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Vorverstärker für Schellackplatten - Bausatz
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Formiggini
Di Okt 13 2015, 21:43 Druck Ansicht

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
...nein, leider gibt es keinen (günstigen) Bausatz für so einen Vorverstärker. Dies war auch meine Ausgangslage, als ich schon vor einigen Jahren dieses Bastelprojekt anging. Der Grundgedanke: Wie kann man handelsübliche Bausätze so abändern, dass daraus ein Vorverstärker mit verschiedenen > Kennlinien < für Schellackplatten wird. Da ich zwar Schaltpläne lesen kann, aber keine Platinen entwerfen, viel die Wahl auf Bausätze für kleine Verstärker.

Es handelt sich hier also nicht um eine fertige Bastelanleitung, sondern soll einen möglichen Weg zeigen, wie sich ein fertiger Bausatz "anpassen" lässt um mindeste Anforderungen an einen Vorverstärker für Schellackplatten zu erfüllen. Benötigt werden:

- Lötkolben
- Grundlegendes Verständnis für elektronische Schaltungen bzw. Schaltpläne
- verschiedene Bausätze
- elektronische Kleinteile wie Widerstände, Kondensatoren, Mehrfachschalter usw.

Bausätze
Es gibt verschiedene Bausätze auf dem Markt für Mikrofonvorverstärker, lineare Vorverstärker, Phonovorstufen mit RIAA - Entzerrung usw. Viele dieser Bausätze lassen sich so umbauen, dass man verschiedene Frequenzen einstellen kann. Grundlegend gibt es zwei verschiedene Funktionsweisen dieser Bausätze:
  • "Diskret" aufgebaut. D.h. es werden nur Transistoren, keine ICs (Intrigierte Schaltkreise) verwendet.

  • Bausätze mit ICs (Meistens sog. "Operationsverstärker)

Ich habe mich aus zwei Gründen für letztere entschieden: Zum einen sind diese heute sehr verbreitet, zum anderen ist es hier einfacher, ohne die Schaltung groß umbauen zu müssen, Bauteile einzuwechseln die die Frequenzkurven nach unseren Wünschen beeinflussen.

Operationsverstärker
Kurz (ohne zu sehr ins Detail zu gehen) zur Funktionsweise dieser als ICs aufgebauten Operationsverstärker (abgekürzt OPV oder OpAmp). Das Symbol in Schaltplänen für einen OPV ist ein Dreieck. Die "Spitze" stellt dabei den Ausgang dar.

An dem Eingang liegt auch die Versorgungsspannung (+) an. Oft haben diese OPVs aber keinen linearen Frequenzgang oder eine zu geringe Verstärkung. Deswegen wird eine sog. "Gegenkopplung" eingefügt.

Ein Teil des Ausgangssignals wird über einen Widerstand (R) und einen Kondensator (C) dem negativen Eingang zurückgeführt. Man spricht hier auch von einer "negativen Rückkopplung". Praktisch für uns: Je nachdem wie man C und R bemisst, wird dadurch auch der Frequenzverlauf des Verstärkers beeinflusst. Setzt man also verschiedene Widerstände und Kondensatoren in die Gegenkopplung ein, erhält man die für uns passenden Frequenzkurven die wir zur richtigen Entzerrung von Schellackplatten benötigen.

Diese "R/C Glieder" lassen sich auch mit einem Mehrfachschalter einfügen. Dies ermöglicht uns dann eine bequeme Umschaltung zwischen den verschiedenen Kennlinien.



Anpassung Bausatz
Nach einiger Recherche entschied ich mich für einen Bausatz namens "Stereo Geräuschverstärker". Er wird auch unter dem Namen "Super Stereo Ear" hergestellt und von verschiedenen Anbietern (auch im Internet) vertrieben.

Eigentlich ist dies ein Bausatz um mit zwei kleinen Mikrofonen Umgebungsgeräusche zu verstärken und als Stereosignal in einen Kopfhörer wiederzugeben. Es eignen sich aber auch andere Bausätze mit einem OPV wie Phonovorverstärker usw. Dazu einfach etwas im Netz suchen und event. Schaltpläne vergleichen. Hier das (unvollständige) Prinzipschaltbild:



An den beiden Eingängen liegen eigentlich die Mikrofone. Diese werden nicht eingebaut, sondern z.B. durch Chinchbuchsen ersetzt um den Plattenspieler anschließen zu können. Ebenso an die Ausgänge. Die Gegenkopplung mit R 47KOhm und C 100pf wird ebenfalls nicht eingelötet. Stattdessen kommen andere Bauteile (Widerstand und Kondensatoren) zum Einsatz um die verschiedenen Bassanhebungen einstellen zu können:


(Hier ist nur ein Mono-Zweig dargestellt)


Mit einem Mehrfachschalter müssen nur die verschiedenen Kondensatoren geschaltet werden. Weitere Werte wären:
  • 56n = 200Hz
    15n = 800Hz
    11n = 1000Hz


Mit der korrekten Bassentzerrung ist eigentlich schon der wichtigste, bzw. "schwierigste" Teil eines Vorverstärkers für Schellackplatten fertig. Mit diesem kleinen Umbau wäre man eigentlich schon so weit, das Gerät in ein Gehäuse einzubauen und zu nutzen. Ich wollte allerdings etwas "mehr"...

Zum einen nahm ich einen zweiten Bausatz und passte die Gegenkopplung so an, dass man verschiedene Höhenabsenkungen einstellen kann. In der Praxis verwende ich diese jedoch quasi fast nie. Kann man sich, meiner Meinung nach, auch sparen.

