Barnabás von Géczy & Herbert Jäger

Herbert Jäger vermutlich rechts sitzend
Anfang 1923 debütierte in Berlin der gerade mal 21 Jahre junge (*24.04.1902 in Dresden) Herbert Jäger als klassischer Konzertpianist. Auch seine weitere Karriere legt eine umfassende musikalische Ausbildung nahe. Leider liegen uns nur wenige Fakten über seinen Lebensweg vor. Neben dem Klavier beherrschte Herbert Jäger auch die Orgel, arrangieren und komponieren runden das Bild eines Vollblutmusikers ab. In den Kritiken werden seine Auftritte in den nächsten drei Jahren regelmäßig besprochen.

Die Kritiken fallen zwar wohlwollend, jedoch nicht überschwänglich aus. Auch ist die Konkurrenz in der Nachkriegszeit sehr groß. Einem zeitgenössischen Bericht nach, sollen sich 1925/26 alleine in Berlin über 500 Kapellmeister um Auftritte bemüht haben. Der große Durchbruch als Konzertpianist gelingt Herbert Jäger nicht. Ende 1926 finden sich die letzten Besprechungen als klassischer Pianist. Was machte Jäger? Wie so viele seiner Kollegen auch, wechselt er ins Unterhaltungsfach - Er tritt dem Orchester Barnabas von Gézcy im noblen Hotel Esplanade bei.
Auch von Geczys Karriere begann in seinem Heimatland Ungarn als klassischer Musiker (Geige). Die wirtschaftlichen Umstände zwangen auch ihn in die leichte Muse zu wechseln. Seit 1925 leitete er das Unterhaltungs und Tanzorchester im Esplanade. Erste Schallplatteneinspielungen (Homokord) zeigen ein noch etwas ungelenkes Orchester. Deutlich zu hören: moderne Tanzmusik mit Jazzeinflüssen war nicht so ganz das eigentliche Metier von Geczy und seinen Kollegen. Dies sollte sich in den nächsten Jahren unter dem Einfluss von Herbert Jäger ändern. Mit Erich Kaschubek hatte von Géczy zwar bereits einen Pianisten in seiner kleinen Kapelle (alle Mitglieder waren Multiinstrumentalisten. Anfangs spielte von Géczy sogar Saxophon...), Herbert Jäger wurde jedoch zum Hauptarrangeur des jungen Orchesters.
Ende 1927 macht sich bereits ein Wechsel in der Spielweise des Orchesters bemerkbar. Die Arrangements sind ausgefeilter, der Orchesterklang abwechslungsreicher und geschliffener. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei der Schallplattenfirma Kalliope (Eltag) nimmt das Geczy Orchester ab Frühjahr 1928 exklusiv für die Marke Parlophon (Lindström) auf. In den nächsten Jahren entwickelt sich der erste, prägende Orchesterklang aus einer Mischung von Salon- und Tanzmusik mit deutlich anglophilen und "Jazz Symphonischen" Einflüssen.

Zwischen Frühjahr 1928 und Ende 1930 lieferte Herbert Jäger (oft in Zusammenarbeit mit Géczy) für Schallplatteneinspielungen über 100 Arrangements und einige Kompositionen.

Ohne Übertreibung muss man anerkennen, er war prägend für den Orchesterklang der ersten Jahre und das musikalische Rückgrat der Kapelle. Erst die Arrangements von Jäger verhalfen dem Orchester und seinem Leiter Barnabas von Gézcy zu den ersten großen Erfolgen.
Am 29. April findet die letzte Aufnahmesitzung des Géczy Orchesters im ersten Halbjahr 1929 statt (Wenn du einmal dein Herz verschenkst mx. 37391). Arrangement: Herbert Jäger. Die nächste Aufnahmesitzung ist erst wieder am 10. Oktober 1929 (Wenn du von mir fortgehst mx. 37932). Arrangement: Herbert Jäger. Was machte das Orchester Barnabas von Geczy mit seinem Arrangeur Herbert Jäger im Sommer 1929? Sie spielten in England - dort sogar vor dem Prince of Wales! Dazu ein zeitgenössischer Artikel (rückblickend) vom Dezember 1929:
Der Zufall ließ den Prinzen von Wales die Kapelle hören (und der junge Kapellmeister musste daraufhin oft dem Prinzen im Schloß die Lieder seiner Heimat vorspielen), der Zufall schenkte ihm "Eine Nacht, ein Lied und Du"...
Die Auftritte vor dem Prinzen fanden sogar in der englischen Presse Niederschlag und bestätigen diese Geschichte:
Hungarian Violinist Barnabas von Geczy, the Budapest violinist, who motored to London from Maidenhead at midnight recently to play before the Prince of Wales, looks more like a fine Englishman than a Hungarian. The Prince asked von Geczy to play not only the folk songs of his home country but also the latest songs.
Das junge englische Label DECCA hatte erst im Mai 1929 begonnen erste Aufnahmen einzuspielen - Man war noch dabei sich einen Katalog aufzubauen. Gerade als sich Barnabas von Géczy mit seinem Orchester, wie auch seinem Arrangeur Jäger, in England und London aufhält, macht plötzlich ein "Herbert Jäger and his Orchestra" Aufnahmen für die Decca - was für ein Zufall... Gekrönt von dem mitwirken des Pianisten Erich Kaschubec - langjähriges Mitglied des Geczy Orchesters bis zu seinem tragischen Tod 1945.

