Claire Waldoff - Chanson- und Kabarettsängerin

Claire Waldoff
(* 21. Oktober 1884 in Gelsenkirchen; † 22. Januar 1957 in Bad Reichenhall)


„Sie hatte kein Vorbild und blieb ohne Nachfolge: Claire Waldoff – keine Chansonette mit Federboa, Rüschen und angeschminkter Verruchtheit, sondern eine kleine dicke Frau mit roten Wuschelhaaren wie aus den proletarischen Bezirken Berliner Mietskasernen. Mit schnoddriger Reibeisenstimmen sang sie ihre Berliner Couplets, ‘mal den sentimentalen Schmus der Kaiserzeit ins Groteske steigernd, ‘mal dem Trivialen mit einer Entziehungskur vom Kitsch auf den Pelz rückend“.
Henning Harmsen, 1984



Autogrammkarte von SchellackFreak

Treffender wie Henning Harmsen hätte man Claire Waldoff anlässlich ihres 100. Geburtstages nicht umschreiben können. Die vermeintlich urwüchsige Berlinerin war eine Gastwirtstochter aus Gelsenkirchen, geboren am 21. Oktober 1884 unter dem bürgerlichen Namen Clara Wortmann.


Ihr ursprünglicher Berufswunsch, Medizin zu studieren, erfüllte sich nicht. Sie ging zum Theater, spielte in Kattowitz und ab 1906 in Berlin bei Olga Wohlbrück. Mit dem Übertritt zum Kabarett – ihr Debüt erfolgte 1907 bei Schneider-Duncker im „Roland von Berlin“ – führte ihr Weg direkt ins Berliner Vergnügungszentrum an der Friedrichstraße und es begann eine fruchtvolle Zusammenarbeit mit den in dieser Zeit tonangebenden Komponisten des Unterhaltungsfachs: Walter Kollos Gespür für ihren Typ und das Populäre sowie Rudolf Nelsons melodisch-weltstädtische Eleganz verhalfen der jungen Waldoff bereits vor 1914 zu legendären Erfolgen am „Chat noir“ und am „Linden-Cabaret“.


Ihre Spezialität waren Lieder im Gassenhauer-Ton, teils drollig-humoristisch, teils witzig-sentimental und stets mit der schlagfertig originellen Berlinischen Pointe. Der Typ der Wiener Soubrette, bis dahin dominierend auf den Berliner Bühnen, war nunmehr abgelöst von der Berliner Pflanze. Ihr Repertoire war gleichermaßen umfangreich wie vielseitig: Volkslieder, Küchen- und Soldatenlieder, Bänkel-Melodien, Operettentitel, Schlager und Couplets gehörten dazu ebenso wie die legendären Chansons von Autoren wie Wedekind, Hollaender und Tucholsky.


1913 entstand ihr Standardlied „Hermann heeßt er“. Ihr größter Operetten-Erfolg wurde 1917 das Couplet „Ach Gott, was sind die Männer dumm“ in der Kollo-Operette „Drei alte Schachteln“. 1924 kreierte sie in einer Charell-Revue den populären Titel „Warum soll er nicht mit ihr“, den sie bei ihren London-Gastspielen auch auf Englisch sang. Sie war im Kabarett, der Revue und der Operette zu Hause, aber auch in Singspielen, im Rundfunk sowie vor 1933 in Veranstaltungen zu erleben, die Arbeitslose, arme Familien und Kinder unterstützten.


Plattenwerbung aus dem Berliner Tagblatt vom 25. Januar 1925
Zeitungsausschnitt von Formiggini



Plattenwerbung 1930 neben namhaften Kollegen

In ihren eigenen Memoiren berichtete Claire Waldoff von Auftrittsverboten für Funk und Film nach 1933, als Künstlerin sei sie unerwünscht gewesen und in hohem Maße behindert worden. So etwa von Dr. Joseph Goebbels, der 1936 weitere Auftritte in der Scala untersagt habe. Zwar mag es stimmen, dass Claire Waldoff aufgrund ihres Engagements etwa bei kommunistischen Benefizveranstaltungen und ihrer recht offen ausgelebten Homosexualität von den Machthabern gemieden wurde, von Verboten kann aber ehrlicherweise nicht die Rede sein. Ihre Bühnenpräsenz war fast unverändert hoch, noch im Januar 1941 war sie Zugpferd des Programms im Berliner Wintergarten, groß angekündigt auf dem Titelbild des Programmhefts. Unterschiedlichste Mythen scheinen sich auch hier um einen Künstler im Dritten Reich zu ranken und bis heute immer wieder neu auszutreiben: Hermann Göring soll ihren Klassiker „Hermann heeßt er“ ‘mal geliebt, ‘mal gehasst haben, sie habe kurz vor der Verhaftung gestanden… Dies alles gehört wohl ins Reich der Märchen.


Die angeblich verbotene Künstlerin im Werbeheft des Plattenkonzerns Lindström „Der Ton“, 1935.



Im August 1939 mit mit Harry Herzogenrat und Ralph Lothar in "Die wilde Auguste".
Foto von Musikmeister

Nach dem Krieg zog Claire Waldoff sich in ihr kleines Häuschen in Bayrisch-Gmain zurück, von wo aus sie noch vereinzelt auftrat. Fast blind und verarmt starb sie am 22. Januar 1957 im Krankenhaus Bad Reichenhall an den Folgen eines Schlaganfalls.



Aus dem Nachlass von Berthold Leimbach
Josef Westner (humoresk)

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Abbildung von Musikmeister

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