Harry Roy 1930 in Berlin - SYD ROY'S LYRICALS

Sydney "Syd" Roy
Harris "Harry" Roy


1901 - 1987.........................................1900 - 1971


Sydney und Harris Lipman wurden als Söhne eines Stiefelmachers in Stamford Hill, einem Stadtteil Londons geboren. Als Harry Roy sollte der ältere der beiden auch bei uns in Deutschland auf Schallplatte recht beliebt werden. Wohl kaum ein Sammler von Tanzmusikplatten der nicht zumindest mal von Harry Roy's Tiger Ragamuffins auf Odeon gehört hat. Die Aufnahmen des englischen Saxophonisten mit den so typischen Gesangseinlagen verkauften sich in den 30er Jahren bei Tanz-begeisterten wie die warmen Semmeln. Sowohl damals war den wenigsten Käufern - wie auch heute den Sammlern - bekannt: Harry Roy trat 1930 in Deutschland auf und machte sogar Aufnahmen für die Ultraphon in Berlin. Jedoch nicht unter seinem eigenen Namen. Zu dieser Zeit leitete die Band noch der Bruder Syd Roy.


Die Brüder arbeiteten zunächst im Familienbetrieb des Vaters. Beeindruckt von den ersten Jazzbands und der amerikanischen Original Dixieland Jazz Band, welche ab 1919 in London auftrat, gründete Syd Roy um 1920 seine erste, eigene Tanzkapelle: (The) Original Crichton Lyricals Orchestra . Bekannt wurde die kleine Kapelle jedoch unter dem Namen "The Lyricals". Bei den ersten Auftritten in Restaurants und kleinen Tanzlokalen in und um London setzte sich das kleine Orchester aus fünf Musikern zusammen: Syd Roy (Klavier), Harry Roy (Klarinette, Sopran- und Tenorsax), Harold Lyons (Sopran- und Altsax), Maurice Tronny (Geige und Posaune) sowie Eddie Collis (Schlagzeug und Gesang).

1921 dann das erste "große Engagement". Die Original Lyrical 5 erhalten einen längeren Vertrag im berühmten Hammersmith Palais de Danse (London). Wohl anlässlich der dortigen Premiere ändern die Brüder ihren Namen auf Syd & Harry Roy. Später werden sie sich diesen Namen auch in ihre Papiere eintragen lassen.

Beliebt war das kleine Orchester nicht nur wegen ihrer Musik - sie boten mit Gesang, Tanzeinlagen und anderen Clownereien eine recht humorige Bühnenshow. Die Fachpresse kritisierte nur gelegentlich die schrägen Saxophone... Zwischen 1923 bis 1924 spielten die Musiker auch regelmäßig in Paris. Von kurzen Gastspielreisen abgesehen traten die "Lyricals" bis zum Sommer 1927 regelmäßig im Cafe de Paris in London auf.

Ebenfalls ab 1927 entstanden die ersten Schallplatten für die englische Vocalion mit ihren Untermarken Aco, Coliseum, Guardsman, Scala, und Beltona. Einzelne Aufnahmesitzungen auch für Winner und das 6" Label Crown. Den Sommer und frühen Herbst 1927 reiste die Band quer durch England. Zurück in London waren sie auch wieder im Aufnahmestudio. Diesmal für die Crystalate Company mit ihrem Label Imperial. Nur für Einspielungen wurde die Kapelle immer wieder um weitere Trompeter und Saxophone erweitert. Erst im Winter 1927/28 hatte das Orchester dann die übliche Tanzorchester Stärke inklusive einer "vollen" Rhythmusgruppe mit Banjo und Tuba.

Im Sommer 1928 trat Syd Roy mit seinen Musikern eine Gastspielreise an, welche sich zur Welttournee mausern sollte. Zunächst spielten sie einige Monate in Südafrika, im Januar 1929 erreichte die englische Jazz-Kapelle dann Perth, Australien.




Syd Roy and his Lyricals in Australien




Nach einem kleinen Umweg über Neuseeland waren Syd und Harry Roy erst wieder im Oktober 1929 in London. Hier blieben sie gerade mal lange genug um gelegentlich im Rundfunk aufzutreten und am 13. Dezember 1929 zwei Aufnahmen für "Broadcast" zu machen: Syd Roy & his Famous Lyricals Dann ging es schon wieder weiter. Ziel diesmal: Berlin.

Anfang Januar 1930 (genaues Datum ist noch ungeklärt) spielte Syd Roy im Cafe Berlin (Dachgarten) des Haus Gurmenia. Hier lösten sie das Orchester Lud Gluskin ab - musikalisch kein leichtes Erbe. Mindestens eine Woche, um den 25. Januar herum, spielte das Orchester auch in München, wie diese Postkarte des Saxophonisten Harold Lyons zeigt.



(*1)

Ende Januar 1930 waren sie wieder zurück in Berlin.