Wichtiger war mir aber noch eine zweite Stufe nach dem Bausatz mit der angepassten Gegenkopplung für die Bassanhebung: Eine Klangregelstufe. Dies erwies sich, zumindest für mich, als notwendig, da ich in der Sammlung sehr viele frühe elektrische Aufnahmen, wie auch akustische Platten habe. Ich kaufte also einen weiteren Bausatz mit dem sich Bässe, Mitten und Höhen einstellen lassen. Damit lässt sich im Gebrauch auch z.B. bei einer stärker abgenutzten Platte das Rauschen etwas absenken. Leider gibt es z.Z. fast nur Bausätze für eine Zweiweg Klangregelung auf dem Markt, also Bässe und Höhen. Faktisch entspricht dies aber auch den Möglichkeiten die damalige Vorverstärker boten: Korrekte Bassanhebung sowie Einstellung der Bässe und Höhen. Dazu einfach im Netz mit dieser Phrase suchen: Klangregler Bausatz

Komplett sieht mein Vorverstärker nun so aus:
  • Bausatz 1: Bassanhebung

  • Bausatz 2: Klangregelstufe

  • Bausatz 3: Höhenabsenkung







E/A Eingang/Ausgang
1 Bässe, Mitten, Höhen
2 Lautstärkesteller für Stufe 1 (Bassanhebung)
3 Umschalter mit Kondensatoren für Bassanhebung
4 Umschalter mit Kondensatoren für Höhenabsenkung
5 Lautstärkesteller für Stufe 2 (Höhenabsenkung)

Handhabung: Die drei Regler für Bässe, Mitten & Höhen stehen zunächst mittig - also "neutral". Für die jeweilige Platte (Firma) wird die Bassentzerrung eingestellt. Bei Platten mit einem recht krummen oder "individuellen" Frequenzgang (z.B. VOX, Homocord, Isiphon, akustische Aufnahmen usw.) wird dann mit dem Klangregler nachgestellt.

Wie gesagt, in der Praxis benötige ich die Höhenabsenkung bei unseren Schellackplatten eigentlich nie. Auch der Klanggegler kann entfallen - schließt man den Vorverstärker (nur bestehend aus dem ersten Bausatz um die Bässe anzuheben) an ein Mischpult oder einen Verstärker an (Line-In, AUX), lässt sich dort ja auch fast immer nochmals der Klang einstellen.

Der Preis pro Bausatz bewegt sich bei c. 10.-€. Mit Gehäuse und weiteren Kleinteilen wie Umschalter, Batteriefach, Gehäuse usw. kam ich auf c. 60.-€ für diesen Vorverstärker.


Noch zwei Anmerkungen: Je nach verwendetem Bausatz kann es nötig sein den Vorverstärker in ein Metallgehäuse einzubauen um Brummen und ähnliches zu vermeiden. Hier war dies nicht nötig.

Bei magentischen Tonabnehmern ist es eigentlich üblich an den Eingang des Vorverstärkers eine gewisse "Grundlast" aus einem Widerstand und einem Kondensator parallel zum Eingang zu legen. Ich hatte dies hier auch ausprobiert - es ergab sich dadurch jedoch keine Verbesserung im Klang. Fragt mich bitte nicht warum...



Sicherlich ist mein Vorverstärker nicht der Weisheit letzter Schluss. Ich wollte einfach zeigen, wie sich mit relativ geringen Mitteln vorhandene Bausätze "anpassen" lassen. Auch können "diskrete" Vorverstärker, aufgebaut mit Transistoren und nicht mit Operationsverstärkern, klanglich bessere Ergebnisse erzielen.





[ Bearbeitet Di Okt 13 2015, 22:52 ]
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speedy78
Mo Sep 14 2020, 08:33
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jun 20 2020, 07:59
Wohnort: Wuppertal
Beiträge: 52
Sieht genial aus, einen Mikrophonvorverstärker umzubauen! Respekt. Wenn ich mir nun Löten ersparen will...
Was halten Sie von diesem Gerät?
Technolink-TC-778-RIAA-Phono-Vorverstaerker-mit-schaltbar-LP-78RPM-Equalizer
Gruß, speedy78
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Rundfunkonkel
Mo Sep 14 2020, 12:24
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1118
Es gibt nicht nur "die" 78er Entzerrkurve... ich halte daher davon nicht sehr viel. Schreib mir mal ´ne Mail.
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veritas
Mo Sep 14 2020, 17:26
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Jun 28 2012, 17:52
Wohnort: Allgäuer Provinzpampa
Beiträge: 543
Du kannst mit Hilfe eines einfachen Equalizers schon sehr viel erreichen, ganz ohne Lötkolben.
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speedy78
Di Sep 15 2020, 13:55
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jun 20 2020, 07:59
Wohnort: Wuppertal
Beiträge: 52
Rundfunkonkel schrieb ...

Es gibt nicht nur "die" 78er Entzerrkurve... ich halte daher davon nicht sehr viel. Schreib mir mal ´ne Mail.

Hallo lieber Rundfunkonkel. Würde ja gerne ne mail schreiben... jedoch an welche Adresse?
Grüße von speedy78
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Rundfunkonkel
Di Sep 15 2020, 23:40
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1118
speedy78 schrieb ...

Rundfunkonkel schrieb ...

Es gibt nicht nur "die" 78er Entzerrkurve... ich halte daher davon nicht sehr viel. Schreib mir mal ´ne Mail.

Hallo lieber Rundfunkonkel. Würde ja gerne ne mail schreiben... jedoch an welche Adresse?
Grüße von speedy78


Versuchs nochmal, war abgeschaltet :-) .
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