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Electrola Tungstift - Halbdauernadeln für´s Grammophon
Moderatoren:SchellackFreak, berauscht, GrammophonTeam, Charleston1966, DGAG, Der_Designer, LoopingLoui
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Formiggini
So Feb 19 2012, 13:50 Druck Ansicht

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Vermutlich habt ihr auch schon mal diese Werbung auf einer Electrola Plattenhülle gesehen:





Laut Werbung sollten diese Nadeln in einem Grammophon (Schalldose) bis zu 200 Plattenseiten spielen, ohne das ein Nadelwechsel notwendig war.
Realistisch eingeschätzt, waren aber so um die 50 Plattenseiten möglich, ohne der Platten Schaden zuzufügen.

Wie war dies möglich? Immerhin hatten die damaligen Schalldosen ein Auflagegewicht zwischen 120gr - 170gr, normale Stahlnadeln sollten nach jeder Plattenseite gewechselt werden..

Die Lösung versteckt sich schon etwas im Namen - Tung. Tungsten ist das englische Wort für Wolfram, diese Halbdauernadel hatten eine Spitze aus dünnem Wolframdraht, diese war bedeutend härter als Stahl. Allerdings war die Spitze so dünn, das sie in der Rille gleitete, ohne die Rillenflanken auszuhobeln.
Zwar kam es trotzdem zu einem gewissen Abrieb, dieser war aber bedeutend geringer als bei den üblichen Stahlnadeln.

Diese Nadeln wurden während des ersten Weltkrieges in den USA von der Victor entwickelt, sie führten sie als Tungs-tone bis in die frühen dreißiger Jahre im Programm.

Im Januar 1916 kam Victor mit diesen Halbdauernadeln auf den Markt.





Hinter der Erfindung stand aber nicht nur der Wunsch das lästige Nadel wechseln zu erleichtern, die Gründe waren etwas pragmatischer: Bedingt durch den ersten Weltkrieg, wurde in den USA Stahl rationiert - der Victor drohte wesentlich weniger Nadeln produzieren zu können. Wolfram hingegen wurde nicht rationiert - es stecken also genauso wirtschaftliche Interessen hinter dieser Dauernadel.

Die Nadeln konnten sich, auch Dank entsprechender Werbung sowohl in den USA, wie auch in England einen gewissen Marktanteil sichern.





Die Herstellung der Nadeln war recht kompliziert, Victor entwickelte jedoch eine eigene, halbautomatische Fertigung. Täglich wurden in den USA für den Weltweiten Markt bis zu 25.000 dieser Nadeln produziert.

Auszüge aus der Patentschrift verdeutlichen etwas den Vorgang, wie der dünne Wolframdraht eingesetzt wurde:









Dank des höheren Komforts für den Hörer, versuchten auch andere Firmen (in den USA) auf den Wolfram Zug zu springen.
Eine der erfolgreichsten war Everplay .

Um die Patente der Victor zu umgehen, war hier der Wolframdraht nicht in den Nadelschaft eingesetzt, sondern auf einem Dorn aufgewickelt. Am Ende ragte die Spitze heraus. War diese abgeschliffen, wurde durch ein kleines Sternrädchen das nächste Stück Draht abgewickelt.

So konnten wirklich mehrere hundert Platten gespielt werden, bevor eine neue Everplay gekauft werden musste.

Die folgenden Bilder motivieren vielleicht den ambitionierten Bastler zu einem Nachbau...












Bildquellen: Eigene & Talking Machine Forum: Link - Hier klicken


[ Bearbeitet So Apr 01 2012, 17:18 ]
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Rundfunkonkel
So Feb 19 2012, 14:07
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1118
Hallo,

ist diese Nadel so etwas in der Art? Ich bekam sie mal als Testexemplar.





Gruß

RFO

[ Bearbeitet Sa Mär 31 2012, 17:47 ]
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Formiggini
So Feb 19 2012, 14:12

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Nein!

Solche Nadeln dürfen nicht in Grammophon Schalldosen verwendet werden - Plattenschaden!
Bei 10 Platten kann man auch kaum von einer Dauernadel sprechen...

