Spree-Revellers (Fünf Melodisten)
Die Spree-Revellers 1936 vor dem Kristall-Aufnahmestudio, v.l.n.r.: Werner Doege, Rudi Schuricke, Gerhard Hermann, Herbert Imlau und Bernhard Wehlan.
Die Spree-Revellers darf man wohl mit einigem Recht als Elite-Ensemble unter den deutschen Gesangsgruppen bezeichnen: Herbert Imlau hatte bei den Humoresk Melodios und den Melodisten eine Ausbildung der Spitzenklasse erhalten, Rudi Schuricke kam von den legendären Kardosch-Sängern, Werner Doege brachte seine Erfahrungen aus der Zeit mit den Harmony Boys und den Melodisten ein. Die erfahrenen Kräfte waren in der Mehrzahl – und das hört man ihren qualitativ hochwertigen Aufnahmen bis heute an. Die enorme stimmliche Qualität des Ensembles und die tollen Arrangements ergaben gerade bei klavierbegleiteten Stücken eine tolle Mischung.
Die Gründung der Gruppe liegt bislang weitgehend im Dunkeln. Herbert Imlau dürfte sie ins Leben gerufen haben, nachdem er die Humoresk Melodios im Mai 1934 verlassen hatte. Der erste verbürgte Auftritt lässt sich auf den 18. November 1934 datieren, als in einer Matinee des Wintergarten „Die Spree Revellers – 5 Jungs und ein Flügel“ auftraten. Erste Aufnahmen mit Tanzorchestern wie dem von Fritz Domina folgen ab Anfang 1935, eine erste klavierbegleitete Platte mit den Titeln „Ein bisschen Singsang“ und „Regentropfen“ wurde im Dezember des Jahres aufgenommen.
Im privaten Kreis – v.l.n.r.: Rudi Schuricke, Bernhard Wehlan, Herbert Imlau, vermutlich Albert Schmitz und Gerhard Hermann.
Erst Anfang 1936 lässt sich die Besetzung der Gruppe nachvollziehen, da mit Werner Doege ein neuer Klavierbegleiter zum Ensemble stößt, der penibel Tagebuch führt und damit die Aufnahme- und Konzerttätigkeit der Spree-Revellers für die Nachwelt erhält. Als er Ende Februar 1936 den Posten von Albert Schmitz am Klavier übernimmt, gehören der Gruppe Gerhard Hermann (1. Tenor), Rudi Schuricke (2. Tenor), Herbert Imlau (Bariton) und Bernhard Wehlan (Bass) an. Bisweilen ist in der Sekundärliteratur zu lesen, Schuricke sei zeitgleich mit Doege bei den Spree-Revellers eingestiegen – die Tagebücher liefern ein anderes Bild: Schuricke dürfte der Gruppe bereits vorher angehört haben. Die Neubesetzung des Pianisten war jedenfalls ein Karriereschub: Nicht nur dass die Spree-Revellers in der Folgezeit mit Orchesterrefrains auf Kristall und Grammophon geradezu omnipräsent sind, auch ein Jahresvertrag über zwölf klavierbegleitete Platten wird mit ersterer Firma geschlossen. Für Werner Doege bedeutet dies ein enormes Pensum an Arrangements, das er bereits in den ersten Wochen seiner Ensemblezugehörigkeit zu bewältigen hat.
Erste Auftritte im März 1936 unter anderem auf dem „Bockbierfest der Funk-Woche“ verlaufen ebenso erfolgreich wie eine breit angelegte Ostseebäder-Tournee im Juli. Mit dieser Konzertreise dürfte es auch zusammenhängen, dass die Aufnahmezahl des Ensembles im Sommer 1936 merklich abnimmt. Dies könnte aber mit auch daran liegen, dass Bariton Herbert Imlau inzwischen beim Meister-Sextett als neues Mitglied im Gespräch war. Am 19. Oktober verließ er seine Spree-Revellers, um den Posten bei den deutlich namhafteren Comedian-Harmonists-Nachfolgern anzutreten. Als Ersatz für ihn stieß Friedrich Mietzner zur Gruppe, mit dem bis zum Jahresende zahlreiche Auftritte in und um Berlin, aber auch in Königsberg und Friedrichshagen absolviert werden.
Das vielleicht bekannteste Foto der Spree-Revellers im Studio – v.l.n.r.: Gerhard Hermann, Rudi Schuricke, Herbert Imlau, Bernhard Wehlan und Werner Doege.
Die Zahl der Aufnahmesitzungen nimmt nach dem Ausstieg Imlaus weiter drastisch ab, obwohl in den folgenden Monaten noch einige wohlbekannte Klassiker der Gruppe entstehen – so etwa „Sag beim Abschied leise ‚Servus‘“ mit Kurt Engel, „Kleines Mädel an der Schreibmaschine“ mit Adalbert Lutter oder „Hofkonzert im Hinterhaus“ mit Hans Bund. Dafür eröffnen sich der Gruppe neue Beschäftigungsfelder: Neben der verstärkten Präsenz im Rundfunk spielt man im Januar 1937 in einem Werbefilm mit und steht vor Fernsehkameras. Bereits im Jahr zuvor hatte man an einem Filmprojekt mitarbeiten dürfen: Für den Vorspann des Streifens „Spiel an Bord“ war eine hörenswerte Aufnahme von „Über blauen Wogen klingt mein Liebeslied“ entstanden.
