin wurde am 7. Januar 1891 in Wien geboren, und besuchte, wie zuvor schon sein Vater die Ressel-Realschule. Nach der Matura studierte er an der Technischen Universität Wien und promovierte im Sommer 1914 zum Doktor der Technik. Im ersten Weltkrieg diente er als Leutnant, und veröffentlichte nach dem Kriege das Buch Die Radiotechnik im Kriege. Neben diesem erschienen noch weitere Bücher wie etwa 1921 über die Grundlagen der Experimentellen Magie.
Am 1. Juli 1920 heiratete Robert Pollak-Rudin Natasza Adersberg, und bezog mit Ihr eine Wohnung in IV. Bezirk, Belvederegasse 8. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder, Walter und Vera hervor.
Interessiert an Akustik, Radiotechnik und Tonaufzeichnung richtete Robert Pollak-Rudin im IV. Bezirk, Mayerhofgasse 3 ein elektrotechnisches Laboratorium ein und begann mit Forschungen zur Aufnahme von Schallplatten, die in der Entwicklung einer eigenen Aufnahmeschallplatte für das Direktschnittverfahren mündete.

Die Tilophanplatte


Wie Robert Pollak-Rudin bereits im eingangs angeführeten Zitat ausführte, gab es schon früh in der Geschichte der Schallaufzeichnung die Möglichkeit eigene Tonaufnahmen zu machen. Durch die rasche Entwicklung kamen diese aber schon bald nicht mehr an die Qualität der Industrie heran.
Jedoch mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklungen im Bereich der Rundfunktechnik und der elektrischen Wiedergabe gegen Ende der zwanziger Jahre erwachte wieder das Interesse an der Möglichkeit eigene elektrische Aufnahmen in professioneller Qualität zu machen, und so gab es schon seit 1929 einige Aufnahme-Platten auf dem Markt, wie etwa Phonoson und Melograph.
Diese waren wohl recht erfolgreich. Die Firma Melograph, Ing. Katscher & Co. betrieb Studios zur Selbstaufnahme im Wiener Kaufhaus Gerngroß, in Linz, Salzburg, Graz und Prag.
Mit geeignetem Zubehör konnte auch der Amateur ansprechende Aufnahmen zuhause anfertigen.

Die bereits auf dem Markt erhältlichen Platten, meist auf Gelatinebasis, genügten jedoch den Ansprüchen Robert Pollak-Rudins nicht, da hier die Schallrillen nur eingedrückt oder eingeritzt wurden. So machte er sich auf die Suche nach einem Material für ein besseres Verfahren und wurde fündig.

Robert Pollak-Rudin beantragte am 13.Oktober 1930 beim Österreichischen Patentamt ein Patent für das „Verfahren zu Herstellung eines zum unmittelbaren Einschneiden von Schallnuten geeignetem Schallschriftträgers“. Dieses wurde unter der Nummer 149202 erteilt. Im darauf folgenden Jahr erfolgte die Patentanmeldung in Deutschland, Frankreich und Groß Britanien.



Zuvor schon hatte er am 12. Juli 1929 ein Patent mit der Nummer 122771 für eine elektroakustische Vorrichtung zur „Umwandlung von elektrischer Energie von Tonfrequenz in mechanische Bewegungsimpulse und umgekehrt“ erwirkt, also eines Lautsprechers, bzw. Mikrophons. Auch eine Rundfunk-Röhre und noch einige andere Dinge gehörte zu seinen patentierten Erfindungen.

Ab Mai 1931 warb Robert Pollak-Rudin durch mehrteilige selbstverfasste Zeitschriftenartikel für die Schallplatten-Selbstaufnahme und die Tilophanplatte. Neben grundsätzlichem zur Aufnahme wird die Tilophanplatte und das weitere entwickelte Zubehör wie ein spezieller Schneidstichel und ein kompletter Aufnahmeapparat für Platten bis 25 cm Durchmesser beschrieben.






Platten und Zubehör kamen ab ca. Juli 1931 auf den Markt. Robert Pollak-Rudin kündigte sie als umwälzende Neuerungen auf dem Gebiete der Schallplattenaufnahme an. Neben der Möglichkeit der Selbstaufnahme für Amateure wurden die Tilophanplatten auch als Ersatz für Aufnahmewachse angepriesen, da von ihnen auf galvanischem Wege auch Preßmatrizen Hergestellt werden konnten.