Diese besitzen nur eine besonders gehärtete Spitze, und wurden für "modernere", leichtere elektrische Tonabnehmer der 40er/50er Jahre entwickelt. Sie kamen z.B. in frühen Jukeboxen zum Einsatz.
Es handelt sich bei diesen Nadeln um ein gänzlich anderes System.

Tungstifte, bzw. Tungs-tone Nadeln sind heute leider sehr rar, in Europa kaum erhältlich und entsprechend teuer.

[ Bearbeitet So Feb 19 2012, 14:13 ]
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Rundfunkonkel
So Feb 19 2012, 14:30
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1118
Da ich bei diesem Händler auch meine Saphirnadeln für die Elektrospieler bestellt hatte, lag es auch nahe, dass das Probeexemplar ebenfalls für leichtere Tonabnehmer gedacht war.

Gruß

RFO

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gramofan
So Feb 19 2012, 19:02
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Okt 01 2011, 20:32
Wohnort: bei Berlin
Beiträge: 1176
Was bei allen Dauernadeln leider meist vergessen wird (die Hersteller haben es auch bewusst nicht deutlich gemacht): Platte und Nadel reiben sich aneinander. Je härter eines von beiden Materialien ist, desto geringer sein Abrieb, aber desto größer der Abrieb des anderen Materials. Man ahnt es schon: je härter die Nadel, desto größer der Plattenabrieb. Entsprechend erkauft man die Einsparung bei den Nadeln mit einem erhöhten Plattenabrieb (sei es nun an den Rillenflanken oder am Boden der Rille, je nach Form). Meine Meinung daher: Dauernadeln gerne in den enstpr. Dosen in die Vitrine aber nicht zum Abspielen von Schellacks!
In Deutschland wurden die Nadeln übrigens von Electrola unter dem Namen "Tungstift" verkauft. Selbst die Dose war (bis auf den Aufdruck) mit der amerikanischen identisch.

[ Bearbeitet So Mai 19 2013, 15:21 ]
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Gast
Mo Feb 20 2012, 08:55
Gast
Das Gesagte über die besonders harten Dauernadeln ist völlig richtig ! Uns Plattensammlern sollte es wichtiger sein, die Platten besonders wenig abzunutzen und nicht etwa die (zu harte) Nadel besonders lange benutzen zu können.

Natürlich sind die alten Patente und Erfindungen alle sehr interessant, aber man muß sie auch unbedingt im zeitlichen Zusammenhang sehen.
Schellackplatten waren Verbrauchsartikel...

So oft habe ich es schon geschrieben, wiederhole es aber gern: selbst die damaligen Hersteller gingen davon aus, daß eine Platte nach 100 x Abspielen mit Grammophon/Nadel unbrauchbar abgenutzt war. Deutliche Abnutzungsspuren wie strapazierte, graue Rillenumgänge treten schon schleichend wesentlich früher auf.

Hier sei nochmal an den Beitrag "Nadelvergleich" erinnert, wo noch einige Details erwähnt sind:

Link - Hier klicken

Gruß, Nils

[ Bearbeitet Mo Feb 20 2012, 08:57 ]
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Formiggini
Mo Feb 20 2012, 09:07

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Hallo Nils,

danke das du nochmal darauf hingewiesen hast - mit der Vorstellung der Tungstifte ging es mir nicht darum alternativen zu qualitativ hochwertigen Stahlnadeln zu geben, geschweige den zu der Plattenschonenden elektrischen Abtastung mittels eines modernen Leichttonabnehmers (Dies wird immer die schonendste Möglichkeit der Abspielung für die meisten von uns sein)!




Wie du schon sagtest, Platten waren damals "Verschleißmaterial" - als solches dürfen wir sie heute natürlich nicht betrachten!

Damals gab es einfach noch nicht die uns heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Abtastung - diese sollten aber natürlich genutzt werden.