Der verheißungsvolle Start ins Jahr 1937 mit weiteren Fernsehauftritten, Sendungen in den Reichssendern Berlin und Königsberg sowie neuerlichen, auch solistischen Plattenaufnahmen erreicht seinen Höhepunkt sicher mit einem Konzert in der ehrwürdigen Berliner Philharmonie neben dem Orchester Egon Kaiser, Bruno Fritz und anderen am 4. April. Auf der Bühne stand als zweiter Tenor zu diesem Zeitpunkt bereits Georg Liedtke, der Rudi Schuricke im März des Jahres beerbt hatte. Mit Schuricke, der sich fortan seiner Solokarriere und seinem eigenen Terzett widmete, verloren die Spree-Revellers zweifellos eine ihrer prägenden Stimmen. Dennoch liefen die Auftritte nahezu unverändert weiter: Ob Rundfunksendungen in Dresden, Verhandlungen über Filmmitwirkungen mit der UFA oder die Absolvierung einer neuerlichen Ostseebäder-Tournee – der Terminkalender ist auf Wochen gefüllt.
Die Spree-Revellers Mitte 1937, v.l.n.r.: Georg Liedtke, Gerhard Hermann, Friedrich Mietzner, Bernhard Wehlan und Werner Doege.
Und doch ließen sich weitere Veränderungen, teils erzwungen, teils freiwillig nicht vermeiden: Im Oktober 1937 wird der Gruppenname Spree-Revellers auf Grund der Anlehnung an die amerikanischen Revelers verboten. Werner Doege stellt den Namen seiner alten Vokalgruppe zur Verfügung und so geht man fortan als Melodisten oder Fünf Melodisten auf Tournee. Am 4. Oktober wird außerdem Gerhard Hermann durch Walter Elsner ersetzt, so dass man eine geplante Konzertreise durch Deutschland erst Ende Oktober beginnen konnte. Diese Tournee führt das Ensemble unter anderem über Jena, Freiburg, Landshut, Kassel und Gelsenkirchen Anfang Dezember zurück nach Berlin, wo es zu Fernsehauftritten engagiert ist. Aus dieser Zeit stammen auch Einträge im Tagebuch des Pianisten, die belegen, dass Werner Doege im Kontakt mit dem Meister-Sextett stand, um Erwin Bootz, dessen Ausscheiden aus der Nachfolgegruppe der Comedian Harmonists wohl schon abzusehen war, sowohl als Arrangeur als auch als Pianist zu ersetzen. Warum dieses Engagement letztendlich nicht zustande kam, lässt sich nicht mehr klären. Am 19. Dezember 1938 vermerkt Werner Doege in seinem Tagebuch lediglich, dass er dem Bass des Meister-Sextetts Robert „Biberti abgesagt” hat. Am 19. Februar 1938 haben die Melodisten mit der Revue „Ki sua heli” in der Deutschlandhalle Premiere, inszeniert von Wolf Völker stehen neben ihnen Maria Sazarina, Paul Westermeier, Hans Hessling und Oskar Ballhaus im Rampenlicht. Der erste Hallenflug der Welt, der in der Revue von Hanna Reitsch und Karl Bode dargeboten wurde, ist eine Sensation! Nach dem Ende der Revue am 6. März 1938 folgen für die Melodisten Auftritte in Braunschweig, Hamburg und Wilhelmshaven, ehe es im Juli 1938 noch einmal zu zwei Umbesetzungen kommt: Als neue Tenöre kommen am 16. bzw. am 5. Juli Fritz Döpke und Werner Preuß ins Ensemble, mit denen Mitte August im Berliner Zoo der erste Auftritt absolviert wird. Nach einem zweiwöchigen Engagement in Magdeburg startet die Gruppe am 23. September 1938 eine KdF-Tournee durch Schleswig-Holstein, während der sie abendfüllende Konzerte unter anderem in Elmshorn, Pinneberg, Kiel und Travemünde gibt. In Hamburg stehen die Herren Anfang November 1938 mit Brigitte Mira auf der Bühne, ehe sie eine Konzertreise nach Westerland, Osnabrück, Delmenhorst und Hannover antreten. Am Silvesterabend 1938 macht das Ensemble zusammen mit Maria Paudler eine Sendung im Funkhaus. Nach kleineren Auftritten in der Provinz startet am 18. Februar 1939 in der Deutschlandhalle die Revue „Ein Kuss reist um die Welt” mit Franz Schröder-Schrom, Rudolf Platte, Hilde Seipp und Gretl Theimer.
Welche Platte man hier wohl gerade hört?! Die Neubesetzung mit Fritz Döpke und Werner Preuß 1938.
