Dreigroschenoper Band - Lewis Ruth / Ludwig Rüth Orchester




Ludwig Rüth - Lewis Ruth
Dirigent, Musiker, Orchesterleiter
1889 - 194?



Der jazzende Symphoniedirigent

In Berlin haben sich zur Zeit etwa 500 (!) stellenlose Kapellmeister zusammengedrängt, um irgendeine hinter ihren künstlerischen Ansprüchen nicht allzu tief zurückbleibende Anstellung zu erhaschen. Als ob für 500 Kapellmeister in diesem Sinn jemals Platz geschaffen werden könnte!

Ihnen allen ging nun der auch in Hamburg in guter Erinnerung stehende Symphoniedirigent L u d w i g R ü t h mit gutem Beispiel voran, indem er den Sprung von der Symphonie zum Jazz unternahm, und zwar mit bestem Gelingen. Er macht heitere Musik mit der Anmut eines Künstlers, der weiß, wie schwer es heute ist, ernste Musik zu machen.
Hamburger Nachrichten, Juli 1926


Ludwig Rüth wird am 30. Januar 1889 in Landau/Pfalz geboren. Als Sohn eines Arztes kommt er in den Genuss einer akademischen Ausbildung. Von 1909 bis 1911 studiert er an der Königlichen Musikschule / Akademie der Tonkunst in München unter Professor Rudolf Tillmetz Flöte sowie bei Anton Beer-Walbrunn Kompositionslehre und Dirigieren. Nebenbei noch an der Münchner Universität Musikwissenschaft, Philosophie und Medizin.

1911


Ludwig Ruth
München, Königliche Akademie für Tonkunst


An der Hofoper in Stuttgart spielte Ludwig Rüth ab 1912 zunächst als Soloflötist, dann in Leipzig und München als erster Flötist. In der Bayrischen Landeshauptstadt dirigierte er ab 1914 den Akademischen Orchesterverband.

19. März 1916






Bereits ab 1914 tritt Ludwig Rüth (als Dirigent) in klassischen Konzerten auch in Berlin auf. Zwar wird Ludwig Rüth im Ersten Weltkrieg als Soldat eingezogen, er kann aber weiter als Musiker und Konzert-Dirigent arbeiten. Ausgedehnte Konzertreisen führen ihn von Wien, quer durch Deutschland bis nach Dänemark und Schweden. Nach Ende des Krieges wurde er zusammen mit Fritz Grunert am 14. September 1919 erster Kapellmeister des neu gegründeten Landes-Sinfonie-Orchester für Pfalz und Saarland in Landau. Diesen Posten hatte Rüth jedoch nur ein Jahr inne, danach schlossen sich bis Mitte der zwanziger Jahre wieder Konzertreisen durch verschiedenste Städte an. Anfang der zwanziger Jahre war für Rüth dann Wien der Lebensmittelpunkt.


Die Konkurrenz war jedoch zu groß, als klassischer Dirigent war in der direkten Nachkriegs- und Inflationszeit kaum ein Auskommen zu verdienen. Wie viele seiner Kollegen wechselte auch Ludwig Rüth zur Unterhaltungsmusik. Der Weg von der Flöte zum Saxophon war nicht weit, ab etwa 1925 stellte er Jazz-Kapelle zusammen um im Varieté und Kabaretts aufzutreten.

Gemäß der Zeit wurde aus dem bürgerlichen, klassischen Dirigenten Ludwig Rüth der anglophile Lewis Ruth.



Bis Anfang 1928 tingelte er mit durchschnittlichem Erfolg, teils als Lewis Ruth Band, aber auch als Lewis Ruth and his Joe Larsen Band durch Berliner Vergnügungsstätten. Der große Durchbruch kam dann im Sommer 1928, als ihn und sein Orchester, Kurt Weil und Theo Mackeben für die Dreigroschenoper verpflichteten.


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Yannick Reinartz/Schellackfreak


1928



Lewis Rüth Orchester in der Dreigroschen Oper


Neben den Einspielungen zu der Dreigroschen Oper spielte Lewis Rüth 1928 auch erstmals für Kalliope mit seinem Tanzorchester ein.

