Schuricke-Terzett

Das Leben ist so schön!
Das Schuricke-Terzett
von Josef Westner (humoresk)



Wie lässt sich eine der besten Gesangsgruppen der 1930er Jahre umschreiben? Wie fängt man den Zauber eines Ensembles ein, das neben furiosen Klavierbegleitern auch mit etlichen erstklassigen Tanzorchestern gearbeitet und deren Einspielungen veredelt hat? Wie wird man einem Terzett gerecht, das über alle Geschmacksrichtungen hinweg kaum Kritiker findet? Oder wie hat es ein Kollege der Grammophon-Platten-Seite so treffend formuliert:

„Zum Schuricke-Terzett ist wohl jedes lobende Wort schon einmal gesprochen worden!
Die drei Stimmen harmonieren so unglaublich perfekt, dazu die immer hörbare, solide Ausbildung in Sprache, Technik und Musik. Bei den Solo-Platten des Terzetts kann man
sich stets sicher sein, ein perfektes, nie triefiges Arrangement zu Ohren zu bekommen.
Das Schuricke-Terzett steht wirklich einzig dar!“

(Nils Mühlbrandt, Sondermeldung)

Bei der eindeutig positiven Bewertung des Ensembles in vielen Gesprächen und Kontakten mit Sammlerkollegen erstaunt es, dass nur sehr wenig biographisches Material zur Gruppe erhalten geblieben ist. Die Platten – zum Teil sehr häufig zu finden – liefern Ansatzpunkte, ebenso Filmmitwirkungen und verbürgte Rundfunkauftritte, ansonsten scheinen kaum Dokumente zur Historie dieses erstklassigen Terzetts greifbar zu sein.


Die Gründung des Ensembles dürfte Ende 1936 oder Anfang 1937 erfolgt sein. Frühere Aufnahmen, die unter dem Namen „Schuricke-Terzett“ veröffentlicht wurden, könnten sich auf ein Rumpfensemble der Spree-Revellers beziehen. Warum Rudi Schuricke diese Gruppe verließ, um sein eigenes, nach ihm benanntes Terzett zu formieren, darüber kann aus heutiger Sicht nur spekuliert werden: Vielleicht war nach dem Weggang des Gründers Herbert Imlau das Ensemble nicht mehr in seinem Sinne? Womöglich waren ihm die vielen eher platten Aufnahmen der Gruppe zuwider? Im Zweifel könnte es auch Schurickes Absicht gewesen sein, seine eigenen Qualitätsmaßstäbe unter seinem Namen verwirklichen zu wollen und daneben seine Laufbahn als Solist weiter voranzutreiben? Was immer ursächlich dafür gewesen sein mag: Im März 1937 verlässt Rudi Schuricke die Spree-Revellers und ab Sommer des Jahres nimmt die Karriere seines Terzetts Schwung auf.

Zu diesem Zeitpunkt gehören neben dem Frontmann Schuricke Horst Rosenberg (1908-1987) und dessen Kommilitone Helmut Krebs (1914-2007) zur Besetzung. Rosenberg ist trotz eines gewissen Altersunterschieds ein Jugendfreund Schurickes aus Königsberger Tagen. Blutjung war man dort mit dem Quartett „Schmidt’s Harmonisten“ getingelt und hatte sich wohl auch nach Schurickes Weggang Richtung Berlin, wo er sich zu den Kardosch-Sängern gesellte, nicht gänzlich aus den Augen verloren. Helmut Krebs wird im Gegensatz zu Rosenberg das Ensemble bald wieder verlassen (ohne dass bislang ein genaues Datum zu ermitteln gewesen wäre): Auf allen bislang bekannten Fotos des Ensembles ist sein Nachfolger, Karl Golgowsky (1910-1997), zu sehen.


Plattenwerbung mit dem Schuricke-Terzett,
v.l.n.r.: Karl Gologwsky, Rudi Schuricke und Horst Rosenberg.


Mit dieser Konstellation hatte sich eine nahezu perfekte Gesangsgruppe gefunden: Die stimmliche Zusammensetzung und Ausgewogenheit erreichte zu dieser Zeit kein anderes Ensemble, zumindest nicht in Deutschland. Die Gründe dafür sind schwer zu benennen und sicher auch eine Frage des persönlichen Geschmacks - ich persönlich sehe für die Brillanz des Schuricke-Terzetts vornehmlich drei Ursachen: Zum ersten unterscheidet sich der Klang durch einen ganz simplen Trick von anderen Männerensembles dieser Jahre: Der Bass fehlt. Das verleiht dem Ensemble eine enorme Leichtigkeit, ohne die schwere Tiefe von so manchen Ensemblebassisten gänzlich zu verlieren. Gerade in solistischen Passagen kann Bariton Horst Rosenberg sehr profund klingen, nimmt sich bei dreistimmigen Partien aber entsprechend zurück. Zum zweiten entsprechen auch die musikalischen Arrangements nicht dem damals Gewöhnlichen: Bei den meisten deutschen Ensembles liegt die Melodie überwiegend beim höchsten Tenor, die tieferliegenden Stimmen bilden die Harmonien. Beim Schuricke-Terzett übernimmt überwiegend der Namensgeber die Melodie, Rosenberg singt darunter und Golgowsky vervollständigt (oft über Schuricke) die Akkorde. Das heißt: Die Melodiestimme liegt zumeist in der Mitte und wird von den beiden anderen Stimmen geradezu eingerahmt. Das verstärkt die Leichtigkeit noch einmal – die Höhen überwiegen, hat man beim Hören den Eindruck. Und dazu kommt drittens, dass sich nicht nur Horst Rosenberg trotz seiner wuchtigen Stimme gut zurücknehmen kann, sondern dass vor allem Schuricke und Golgowsky nahezu das gleiche Timbre haben. Ich kann es nicht anders umschreiben, als mit dem schönen englischen Begriff vom Blending: Der harmonische Zusammenklang ist schlicht perfekt, absolut deckungsgleich in Aussprache und Klangfarbe. All das scheint mir zum außerordentlichen Erfolgsrezept zu gehören. Und da hat man noch nicht über glänzende Instrumentenimitationen, geschmackvolle Programmauswahl, tolle Arrangements und perfekt begleitende Orchester gesprochen...


