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Die Bewertung der Musikkultur des 3.Reiches aus heutiger Sicht
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Formiggini
Fr Mär 30 2012, 19:59 Druck Ansicht

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1579
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von Gast

Nun ja.

Daß die "Plattenkataloge ab 36 ausgedünnt" wurden, entspricht einfach nicht den Tatsachen.

Jede der großen Firmen hatte bis zum Kriegsausbruch ein beachtlich großes Programm an Platten mit moderner Tanzmusik aus Amerika und England.
Beispielhaft sei hier die Firma Brunswick genannt, die von der Deutschen Grammophon in Deutschland auf den Markt gebracht wurde.

Der Schlager "Caprifischer" war nicht generell "verboten" , auch wenn das immer und immer wieder so dargestellt wird.

Er wurde im RUNDFUNK (aus den o.g. Gründen) nicht mehr gespielt.
Die Originalplatte mit Magda Hain und auch die Aufnahme mit Schuricke auf Grammophon war unbehindert käuflich, sofern es die Marktlage 1943 noch zuließ.

Näheres zu den "Caprifischern" sie auch hier: Hier klicken

Gruß, Nils

von Aristodemo

@Nils, stimmt, Tauber war noch 1938 im Odeon-Katalog verzeichnet.In der Lotte Lehmann Biographie(eines Engländers)steht ihre Platten wären nach 33 nicht mehr in Deutschland erhältlich. Im Kriegskatalog 1940 von Odeon sind noch alle verzeichnet. Electrola/Columbia 1940 hat noch das eglische Repertoire drinn........
Gruß Michael

von joha

Ja Nils insofern hast du recht,wenn ich das Wort´´ verboten´´ in´´ unerwünscht ´´umwandele entspricht das eher der Tatsache,die großen Plattenfirmen versuchten mit allen Tricks ihre Katalogvielfalt zu erhalten.Es entstand ein reger Matrizentausch mit dem Ausland was in Deutschland nicht mehr die Freigabe erhielt wurde über die Töchter im Ausland vertrieben,Imperial,Brunswick,Odeon,Telefunken versuchten das.Auch gab es Tricks einen völkischen Titel auf der einen Seite zubringen und eine abgewandelte Swingnummer auf der anderen,Konzerne in die Knie zu zwingen war natürlich nicht einfach,siehe Lindstömgeschichte es spielten auch noch lange Tanzorchester unter besonderer Kontrolle,viele versuchten über Wien ins Ausland zukommen solange es noch ging,mit Kriegsbeginn wurde es immer schwieriger,Marcel Wittrich sang das Tauberprogramm,Franz Baumann ergänzte,Erna Sack ergänzte die Damenstimmen ein schleichender Prozeß,alles was Kunst und Kultur auf Platte anging lief über Fritz Hipplers Tisch und wurde genau verfolgt und zensiert.Auf der anderen Seite brachten Soldaten Platten aus den besetzten Gebieten zum Fronturlaub mit Belgien,Dänemark,Schweden,Frankreich hatte natürlich noch alles im Katalog was in Deutschland nur unter der Hand zu bekommen war.

von Gast

Fritz Hippler war "Reichsfilmindendant".

Ein Zusammenhang mit Hippler und Schlagermusik ist mir nicht bekannt, Hippler selbst erwähnt davon auch nichts in seinem sehr ausführlichen Buch "Die Verstrickung".

Wie es auch sei, es ist "off topic" hier und deswegen möchte ich jetzt nicht weiter darauf eingehen.

Ich sehe jedenfalls den deutschen Plattenmarkt vor 1939 sehr anders.

Kann ja vorkommen.

von joha

Gut, Nils wir müssen nicht der gleichen Meinung sein,zu Hipplers Aufgaben gehörte die Zensur,da die meisten Schlager aus Filmen stammten,fiel genau das in seinen Tätigkeitsbereich.
Gruß Jörg

von berauscht

Ich kann mich Nils nur anschließen. So verboten und unerwünscht wie vieles heute dargestellt wird, waren viele Dinge in der Zeit vor dem 1. September 1939 nicht. Dies änderte sich mit dem Kriegsbeginn radikal.
Wenn sich Dir die Gelegenheit bietet, schau Dir beispielsweise Rundfunkprogrammzeitschriften aus dem Sommer 1939 an. Dort wird bis Ende August noch breit das Programm der ausländischen Sender die man bei uns gut empfangen kann abgedruckt. Im Feuilleton liegt der Anteil der politischen Themen wohl deutlich unter 10%. Mit Kriegsbeginn ändert sich alles. Der Anteil von Politik, Propaganda und Kriegsberichten steigt auf vermutlich über 95%. Der Programmteil schrumpft, da es nur mehr ein Einheitsprogramm gibt, und das hören ausländischer Sender bei Strafe verboten wird.



