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Tri Ergon Lichtton 1928
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GrammophonTeam
So Mär 24 2013, 16:06 Druck Ansicht
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Der sprechende Film
(Mit vier photographischen Aufnahmen)

Von Edison bis "Tri-Ergon" - Sprechfilme und der Rundfunk - Umwälzung in der Grammophonplatten Industrie - Die "stumme" Kinokapelle


Wiener Bilder No.24, Juni 1928


Als die ersten zappelden Bilder über die Leinwand rollten, glaubte man auch bereits den Höhepunkt der Kinematographie erreicht zu haben.
Und doch waren diese naiven Bilderstreifen um die letzte Jahrhundertwende nichts anderes als der erste Auftakt zur Filmindustrie, die heute -
nach kaum mehr als dreißig Jahren - noch lange nicht in ihrem Zenith steht. Unaufenthaltsam stürmt das Heer der Erfinder von Erfolg zu Erfolg.

Jetzt werden wir von der sensationellen Nachricht überrascht, daß es nunmehr gelungen ist, den Film auch im wahrsten Sinne des Wortes "sprechend" zu machen,
und zwar in derart verblüffender Weiße, daß Ton und Gebärde vollkommen kongruent erscheinen.

Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, daß schon vor ungefähr fünfzehn Jahren, am 7. Juli 1913, der erste sprechende Film dem englischen Herrscherpaare
bei einem von Lord Derby veranstalteten nächtlichen Parkfeste vorgeführt und mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.
Edison hatte die Menschheit von neuem mit einer epochal erscheinenden Erfindung beglückt.

Dennoch konnte die Erfindung des Kinetophons durch den genialen Edison mit dem beispiellosen Aufstieg des stummen Films nicht Schritt halten, um so weniger,
als der mit dem Aufnahmeapparat verbundene Schallfänger nur in einem Umkreise von etwa zwölf Metern das gesprochene Wort aufzunehmen imstande war.
Dazu kam noch, daß der ausbrechende Weltkrieg allen Forschungsarbeiten und Versuchen ein jähes Ende bereitete.

Alle bisherigen Bemühungen, Filmaufnahme und Schallapparat miteinander gleichsam zu verschweißen, blieben umsonst, da eben eine Identifizierung von Gebärde
und Ton nicht erzielt werden konnte und so entweder die Gebärde dem Ton oder der Ton der Gebärde nachhinkte.
Auch die Versuche, die Darsteller in dem Tempo agieren zu lassen, wie die auf der Grammophonplatte eingefangene Stimme sprach, mißlangen, weil eben ein
Zusammenfallen von Bild und Schall in den Kinos technisch undurchführbar war.

Drei deutsche Erfinder, heute unter dem Sammelnamen "Tri-Ergon" ("Werk der Drei") bereits weltbekannt, erkannten, daß alle bisherigen Versuche, den Film sprechend zu machen,
auf nicht durchführbaren technischen Voraussetzungen basierten und suchten und fanden den Weg zum Ziele.

Die Erfindung der Drei (Masselle, Doktor Ebgl und Vogt) beruht im Prinzip darauf, jedes akustische Moment bei der Aufnahme photographisch auf dem Filmstreifen festzuhalten.
Das gesprochene oder gesungene Wort - überhaupt jeder akustische Eindruck schlechthin - gelangt zu dem mit einer Verstärkeranlage versehenen Mikrophon und die in elektrische
Schwingungen verwandelten Schalleindrücke gelangen zu einer Aufzeichnungslampe, die je nach der Stärke des Tones stärker oder Schwächer aufflammt.
Diese Lampe fixiert die Toneindrücke mit bis zu 20.000 Schwingungen pro Sekunde (20 khz) auf dem Zelluloidband synchron mit dem Bild. Die Wiedergabe ist die Umkehrung dieses Weges:
das Phonogramm wird über eine Seelenzelle geleitet und als elektrische Energie zu besonders konstruierten Lautsprechern (Statophonen) geführt, die dann den Ton unbedingt gleichzeitig
mit dem Bild in den Zuschauerraum werfen.

