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Deutsche Pressungen von Swingtiteln während der NS-Zeit
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schellackplatte
Fr Jul 01 2011, 20:38
⇒ Mitglied seit ⇐: Do Jun 23 2011, 11:33
Beiträge: 42
Adi Rosner ein Trompeter bei den Weintraubs emigrierte nach Frankreich. Musikalisch zurückgekehrt ist er auf Columbiaplatte mit seinem Orchester.
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odeon62
Mo Jul 04 2011, 18:37
Gast
Das Problem war wohl auch nicht, die Platten zu bekommen, sondern diese ungestört zu hören....Hot-Titel auf dem Koffergerät in der Öffentlichkeit oder bei geöffnetem Fenster, für Minderjährige sicherlich nicht unproblematisch und selbst als Volljähriger musste man ja immer mit Volkegenossen rechnen, deren öffentliches Ärgernis erregt wurde....das Reich war ja voll mit so aufmerksamen Charakteren....
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Gast
Mo Jul 04 2011, 18:58
Gast
Dazu gebe ich zu bedenken, daß Kapellen wie Teddy Stauffer allabendlich öffentlich auftraten. Auch mit englischen Titeln.

Es wird oft behauptet, daß das Hören/Spielen solcher Platten "bestraft" wurde, aber es findet sich kein Gesetz, was dieses angebliche Verbot in Worte faßt.

Ruhestörung hingegen ist auch heute noch verboten. Und wenn die Leute in einer Grünanlage etc ihre Ruhe haben wollen und ein paar Jugendliche eine öffentliche Zwangsbeschallung per Grammophon vornehmen... da spielte die Art der Musik keine Rolle.

Man konnte ja nun nachgewiesenermaßen bis zum Kriegsbeginn alles kaufen, was das Herz begehrte. Stichwort Brunswick.

Es gab ganz sicher keine Probleme, wenn man diese Platten auch zu Hause in Zimmerlautstärke angehört hat und keinem damit auf den Wecker ging.

[ Bearbeitet Mo Jul 04 2011, 18:59 ]
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Formiggini
Mo Jul 04 2011, 19:06

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Meine Großtante, Jahrgang 1911 studierte in den 30´er Jahren in Berlin. Sie war ein großer Louis Armstrong Fan. Eine ihrer Lieblingsplatten war der "St. Louis Blues".

Sie erzählte mir mal, das sie um die Hausherrin (Sie hatte ein Zimmer in einer Pension) nicht zu verärgern beim abspielen des St. Louis Blues auf die Grammophonnadel ein Stückchen Radiergummi steckte. In dieses wurde wieder eine Nadel gesteckt.

So spielte Armstrong ein ganzes Stück leiser.
Dies war wohl nötig, da die gestrenge Hausdame wohl regelmäßig Tobsuchtsanfälle bekam, wenn in ihrer Pension "Negermusik" die Gänge entlang schallte...



[ Bearbeitet So Dez 31 2017, 09:47 ]
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Gast
Mo Jul 04 2011, 19:29
Gast
Ja, Uli und die Hausdame muß nicht mal zwingend eine alte "Nazitante" gewesen sein.

In den 20/30er Jahren mochte der ganz überwiegende Teil der bürgerlichen Gesellschaft nicht unbedingt "Negermusik", also die sehr moderne Tanzmusik. Das merkt man ja noch heute daran, welche Platten häufig auf dem Flohmarkt auftauchen.


Gruß, Nils

[ Bearbeitet So Dez 31 2017, 09:48 ]
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Formiggini
Mo Jul 04 2011, 19:44

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Da gebe ich dir Recht, Nazi war die Dame mit Sicherheit nicht.
Selbst meine Großmutter - eine sehr liberale und weltoffene Dame, konnte mit den Jazzkapellen die sie um 1931/32 in Dresden hörte nichts anfangen.
Jazz blieb für sie Zeit ihres Lebens eine Suspekte Sache.
Dafür konnte sie tolle Küchenlieder singen... ;)
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Gast
Fr Jul 08 2011, 20:31
Gast
Noch ein Nachtrag dazu.

Gestern abend habe ich mit dem Zeitzeugen telefoniert, den ich hier schon manchmal erwähnt habe.

Der alte Herr ist zwar vor ein paar Wochen 98 Jahre alt geworden, hat aber noch eine völlig lockere Sicht auf die Dinge und ein Gedächtnis, wie ich es mir jetzt schon wünschen würde...

Der alte Herr hat sich ab 1932 sporadisch Platten gekauft, regelmäßig in den enddreißiger Jahren bis Kriegsende. Vor Kriegsausbruch auch mal Benny Goodman auf Electrola, oder eine Duke Ellington auf Brunswick und so weiter.

Er war in den Jahren Stabsapotheker, also durchaus auch politisch engagiert - die Beurteilung dessen soll aber jetzt nicht das Thema sein.