[ Bearbeitet Fr Mär 30 2012, 20:11 ]
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snookerbee
Fr Mär 30 2012, 21:44
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1676
Da ja jetzt die Richtung des Threads klar ist, könnte man hier einmal "Legenden" näher betrachten, die sich immer wieder breitmachen, wie Nils schon bemerkte.

Die Legende, daß man nach 1933 keine Swing- und Jazzplatten aus dem Ausland mehr bekommen konnte, sollte mittlerweile geklärt sein. In FOX auf 78 Heft 25 wird darauf hingewiesen, dass man sogar bis 1943 in der Berliner Musikalienhandlung Alberti noch "feindstaatliche" Platten kaufen konnte. Alberti bot offen "Restbestände ausländischer, teils sogar feindstaatlicher Provenienz an." Man wolle sie wohl auf keinen Fall wegwerfen, was aus kaufmännischer Sicht auch verständlich ist. Das alltägliche Leben war schon immer pragmatischer als die offizielle Linie. Das war sicher nicht im gesamten "Reich" so, aber wieso sollte ein Händler in einer kleineren Gemeinde anders gedacht haben?
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Gast
Sa Mär 31 2012, 04:25
Gast
Wenn man 1944 Platten kaufen wollte, war es folgendermaßen (meinem Zeitzeugen sei DanK!) : der Einzelhändler bekam monatlich eine Auswahl an Platten. Gezielte Bestellungen waren nach eigenen Recherchen so etwa ab Ende 43 nicht mehr möglich.

Man mußte sich als Käufer also aus dieser vom Großhändler zusammengestellten Auswahl etwas aussuchen.

Offensichtlich war aber auch mal eine Platte darunter, die eigentlich nur für den Export vorgesehen war. Dem Einzelhändler war das ziemlich egal, der war am Verkauf interessiert !
So kam es zustande, daß diese Platte etwa zum Jahreswechsel 1943/44 ganz regulär in Potsdam verkauft wurde:




=====================================================0

Obiges habe ich mal aus einem meiner älteren Beiträge hierher kopiert, weil es so schön zu dem Thema von Snookerbee paßt, daß wohl viele Händler verkauft haben, ganz ohne groß auf "erwünscht" oder "unerwünscht" zu achten.

Der oben erwähnte Zeitzeuge ist inzwischen leider im Dezember letzten Jahres im Alter von 98 Jahren verstorben.

Gruß, Nils
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Aristodemo
Sa Mär 31 2012, 15:25
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jan 21 2012, 01:07
Beiträge: 426
Die Platte ist ja ein Export-Import, nach dem "P" auf dem Etikett in den Pariser ODEON-Werken für Deutschland gepresst.
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joha
Sa Mär 31 2012, 15:26
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985
Ja mag sein das verschiedenes noch im Handel war oder auf Umwegen den Weg zum Laden fand, jeder Ladeninhaber kannte seine Kundschaft persönlich und wusste somit wer was suchte oder Fan war in Berlin war es sicher anders als in anderen Städten damals,im Hauptkatalog der Grammophon fanden sich noch 1939/1940 ein ganze Anzahl von Tanzplatten mit englischen Texten und Orchestern Jack Hylton,Bar Trio,Bauschke,Joost auch Swing war noch vertreten der Katalog umfasste natürlich 497 Seiten.Der erste Kriegskatalog 1940 der sich auch so nannte nur 24 Seiten, hatte keinen englischen Titel mehr Programm auch Orchester wurden ersetzt, obwohl man behauptete der Hauptkatalog bleibt in Kraft.
Wörtlich: Der Kriegskatalog 1940 stellt eine Auswahl-Liste besonders begehrter und bevorzugt lieferbarer Schallplatten dar,-Daneben bleibt unser Hauptkatalog in Kraft-Bei allen im vorliegenden Verzeichnis nichtenthaltenen,nur im Hauptkatalog aufgeführten Schallplatten muß mit längerer Lieferzeit gerechnet werden. So die Grammophon zu Ihren Kunden.Manche Lieferzeit dauerte bis nach dem Krieg.
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Gast
Sa Mär 31 2012, 15:35
Gast
Ja, sie hat einen für französische Presungen typischen Pappkern.
Deswegen auch das gut sichtbare "P".
Diese Platten durften nämlich nicht in die wiederverwertbare Pressmasse aus Altplatten geraten, weil die hohen Papieranteile die Masse sehr verschlechtert hätte.

In deutschem Auftrag in Paris gepresst für den deutschen Export nach Dänemark...und in Potsdam im regulären Verkauf gelandet.
Schon ganz interessant.

Ein Berliner Sammler erzählte mir, daß genau dieser Werdegang der Exportplatten nicht ganz so selten gewesen sein kann.

Er hatte einige Exemplare in der Sammlung, die auch mit Gewissheit in den regulären deutschen Handel gekommen sind.