Diese Erfindung wirkt auch auf dem Gebiete des Rundfunks revolutionierend. So kann zum Beispiel ein von prominenten Darstellern gespieltes Stück als Tonstück beliebig oft gesendet werden.
Da diese Filme natürlich auch verliehen werden können, würde sich selbst die Ensemblebildung der teuersten Kunstkräfte bezahlt machen.

Ferner ermöglicht das "Tri-Ergon" System auch eine zeitlupenartige Aufnahme akustischer Eindrücke zu machen, wodurch selbst die feinsten dynamischen und akustischen Nuancen festgehalten
und wiedergegeben werden könnten.
Dadurch würde die Grammophonplatte an Lautreinheit gewinnen, sondern es bei langsamer Vorführung auch gestatten, die Tonbildung eines Lautes bis in das kleinste Detail verfolgen zu können.

In letzter Zeit hat man versucht, große Filmwerke (siehe: "Sonnenaufgang", "Nibelungen", "Der Weg allen Fleisches") mit einer eigenen musikalischen Komposition zu untermalen, ein Vorgang,
der viel dazu beiträgt, die Stimmung des Kinopublikums zu erhöhen.
Nun könnte auch diese Begleitmusik mit Hilfe des "Tri Ergon" ein Tonfilm werden und als solcher gleichzeitig mit dem Bildfilm verliehen werden.
Demnach könnte man auch in dem kleinsten Kino etwa die vom Wiener Symphonieorchester gespielte Illustrationsmusik genau so hören wie im Konzertsaal, ohne daß auch nur ein einziger Musiker im Kino selbst engagiert sein müßte. Das wäre freilich für die Kinomusiker ruinös. Aber bis es damit ernst wird, wird noch viel Wasser in die Donau fließen.

Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß der sprechende Film eigentlich nur für Kulturfilme und Naturaufnahmen in Betracht kommen kann, denn der im Atelier erzeugte Spielfilm würde,
tri-ergonisch aufgenommen, viel zu viele und nicht zu vermeidende Nebengeräusche auffangen und somit auch hörbar machen.



Siehe auch: Das Tri-Ergon Aufnahmeverfahren Photo - Electric

[ Bearbeitet So Nov 16 2014, 15:40 ]
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GrammophonTeam
So Nov 16 2014, 15:44
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Ende 1926 / Anfang 1927 produzierte die Tri-Ergon in Zusammenarbeit mit der UFA einige (Kurz) Tonfilme im Lichtton Verfahren. Bald danach stieg die UFA aus diesem Gemeinschaftsprojekt wieder aus. Der Tri-Ergon alleine fehlte das Geld um den Lichttonfilm auf dem Markt einzuführen.

Erst fast drei Jahre später fing die UFA wieder an Tonfilme zu drehen.

März 1927

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GrammophonTeam
Mi Nov 26 2014, 22:33
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Juni 1928


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Barnabás
Sa Apr 18 2015, 08:40
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11.Dezember 1928


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SchellackFreak
Mo Jun 29 2015, 21:38
"Seitengründer"

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Ein interessanter Artikel in dem unter anderem recht ausführlich die Funktion des Kathodophon (Mikrofon der Tri Ergon) beschrieben wird.

Der tönende Triergon-Film
von Georg Otto Stind







Buchvorstellung - Zeitschrift "Stein der Weisen" 1928
Der tönende Film







Zusammen mit weiteren Dokumenten aus diesem Eintrag ergibt sich ein schöner (technischer) Überblick des Tri-Ergon Tonfilm um 1928.




Die Tri - Ergon Aufnahmeapparate. Rechts Herr Massolle, einer der drei Erfinder des Apparates

.





(Abb. 5)

Tri Ergon Aufnahme Atelier

.




