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Lioret Modell No. 2, Version 1897/98, von Henri Lioret
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Mammut
So Mai 17 2020, 22:41 Druck Ansicht
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Beiträge: 71

















Der französische Uhrmachermeister Henri Lioret (1848-1938) wurde von der Puppenmanufaktur Emile Jumeau 1893 gebeten eine Mechanik für eine sprechende Puppe, als Geschenk für die Kinder der Frankreich besuchenden Zarenfamilie zu entwickeln. Der Phonograph war aber als Spielzeug nicht zu gebrauchen, da die Puppe während des Abspielens nicht bewegt werden durfte. Die nach weitestgehenden eigenen Etwicklungsgrundsätzen hergestellten Phonographen, wurden aufgrund ihrer kleinen Abmessungen in Werbemitteln eingesetzt. Die ab 1897 hergestellten größeren Lioretgraphen gab es mit Gewichtsantrieb von 6 Kg und mit einem Federlaufwerk. Zum Einsatz kamen Zelluloid-Zylinder, die um ein Vielfaches robuster waren als die damals gängigen Walzen von Edison. Die Spielzeit betrug 2 Minuten und die Walzen ähnelten eher Ringen als Walzen. Diese waren so robust, dass diese mit einer Stahlnadel abgetastet wurden. Der Lioretgraph mit Gewichtsantrieb stand auf einem 3 Bein - Stativ und wurde überwiegend mit einem Trichter (pleated horn) geliefert. Das federgetriebene Gerät (hier vorgestellt) hatte einen s.g. Resonator, einer Büchse gleichender Schalldose. Leider nicht mehr vorhanden.

Leider fand Henri Lioret keine Möglichkeit zur industriellen Vervielfältigung seiner Walzen. Somit wurden die Lioretgraphen von Columbia und Edison vom Markt verdrängt.

Das hier vorgestellte Gerät ist im Fundzustand.



Quellen:
ISBN 3-86646-008-2 Faszination Schellack
ISBN 0-7643-2240-0 The Talking Machine. Timothy c. Fabrizio / George F. Paul







[ Bearbeitet Mo Mai 18 2020, 15:52 ]
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alang
So Mai 17 2020, 23:58
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jun 12 2012, 19:52
Wohnort: Delaware, USA
Beiträge: 660
Wow! Das ist eine absolute Seltenheit aus der fruehesten Geschichte des Phonographen. Toller Fund! Vielen Dank fuers Vorstellen!

Andreas
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DGAG
Mo Mai 18 2020, 01:40

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 675
Eine echte Phonographen-Ikone - ist das Lioret Modell No. 2, hier in der Version ab Ende 1897. Das ist an dem Schwungrad mit vier gebogenen Speichen zu erkennen. Auf dem Dorn steckt eine Lioret-Walze No. 3 mit 2 Minuten Spielzeit. Dazu passt entweder der Resonator mit transparentem Zelluloidtrichter, wie auf der obigen Schwarz-Weiß-Abbildung des The Science Museum, oder eine Anfang 1898 eingeführte, flache Schallose aus vernickeltem Messing, 8 cm im Durchmesser mit abgerundetem Glasstift als Abtaster - und schwarz lackiertem Schalltrichter aus Weißmetall.

Bemerkenswert ist die bräunliche Verfärbung des ursprünglich hellgelben Zelluloids der Walze: ein chemischer Vorgang und/oder ein Schimmelbefall.

In unserem Buch "Die Technisierung der Klangwelt. Phonographen im Deutschen Museum" haben wir das Lioret Modell No. 2 im Detail vorgestellt: Link - Hier klicken

[ Bearbeitet Mo Mai 18 2020, 01:42 ]
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Grammo-Klaus
Mo Mai 18 2020, 11:11
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Jan 27 2014, 11:46
Wohnort: Im sonnigen Westfalenland
Beiträge: 577
Wow, was für eine interessante Maschine. Sowas findet man hierzulande wohl kaum, ausser auf Auktionen, aber so im Antik-Laden oder auf dem Trödel, kann ich mir kaum vorstellen. Super-Fund. Ein richtiger Musik-Oldtimer.
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DGAG
Mo Mai 18 2020, 13:15

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 675
Mammut schrieb ...

Leider fand Henri Lioret keine Möglichkeit zur industriellen Vervielfältigung seiner Walzen. Somit wurden die Lioretgraphen von Columbia und Edison vom Markt verdrängt.

Lioret hatte sich im Gegenteil in den Jahren 1893 und 1894 eine sehr effektive Methode zur Massenfertigung von Zelluloidwalzen patentieren lassen. Wie im Jahr 1889 schon Edison, der sein Verfahren jedoch zunächst geheim hielt, ließ Lioret eine Negativkopie (Matrize) der in Zelluloid geschnittenen Originalwalze herstellen. Ein erwärmter Zelluloidhohlkörper wurde eingeführt und mit Hilfe eines aufblasbaren Gummischlauchs gegen die Innenwand der Matrize gepresst. Nach dem Abkühlen mit Wasser wurde der dabei geschrumpfte Hohlkörper, der an seinem Außenmantel die eingepressten Schallwellen trug, aus der Matrize entnommen.

Es gibt auch heute noch Lioretwalzen in großer Anzahl, da sie sich als viel stabiler als Walzen aus wachsähnlicher Masse erwiesen. Zum Verhängnis wurde Lioret vor allem, dass seine Tonträger nicht kompatibel zu den massenhaft hergestellten, teilweise viel billigeren, Phonographen und Graphophonen waren. 1899 schwenkte Lioret schließlich auch auf Standardwalzen um und rüstete seine Lioretgraphen entsprechend aus, aber zu spät. Die Konkurrenz, inklusive von Pathé, war bereits zu groß.
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Mammut
Mo Mai 18 2020, 18:28
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Aug 16 2016, 17:27
Wohnort: 01445 Radebeul
Beiträge: 71
Danke an DGAG für die Richtigstellung. Den Inhalt hatte ich den angegebenen Quellen entnommen.
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alang
Mo Jun 08 2020, 14:33
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Jun 12 2012, 19:52
Wohnort: Delaware, USA
Beiträge: 660
Auf dem amerikanischen TMF wurde gerade ein Lioretgraph Modele A vorgestellt: Link - Hier klicken. Interessant innerhalb von kuerzester Zeit gleich zwei solche Raritaeten zu sehen.

Andreas
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-Juergen-
Mo Dez 28 2020, 20:02
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 25 2018, 08:26
Wohnort: Rhein-Main
Beiträge: 222
Hallo Kollegen,

die Gelbfärbung der Walze entstehet wenn Diese sehr lange bzw. dauerhaft UV-Licht ausgesetzt wird. Die Oberfläche härtet dabei auch sehr stark aus und wird brüchig.

Viele Grüße -juergen-
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DGAG
Di Dez 29 2020, 01:48

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 675
Licht ist die Hauptursache für Schäden an Kunststoffen aller Art. Die Verfärbung der Zelluloidwalze hat jedoch sehr wahrscheinlich andere Gründe. Zelluloid ist empfindlich gegen Feuchte (alles über 40 % rF sollte man vermeiden) und die mit der Zeit aus dem Material austretende Säure reagiert mit Metall. Da dieses Lioret Modell No. 2 über längere Zeit viel zu feucht stand, fiel die Reaktion des Zelluloids mit den Metallionen aus dem Kern aus Messingblech besonders stark aus. Ich kann mich nicht erinnern jemals eine Lioret-Walze in so schlechtem Zustand gesehen zu haben.
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