Als ich ihn nun fragte, wie das mit dem öffentlichen Hören von Schallplatten in den Kriegsjahren war, äußerte er sich wie folgt: er kann sich vorstellen, daß ein heimlicher Anschwärzer es wohl schwer gehabt hätte. Schon allein, wie sollte so eine Person denn unterscheiden, ob da "Mitternacht am Kongo" mit Benny de Weille spielt, oder das Benny Goodman Quartett ?
Wir können das heute natürlich leicht als Fans unterscheiden, aber so gut hat sich die normale Bevölkerung damit einfach nicht ausgekannt. Die allermeisten Deutschen kannten nicht einmal den Namen Benny Goodman, geschweigedenn eine Aufnahme von ihm.

Der alte Herr bestätigte hier eindeutig: viele Menschen waren im Krieg sehr dünnhäutig und ganz einfach etwas allergisch, wenn andere womöglich ausgelassen feierten und mit lauter Tanzmusik die Ruhe störten.

Er machte mir einen weiteren Aspekt klar, den ich noch gar nicht so bedacht hatte. Er selbst vermied es, in den Kriegsjahren (so ab 43) Platten mit englischem Gesang aufzulegen.
Und zwar mit Rücksicht auf Nachbarn. England hatte im Sommer 1943 den großen Angriff auf Hamburg geflogen, bei dem über 40.000 Menschen umkamen.
Der Zeitzeuge sagt hier eindeutig, daß auch er es einfach "instinktlos" gefunden hätte, nach diesem Angriff öffentlich am Badestrand etc Schlagerplatten mit englischem Gesang zu spielen.

Man muß kein Nazi sein, um nachzuvollziehen, daß sich Leute sehr provoziert gefühlt haben, wenn Jugendliche englischsprachige Schallpaltten öffentlich spielten und die Bevölkerung nachts zitternd im Bunker sitzt und von den Engländern die Häuser zertrümmert bekommt.

Heute haben wir eine andere Sicht auf die Ereignisse gelehrt bekommen, das ist ja auch gut, aber zu einem wirklichen Urteil der Lebensrealtät- und mentalität dieser Kriegsjahre reicht die "aufgeklärte" Sicht meiner Meinung nach nicht ganz aus.

Ich habe übrigens extra nochmal nachgefragt, aber dem alten Herren ist es nicht bekannt, daß es offiziell verboten war, die Platten im Krieg zu spielen, die man sich 39 ja noch kaufen konnte.

Warum er es trotzdem nicht getan hat, das habe ich ja schon geschrieben.

Gruß, Nils
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snookerbee
Fr Jul 08 2011, 21:36
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1685
Hallo Nils, vielen Dank für den Nachtrag. Die Erinnerungen Deines Bekannten sind wirklich interessant. Er dürfte mit seinen 98 Jahren wohl auch einer den letzten Zeitzeugen dieser Jahre sein. Der Alltag der damaligen Zeit wird uns ja beim Hören der Musik überhaupt nicht bewust. Sicher hat man die eine oder andere Geschichte mal gehört, doch kann ich heute nur noch schwer zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden. Manchmal tauchen auf Youtube Dokumentationen zum Thema "Swing" auf. So z.B. hier relativ neu in zwei Teilen:

Link - Hier klicken
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Dabei wird immer wieder auf eine begrenzte Zahl von relativ populären Zeitzeugen wie z.B. Coco Schumann zurückgegriffen, was ja auch in Ordnung ist. Wenn dann aber Andrej Hermlin, der die Zeit ja nur aus Erzählungen kennt, erklärt, wie der Swing unter den Nazis verfolgt wurde, dann denke ich: "Hier wird der falsche Mann befragt...."

Interessant ist ab 9:15 im ersten Teil die Aussage des Zeitzeugen zum Kauf amerikanischer Platten nach Kriegsausbruch und das Hören von Swing-Musik in der Öffentlichkeit direkt am Anfang des 2. Teils.

Vielleicht sollten wir im Forum versuchen, alte Geschichten zur Alltagskultur und Tanzmusik zu sammeln, die uns noch von unseren Ahnen weitergegeben worden sind.

Viele Grüße
Claus
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Formiggini
Fr Jul 08 2011, 22:08

⇒ Mitglied seit ⇐: Di Dez 28 2010, 19:20
Beiträge: 1578
Vielleicht sollten wir im Forum versuchen, alte Geschichten zur Alltagskultur und Tanzmusik zu sammeln, die uns noch von unseren Ahnen weitergegeben worden sind.


Die Idee find´ich richtig gut!
Schließlich entwickelt sich dieser Thread ja schon in diese Richtung.

Ich werde einen entsprechenden thread eröffnen. Was bis jetzt hier schon gesammelt/erzählt wurde, sollte bitte jeder dann nochmal per kopieren & einfügen (copy & paste) in den neuen thread einbringen.



[ Bearbeitet So Dez 31 2017, 09:50 ]
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berauscht
Fr Jul 08 2011, 23:09
"Urgestein" Autor

⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Jan 06 2010, 21:59
Beiträge: 2014
Früher hat Günther Discher, als Zeitzeuge und Musikexperte, einiges aus der Zeit als Gast in einer Radiosendung erzählt. Leider habe ich damals die Stellen zwischen der Musik nie auf der Kasette mitgeschnitten. Sein Leben als jugendlicher Swingliebhaber in der NS-Zeit wird ja aber auch in dem Hollywoodfilm "Swingkids", nicht ganz dokumentarisch, erzählt.

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