Max Büchner / Büchner-Orchester

Max Büchner
(* 1862 vermutlich in Berlin; † 1. Mai 1906 in Berlin)




Die ersten "Stars" der frühen Sprechmaschinenindustrie blieben oft unbekannt. Viel beschäftigte und erfolgreiche Musiker die einen Teil ihrer Karriere in den ersten Tonstudios verbrachten wurden auf den Tonträgern oft nicht mal namentlich erwähnt.
Auch einen der meistbeschäftigsten Kapellmeister in Berlin der frühen Phonographen und Grammophonzeit ereilte fast dieses Schicksal des "Vergessens". Lediglich ein Nachruf zu seinem frühen Tod lässt uns ein klein wenig über einen der musikalischen "Pioniere" auf Schellackplatte und Walze erfahren.

Lange bevor Orchesterleiter wie Marek Weber, Dajos Bela oder Paul Godwin zu Berühmtheiten durch ihre Schallplatten wurden, war der Kapellmeister Max Büchner einer der am häufigsten aufgenommenen Orchester in der Kaiserzeit.

Oft machten es bestehende Kapellen und deren Dirigenten den frühen Tontechnikern nicht einfach. Spielzeit war knapp auf den ersten Walzen, viele Instrumente ließen sich nur schlecht oder gar nicht aufnehmen. Sowohl die Partitur, als auch die Orchesterbesetzung musste den Bedürfnissen der noch fast in den Kinderschuhen steckenden Tonaufzeichnung angepasst werden.
Spielzeiten von nur gut zwei Minuten exakt eingehalten, Arrangements wie sie bei "Live-Auftritten" üblich waren zusammen gekürzt, Instrumente weggelassen werden. Nicht alle Orchesterleiter der Jahrhundertwende waren zu diesen (auch aus künstlerischer Sicht) Zugeständnissen im Aufnahmestudio vor dem Trichter bereit. Oft brachten lange (und teure) Aufnahmesitzungen kaum brauchbare Ergebnisse.

„Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Schwierigkeiten jetzt folgten, im Schweisse meines Angesichts habe ich acht Stunden hintereinander gearbeitet, klappte ein Stück bei der Probe, so konnte ich sicher sein, dass bei der wirklichen Aufnahme irgend einer der Herren Musikanten ein paar Takte, die er auslassen musste, doch spielte und die Walze war verdorben, ging es aber einmal gut, so stellte sich bei dem Abhören der Walze heraus, dass der Klarinettist mitten in der schönsten Stelle vor Begeisterung plötzlich sein Instrument direkt in den Trichter gehalten und ein unglaublich schriller Ton die ganze Walze verdorben hatte."
1905 PZ, Nr. 30, S. 635


Anders wohl Max Büchner mit seinen Musikern. Nicht nur passte er sich den Bedürfnissen der phonographischen Industrie an, als ausgebildeter Musiker (Musiklehrer) verstand er es ebenso bestehende Musikstücke so zu arrangieren das sich diese als Endprodukt gut anhörten.



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Büchner wurde 1862 vermutlich in Berlin geboren. Sein Vater betrieb in den 1880er Jahren in der Stadt einen Garderoben und Kostümverleih.
Der Sohn Max Büchner ist erstmals 1887 im Berliner Adressbuch verzeichnet - Beruf: Musiklehrer.
Es ist anzunehmen das er neben dieser Tätigkeit auch bereits schon Orchester leitete. Leider nennen die alten Zeitungen aus dem 19. Jh. bei Veranstaltungen nur seltenst den/die Namen der Kapellmeister. Über den tatsächlichen beruflichen Werdegang von Max Büchner ist kaum etwas bekannt.

Vater und Sohn Büchner
1887



Aus M. Büchner Musik-Lehrer wird (unter wechselnden Adressen) dann Max Büchner.
1900


Ein Jahr später firmiert Büchner dann als Kapellmeister. Wohnhaft unter Fürbringerstr. 28. Mittlerweile hat Büchner das Elternhaus gekauft. Vermutlich die Mutter führt den Masken- und Garderoben-Verleih weiter.
1901



Dem Nachruf zufolge machte Max Büchner seine ersten (Walzen) Aufnahmen im Jahr 1898. Es folgten zunächst viele Aufnahmen für die Firma Edison in Berlin. Hier firmierte der Musiker (u.a. Strohgeige und Glockenspiel) und Dirigent als Edison-Sinfonie-Kapelle oder auch Berliner Sinfonie-Kapelle. Einige der Einspielungen auf Walze wurden auch in den USA veröffentlicht.


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Schnell wurden auch die ersten Schallplatten-Firmen auf dieses "Trichter - taugliche" Orchester aufmerksam. Viele Aufnahmen entstanden wohl ohne Namensnennung. Hinter dem Sammelbegriff "Orchester" auf Einspielungen um die Jahrhundertwende könnte sich also ebenso das "Büchner Orchester" verstecken.
Mit zunehmender Popularität taucht auf den Etiketten immer häufiger der Name Büchner-Orchester, Berlin auf.