Schuricke Terzett - "Drunt' in der Lobau" - 7272 1/2 GR 8 - Polydor 10667-A
Aufnahme vom Juli 1937


Erste solistische Aufnahmen entstehen im Juli 1937 für Imperial („Wenn vom Himmelszelt ein kleines Sternlein fällt“, „Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein“) und für Grammophon („Drunt‘ in der Lobau“, „Geschichten aus dem Wienerwald“ u.a.). Trotz einer stattlichen Zahl an klavierbegleiteten Einspielungen überwiegen in den Folgejahren Refrainaufnahmen für unzählige Orchester bei fast allen deutschen Plattenfirmen: Ob mit Hans Carste oder Erhard Bauschke, ob mit Hans Bund oder Oskar Joost, ob mit Will Glahé oder Egon Kaiser, ob mit Adalbert Lutter oder der Goldenen Sieben – das Schuricke-Terzett wirkt geradezu omnipräsent! Und dieser Eindruck verstärkt sich noch, weiß man, dass das Ensemble auch hinter dem scheinbar unpassenden Pseudonym der „4 lustigen Jungens“ steckt, von denen ebenfalls nicht wenige Aufnahmen mit Orchester erhalten sind. Warum dieser Zweitname notwendig war oder geboten erschien, lässt sich heute nicht mehr belegen. Auffällig ist aber, dass die Einspielungen der „lustigen Jungens“ zumeist volkstümlicher daherkommen als das übrige Repertoire.


Corny Ostermann mit seinem Tanz-Orchester - Gesang: Die vier lustigen Jungens -
Von Erfolg zu Erfolg, 2. Teil - K-C 27313 - Kristall 3744

Ende 1938


Neben den zahllosen Platten erscheinen die Hinweise verschwindend gering, die belegen, dass es sich beim Schuricke-Terzett eben nicht um ein reines Studioensemble handelte. Während Live-Auftritte bislang nur in seltenen Ausnahmen verbürgt sind, lassen sich Rundfunk- und Filmengagements zumindest in Teilen nachvollziehen. Insbesondere im Berliner Reichssender dürfte das Ensemble häufig Beschäftigung gefunden haben. Allein im Oktober 1938 entstanden sechs Aufnahmen, die noch heute im Deutschen Rundfunkarchiv erhalten sind – darunter klavierbegleitete Titel (wie eine wunderschöne Fassung von „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“) ebenso wie Begleitmusiken etwa zu der Sendungen „Allotria“. Darüber hinaus sind auch Auftritte im noch jungen Medium Fernsehen verbürgt, etwa für den 25. April 1938, als das Schuricke-Terzett mit dem Orchester Egon Kaiser über die Bildschirme flimmerte.


Schuricke Terzett - "Liebe läßt sich nicht erzwingen" - 8088 1/2 GR 8 - Polydor 10987 B
Aufnahme vom September 1938


