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Komodaphone, das Grammophon im Toilettenstuhl
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Schellack
Fr Jul 17 2020, 16:35 Druck Ansicht
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Feb 29 2012, 18:09
Beiträge: 118
Hallo allerseits,

eines vorweg: das hier beschriebene Gerät ist nicht Teil meiner Sammlung sondern ist der aktuelle Neuzugang in der umfangreichen halböffentlichen Sammlung eines befreundeten Sammlers, der allerdings hier im Forum nicht aktiv ist.
Es ist jedoch derartig kurios, dass ich es hier nicht vorenthalten möchte:

HERSTELLER: unbekannt, "Made in Holland", Bauteile stammen von Decca (GB)
MODELL: /
SERIENNUMMER: /
JAHR: nach 1930? (eventuell auch jüngere Bastelei, siehe Thread)
DAMALIGER PREIS: /
GEHÄUSE: Holz
PLATTENTELLER: 30cm, Decca
TRICHTER: Metall, lackiert
MOTOR: Garrard, vermutlich Mod. 30
SCHALLDOSE: Meltrope III, mit DECCA markiert

Die vorliegenden Fotografien wurden "auf die Schnelle" gemacht. Leider wirkt durch das Objektiv der Stuhl breiter als er in natura ist. Der Motor ist aber definitiv von Garrard, vermutlich Mod. 30, werde ich bei Gelegenheit nochmal prüfen.

Es handelt sich wahrscheinlich um ein in den Niederlanden in Kleinserie hergestelltes Gerät unter Verwendung von Bauteilen des Herstellers DECCA, eventuell wurden diese über die niederländische Tochterfirma "Hollandsche Decca Distributie" angekauft. Die markanten Bedienelemente für den Motor finden sich im auch in den großen DECCA-Salon Modellen wie etwa dem Modell Nr. 71.

Ich vermute, dass auch der Stuhl selber aus dem Großhandel stammt, denn die Umbauten für das Grammophon sind doch etwas grob geraten. Während des Spiels kann die Klappe geschlossen werden, sodass man sich hinsetzen kann, während die Musik spielt.
Tatsächlich klingt das Gerät gar nicht mal so schlecht, die Meltrope III ist ja sehr beliebt unter Sammlern und der Trichter ist verhältnismäßig groß. Die Kurbel kann entfernt werden.

Mir selber war nur gerüchteweise bekannt, dass es mal solche Grammophone gegeben haben soll und war umso erstaunter, dass ein solches dann auf Ebay - Kleinanzeigen angeboten wurde. Der Kauf erfolgte dann durch meine Vermittlung; es findet sich im Internet nur ein weiteres Modell mit einem anderem Typenschild und unter der Bezeichnung "Comodophon" in der Sammlung eines Herrn Geigle. Man hätte es sonst für einen kreativen Neubau aus späterer Zeit halten können.

LG. Schellack



















[ Bearbeitet So Jul 19 2020, 17:24 ]
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DGAG
Fr Jul 17 2020, 18:14

⇒ Mitglied seit ⇐: So Dez 31 2017, 12:30
Wohnort: Berlin
Beiträge: 646
Meiner Meinung nach ist das ein, in jüngerer Zeit ausgeführter, "kreativer" Umbau eines Toilettenstuhls. Beim Blick von unten kann man die kreisrunde Aussparung sehen in der die Schüssel eingehängt wurde. Ziemlich eklig wenn man sich vorstellt, dass der Stuhl benutzt wurde.

