Melograph Schallplatte




Melograph - Selbstaufnahmeplatte der frühen dreißiger Jahre. Der Ingenieur Sigmund Katscher entwickelte in Wien das eigentliche Aufnahmeverfahren bzw. Gerät. Erste Patente meldete er im Sommer 1929 an. Die Melograph Heimtonplatten Vertrieb Katscher & Co. Gesellschaft wurde im April 1930 eingetragen. Den Vertrieb in Deutschland benahm Siemens. Das System kam häufiger im Rundfunk zum Einsatz.

Die eigentlichen Melograph - Platten wurden von der Wiener Gelatinewaren Industrie G.m.b.H (Wien XVII) hergestellt. Diese betrieb in Wien VIII, Schlösselgasse 11 auch ein Aufnahmestudio. Hier konnten Kunden ihre eigenen Schallplatten schneiden lassen.






Wir machen selber unsere Schallplatten
(April 1931)


Das Schneidzeug des Melograph


Das Melograph - System


Von Ing. Katscher stammt ein Aufnahmeverfahren, das heute vollendet durchgebildet ist. Es führt den Namen "Melograph" und besitzt den großen Vorteil, die aufgenommenen Platten nur einem wenige Sekunden dauernden Härtungsverfahren unterziehen zu müssen, worauf sie sofort auf jedem Grammophon unzählige Male abgespielt werden können.

Die Platte wird vom Tonschreiber spiralig in normaler Grammophonschrift mit horizontalen Amplituden beschrieben. Die Melograph - Platte wird aus kolloidalem Leim hergestellt, ist vollkommen elastisch und wiegt nur wenige Gramm. Wegen des praktisch also vernachlässigenden Gewichtes und der Biegsamkeit ist die Platte ohne weiteres als Brief versendbar.

Die Melograph - Platten werden in vier Größen erzeugt, wobei der Plattendurchmesser laut folgender Tabelle mit der Spieldauer zusammenhängt:

Plattendurchmesser - Spieldauer
12cm - 1 Minute
16cm - 1,75 Minuten
20cm - 2,5 Minuten
25cm - 3,5 Minuten


Ist nun die Aufnahme fertiggestellt, so wird die Platte mittels eines Stoff- oder Wattebausches mit der eingerieben, die fettartige überschüssige Menge abgewischt und schon ist sie zur Wiedergabe bereit. Die Wiedergabe kann auf jedem beliebigen Grammophon erfolgen, jedoch dürfen die gewöhnlichen spitzen Grammophonnadeln nicht verwendet werden, es müssen solche aus Holz oder Fiber sein, dann Rundkopfnadeln oder die jeder Platte beigegebenen Melograph - Dauernadeln.

Derzeit werden Melographmaschinen in 3 Typen erzeugt:
a) Eine Großmaschine, deren Hauptzweck die Plattenherstellung langer Gespräche, Sitzungsprotokolle, Verhöre, phonographische Lehrkontrolle für Schulen und Musikanstalten usw. ist, auch für Großbetriebe aller Art, Banken, Behörden, Rechtsanwälte, Warenhäuser, Musik- und Sprachschulen.

b) Eine Mitteltype, eine sinnreiche Verbindung des Grammophons mit dem Radio, ist der Heimapparat für Ernst, Spiel und Unterhaltungszwecke. Er ermöglicht Schallplatten auf elektrischem Wege — über Aufnahmemikrophon, Verstärker und Elektrodose herzustellen, Radio über einen Lautsprecher zu hören, die Radiosendungen auf Schallplatten aufzunehmen, sowie endlich, da er auch ein elektrisch angetriebenes Grammophon ist, jede Art Schallplatten, seien es gekaufte oder selbst erzeugte, abzuspielen.

In dieser am häufigsten verwendeten Type wird die gleichmäßige Bewegung des Plattentellers durch einen unterhalb der Tischplatte im Innern angebrachten Universalmotor für Gleich- und Wechselstrom von 110 und 220 Volt erreicht. Plattenteller‚ Verstärker, Motor und Netzanschlußteil bilden zusammen eine beachtenswerte Menge Material, die das Apparaturgehäuse aufzunehmen hat. Es ist in unserem Bilde dargestellt und wiegt bei den maßen von 4Ox54 cm und 95 cm Höhe 27 kg. Diese „Melograph“-Maschine kostet komplett etwa 1000 RM. Besitzt man also einmal eine solche Apparatur‚ dann ist das Aufnehmen von Schallplatten im eigenen Heim eine Spielerei, Ereignisse, Stimmen von lieben Personen können bis ans andere Ende der Welt verschickt oder bis über das Grab hinaus aufbewahrt werden.

c) Endlich wird noch eine Type erzeugt, die Kleintype‚ welche nach dem akustischen Prinzip arbeitet — Schallempfang durch einen Trichter — und die Plattenaufnahme mittels eines Koffergerätes ermöglicht. Letztere Type kommt also in erster Linie für den „kleinen Mann“ in Betracht; dabei sind die Plattenpreise gering zu nennen. Beispielsweise kostet eine Stimmaufnahme im „Melograph“- Studio in Wien (Aufnahme + fertige Platte) für die einzelnen Größen :

1 Minute - 1,20 RM
1,75 Minuten - 2,40 RM
2,50 Minuten - 3,50 RM
3,50 Minuten - 5,80 RM


Selbstaufnahmen sind natürlich viel billiger. Alles in allem, wird sicherlich der Zeitpunkt nicht mehr ferne sein, wo die Schallplattenaufnahme im Heim gerade so zu den Selbstverständlichkeiten gehören wird, wie das Amateur Radiowesen und die Amateur-Photographie es schon heute sind.