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Die Aufnahmen die unter der Leitung von Max Büchner entstanden müssen in die hunderte gehen - möglicherweise noch mehr. Der Nachruf legt nahe - Max Büchner verbrachte sehr viel Zeit in den Aufnahmeräumen für die unterschiedlichsten Firmen.
Das eingespielte Repertoire deckte quasi die ganze Bandbreite an geforderter Musik ab. Von leichter Klassik über Märsche und Volksstücke, hin bis zu Possen und Cakewalk gab es kaum eine Musikrichtung die das Büchner-Orchester nicht aufnahm.



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Dem viel beschäftigten Musiker und Quasi-König der Berliner Plattenstudios sicherte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Auskommen. Vielleicht aber auch "übernahm" er sich bei all den Aufträgen aus der Sprechmaschinenindustrie; Max Büchner starb 1906 mit gerade mal 44 Jahren an den Folgen einer Erkältung.



Max Büchner †

Am I. Mai verstarb Kapellmeister Max Büchner ; nur wenigen unserer Leser wird diese unserer Branche so bedeutungsvolle Persönlichkeit näher bekannt sein, wenn auch in jedem Geschäft die Zeichen seiner Wirksamkeit bemerkbar sind.

Max Büchner war ein Spezialist, nämlich Phonographen-Kapellmeister, so vor allen Dingen Leiter der Edison-Sinfonie-Kapelle, die auch in anderen Kreisen als Berliner Sinfonie-Kapelle, oder bei den Platten-Fabrikanten als Haus-Kapelle unter dem Namen von deren Marke fungierte.
Büchner war ein temperamentvoller Musiker, obgleich sein Äußeres nichts weniger als temperamentvoll erschien, und neben den Fortschritten der Technik auf dem Gebiete der Phonographen-Aufnahmen dankt ihm die Branche nicht wenig für die vollendete Ausarbeitung der auf dem Phonographen auf-gespielten Musikpiecen.
Er verstand es meisterhaft, aus der trivalsten Musik für den Platten- oder Walzen-Record ein glänzendes Konzertstück zu machen, und die Art und Weise, wie er unsere klassischen Komponisten auf dem Phonographen interpretierte, war die denkbar vollendetste.

Nur Eingeweihte wissen, wie schwer es hält, nach dem vorhandenen Notenmaterial die Komposition selbst des besten Komponisten auf dem Phonographen für das Ohr angenehm zu gestalten, und hier setzte das hochkünstlerisch entwickelte Arrangiertalent des entschlafenen Kapellmeisters in der größten Vollendung ein. Seine Übertragung für Orchester-Musik zeugte von einer Frische und Originalität, von einem Verständnis für den gegebenen Zweck, in der ihm niemand gleichkam.
Unsere berühmtesten Musikkritiker stehen dem Phonographen im allgemeinen feindlich gegenüber, weil zur Erzielung eines guten Phonographen-Orchester-Vortrages es notwendig ist, die Original-Arrangements zu ändern.
Die Herren stehen hier auf einem sehr einseitigen Standpunkt, da man schließlich dem Komponisten doch nicht besser dienen kann, als seine Melodien in angenehmer Form zu Gehör zu bringen, und dieser Aufgabe hat sich Büchner mit Hingabe seines ganzen großen Könnens unterzogen und sie glänzend gelöst. Niemals hat er das künstlerische Gefühl zur Erreichung des Zweckes verletzt und noch lange werden Millionen von musikliebenden Menschen an seiner Arbeit Erbauung suchen und finden. Sein Leben war sozusagen dem Phonographen gewidmet; seit acht Jahren arbeitete er daran, den Phonographen-Vortrag vollkommen zu gestalten. Dabei waren seine Ansprüche in Rücksicht auf seine Leistungen an geistiger und physischer Arbeit die denkbar bescheidensten; ganz entsprechend seinem Wesen, das stets von einer außergewöhnlichen Bescheidenheit und Zurückhaltung zeugte. Man möchte beinahe glauben, dass er sich seines Wertes kaum bewusst war, was aber nicht anzunehmen ist, da es wohl keine Gesellschaft gab, die sich nicht um seine Arbeit bemühte. Und mit rastlosem Fleiß suchte er jedem aus der Branche zu dienen.
Er gönnte sich niemals Ruhe, und so traf ihn mitten in seiner Tätigkeit infolge einer starken Erkältung die tückische Krankheit, die ihn ins schönsten Mannesalter — er stand im 44. Lebensjahre — so plötzlich hin gerafft hat, eine Lücke hervorrufend, die so bald wohl nicht aus-zufüllen sein wird.
Ehre seinem Andenken!
Phonographische Zeitschrift 7.Jhg., No. 19, S. 415





* Sammlung Limania - Vielen Dank!

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