Auch das Comodophon der Sammlung Geigle gehört in diese Kategorie.
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PONOPHON
Fr Jul 17 2020, 18:30
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Dez 12 2015, 17:45
Wohnort: Österreich
Beiträge: 246
Na ja, es fällt einem wirklich schwer zu glauben dass das Gerät aus der Zeit stammen soll. Die dilettantische Anordnung des Trichters und der Motor, wo Öl und Fett auf den Boden tropfen deuten eher auf die Kreation eines geschäftstüchtigen Geistes neuerer Zeit hin. Warum sollte sich 1930 jemand einen sprechenden Leibstuhl gekauft haben, bei dessen Bedienung man sich auf den Boden knien muss? Damals sollte das ja ein Gebrauchsgegenstand sein und kein Sammlerstück, dass die meiste Zeit sowieso nicht benützt wird. Das Krakelee des Markenzeichens und dessen Erhaltung bzw. Überarbeitung passen auch nicht zur Innenseite des Deckels. Das Vorkommen eines weiteren Geräts, bei dem andere Teile verbaut wurden würde ich nicht gerade als Provenienz sehen. Auf der Homepage dieser Sammlung sind neben absoluten Spitzenstücken leider auch eigne leicht als Fälschung identifizierbare Geräte gezeigt.
Z.B. das Klingsor Gerät mit dem falschen Unterbau, sodass sich wieder jeder Benutzer dazu hinknien muss. Offenbar waren die Menschen früher beweglicher. Oder als absolute Krönung das Doppeltrichter Grammophon von 1910, dass sogar als Einzelanfertigung beschrieben ist. 1910 dürfte es demnach aber noch keine Tonarme und keinen Plattenteller gehabt haben. Die stammen nämlich aus der Zukunft um 1930. Ganz abgesehen von allen anderen nachgemachten Teilen, wie z.B. die Trichter ...
Beim Abgebildeten „Komodophon“ hat sich als erster ins Auge springender Fehler der Name eingeschlichen. Schaut man genau, sieht man dass auf dem schwarzen Markenzeichen dieses Exemplars nämlich auch der Name „Komodaphone“ steht.
Ich glaube eher – und vielleicht kann jemand das Gegenteil plausibel machen - da hat wohl jemand zwei ähnliche (denn gleich sind sie nicht) Leibstühle in jüngerer Zeit zu Sprechmaschinen umgebaut.


Zusätzliche Anmerkung: Bei näherer Betrachtung dürfte es sich beim Schriftzug „Komodaphon“ um Reibbuchstaben oder mit Schablone aufgebrachte Buchstaben handeln, da sie nicht in einer Linie sind. Die Umrandung sieht gemalt aus.


[ Bearbeitet Fr Jul 17 2020, 19:03 ]
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Schellack
So Jul 19 2020, 17:22
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Feb 29 2012, 18:09
Beiträge: 118
Hallo,

danke für die Rückmeldungen. Es wäre natürlich schon sehr ärgerlich, wenn es sich um einen jüngeren Neubau handelt, der dann aber wohl auch schon wieder einige Jahrzehnte alt ist.

Bzgl. des Motors: der Trichter sitzt genau da drunter, sodass hier theoretisch Fett drauf fließen könnte.
Das mit dem Namen ist mir allerdings auch aufgefallen.

Es ist natürlich möglich, dass auch in den 30er-Jahren ein findiger Bastler einfach aus vorhanden Geräten einige dieser Objekte gebastelt hat und versuchte diese zu verkaufen. Eventuell einfach auch als Novität. Vor allem, wenn man sich mal so ansieht, was es nicht sonst noch für kuriose Konstruktionen gab (z.B. Grammophone in künstlichen Topfpflanzen oder halt die wohl von verschiedenen Herstellern gebauten Phonolampen.) ist dies nicht so unwahrscheinlich.