Von sich sich und seiner Erfindung überzeugt, bewarb Robert Pollak-Rudin bei der Markteinführung seine Tilophanplatte bereits als die führende Aufnahmeplatte an, unerreicht in Tonqualität, Dauerhaftigkeit und Einfachheit Behandlung, den besten Preßplatten gleichwertig.





Etikett der Selbstaufnahme-Platte

Das Tilophanstudio


Nach der Erfindung der Tilophan Aufnahmeschallplatte richtete Robert Pollak-Rudin im IV. Bezirk, Margaretenstraße 22 auch ein Aufnahmestudio ein, in dem sowohl einzelne Aufnahmen im Direktschnittverfahren auf Tilophanplatte für jedermann gemacht wurden, als auch Aufnahme von Wachsplatten zur Herstellung von Shells für die Pressung von Schellackplatten. So wurden hier zahlreiche Lohnaufnahmen gemacht, die sich unter anderem im Katalog der „Kalliope“ wieder finden. Zur technischen Ausstattung sowie zu den angewendeten Verfahren wird unten im Abschnitt über das Studio in der Plankengasse berichtet.




Tilophan brachte auch Schellackplatten mit ernster und Unterhaltungsmusik auf eigenem Etikett heraus, produzierte aber auch Reklameschlallplatten die auch auf Tilophan-Etikett erschienen.
Das ganze gipfelte in einer Serie von Kammermusik-Studienplatten mit über 100 Aufnahmen die ab 1935 erschienen.



Unterhaltungsmusik auf Tilophan-Etikett. Bildquelle: Link - Hier klicken


Reklameschallplatte für die Fleisch-und Wurstfabrik Rudolf Spitzauer


Eine frühe Tilophan-Aufnahme für Kalliope von 1932.

Bis Ende des Jahres 1936 erreichten die in Wachs geschnitten Aufnahmen die Matriznummer 800. Zu dieser Zeit findet man Tilophan-Aufnahmen auch auf „Paloma".

Die Kammermusikstudienplatte

Ab dem Jahr 1935 kam eine Serie von Kammermusik-Studienplatten heraus. Auf diesen Platten werden u. a. Quartette von Mozart und Beethoven gespielt, bei denen jeweils eine Stimme fehlt, welche als Blatt der Schallplatte beiliegt, und nach dem zur Platte gespielt werden kann. Für diese Plattenreihe hat das bekannte Rotschildquartett über 100 Stücke eingespielt. Diese Platten wurden von der Firma Odeon – John Hartkopp vertrieben.
Diese Platten wurden von der Fachwelt als herausragend zur Förderung der häuslichen Musik, sowie von Musikstudierenden gelobt. Am 22. Oktober 1935 sendete Radio Wien eine dreiviertelstündige Sendung zu dieser neuen Erfindung.








Das neue Tilophan-Studio im 1 Bezirk

Im August 1936 bezog Robert Pollak-Rudin mit dem Tilophanstudio neue Geschäftsräume in der inneren Stadt, Plankengasse 4. Das neue Studio wird im November und Dezember in einem mehrteiligen Artikel in der Fachpresse vorgestellt, so dass auch wir einen Einblick in den Aufnahmeraum und die dortige Tätigkeit gewinnen können.




Da die Familie mosaischen Glaubens war, verändert sich die Lebenssituation ab dem 12. März 1938 mit dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich grundlegend. Die Familie bereitet sich in der Folgezeit auf die Emigration vor. Zunächst werden die Kinder im Sommer in die Schweiz geschickt, der Haushalt und die Firma werden aufgelößt. Am 31.10.1938 meldet Robert Pollak-Rudin sein Gewebe ab, und verlässt dann mit seiner Frau das Land.

Schließlich gelangte die Familie in die USA. In New York war Robert Pollak-Rudin dann zunächst Mitarbeiter der Bell-Laboratorien später dann war er im Labor der physikalischen Fakultät der Columbia Universität tätig, wo er der practical hands-on guy war. Sein Sohn Walter wird zu einem der führenden Mathematiker der USA.




Robert Pollak-Rudin mit seiner Frau Natasza 1954
Bildquelle: Prof. Ali Eminov
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Robert Pollak-Rudin verstarb gegen Ende des Jahres 1956 oder Anfang 1957.

Vielen Dank an Catherine Rudin.

Autor: Berauscht


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