(Concert Dance Orchestra)
London/Chelsea, c. 2. Juli 1929
DECCA M51
MB274-1a Am I Blue (Foxtrot)
MB276 Lady Divine (Walzer)
11. Juli 1929
DECCA M52 & DECCA F.1533
MB??? Lucky Boy (Foxtrot)
MB??? Florida by the sea (Foxtrot)
HERBERT JAEGER AND HIS SALON ORCHESTRA
c. August 1929
DECCA F.1535
MB394 Perpetuum Mobile
(Duet by Herbert Jaeger and E. Kaschubec)
MB??? Le Cygne (The Swan)
(Cello soloist: Hans Metzler, At the piano: Erich Kaschubec)

DECCA F.1554
MB396 Ave Maria
c. August 1929
MB372 Serenata


Das Klavierspiel von Herbert Jäger, wie man es auch bei Aufnahmen aus der Zeit von Parlophon hört, ist hier unverkennbar. Auch der Saxophonist kommt einem vertraut vor. Spätestens aber die Erwähnung von Erich Kaschubec (sowie eines Hans Metzler) macht klar: Es kann sich hierbei nur um das Orchester Barnabas von Gézcy aus Deutschland handeln. Da er bei der Parlophon unter Vertrag stand, konnte nicht der bekannte Name verwendet werden. Also wurde die Leitung, zumindest nominell, dem Hautarrangeur des Orchesters übertragen. Hat man sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt, dass Geczy 1929 in London Platten machte, ist auch die Violine (vor allem auf "Lady Divine") deutlich als die des Herrn Kapellmeisters zu erkennen. Einzig das Klangbild ist etwas irritierend. Anscheinend stand der Trompeter hier deutlich näher am Mikrophon als bei der Lindström üblich; dies lässt ihn wesentlich mehr in den Vordergrund treten als man es von den Aufnahmen bei Parlophon kennt.
Die Aufnahmen erschienen in England zwischen August und Oktober 1929 und wurden in den einschlägigen Kolumnen der Tagespresse (Schallplatten - Neuheiten) auch vorgestellt. Betrachtet man sich die Matriznummern und Aufnahmetage, sind weitere Einspielungen möglich.
Vermutlich Anfang 1931 verließ Herbert Jäger Geczy. Im gleichen Jahr entstanden von ihm zwei Orgelaufnahmen bei der Lindström. Die Aufnahmebücher nennen ihn nun auch häufiger als Arrangeur für andere Orchester, zum Beispiel auch bei Otto Dobrindt.
In den nächsten Jahren nimmt Jäger häufiger im Duett auf oder begleitet von Orchestern (z. B. von James Kok bei der Grammophon). Im Februar 1933 entsteht zusammen mit Hans Bund diese schöne Aufnahme für Telefunken:

.

Der vom Jazz beeinflusste Klavierstil Jägers zu dieser Zeit fällt in die Kategorie Novelty Piano, wie er ebenfalls von Hans Bund und seinem Bravour-Tanz-Orchester gepflegt wurde. Möglicherweise wirkte Jäger auch bei Aufnahmen von Otto Dobrindt's Klavier-Symphoniker mit. Bei der Grammophon war er zusammen mit Willi Stech zu hören. Auf Electrola entstanden 1934 Aufnahmen als "Klavier - Orchester Herbert Jäger und Willy Stech".


Die Haupttätigkeit von Jäger verlagerte sich aber nun zum Rundfunk. Mit seiner täglichen Sendung Allerlei von zwei bis drei (ab 1936) zählte er viele Jahre zu den absoluten Lieblingen der Hörer.


In der Sendung spielte er Schallplatten vor, moderierte die Sendung und begleitete das ganze vom Klavier aus mit heiteren Geschichten. Quasi ein Klavierspielender früher Disc Jockey. Er war aber auch wichtiger Bestandteil der "Wunschkonzert - Sendungen" von und mit Heinz Goedecke. Otto Dobrindt dirigierte, Goedecke moderierte und Jäger spielte. Beim Deutschlandsender traf er auch regelmäßig mit seinem ehemaligen Chef Barnabas von Gézcy zusammen, welcher nun auch seine Hauptbeschäftigung als Orchesterleiter beim Radio fand.
Neben der Arbeit an den Wunschkonzerten sowie seiner eigenen Sendung, half Jäger dem Musiker und Erfinder Oskar Sala sein Trautonium durchs Radio bekannter zu machen. Sala berichtete später, Jäger versuchte sich auch an diesem Vorläufer des Synthesizers - gab es aber etwas entnervt auf.

Jäger wirkte als Pianist aber noch an vielen weiteren Programmen mit. So z. B. bei Keine Sorgen am Sonntagmorgen. Die Sendung Allerlei von zwei bis drei lief mindestens bis zum Frühjahr 1944. Herbert Jäger wird nochmals im Herbst 1944 in Zusammenhang mit einer Rundfunksendung erwähnt. Nach 1945 kam es zu Problemen mit der amerikanischen Besatzung in Berlin (Jäger war Parteimitglied der NSDAP seit 1931). Über verschiedene Stationen kam Herbert Jäger ins westdeutsche Düren, wo er bereits am 05.07.1958 verstarb. Vielleicht kann ja noch ein Leser unseres Portals weiteres zum Lebensweg des Pianisten beitragen.

Barnabás von Géczy am Deutschland - Sender 1940
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