Gruß, Nils
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Aristodemo
Sa Mär 31 2012, 15:41
⇒ Mitglied seit ⇐: Sa Jan 21 2012, 01:07
Beiträge: 426
Mein Onkel,Jahrgang 1923 hat mir berichtet man musste eben schnell genug aus den monatlichen Nachträgen auswählen, die Sperrlisten der RM-Kammer kamen ja immer mit Verpätung.
Und dank der Feldpost wurde ja auch so manches in´s Reich gesendet.Wenn hier am kleinen Standort die Geschäfte immer 3000 Platten vorrätig hatten, wie sah das dann in Dresden aus, Wendland (Generalvertretung der DG)an der Prager Strasse oder Parlophon,ich meine an der Seestrasse, Telefunken hatte auch eine Niederlage..da war doch noch vieles möglich, bzw. erhältlich.
Zu den Katalogen, ELECTROLA/COLUMBIA scheint 1939/40 noch nicht den Rotstift angesetzt zu haben.
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Rundfunkonkel
Sa Mär 31 2012, 16:02
⇒ Mitglied seit ⇐: So Jul 03 2011, 16:48
Wohnort: Umkreis Köln
Beiträge: 1112
Hallo,

das mit der Zensur bzw. dem, was uns in Büchern so breit heute erklärt wird, würde ich ohne Überprüfung nicht stehen lassen. Zeitzeugen berichten meist von ganz anderem als das, was man uns heute beschreibt. Das Leben damals war zwar eingeengt, aber eben nicht nur schwarz/weiss, sondern bunt.

Angeblich hatte die RRG eine Sendung im Programm, in der ausdrücklich vor Musik gewarnt wurde die man nicht hören sollte, und dann Beispiele davon gesendet. Solche Stilblüten liegen mir leider nicht vor. Dafür ein paar kurze private Mischnitte aus dem RRG Programm auf Kunststoffplatten. Dort ertönt ein Spektrum von eingängiger Klassik bis Tanzmusik, ähnlich dem heutigen WDR 4 Programm.

Gruß

RFO
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joha
Sa Mär 31 2012, 16:28
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985
Mein Vater ist Jahrgang 1925 leider verstorben,Dresden hatte eine sehr große Anzahl von Musikalienhandlungen so unter anderem Das Musikhaus Bock auf der Prager Strasse,Niederlassungen der Elektrola,Odeon,Columbia,Adler,usw.Ein sehr modernes Haus auf drei Etagen gab es alles was den Musikliebhaber damals das Herz höherschlagen lies.Mit dem Machtantritt der Nazis wurde die Reichskulturstadt ins leben gerufen.Verweise da auf die Wanderaustellung,, Verstummte Stimmen,,Dresden erhielt einen Sonderstatus und es wurde auf die Pauke gehauen,Gauleiter Mutschmann (König Mu Genannt)war ein getreuer Parteigenosse und zog die NS-Linie voll durch.Theater,Bühnen,Kabaretts wurden geschlossen ,Künstler versuchten schnell nach Prag oder Wien auszuweichen.Jüdische Geschäfte wurden geplündert auch mehrere Schallplattengeschäfte wurde die Ware auf die Stasse geworfen,und man schrieb im Dresdener Anzeiger die Geschäfte der Prager Strasse jetzt im Arischen Besitz,nun muss man Wissen das die Dresdener zu 75% Deutsch National wählten.Auch in Kriegszeiten hatte Dresden Sonderstatus wo anders gab es kaum noch Kino oder Tanzveranstaltungen in Dresden gab es soweit alles zwar mit Einschränkungen bis 13.2.1945 dem Großangriff.Viele Dresdner verloren Ihre Schallplattensammlungen oder tauschten sie auf dem Schwarzmarkt gegen Essbares.Viel blieb nicht übrig und so ist der Platten Markt ausgetrocknet.Tauber und Harry Roy waren in Dresden sehr beliebt.Viele Nazigrößen kurten regelmäßig in Dresden auf dem weißen Hirsch in Lahrmanns Sanatorium unter anderem Frau Rökk und Frau Goebels
der Sonderstatus (Lazarettstadt und Flüchtlingsstadt) rettete die Stadt auch nicht was man fälchlicher weise annahm.Seit 1943 war klar auch Dresden hat mit Großangriffen zu rechnen, aber man glaubte nicht daran,das es jemand wagen würde, die weltbekannte Kulturstadt anzugreifen.Was für ein Irrglaube.
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joha
Sa Mär 31 2012, 16:40
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Mär 26 2012, 15:45
Wohnort: Dresden/Sachsen
Beiträge: 985
Viele Grammophonplatten wurden noch in Dresden aufgenommen der Saal der Lutherkirche war bekannt für seine gute akustik,erschienen meist unter Meisterklasse Grammophon auch auf Elekrola sind Aufnahmen bekannt
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