Die ,,Melograph“-Apparaturen werden von der Firma ,,Melograph“, Ing Katscher & Co., Wien IV, Mühlgasse 9, geliefert. Die Generalvertretung und Erzeugung für Deutschland hat die Siemens Halske AG., Wernerwerk, Berlin, übernommenen.

Der vollständige Melograph Aufnahmeapparat mit Mikrophon


(Funkschau, April 1931)







Neues über Melograph.

Über die Melograph-Selbstaufnahmeplatte, die es ermöglicht, in ganz einfacher Weise beliebige Aufnahmen direkt sofort, gebrauchsfertig herzustellen, haben wir in der Mai-Nummer des Jahres 1929 ganz ausführlich berichtet.
Die Melograph-Platte besteht aus einem Material von dunkler Farbe und hat eine Stärke von 0.5 bis 1 mm. Die Platte ist vollkommen durchsichtig und läßt sich ähnlich wie Zelluloid rollen, ist nicht brennbar und sehr leicht. Sie ist unmittelbar aufnahmebereit und wird nachher durch Überstreichen mit einer salbenähnlichen Substanz gehärtet und kann dann sofort gespielt werden. Das Versenden als Brief ist ohne weiteres möglich.
Seinerzeit war die Apparatur im Wiener Warenhaus Gerngroß aufgestellt und die kurze Probezeit hat genügt, um zubeweisen, daß das Publikum sehr großes Interesse für den
„gesprochenen Brief" hat.

Das neue Melograph-Studio in Wien. Rechts das Mikrophon. (Pfeil)

In der Zwischenzeit hat der Erfinder, Herr Ing. K a t s c h e r, fast alle Weltpatente für die Platte erhalten. Melograph ist heute in Deutschland und Frankreich besonders aktuell, weil die bedeutenden Warenhäuser derartige Aufnahmeapparaturen aufgestellt haben und ein ausgezeichnetes Geschäft machen.. Sowohl in der deutschen als auch in der französischen Presse erschienen in der letzten Zeit sehr viele Berichte über diese Erfindung, die man fälschlich in Anlehnung an den Photoautomaten „Photomaton", als „Phonomaton" bezeichnet, weil die Melograph-Apparatur vielfach in denselben Räumen aufgestellt wurde, wo sich „Photomaton"- Geräte befinden.

Herr Ingenieur Kaischer hat in Wien ein wunderschönes, sehr dezent und geschmackvoll ausgestattetes Studio eingerichtet, das auch den höchsten Anforderungen entspricht. Die Aufnahmen geschehen durch Besprechung eines Reiß-Mikrophons. Der Sprechstrom wird über einen eingebauten mehrstufigen Verstärker dem Recorder zugeführt. Die ganze Aufnahmeapparatur ist wesentlich vereinfacht worden und findet heute in einem kleinen Schränkchen Platz. Speziell die Führung Recordrs und die Kraftübertragung vom Elektromotor wurden wesentlich verbessert und sind durch eine Reihe von Patenten geschützt.

Einzelne Phonohändler in den verschiedenen Hauptstädten haben derartige Melograph-Anlagen aufgestellt und glänzende Erfahrungen gemacht. Die Selbstaufnahmeplatten sind vielfach der Anlaß dazu, daß sich Kunden im Laden selbst Apparate kaufen.

Es ist erfreulich, daß eine österreichische Erfindung sich in langer zäher Arbeit behaupten konnte. Es hat Mühe gekostet, die verschiedenen Schwierigkeiten zu beseitigen, und gerade jetzt konnten verschiedene Angriffe ausländischer Gesellschaften mit Erfolg abgewehrt werden.

Das letzte Modell des „Melograph-Aufnahme-Apparates".

Der Handel wird nach zweifacher Richtung hin beliefert:
1. Um den Apparat und Platten an Interessenten wie Künstler, wissenschaftliche Institutionen und dergleichen zu verkaufen.
2. Um den Apparat im eigenen Geschäft aufzustellen und dort Stimmporträts der Kunden im eingerichteten Studio aufzunehmen.

Die Güte der Wiedergabe hängt von der Qualität des verwendeten Mikrophons und des Verstärkers ab. Wir haben Platten gehört mit einer hochwertigen Apparatur aufgenommen, die in keiner Weise Qualitätsaufnahmen auf Schellackplatten nachstehen. Die Handhabung des Apparats ist so einfach, daß der Betrieb keine wie immer gearteten Schwierigkeiten bereitet.