Ins Aufnahmestudio kommen die ehemaligen Spree-Revellers kaum mehr und wenn, so sind ihre Einspielungen heute nur äußerst schwer zu identifizieren. Aufnahmen für die Firma Tempo, die im Tagebuch Doeges ohne Titelangabe verzeichnet sind, haben sich inzwischen überwiegend zuordnen lassen, wobei auf dem Plattenetikett stets vom „Tempo-Gesangs-Quartett“ die Rede ist. Einen Abfall in der Qualität der eingespielten Titel wird man nicht leugnen können. Dem Ensemble blieb nach den zahlreichen Besetzungswechseln vom Glanz früherer Tage nur wenig übrig. Als auch Werner Doege die Gruppe im März 1939 verlässt, ist das (vorläufige) Ende der Spree-Revellers besiegelt. Letzte, volkstümlich anmutende Aufnahmen entstehen für die Deutsche Grammophon-Gesellschaft.
Erst nach der Auflösung des Meister-Sextetts im September 1939 gelingt ein Neuanfang, als Herbert Imlau seine alte Gruppe wieder zusammentrommelt. Am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag 1939 gibt das Ensemble, das nun aus Werner Preuß, Friedrich Mietzner, Herbert Imlau, Bernhard Wehlan und Gerd Elstermann besteht, sein Debüt in der Stadthalle von Görlitz – hier tritt man allerdings unter dem Namen 5 Melodias in Erscheinung. Als Melodisten wird die Gruppe in der ersten Januarhälfte 1940 für das Tanz-Varieté Frascati in Dresden verpflichtet. Diesem Engagement folgt von Mitte Februar bis Ende März eine Tournee durch Schlesien, die von der Vermögensverwaltung der Deutschen Arbeitsfront organisiert ist. Von einem anschließenden Gastspiel in Koblenz ist eine auch für Kenner der Materie erstaunliche Kritik erhalten geblieben: Während die Fünf Melodisten laut des Zeitungsausschnitts durch „ihre Art des Vortrages musikalischen Geschmack und Temperament” verrieten, wird besonders „die unentbehrliche musikalische Begleitung am Flügel lobend hervorgehoben, die Albert Schmitz mit Sicherheit und Zurückhaltung besorgte”. Offensichtlich war Schmitz, der Vorgänger von Werner Doege am Klavier der Spree-Revellers, zwischenzeitlich zu der Gruppe zurückgekehrt.
Die Fünf Melodisten, etwa Ende 1939, v.l.n.r.: Fritz Döpke, Friedrich Mietzner, Bernhard Wehlan und Werner Preuß.
Als die Fünf Melodisten von 15. bis 30. Mai 1940 ihre zweite Schlesien-Tournee absolvieren, ist wieder Gerd Elstermann als Begleiter mit von der Partie, wie eine Kritik eines Auftritts in Bunzlau vom 17. Mai 1940 belegt: „Es ist eine besondere Kunst, welche die Melodisten pflegen, Werner Preuß, Herbert Imlau, Friedrich Mietzner, Bernhard Wehlan, am Flügel Gerd Elstermann. Sie schufen zu dem vokalen Quartett die Spezies des instrumental (Klavier) untermalten Vokalquartetts und führten diese Kunst auf eine Höhe der Vollendung, welche schlechthin nicht mehr überbietbar ist. Diese 5 sind künstlerisch eins: sie bilden sprachlich, gesanglich dynamisch und rhythmisch eine völlig geschlossene, vorbildliche Einheit, der sich das Instrument dezent einfügt. Mit einer Präzision ohnegleichen, alles ohne Notenblatt, mit schönen, geschulten Stimmen, arbeiten sie gesanglich und sprachlich (auch bei allerschnellstem Sprechen) eine Einheit des Vortrages heraus, die bewundernswert und einmalig ist. Als Einzelheiten aus ihrem scheinbar unerschöpflichen Repertoire: wunderschön und in der alten Quartettform die Volkslieder (Am Brunnen vor dem Tore; Das Lieben bringt groß’ Freud’; In einem kühlen Grunde; Ach, wie ist’s möglich dann). Unübertrefflich die zur Szene geöffneten Bearbeitungen (Eselserenade; Die Musik spielt dazu; Kaffeeklatsch). Man vergaß die Schwierigkeit der Wiedergabe, weil alles so spielend und leicht dargeboten war.” Ihr letztes dokumentiertes Konzert geben die Fünf Melodisten am 30. Mai 1940 im Bürgerlichen Brauhaus von Neisse, danach dürfte ihre Auftrittstätigkeit kriegsbedingt ein Ende gefunden haben.
Bei meinen Recherchen habe ich auf die Offenheit von Zeitzeugen und die Hilfe von Sammlerkollegen bauen können. Ich möchte daher Dieter Doege, Eva Imlau (†), Karl-Heinz Nowak, Rainer Preuß und Fred Ritter ebenso danken wie Hans-Joachim Schröer, Theo Niemeyer, Karsten Lehl und Roman Hölzle.
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