Ich werde bis auf weiteres die Datierung von dem Gerät mit einem Fragezeichen versehen, bis sich eine Provenienz feststellen lässt, was aber wohl recht schwierig sein dürfte.
Außerdem habe ich vor, den Herrn Geigle mal anzuschreiben und um einige Detailfotos seines Modells bitten.
LG. Schellack

[ Bearbeitet So Jul 19 2020, 17:25 ]
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Telraphon
So Jul 19 2020, 19:43
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Apr 03 2017, 18:57
Beiträge: 333
Gegen dieses Gerät spricht halt wirklich die stümperhafte Ausführung. Innerhalb der letzten Jahre habe ich 3 oder 4 davon im Angebot gesehen - alle glichen sie sich in der wirklich grobschlächtigen Ausführung des Umbaus, begonnen bei nicht geschliffenen Motorbrettern über die Verwendung von zu langen Schrauben (=Ausbrüche im Holz) bis hin zu "Anpassungen" die gemessen am zersplitterten Holz mit der Stichsäge gemacht wurden.
Der Markt für derart "eklige" Artikel wie nicht sonderlich antike Toilettenstühle war in den 80ern - äußerst treffend gesagt - beschissen. Der MArkt für Kuriositäten hingegen war groß - was diese vermutlichen Fälschungen vielleicht erklären könnte. Aus Sperrmüll Geld gemacht sozusagen.
Dieser Schemel alles in Allem ist kein Vergleich z.b. zum angesprochenen Floraphon von Phönix, welches a) mit 1906 um Jahrzehnte älter und b) technisch trotzdem deutlich ausgereifter als dieses Exemplar hier ist, auch wenn der Klang ebenfalls zu Wünschen übrig lässt... Noch dazu hatte zumindest mein Floraphon auch einen Boden und keinen frei hängenden Motor für hübsche Sprenkelmuster auf dem Teppich und umstehenden Möbeln.
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Schellack
Sa Jul 25 2020, 16:38
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Feb 29 2012, 18:09
Beiträge: 118
Hallo,

ich konnte mich inzwischen mit Herrn Geigle in Verbindung setzen und dieser ist ebenfalls der Ansicht, dass es sich hierbei um eine Neukonstruktion / Bastelei handelt.
Er war so freundlich, mir Fotografien von seinem Exemplar zuzusenden und hat mir erlaubt, diese hier zu veröffentlichen:













Wie man sieht, wurden hier eindeutig Teile eines Koffergrammophons verwendet.

Die Fotografie der Unterseite lässt auch die Verwendung von Kreuzschlitzschrauben vermuten, welche ja in historischen Geräten nicht verwendet wurden. Ich schließe mich deshalb der Meinung an, dass es sich bei diesen Geräten um Basteleien späteren Datums handelt.

Es bleibt trotzdem ein kurioses Stück, das, bei korrekter Kennzeichnung als Bastelei, die Sammlung dennoch bereichern kann. Um den Verlauf dieser Diskussion zu erhalten, werde ich aber meinen Eingangspost nicht um die neuen Informationen ergänzen.

LG. Schellack
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Rundfunkonkel
So Jul 26 2020, 02:22
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Bitte mal prüfen, ob die Schalldose in etwa parallel zur Platte läuft. Auf dem Foto sieht das für mich arg daneben aus, so als ob die Schalldose am Ende der Platte ziemlich quer/schräg zur Platte laufen würde. Im Forum gibt es einen Protractor, zum basteln und dann nachmessen dieses Fehlwinkels. Und zu kurz kommt es mir auch vor. Wo landet die Nadelspitze, wenn man den Arm (bzw. die Nadel) auf die Mittelachse ausrichtet?

[ Bearbeitet So Jul 26 2020, 02:25 ]
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Schellack
So Jul 26 2020, 18:06
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Feb 29 2012, 18:09
Beiträge: 118
Hallo,

da das zuletzt vorgestellte Gerät nicht mir gehört und ich mit dem Herrn Geigle auch nur telefonisch Kontakt hatte, kann ich bzgl der Schalldosenposition leider nichts nachprüfen. Bei dem von mir vorgestellten Gerät kommt die Schalldose einigermaßen gerade am Plattentellermittelpunkt an. Das sollte für ein solches Grammophon und für ein Bestelobjekt im tolerierbaren Rahmen sein.

LG. Schellack
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