Ihr Leinwanddebüt feierte die Gruppe am 23. Dezember 1938 gleich doppelt: In „Verliebtes Abenteuer“ konnte man sie mit dem Titel „Hier liegt die Liebe in der Luft“ in einem Speiselokal, wenig später auch zum Tanz singen sehen. Schurickes Hawaiian Guitar ist ein akustischer wie optischer Genuss! Am selben Tag hatte auch der Streifen „Menschen, Tiere, Sensationen“ Premiere, in dem das Terzett ebenfalls – wenn auch nur für wenige Sekunden – zu sehen ist. Man hört „Liebe lässt sich nicht erzwingen“ auf der Bühne eines Lokals, die unglückliche Maja de Passy (Elisabeth Wendt) versinkt bei dem Klang in einen kummervollen Tagtraum. Die Aufnahme des Liedes ist beinahe identisch mit der handelsüblichen Schellackeinspielung, nur Schurickes Solo im Klang einer gestopften Trompete ist leicht variiert. In „Kitty und die Weltkonferenz“ (1939) lädt Sir Horace Ashlin (Fritz Odemar) die Maniküre Kitty (Hannelore Schroth) in ein Lokal ein, „in dem es 64 Vorgerichte“ nebst „Vollmondschein mit italienischer Musik“ gibt, wie der Film-Kurier berichtet. Dort ist das Schuricke-Terzett mit „Das ist der schönste Moment“ zu hören, nicht zu sehen. Und im Vorspann von „Oh diese Männer“ aus dem Jahr 1941 erklingt „Wind weht weit übers Meer“ in einer Interpretation der Gruppe (als Gesangsdouble von Johannes Riemann hört man Rudi Schuricke im Laufe des Films noch mehrfach). Neben diesen bekannten und belegbaren Filmauftritten des Schuricke-Terzetts gibt es noch einen bislang unentdeckten Trickfilm: Die Gruppe soll auch an der Synchronisation eines Zeichentrickfilms mitgewirkt hat, zu dem Fritz Wenneis die Musik geschrieben hat. Alle Versuche, diesen Film zu finden oder auch nur den Titel zu erschließen, blieben angesichts der Masse an Filmen, die Wenneis vertont hat, bislang erfolglos.


Schuricke-Terzett - "Rosmarie, vergiß mich nie!" - 8908-2 GR 9 - Grammophon 11460 A
Aufnahme vom Mai 1940


In der Sekundärliteratur findet sich fast durchgehend die Angabe, das Schuricke-Terzett habe sich (spätestens) mit Kriegsbeginn 1939 aufgelöst. Die Behauptung erscheint wenig sinnvoll, wenn man sich nur die Diskographie der Gruppe vor Augen hält: Die Aufnahmen mögen etwas weniger werden, sie enden aber keinesfalls! Auch Besetzungswechsel oder zwischenzeitliche Ersatzsänger neben dem unersetzlichen Schuricke werden zumindest nicht hörbar. Von den musikalischen Kriegsfolgen bleibt aber auch das Terzett nicht verschont, entsteht doch – neben wenigen marsch- und abschiedslastigen Industrieaufnahmen („Heidemarie, wenn wir am Rhein marschieren“, „Rosmarie, vergiss mich nie“), denen man den Zeitbezug nicht absprechen kann – mindestens eine eindeutige Propagandaaufnahme: „Das muss den ersten Seelord doch erschüttern“. Vom 29. November 1939 stammt diese Version des bekannten Schlagers „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“, die Stimmung gegen Winston Churchill machte und die Erfolge der deutschen Angriffe auf Großbritannien in dürftigen Phrasen pries:
Wie gern‘ hätt‘ Churchill uns blockiert – you see it looks no black,
das deutsche U-Boot torpediert – in seinem Frühstücksspeck.
Ihn selber trifft ein jeder Schuss, die Welt zu rulen ist jetzt Schluss!
Die Nordsee war ein deutsches Meer, nu‘ kieckste hinterher.

Das muss den ersten Seelord doch erschüttern,
jeder Streich macht ihn weich, macht ihn kleen.
Wir werden ihn auch weiterhin zerknittern,
siehste wohl, siehste wohl, Chamberlain.
Es bleibt wohl das einzige Mal, dass sich die Gruppe derart für das Regime hergibt und verausgabt. Und nicht immer trifft es ansonsten den Geschmack der Machthaber: Das Stück „Jaaa – nun ist er wieder da!“ mit Text von Ralph Maria Siegel wird nur wenige Wochen nach Erscheinen der Grammophon-Platte 11554 auf die „Liste unerwünschter musikalischer Werke“ gesetzt und damit verboten.



Ein Autogramm vom Februar 1940 aus Braunschweig,
v.o.n.u.: Horst Rosenberg, Rudi Schuricke und Karl Golgowsky.


Im Frühjahr 1941 steht das Schuricke-Terzett letztmalig im Aufnahmestudio. Noch 1943 sollen Rundfunkaufnahmen entstanden sein, die sich aber bislang nicht abschließend belegen lassen. Dennoch: Für das Ensemble gibt es noch einmal ein kurzes Comeback. 1964 trommelt Schuricke seinen ehemaligen Gefährten noch einmal für Neuaufnahmen alter Schlager zusammen. Die Stimmen sind nicht mehr taufrisch, die früheren Qualitätsmerkmale der Gruppe über die Jahre verloren gegangen und doch ist es schön, dieses letzte Aufflackern einer einstmals großen Leuchte zu erleben. Der Zauber des Schuricke-Terzetts bleibt…



Karl Golgowsky, Rudi Schuricke und Horst Rosenberg (v.l.n.r.) in den 1960er Jahren.



Großes Tanzorchester - Dirigent: Adalbert Lutter - Refraingesang: Schuricke-Terzett
"Das Leben ist so schön" - 24191 - Telefunken A 2917

Aufnahme vom April 1939


Besonderer Dank für die Unterstützung bei diesem Artikel und den Recherchen dazu gilt allen voran dem Schurickologen Hans-Joachim Schröer, daneben Dieter Doege, Dr. Reinhard Figge, Jan Grübler, Karsten Lehl, Nils Mühlbrandt und Hans-Peter Sieg.

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