Spaß machen aber die verschiedenen Entwicklungsstufen und deren Betrachtung trotzdem ;)
Grüße


PS: Die einzige Möglichkeit wenn man Platten auf dem Grammophon abspielen will & sich sicher sein will den guten Stücken keinen Schaden zuzufügen, ist die Verwendung von Bambus und Kaktusnadeln: Link - Hier klicken

[ Bearbeitet So Mär 30 2014, 13:29 ]
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HGN
Di Feb 21 2012, 08:07
⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Dez 30 2011, 13:30
Wohnort: Hellerup bei Kopenhagen
Beiträge: 113
Hallo

Möchte doch ordnungshalber anführen dass das Wort Tungssten aus Skandinavien (Sweden) stammt. :-)

Tungsten, also known as wolfram (wuul-fram), is a chemical element with the chemical symbol W and atomic number 74. The word Tungsten comes from the Swedish language tung sten directly translatable to heavy stone.[3]
A hard, rare metal under standard conditions when uncombined, tungsten is found naturally on Earth only in chemical compounds. It was identified as a new element in 1781, and first isolated as a metal in 1783. Its important ores include wolframite and scheelite. The free element is remarkable for its robustness, especially the fact that it has the highest melting point of all the non-alloyed metals and the second highest of all the elements after carbon. Also remarkable is its high density of 19.3 times that of water, comparable to that of uranium and gold, and much higher (about 1.7 times) than that of lead.[4] Tungsten with minor amounts of impurities is often brittle[5] and hard, making it difficult to work. However, very pure tungsten, though still hard, is more ductile, and can be cut with a hard-steel hacksaw.[6]
The unalloyed elemental form is used mainly in electrical applications. Tungsten's many alloys have numerous applications, most notably in incandescent light bulb filaments, X-ray tubes (as both the filament and target), and superalloys. Tungsten's hardness and high density give it military applications in penetrating projectiles. Tungsten compounds are most often used industrially as catalysts.

Gruss HGN


[ Bearbeitet So Mai 05 2013, 20:15 ]
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Formiggini
Mo Feb 27 2012, 11:50

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
In diesem Artikel von 1931 wird auf die Nachteile von Dauernadeln eingegangen und wie man sich bemühte diese zu Beheben.
Interessant, das auch hier auf das Phänomen eingegangen wird, das Wolfram zwar weicher als die Platte, aber härter als Stahl ist. Dies wird ja auch schon in dem Werbeartikel von 1916 benannt:
We cannot explain why - it is one of nature´s secrets - a phenomenon. We only know it is true...






[ Bearbeitet So Apr 01 2012, 17:00 ]
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GrammophonTeam
So Mai 19 2013, 12:44
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1826
Aus einem englischen Artikel von 1931 über die Herstellung der Tungsten-Stifte bei der HMV diese beiden Bilder der Maschine die den Wolfram Draht in die Nadel einsetzt.
Aus dem Artikel geht noch hervor, das der Draht eine Länge von 1,6mm hat.

Auf einem rotierendem Diamantkegel wird die Spitze des Drahtes auf ihre Spielbreite von 0,08mm geschliffen.





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Hedensö
So Mär 30 2014, 12:31
⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Jan 06 2012, 11:09
Beiträge: 889
Hallo zusammen,

ich habe nachfolgend mal ein paar Fotos einer Tungstift-Nadeldose von Electrola eingestellt.
Interessant sind auch die Gebrauchsanweisungen.







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GrammophonTeam
So Jun 14 2015, 14:47
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1826
Die Spitze einer Wolframnadel (Tungsten) nach mehrmaligem Spiel (unter dem Mikroskop).


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_-_-_
So Jun 14 2015, 18:15
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Mai 12 2011, 09:46
Beiträge: 253
Vorher / Nachher wäre interessant.

[ Bearbeitet So Jun 14 2015, 18:15 ]
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GrammophonTeam
Di Nov 10 2015, 18:15
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1826

(1931)
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Schellackfloh
Di Nov 10 2015, 19:44
⇒ Mitglied seit ⇐: So Okt 18 2015, 15:41
Wohnort: Hungen
Beiträge: 90
Danke für diese interessanten Beiträge.
Die Bequemlichkeit der Menschen hat ja so einiges hervorgebracht.

Umso spannender,dass viele heute wieder Vinyl oder Schellackplatten hören,obwohl
MP3 doch so schön bequem ist.

Also ich finde das Ritual Aufziehen der Feder und Nadelwechseln sehr
angenehm.Man bewegt sich ja heute sowieso zu wenig

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