Im Haus Gurmenia - 1930


(*1) Links nach Rechts: Trompete (Ernest Broadhurst), Posaune (Basil Green?), Trompete (Stan Gosling), Klavier (Syd Roy, stehend), Schlagzeug (Eddie Collis), Saxophon (Harry Roy), Gitarre (Tommy Venn), Saxophon (John Swifton oder Don Barrigo?), Saxophon (Harold Lyons)
Quelle: MGThomas


Nun lud auch die Ultraphon zu Plattenaufnahmen ein. Leider entstanden nur sechs Titel mit dem Orchester der Brüder Roy. Es singt der Schlagzeuger Eddie Collis. Neben einem schönen Trompeten-Solo hören wir gegen Ende auch Harry Roy am Tenorsaxophon.


(*2)

SID ROY'S LYRICALS

Berlin, 29. Januar 1930
Vermutliche Besetzung wie auf dem Photo
Eddie Collis, Harry Roy, Beryl Evetts - Gesang

10615 Orange Blosson Time Ultraphon A-339
10616 Button Up Your Overcoat Ultraphon A-340
10617 Loveable And Sweet Ultraphon A-339
10618 My Dream Memory Ultraphon A-341
10619 If I Had A Talking Picture Of You Ultraphon A-340
10620 Lover, Come Back To Me Ultraphon A-341


Was genau nach diesen Einspielungen in Berlin geschah ist unbekannt. Anfang Februar 1932 berichtet noch eine Holländische Zeitung von den Erfolgen der Syd Roy Jazz Band in Berlin. Sogar Aufnahmen für den Tonfilm sind im Gespräch.

Het Vaderland, 16. Februar 1930


Zu diesen kam es jedoch wohl nicht mehr. Irgendwann im zeitigen Frühjahr 1930 lösten sich Syd Roy´s Lyricals in Berlin auf. Mindestens der Schlagzeuger und Sänger Eddie Collis (Kollis) blieb zunächst in Berlin. Er wirkte an Aufnahmen für Billy Barton und Sam Baskini mit, bevor er dem Orchester Lud Gluskin beitrat.

Anfang Mai 1930 war Syd Roy wieder in London. Ab dem 10. Mai 1930 spielte er im "Hippodrome"
Extraordinary Attraction!
SYD ROY'S LYRICALS The Greatest of all Dance Bands


Welche Musiker in dieser Band spielten ist nicht bekannt. Kurz danach löste er das Orchester ganz auf. 1931 wurde er gefragt für das neue RKO Theatre am Leicester Square eine neue Big Band zusammen zu stellen. Schon die Jahre zuvor war der Bruder Harry Roy mit seiner Präsenz und Ausstrahlung der eigentliche Frontman des Orchesters. Syd Roy übertrug die Leitung des neuen Orchesters seinem Bruder. Zunächst hieß die Gruppe noch Syd Roy & His RK Oleans, wurde jedoch sehr schnell auch nominell zu dem Orchester von Harry Roy. 1933 entstanden für das Label Eclipse noch einige Einspielungen unter Syd Roys Namen (an diesen wirkte der Bruder nicht mit), es handelte sich aber im Grunde um das Orchester von Harry Roy. Der kleine Bruder Syd trat nun gänzlich vom Posten des Orchesterleiters zurück. Auch wirkte er kaum noch als Musiker am Geschehen der Band mit. Er übernahm nun eine wesentlich wichtigere Rolle: Für die nächsten zwanzig Jahre wurde er zum Manager seines Bruders.

Der ehemalige "Band-Clown" Harry Roy startete nun erst richtig mit seiner Karriere als Musiker und Orchesterleiter durch. Eh schon gerne gesehen in der Gesellschaft Londons, avanciert Harry Roy 1935 durch die Heirat mit "Prinzessin" Elizabeth Brooke, einer Tochter des letzten englischen Rajah von Sarawak (Borneo), zum absoluten Liebling der Presse und Gesellschaft.

Heirat 1935



Harry Roy's Tiger Ragamuffins werden unter der Geschäftsleitung und Management von Syd Roy zum echten "Schlager". Dies ist jedoch eine andere Geschichte....

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1947 versucht Syd Roy mit einer eigenen Band zurück auf die Bühne zu kommen. Im Juni spielen Syd Roy's Famous Lyricals im "West End Cabaret" des MAJESTIC HOTEL in West Yorkshire. Den ganzen Sommer über begleitet der Musiker mit seiner Band die Bühnenshow. Obwohl die Auftritte teils live im Rundfunk übertragen werden, stellt sich der große Durchbruch nicht ein. Zu bekannt der Name seines großen Bruders Harry - zu unbekannt mittlerweile sein eigener. Zum Oktober 1947 endet die Saison in der Vergnügungsstätte - Syd Roy löst das Orchester wieder auf.

Bis zum Ende seiner Karriere als aktiver Musiker Anfang der fünfziger Jahre leitet und unterstützt Syd Roy geschäftlich seinen Bruder. Als Musiker tritt er nicht mehr in Erscheinung. 1969 versucht Harry Roy ein Comeback mit einer kleinen Gruppe. Aus gesundheitlichen Gründen scheitert dies jedoch. Harry Roy stirbt 1971 in London. Sein Bruder überlebt ihn um einige Jahre. Sydney Lipman/Roy stirbt am 20. November 1987 im Alter von 86 Jahren in London.

Georg Biller/Formiggini



Quellen:
(*1) Vintage Jazz and Dance Band Music
(*2) Sammlung Yannick Reinartz/SchellackFreak

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