"Onestep To Heaven" als "Baby, hast du kein Bubi"
von The LEWIS RUTH Band mit Gesang: THEO LUCAS.
Musik von Greer, Text von Roxy

Matrize: 4704
Kalliope K 1292*
Aufnahme: Berlin, ca. Oktober 1928

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Stephan Wuthe/Jitterbug


Bis 1933 tritt das Orchester unter dem Namen Lewis Ruth auf. Einspielungen entstehen aber auch z. B. als Dreigroschenoper - Band. Auf Schallplatte wird die Electrola ab 1931 neue Heimat für Ludwig Rüth / Lewis Ruth. Hier wird er auch als der „jazzende Symphoniker“ beworben. Regelmäßige Auftritte im Rundfunk machen den Musiker und sein Orchester aber auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Auch in der Verfilmung der Dreigroschenoper durch Georg Wilhelm Pabst 1930/31 ist wieder die Lewis Ruth Band unter Leitung von Theo Mackeben zu hören.




Neben den Auftritten sowie den Platteneinspielungen ist Ludwig Rüth mit seinem Orchester auch im jungen Tonfilm regelmäßig zu hören - und zu sehen.

Ludwig Rüth in Filmen



1930: Das Lied ist aus
1930: Der Hampelmann
1930: Der Herr auf Bestellung
1930: Die drei von der Tankstelle
1930: Ein Tango für Dich
1930: Le chemin du paradis
1930: Stürme über dem Montblanc
1931: Der Schlemihl
1931: Die Koffer des Herrn O.F.
1931: Die lustigen Weiber von Wien
1931: L'opéra de quat'sous
1931: Wer nimmt die Liebe ernst...
1931: Die Dreigroschenoper
1931: In Wien hab ich einmal ein Mädel geküßt
1933: Eine Frau wie Du
1933: Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?
1933: Gretel zieht das große Los
1933: Roman einer Nacht
1934: Alte Kameraden
1934: In Sachen Timpe
1934: Liebe dumme Mama
1934: Meine Frau, die Schützenkönigin
1934: Schützenkönig wird der Felix

Orchester Lewis Rüth 1930
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Finale Die drei von der Tankstelle





Lewis Ruth Band 1930
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Bei der Electrola trifft Ludwig Rüth mit dem jungen Arrangeur Hans Carste zusammen. Dieser instrumentiert nun viele Einspielungen des Orchesters auf Schallplatte. Ab 1932 wird Hans Carste auch festes Orchestermitglied; Ludwig Rüth am Saxophon und Carste am Klavier teilen sich ab 1932 die Orchesterleitung. Neben dem Schallplatten-Orchester, mit welchem Rüth auch in anderen Spielstätten und Tanzlokalen auftritt, teilt er sich bald mit Werner Schmidt-Boelcke die Stelle als erster Kapellmeister am Berliner Metropol-Theater. Unter seiner Leitung werden 1935 im Metropol Theater unter anderem Revue-Operetten wie "Ball der Nationen" inszeniert und mit seinem Orchester auch auf Schellackplatte eingespielt.




Ludwig Rüth 1934
Dr. Klaus Krüger Link - Hier klicken


Zusammen mit Hans Carste geht das Ludwig Rüth Orchester 1934 auf eine ausgedehnte Konzertreise durch mehrere europäische Länder. Nach einigen Monaten Arbeit im Metropol-Theater und für die Schallplattenfirma Electrola folgt 1935 eine weitere Tournee mit dem Orchester durch Deutschland.


Hans Carste und Ludwig Rüth bei der Europa-Tournee 1934 Holland

Quelle: Fox auf 78 (Ausgabe 27) Artikel Klaus Krüger - Hans Carste


Rüth löst dann das "Entertainment - Orchester" auf. Auf den folgenden Einspielungen handelt es sich um eine Studiobesetzung. Rüth und Carste versuchen jedoch auf einen möglichst festen Stamm aus Musikern für die Schallplattenaufnahmen zurück zu greifen. Nur noch vereinzelt stellt der ehemalige Symphonie - Dirigent eine "Show - Band" für Auftritte zusammen. Mit einer dieser Besetzungen tritt er 1937 in Hamburg auf.


Ludwig Rüth spielt im Boccaccio (Hamburg)


Die Pflege der guten Tanzmusik ist gewiß verdienstvoll, besonders, wenn sie in so kultivierter und geschmackvoller Weise geboten wird wie im Boccaccio - Casino. Man hat hier immer Wert auf Kapellen von Rang und Namen gelegt, und dieser Vorzug, dem man der musikalischen Unterhaltung hat angedeihen lassen, hat nicht zuletzt dazu beigetragen, daß diese Vergnügungsstätte am Hauptbahnhof sich immer steigender Beliebtheit erfreut.