Ing. Siegmund Katscher, der Erfinder der Melograph Platte vestorben

Jäh hat der unerbittliche Tod einem blühenden Menschenleben, welches von nimmermüdem, schaffenden Geist erfüllt war, allzu früh ein plötzliches Ende gesetzt. Die vielen Freunde des bekannten Erfinders des Melograh-Tonaufnahme-Systems den tief erschüttert sein, zu erfahren, daß Ing. Siegmund Katscher am 24. November 1934 nach kurzem schwerem Leiden im 47. Lebensjahr verschieden ist So wie es seinem Naturell entsprach, ist er auf ausdrücklichen Wunsch. in aller Stille beerdigt worden, und erst knapp vor Redaktionsschluß erfährt die Umwelt von seinem Tode.

Wir können daher das bedeutende Lebenswerk dieses echten Österreichers, der auch so wie viele andere österreichische Erfinder, die Früchte seiner wichtigen Forschungen nicht genießen konnte, nur ganz kurz würdigen.

Schon seit Bekanntwerden der elektrischen Aufnahmetechnik hat sich Herr Ing. Katscher sehr eingehend mit dem Problem einer Selbstaufnahmeplatte beschäftigt. Bewußt ist er dabei von der gebräuchlichen und bekannten Wachsplatte abgewichen und hat im Lauf seiner Studien die Gelatine als geeigneten Lautschriffträger entdeckt. Es gelang ihm auch, einen Härtevorgang für die beschriftete, weiche Platte zu finden, und nach sehr ausgedehnten Versuchen hat er das Schriftträgerproblem vollkommen einwandfrei gelöst. Die Melograph-Platte ist ohne jede Vorbereitung jederzeit beschriftbar und wird nach der Aufnahme durch Bestreichen mit einer Härtepaste so konserviert, daß unmittelbar darauf das Abspielen erfolgen kann. Die Lebensdauer der Melograph-Platte erstreckt sich bei guter Behandlung bis auf einige hundert Wiederholungen.

Schon im Mai 1929 ist Herr Ing. Katscher mit seiner Melograph-Platte, im Verein mit dem. Chemiker A. Chmielowski und Ing. Vavrina, in die Öffentlichkeit getreten; die genannten Herren haben im Warenhaus Gerngroß ein Aufnahmestudio eingerichtet und, der “sprechende Brief” fand damals eine außerordentlich günstige Aufnahme beim Publikum. Der rastlos tätige Erfinder hat sich aber nicht darauf beschränkt, das geeignete Aufnahmematerial in technisch vollendeter Form auf den Markt zu bringen, sondern er war auch bestrebt, die geeignete, einwandfrei funktionierende Aufnahmeapparatur zu schaffen. Auf diesem Gebiete hat er Außerordentliches geleistet, und eine Reihe von in- und ausländischen Patenten bestätigen die bahnbrechenden Ideen des verblichenen österreichischen Erfinders. Auch das Ausländ interessierte sich in hervorragendem Maße für die Arbeit des Verblichenen, und er hatte die moralische Genugtuung, daß in den letzten Jahren viele Radio-Gesellschaften eine Katscher-, bzw. Melograph-Apparatur für ihr Studio erwarbten.

Leider teilte Ing. Katscher, so wie viele österreichische Erfinder, deren Schicksal, die Früchte ihrer Erfolge nicht genießen zu können. Überblickt man das berufliche Wirken des Verstorbenen, so ist man von der Tragik des Mißgeschickes, dem er begegnete, geradezu überwältigt Nach rastloser, emsiger, vieljähriger Arbeit schien ihm ein großer Erfolg in Frankreich zu winken, da stellte es sich heraus, daß er von seinem Kompagnon S. in der gewissenlosesten Weise betrogten wurde, indem etwa 50 Melograph-Apparate
an die bedeutendsten Pariser Warenhäuser verkauft wurden, deren Verkaufserlös Herrn Ing. Katscher unterschlagen wurde. Diese. Affäre wirbelte damals in der Wiener Presse außerordentlich viel Staub auf. Die Aufnahmeapparaturen wurden von einer süddeutschen elektrotechnischen Fabrik hergestellt, die später in Konkurs ging, wodurch Ing. Katscher ebenfalls sehr stark geschädigt wurde. Die Verwertung für Deutschland und viele Auslandsstaaten der Katscher’schen Erfindung lag anfänglich auch in den Händen dieses süddeutschen Elektrowerkes; durch den Konkurs wurde die Verwertung gewaltig verzögert, dazu gesellte sich ein Patenteinspruch einer sehr bedeutenden Branche-Firma, und zum Schlusse stellte sich heraus, daß verschiedene Patentansprüche viel zu wenig exakt verfaßt waren, so daß auch andere an den Früchten der Katscher'schen Erfindung teilhaben konnten. Die zunehmende Verschlechterung der Wirtschaftslage in Oesterreich hat im weiteren Verlauf die gedeihliche Arbeit außerordentlich erschwert unter allen diesen Umständen litt der stets rege und schaffende Geist Ing. Katschers in ganz besonderem Maße, und sicher ist dieser fast verzweifelte Kampf um die Anerkennung seiner Arbeit auch eine der Ursachen seines frühen Todes.





1936




Hendrik Schreiner & Ulrich Biller

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