Der Schauspieler Paul Graetz... vor dem Tri-Ergon Aufnahmeapparat

.
„Ein Tag Film“


Dieser Tonfilm gibt allen Befürchtungen recht, die je gegen den sprechenden Film laut geworden sind. Er ist nicht auf ein akustisches Motiv aufgebaut, sondern er bringt Dialoge, Wortwitze, Bühneneffekte, kurz, er ist abphotographiertes Theater in jeder Szene. Die Güte des Verfahrens (Tri-Ergon) bleibt unbestritten; aber man sollte es nicht zu solchen Theatervorstellungen missbrauchen. Ein Irrtum übrigens, dass Paul Grätz ein geeigneter Filmsprecher ist. Seine Mundstellungen sind unmöglich, sind die eines zahnlosen Greises.
19 September 1928




Ein Tri Ergon Filmstreifen;... links neben den Lauflöchern der den Ton wiedergebende Streifen

.








Vorführungsapparat des "Tri-Ergon" Tonfilm

.




Das "Tri-Ergon" Tonfilm Kino mit der Lautsprecheranlage

.


Leider scheitere dieser erste, kommerzielle Lichttonfilm an eben den Lautsprechern. Die Wiedergabe war deutlich schlechter, als der tatsächlich aufgenommene Ton. Der schlechte Klang dieser "Lautsprecheranlage" wurde vom Publikum nicht angenommen, die UFA zog sich aus dem Projekt mit der Tri-Ergon zurück.


Die Rechte am Tri-Ergon Tonfilmverfahren erwarb die amerikanische Filmfirma FOX. Ab Ende 1928 begann die Firma ihre berühmte FOX Movietone, die erste tönende Wochenschau zu produzieren - basierend auf der Technik der Tri-Ergon aus Berlin. Hier ein früher FOX Movietone, aufgenommen im März 1929 in New Orleans.

IT´S TIGHT LIKE THATNew Orleans, März/March 1929Some outtakes from a longer video.Längeres Video...

Posted by Deutsches Grammophon & Schellackplatten Forum on Sonntag, 17. Mai 2015
.


Das Kathodophon



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GrammophonTeam
Mi Feb 03 2016, 08:42
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Nachdem an anderer Stelle Fragen zu der "Lautsprecher - Wand" des Tri-Ergon Kinos aufkamen, etwas genaueres:

Statophon - der Tri Ergon Lautsprecher



Auch baute "Triergon" ein auf dem elektrostatischen Prinzip beruhendes Starktelephon (Lautsprecher), das sehr dünne Glimmermembramen von 0,002 mm Dicke und eine Metallplatte im Abstande von 0,003 mm zeigt - Abb. 7.

Die "Lautsprecherwand"




…Nach entsprechender Verstärkung gelangen die Stromimpulse nun zu den unter und neben der Projektionswand angeordneten Lautsprechern, die beim Tri-Ergon von eigenartiger Form und Bauart sind. Sie nennen sich Statophone und beruhen auf der Anziehung von dünnen Metallflächen, die sich eng gegenüberstehen und elektrische Ladungen verschiedener Stärke empfangen. Diese Statophone kann man derart erzeugen, daß sie für bestimmte Schwingungsbereiche (Frequenzen) besonders gut ansprechen, zum Beispiel, je ein Statophon für Baß, Tenor, Sopran und Alt.

Wenn man nun vier solcher Instrumente zu einer Batterie vereinigt, wird man eine verhältnismäßig vollkommene Tonwiedergabe erzielen. Will man größere Lautstärken, erhöht man die Anzahl der Batterien und gelangt so bis zu 24 und mehr Statophonen, die zur Erhöhung der Wirkung noch auf hölzernen Resonanzböden angebracht sind.
November 1928


Im Grunde fast schon moderne Mehrweg-Lautsprecherboxen….



Am 24. September 1923 wurde in Berlin im Schubertsaal der Tri-Ergon (Licht) Tonfilm "Nathan der Weiße" aufgeführt. Dazu noch ein längerer Artikel aus Österreich.








[ Bearbeitet Mi Feb 03 2016, 08:58 ]
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RF-Musiker
Mi Feb 03 2016, 13:53
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Sep 15 2011, 11:21
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Interessant finde ich, dass damals der Gedanke, Dialoge zu haben, wie heute üblich, noch nicht naheliegend war, dafür man aber sich den Tonfilm als Medium zur Tonaufzeichnung vorstellte.
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