In diesem Monat spielt im Boccaccio die Kapelle Ludwig Rüth, die sich rühmen darf, durch ihre klingende Melodik und durch ihren beschwingten Rhythmus die Tanzfreudigkeit immer aufs neue zu steigern. Man schätzt das ausgezeichnete Zusammenspiel des Orchesters, das sich im besonderen Maße durch seine farbige Instrumentation und durch die Klangschönheit des Spiels auszeichnet. Die Kapelle Rüth, die am Nachmittag und Abend spielt...
Hamburg, Februar 1937


Ergänzt durch Solisten wie Walter Dobschinski und Franz Thon, sowie den Arrangements von ihm und Carste entstehen 1937 noch einige recht jazzige Aufnahmen.



Hoppla - Hoppla
Orchester Ludwig Rüth
Gesang:Die Metropol Vokalisten
Electrola 3995 / ORA 2147 1
Aufnahme: Berlin, 25.06.1937



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Yannick Reinartz/Schellackfreak


Die (erfolgreiche) Karriere von Ludwig Rüth, sowohl auf Schallplatte, wie auch allgemein, endete jedoch im frühen Herbst 1937. Im September 1937 verlässt Rüth seine Heimat. Das (Schallplatten) Orchester wird von Hans Carste übernommen. Neue Aufnahmen erscheinen zunächst unter dem Namen "Orchester Ludwig Rüth - Leitung Hans Carste". Ab 1938 wird aus der Rüth - Band auf dem Label Electrola dann das Orchester Hans Carste. Ludwig Rüth hatte Deutschland verlassen.




So erfolgreich Ludwig Rüth (auch auf Schallplatte) bis zum Ende seiner Karriere war, so tragisch sein persönlicher Lebenslauf. Anfang der 1930er Jahre trennte sich Rüth von seiner ersten Frau; er zog mit seiner jüdischen Lebensgefährtin zusammen. Noch im faschistischen Deutschland wurde das Paar Eltern einer (unehelichen) Tochter. Spätestens ab den "Nürnberger Rassengesetzen" 1935 war an eine legitime Ehe der Familie in Deutschland nicht mehr zu denken. Im gleichen Jahr kam seine Tochter zur Welt. Rüth sah sich Anfeindungen unter anderem der RMK (Reichs Musik Kammer) ausgesetzt. Unter dem Vorwand Verwandte in Südwest - Afrika (ehemalige deutsche Kolonie, heute Namibia) besuchen zu wollen, verließ Ludwig Rüth im September 1937 Deutschland. 1938 folgte seine Lebensgefährtin mit der gemeinsamen Tochter. Ludwig Rüth heiratete fern der Heimat seine Frau.

Seine Karriere war jedoch beendet. Zwar versuchte er sich weiterhin als Musiker, alleine die Abgeschiedenheit verhinderte ein Auskommen für seine Familie. 1940 trat er der Armee Südafrikas bei. Diese war damals Teil der britischen Armee. Für einen recht geringen Sold war Rüth nun Soldat im Musikkorps eines kleinen afrikanischen Landes. Die finanziellen Schwierigkeiten der Familie zuvor lassen sich nur erahnen...

Über den Tod von Ludwig Rüth liegen zwei Versionen vor. Leider wurde bis dato für keine der beiden eine nachvollziehbare Quelle offen oder zur Verfügung gestellt.

Nach Knut Wolfram (wohl basierend auf Erzählungen der Tochter) starb Ludwig Rüth am 2. April 1941 in Durban, Südafrika, bei einem Unfall im offenen Meer. Wiederbelebungsversuche scheiterten. Gänzlich unbestätigte Quellen geben als Sterbeort Juni 1947 (Windhuk / Namibia) an. Was davon stimmt - vollkommen ungeklärt! Vielleicht finden sich im laufe der Jahre noch Quellen und Bestätigungen über den Tod von Ludwig Rüth hier. Verdient hätte es der Lebenslauf und Mensch allemal...




Auch Link - Hier klicken im Forum.



  • Knud Wolffram, Lewis Ruth-Ludwig Rüth. Booklett zur CD Die Dreigroschenband bittet zum Tanz, Pumpkin Pie Records, Berlin 1999

  • Fox auf 78 (Ausgabe 27) Artikel Klaus Krüger - Hans Carste, Seite 44 ff

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